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Vergiftungen und Drogenabusus

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  41 Vergiftungen und Drogenabusus

Wolf R. Külpmann

41.1 Einleitung

Vergiftungen sind Krankheiten. Sie können unmittelbar durch Giftzufuhr von außen hervorgerufen werden. Sie können aber auch mittelbar durch „Giftung“ einer beigebrachten Substanz (z.B. Methanol) im Organismus oder bei Überschreiten der Kapazität des Entgiftungsmechanismus, z.B. bei Paracetamol, verursacht werden. Generell gilt: „All Ding sind Gift und nichts ohn’ Gift, allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist“ (Paracelsus).

Exogene Vergiftungen können unter kurativ medizinischen (medizinische oder klinische Toxikologie) oder rechtsmedizinischen Aspekten (forensische Toxikologie) betrachtet werden.

Exogene Vergiftungen erfolgen absichtlich oder unabsichtlich. Absichtliche Vergiftungen werden durch fremde Hand, z.B. Giftmord und vorsätzliche Gesundheitsschädigung durch Gift oder durch eigene Hand, z.B. Selbstmordversuch und Selbstbeschädigung, hervorgerufen. Unabsichtliche Vergiftungen sind durch fremde oder eigene Hand, fahrlässig oder zufällig bedingt. Unabsichtliche Vergiftungen ereignen sich am Arbeitsplatz (gewerbliche Vergiftungen) im häuslichen Bereich sowie im medizinischen Bereich durch Arzneimittel.

Vergiftungen sind häufig. In medizinischen und pädiatrischen Kliniken beträgt der Anteil der Vergiftungen an der Gesamtzahl der Klinikaufnahmen 5–8 %. In Notaufnahmen sind etwa 10 % der eingelieferten Personen Patienten mit akuten Vergiftungen. Sie betreffen besonders häufig jüngere Menschen. So liegt der Gipfel der Altersverteilung der suizidalen Schlafmittelvergiftungen bei 20–30 Jahren /1/.

Art und Häufigkeit der zu Vergiftungen führenden Stoffe sind in Tab. 41-1 – Beteiligte Substanzen bei stationär behandelten Vergiftungen in England und Wales zusammengefasst. Regionale Unterschiede in der Verteilung sind möglich. So kommen Vergiftungen mit Pflanzenschutzmitteln in ländlichen Gegenden häufiger vor, während in industrialisierten Gebieten chlorierte Kohlenwasserstoffe einen größeren Anteil haben.

Einen Überblick über die im Mittelpunkt stehenden Ursachen für Vergiftungen gibt Tab. 41-2 – Ursachen von Vergiftungen. Ein rascher Wandel im Spektrum der im Einzelnen verwendeten Arzneimittel ist möglich, z.B. infolge Änderung gesetzlicher Bestimmungen im Rahmen einer Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn Tabak- und Alkoholabusus einschließlich ihrer Folgeschäden einbezogen werden (Tab. 41-3 – Todesfälle durch Vergiftungen). Die Zahl der Drogentodesfälle im Jahr 2008 entspricht immerhin etwa 30 % der Verkehrstoten in diesem Zeitraum.

Zur günstigeren Prognose von exogenen Vergiftungen haben die Verbesserung der notfallmedizinischen Versorgung und die Entwicklung der modernen Intensivtherapie, insbesondere der Reanimationstechnik, sowie optimierte Entgiftungsmaßnahmen und Antidottherapie beigetragen.

Die klinisch-toxikologische Analytik umfasst Methoden des qualitativen Nachweises und der quantitativen Bestimmung von Giften sowie Verfahren zum Nachweis von Giftwirkungen.

41.1.1 Qualitative Analytik

Die Hauptaufgabe der qualitativen Analytik besteht darin, die Anwesenheit von Giften in toxikologisch relevanter Konzentration nachzuweisen oder auszuschließen. Die Bedeutung des qualitativen Giftnachweises für die Diagnostik in der klinischen Toxikologie ergibt sich aus Studien, die zeigen, dass die zum Zeitpunkt der Probennahme gestellte Diagnose im Vergleich zu den Ergebnissen der klinisch-toxikologischen Untersuchungen im Mittel nur zu 22 % richtig ist, in 36 % teilweise richtig und in 42 % falsch /13/. Bei der Wahl des Untersuchungsmaterials ist zu bedenken, dass kurz nach Aufnahme der toxischen Verbindung die Substanz nur im Blut, aber evtl. (noch) nicht im Urin nachweisbar ist.

41.1.2 Quantitative Analytik

Die quantitative Bestimmung von Giften im Blut ermöglicht häufig Rückschlüsse auf den Schweregrad der Vergiftung. Sie ist wichtig für die Indikation zur Therapie der Giftelimination und gestattet, die Wirksamkeit der eingeleiteten Therapie zu überwachen.

41.1.3 Methoden des Nachweises von Giftwirkungen

Zum indirekten Nachweis von Giften verwendet man ihre typischen Wirkungen im Organismus z.B.:

  • Die Bildung von CO-Hämoglobin, das durch Einatmen von Kohlenmonoxid (auch in Brandgasen enthalten) entsteht (siehe Beitrag 15.5.2 – Carboxyhämoglobin).
  • Die Bildung von Methämoglobin, das durch Einwirkung von Substanzen entsteht, die eine Oxidation von Hämoglobin bewirken (Anilin-Derivate, Sulfonamide, Nitrosegase). Siehe Beitrag 15.5.1 – Methämoglobin, Hämiglobin.
  • Die Hemmung der (Pseudo-) Cholinesterase im Serum durch organische Phosphorverbindungen (Pflanzenschutzmittel, z.B. Parathion) und Carbamate.
  • Die Verlängerung der Thromboplastinzeit z.B. durch Phenprocoumon oder Superwarfarine (Rodenticide).
  • Der Abfall der Glucose im Blut nach Applikation von Antidiabetika, z.B. Insulin, orale Antidiabetika.

41.1.4 Allgemeine Laboruntersuchungen

Ergänzend zu den Verfahren des Giftnachweises sind klinisch-chemische und hämatologische Untersuchungen bei Vergiftungen notwendig:

Auf die Präsenz eines ausgerüsteten und funktionsfähigen Notfalllaboratoriums im Betrieb von 24 Std. kann in diesem Zusammenhang nicht verzichtet werden. Typische Ergebnisse von klinisch-chemischen Untersuchungen bei bestimmten akuten Vergiftungen sind aufgeführt in Tab. 41-8 – Typische Laborbefunde bei akuten Vergiftungen.

41.2 Indikation zur Untersuchung

Die Verdachtsdiagnose einer Vergiftung beruht auf Hinweisen aus der Anamnese und auf klinischen Symptomen. Folgende Hinweise sind zu beachten:

41.2.1 Anamnese

  • Wichtige Fragen zur Giftaufnahme lauten: Was? Wie viel? Wann? Wie?
  • Antworten auf diese Fragen sind nicht immer vorhanden und werden oft unwillig gegeben. Sie können unvollständig, unverlässlich oder absichtlich unrichtig sein. Sie können durch die Motivation der Vergiftung oder durch den klinischen Zustand des Patienten beeinflusst sein. Deshalb ergeben Eigen- oder Fremdanamnese retrospektiv nur in ca. 60 % Übereinstimmung mit den tatsächlich aufgenommenen und nachgewiesenen Giften.

41.2.2 Klinische Symptome

Klinische Leitsymptome ermöglichen eine erste diagnostische Orientierung (Tab. 41-9 – Leitsymptome bei medikamentösen Vergiftungen).

Grundsätzlich ist an eine Vergiftung zu denken bei:

  • Allen bewusstlosen Patienten, insbesondere bei Bewusstlosen unter 50 Jahren.
  • Erkrankungen, deren Symptome Ähnlichkeiten mit denen einer bestimmten Vergiftung zeigen.
  • Auffälligem Foetor der Atemluft (häufig Ethanol).
  • Allen plötzlich mit Erbrechen und/oder Durchfällen Erkrankten.
  • Allen mit Kreislaufschwäche beginnenden Erkrankungen.
  • Unerwartet auftretenden Arrhythmien ohne Hinweis auf eine kardiale Erkrankung.
  • Blut unterlaufene Druckstellen (häufig bei komatösen Patienten mit schwerer Schlafmittelvergiftung, die erst nach längerem Liegen aufgefunden wurden).
  • Gleichzeitiger akuter Erkrankung mehrerer Personen im gleichen Haushalt bzw. Einrichtung oder Miterkrankung von Haustieren.
  • Hinweisen aus der Eigenanamnese auf die Einnahme oder Verabreichung eines Giftes.
  • Beeinträchtigung ohne Hinweis auf vorausgegangenes Trauma.
  • Plötzlich erkrankten Kleinkindern.
  • Arbeiten mit toxischen Produkten.
  • Entwicklung von Rauchgas oder Bränden.
  • Verstörten Patienten, die keine Anamnese geben können oder wollen.
  • Bekannt gewordenen Äußerungen über Lebensunlust oder Suizidabsichten.
  • Auffinden leerer Arzneimittelpackungen, Flaschen oder Gläsern mit suspektem Inhalt in der Umgebung des Patienten.
  • Jeder unklaren Symptomatik, speziell wenn es sich um Kinder handelt.

Ethylalkohol: Die quantitative Bestimmung im Blut sollte bei jedem Verdacht auf eine akute Vergiftung durchgeführt werden. Ethanol ist bei vielen Intoxikationen mit beteiligt. Ethylalkohol und Pharmaka sind häufig alleinige oder teilweise Ursache von Traumata. Deshalb muss bei Unfallopfern ihre Beteiligung ausgeschlossen werden.

41.2.3 Auswahl der Untersuchungen

Die Auswahl der toxikologischen Untersuchungen orientiert sich am Vergiftungstyp wenn die Symptome entsprechend ausgeprägt sind. Das ist in ca. 65 % der Fälle zu erwarten. Vielfach liegt jedoch eine Vergiftung mit zwei Giften vor, was zu einem klinisch schwer zu diagnostizierenden Krankheitsbild führen kann.

Das zweite Gift ist häufig Ethylalkohol. In ca. 17 % der Fälle ist mit drei oder mehr Giften zu rechnen. Deshalb sollte das Untersuchungsspektrum nicht zu schmal sein und stets die Ethanolbestimmung einschließen /8/. Eine Zusammenstellung typischer Symptome bei Vergiftungen mit bestimmten Medikamenten gibt Tab. 41-10 – Typische Vergiftungen mit Medikamenten. Beispiele für klinisch wichtige, nicht medikamentöse Vergiftungen sind aufgeführt in Tab. 41-11 – Wichtige nicht-medikamentös bedingte Vergiftungen.

Besonders tückisch sind Intoxikationen durch Gifte mit verzögertem Wirkungseintritt (z.B. Amanitin, Methanol, Paraquat, Paracetamol, Salicylat) Bei entsprechendem Verdacht sind sofort auch bei Fehlen klinischer Symptome die entsprechenden toxikologischen Untersuchungen durchzuführen und noch vor dem Erhalt der Befunde die gegebenenfalls gebotenen therapeutischen Maßnahmen einzuleiten.

Bestehen bei Verdacht auf eine akute Vergiftung keine eindeutigen Hinweise auf die Art des Giftes, so ist an Stelle des gezielten Einzelnachweises die Durchführung eines systematischen toxikologischen Untersuchungsgangs erforderlich.

41.3 Untersuchungsmethoden

Die Techniken zum Nachweis und zur Bestimmung von Giften in Körperflüssigkeiten und Geweben haben ihren Ursprung häufig in der forensischen Toxikologie. Nach der Probenvorbereitung werden je nach Gift verschiedene Nachweis- und Bestimmungsmethoden eingesetzt, von denen folgende von besonderer Bedeutung sind /10111213/:

  • Orientierender Farbtest.
  • Immunoassay.
  • Dünnschichtchromatographie.
  • Gaschromatographie mit N- und P-sensitivem oder massenspezifischem Detektor (MSD).
  • Gaschromatographische Dampfraumanalyse (Headspace GC) zur Erfassung flüchtiger Lösungsmittel.
  • Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC).
  • Flüssigkeitschromatographie–Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS).
  • Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) zur Bestimmung von Schwermetallen.
  • Spektralphotometrie (UV/VIS).

Weitere Verfahren, die von Bedeutung sein können, sind die chromometrische Gasanalyse, Potentiometrie mittels ionenselektiver Elektroden (ISE) zur Bestimmung von Bromid, Cyanid oder Fluorid, Fluoreszenz-Spektrophotometrie, Infrarot-Spektroskopie und die Voltammetrie (z.B. Thalliumbestimmung).

Einfache toxikologische Untersuchungsmethoden, die im Notfalllaboratorium eines größeren Krankenhauses durchführbar sein sollten, sind aufgeführt in:

41.4 Untersuchungsmaterial

In Hinblick auf die Vielzahl möglicher Gifte und die Vielfalt der Umstände, in denen toxikologische Untersuchungen erforderlich sein können, ist es schwierig, allgemein verbindliche Angaben über das erforderliche Untersuchungsmaterial zu machen. Im Falle eines erwachsenen Patienten, bei dem eine systematische toxikologische Untersuchung angefordert wird, sollte zumindest folgendes Untersuchungsmaterial zur Verfügung gestellt werden:

  • Heparinblut: 10 ml
  • Harn: 50–100 ml
  • Mageninhalt (falls vorhanden): 50–100 ml

Unter Mageninhalt werden Erbrochenes, abgesaugter Mageninhalt oder die ersten Portionen der Magenspülflüssigkeit verstanden.

Die Probennahme sollte erfolgen, bevor eine Therapie eingeleitet wird:

  • Medikamente können auf verschiedenste Weise toxikologische Analysen stören, z.B. durch analytische Interferenz.
  • Eine Therapie mit hyperbarem Sauerstoff macht die Diagnose einer CO-Vergiftung unmöglich, da unter dieser Behandlung CO-Hämoglobin rasch dissoziiert und nicht mehr nachweisbar ist.

Asservate, die leicht flüchtige Verbindungen in erheblicher Konzentration enthalten könnten, müssen Gas dicht verschlossen und getrennt von anderen biologischen Proben, in denen diese Substanzen nicht oder nur in niedriger Konzentration vorhanden sind, transportiert und aufbewahrt werden.

Für die Bestimmung von Ethylalkohol im Blut muss die Blutentnahme ohne Desinfektion mit Alkohol erfolgen und die Blutprobe für den Transport Gas dicht verschlossen werden.

41.4.1 Blutprobe zum Suchtstoff-Nachweis

Bei der Blutentnahme müssen wegen der Häufigkeit von AIDS und Virushepatitis bei Drogenabhängigen die Hygienevorschriften besonders sorgfältig eingehalten werden.

41.4.2 Urinprobe zum Suchtstoff-Nachweis

Die Probennahme sollte möglichst unter Aufsicht erfolgen. Oft versuchen die Probanden die Probe zu manipulieren durch:

1. Verdünnen der Probe mit Wasser (oder vorab exzessivem Trinken).

2. Zusatz von Störsubstanzen, z.B. WC-Reiniger.

3. Zusatz von Methadon.

4. Unterschieben einer mitgebrachten Probe.

Zur Erkennung der Manipulation empfiehlt sich:

ad 1) Bestimmung der Creatininkonzentration, Osmolalität oder Dichte der Probe.

ad 2) pH-Bestimmung, Chromat-, Nitritnachweis.

ad 3) Bei Substitution mit Methadon der Nachweis des Methadon-Metaboliten EDDP im Urin anstelle von Methadon. Da EDDP nicht leicht zugänglich ist, kann es dem Urin nach dem Wasserlassen nicht zugesetzt werden und weist deshalb ggf. zuverlässig die Einnahme von Methadon nach.

ad 4) Temperaturmessung. Eine mitgebrachte Probe hat eine niedrigere Temperatur als frisch gelassener Urin (Tab. 41-13 – Eigenschaften von frisch gelassenem Urin).

Im Internet tauchen auf einschlägigen Seiten immer neue Tipps auf, wie man (angeblich) Drogennachweise manipulieren kann. Reagenzien zum Nachweis von Verfälschungsstoffen, die zu prüfen erlauben, ob das Analysenverfahren ungestört abläuft, sind kommerziell erhältlich.

41.4.3 Speichelprobe zum Suchtstoff-Nachweis

Speichel kann leicht unter Aufsicht gewonnen und somit eine Manipulation leichter als bei Urin ausgeschlossen werden. Die Speicheluntersuchung kann mit Hilfe eines tragbaren Analysengerätes vorgenommen und mit eingebauter Kamera ausgewertet und dokumentiert werden.

41.4.4 Haarprobe zum Suchtstoff-Nachweis

Der Nachweis von Drogen in Haaren wird forensisch genutzt. Da die Suchtstoffe laufend ins Haar eingebaut werden, kann durch abschnittsweise Untersuchung eines Haarbüschels ein Eindruck vom Drogenabusus des Probanden in den zurückliegenden Wochen und Monaten gewonnen werden.

41.4.5 Serumprobe zum Suchtstoff-Nachweis

Im Gegensatz zu den vorgenannten Materialien zur Untersuchung kann Blut nur durch eine invasive Technik gewonnen werden, die der Proband nicht dulden muss. Andererseits ist die Gewahrsamskette (Chain of custody) leichter ununterbrochen einzuhalten als für Harn. Die Konzentration einer Substanz im Serum spiegelt gewöhnlich die aktuelle Vergiftungssituation besser wider als die im Urin. Andererseits gelingt in der Regel der Nachweis einer Substanz im Urin auf Grund der hohen Konzentration und des verfügbaren größeren Volumens länger als im Blut. Die meisten immunchemischen Verfahren sind nur zur Untersuchung von Harn freigegeben.

41.4.6 Anforderungsbeleg

Der als Begleitzettel verwendete Untersuchungsantrag soll folgende Angaben enthalten:

  • Name und Alter des Patienten.
  • Art und Menge des Untersuchungsmaterials.
  • Entnahmezeitpunkt.
  • Dringlichkeit der Untersuchung.
  • Analytische Fragestellung.
  • Anamnestische Angaben zur Giftaufnahme.
  • Klinische Leitsymptome.
  • Vom Patienten eingenommene Medikamente und gegebenen falls Prämedikation
  • Vorläufige Diagnose.
  • Angaben zur telefonischen Befundübermittlung.

41.5 Toxikologische Untersuchungen bei akuten Vergiftungen

Die ärztliche Versorgung eines Patienten mit dem Verdacht auf eine akute Vergiftung beginnt mit der Festlegung einer vorläufigen Diagnose und der Unterstützung der vitalen Funktionen. Das Schicksal des Patienten kann davon abhängen, wie nahe die vorläufige Diagnose der endgültigen ist und von der Zeit, die notwendig ist, um die endgültige Diagnose zu stellen und mit der spezifischen Behandlung zu beginnen /16/. Die Ergebnisse toxikologischer Untersuchungen sind für die Festlegung der vorläufigen und der endgültigen Diagnose von entscheidender Bedeutung.

Da ein rund um die Uhr einsatzbereites toxikologisches Laboratorium im unmittelbaren Bereich des Krankenhauses oft nicht vorhanden ist, verläuft die Durchführung klinisch-toxikologischer Untersuchungen in Absprache mit dem Laborverantwortlichen häufig in Stufen.

41.5.1 Screening-Untersuchungen im Krankenhauslabor

Das jederzeit verfügbare aus Schnelltests und einfachen Bestimmungen bestehende Screeningprogramm soll sich in seinem Spektrum an den im Einzugsgebiet des Krankenhauses häufiger vorkommenden akuten Vergiftungen und ihrer medizinischen Bedeutung orientieren. Die Auswahl der Untersuchungen soll durch den behandelnden Arzt in Absprache mit dem Laborverantwortlichen unter Berücksichtigung der Anamnese, der Leitsymptome und des Vergiftungstyps erfolgen:

Ein Screeningprogramm, mit dem ca 80% der im Einzugsgebiet des Krankenhauses vorkommenden akuten Vergiftungen erfasst werden können, ist dargestellt in Tab. 41-12 – Beispiel eines einfachen toxikologischen Screeningprogramms. Von dem Screeningprogramm werden pro Vergiftungsfall im Durchschnitt 5–6 Untersuchungen angefordert. Für deren Durchführung werden im Mittel 30 Minuten direkte Personalzeit benötigt.

41.5.2 Weiterführende toxikologische Untersuchungen

Weiterführende qualitative und quantitative toxikologische Untersuchungen erfolgen zur Bestätigung und Ergänzung eines toxikologischen Screenings zum nächst möglichen Zeitpunkt mit den in Beitrag 41.3 – Untersuchungsmethoden angeführten Methoden. Sie sind im Allgemeinen nur bei 10–20 % der Patienten, die mit Verdacht auf eine akute Vergiftung in das Krankenhaus gebracht werden, dringend notwendig, z.B. wenn:

  • Eine schwere Vergiftung vorliegt.
  • Eine Gifteliminations- oder Antidottherapie erwogen wird.
  • Ein erheblicher Widerspruch zwischen den Ergebnissen der toxikologischen Screenings und dem klinischen Bild besteht.
  • Trotz negativem toxikologischen Screening auch die klinischen Untersuchungen keine Erklärung für den Zustand des Patienten ergeben haben.
  • Zusätzlich forensische Aspekte bestehen.

41.5.3 Gezielte Untersuchungen bei lebensbedrohlichen Vergiftungssituationen

Bei konkretem Verdacht auf eine Vergiftung mit den in Tab. 41-14 – Beispiele für lebensbedrohliche Vergiftungen, die gezieltes ärztliches Handeln erfordern genannten Substanzen ist eine sofortige gezielte Untersuchung durchzuführen, da das Ergebnis der Analyse entscheidend ist z.B. für die Durchführung bzw. Fortsetzung einer Antidotbehandlung. Eine sofortige gezielte toxikologische Untersuchung ist ebenfalls auch in Abwesenheit klinischer Symptome bei Verdacht auf eine Vergiftung erforderlich, deren Symptome erst nach längerer Latenz auftreten. Siehe Beitrag 41.2.3 – Auswahl der Untersuchungen.

41.5.4 Systematischer toxikologischer Untersuchungsgang

Die Durchführung eines systematischen toxikologischen Untersuchungsgangs ist notwendig, wenn ein unbestimmter Verdacht auf das Vorliegen einer Vergiftung besteht, aber kein Hinweis auf die Art des Giftes vorliegt. Siehe Abb. 41-1 – Systematischer toxikologischer Untersuchungsgang.

41.6 Bewertung toxikologischer Ergebnisse

Die Bewertung toxikologischer Untersuchungsergebnisse erfordert eine enge Kooperation zwischen Laboratorium und Klinik. Toxikologische Untersuchungsergebnisse sollen grundsätzlich nur in Verbindung mit dem klinischen Bild interpretiert werden. Pharmakokinetische und toxikokinetische Aspekte müssen berücksichtigt werden.

Die Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung sind anzuwenden /38/. Ringversuche zur externen Qualitätskontrolle werden von akkreditierten Einrichtungen durchgeführt (Referenzinstitut für Bioanalytik der DGKL, Bonn; INSTAND Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien, Düsseldorf).

41.6.1 Akute Vergiftungen

41.6.1.1 Qualitative Untersuchungen

Blut

Das negative Resultat einer toxikologischen Untersuchung im Blut schließt eine akute Vergiftung mit der entsprechenden Substanz mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Wird ein Giftstoff im Blut nachgewiesen, so ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass diese Substanz einen toxikologisch relevanten Effekt hervorruft, als wenn sie nur im Harn gefunden wird.

Urin

Bei negativem Urinbefund und Verdacht auf akute Intoxikation muss bedacht werden, dass das Gift kurz nach der Aufnahme evtl. noch nicht im Urin ausgeschieden wurde. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Metaboliten von den Untersuchungsverfahren (z.B. Immunoassay) oft nicht erfasst werden und die Ausscheidungsrate im stärker sauren oder alkalischen Urin reduziert sein kann: Die stärker ionisierte Verbindung wird schlechter tubulär absorbiert und deshalb vermehrt ausgeschieden. Saure Verbindungen, z.B. Phenobarbital oder Salicylat werden deshalb im alkalischen Harn stärker ausgeschieden als im sauren. Basische Verbindungen, z.B. Morphin, werden hingegen vermehrt bei niedrigem pH des Urins ausgeschieden. Wie bedeutsam der Urin-pH für die Ausscheidungsrate ist, wird allerdings kontrovers diskutiert.

Bei schweren Vergiftungen mit Medikamenten wird fast immer soviel der Muttersubstanz im Urin ausgeschieden, dass sie mit qualitativen Tests nachgewiesen werden kann. Bei leichten Vergiftungen muss damit gerechnet werden, dass der qualitative Nachweis der Muttersubstanz im Urin negativ verläuft und die Analytik auf den Nachweis von Metaboliten und Konjugate auszudehnen ist, z.B. bei den Benzo­diazepinen /17/.

Die Ergebnisse qualitativer toxikologischer Gruppentests sind von großer Bedeutung, um rasch die vorläufige klinische Diagnose einer akuten Vergiftung abzusichern und um festzustellen, ob ein Patient mehrere Gifte eingenommen hat.

Die Interaktion mehrerer gleichzeitig im Organismus vorhandener Gifte kann das klinische Bild der Intoxikation durch Summations-, Potenzierungs- oder Subtraktions-Effekte der einzelnen Komponenten entscheidend verändern. Eine gegen sinnige Wirkung ist z.B. bei gleichzeitiger Aufnahme von Amphetaminen und Benzodiazepinen oder Barbituraten und Strychnin zu beobachten. Gleichsinnig wirken z.B. Barbiturate und Ethylalkohol /1/.

Werden mehrere Gifte nachgewiesen, und ist es auf Grund der Anamnese und des klinischen Bildes nicht möglich, das dominierende Gift zu erkennen, müssen bei schweren Vergiftungen so rasch wie möglich quantitative Bestimmungen der Gifte im Blut durchgeführt werden.

41.6.1.2 Quantitative Untersuchungen

Quantitative toxikologische Analysenergebnisse unterliegen grundsätzlich denselben Kriterien der analytischen Beurteilung wie klinisch-chemische mit Angaben zu Präzision, Richtigkeit, Nachweisgrenze, Spezifität.

Für die Transversalbeurteilung eines quantitativen toxikologischen Ergebnisses sollen Referenzbereiche für eine Substanz im Blut oder Serum zur Verfügung stehen:

  • Physiologischer Bereich (keine Exposition). (Referenzbereich für Referenzpopulation definierter Gesundheit)
  • Therapeutischer Bereich.
  • Toxischer Bereich.
  • Konzentrationen, bei denen Todesfälle beobachtet werden.

Richtwerte für:

Bei der Longitudinalbeurteilung und Plausibilitätskontrolle ist zu beachten, dass bei akuten Vergiftungen jederzeit mit Extremwerten gerechnet werden muss, die in jedem einzelnen Fall der sorgfältigen, gemeinsamen Beurteilung durch Arzt und Analytiker bedürfen.

Bei Vergiftungen ohne besondere Komplikationen besteht in vielen Fällen eine gute Korrelation zwischen der aufgenommenen Giftmenge, der Konzentration des Giftes im Blut und der Dauer und Intensität der Giftwirkung.

Unerwartet niedrige Giftkonzentrationen im Blut können gefunden werden, wenn:

  • Ein Patient kurz nach der Giftaufnahme untersucht wird und die Resorption des Giftes noch nicht oder erst teilweise stattgefunden hat.
  • Ein Drogenentzugs-Syndrom besteht.
  • Eine Mischintoxikation vorliegt.
  • Metaboliten für das klinische Bild verantwortlich sind, die analytisch nicht erfasst werden.
  • Andere zusätzliche Ursachen für den Zustand des Patienten vorhanden sind, wie z.B. eine intrakranielle Drucksteigerung durch ein subdurales Hämatom, z.B. nach Sturz einer leicht alkoholisierten Person.

Hohe Konzentrationen an Giftk im Blut werden bei schweren akuten Vergiftungen aber auch bei süchtigen Patienten (für das Suchtmittel) bei häufig vergleichsweise leichten Symptomen infolge Toleranzentwicklung gefunden.

Die Indikation für Gifteliminationsmaßnahmen ist gegeben, wenn eine dem Schweregrad der Vergiftung entsprechend hohe Giftkonzentration im Blut vorhanden ist. Siehe Tab. 41-17 – Grenzkonzentrationen, die eine Hämoperfusion erfordern.

Die Beurteilung der Wirksamkeit der Elimination von Giften kann durch wiederholte Bestimmung der Giftkonzentration im Blut und Berechnung der Clearance und der Eliminations-Halbwertszeit erfolgen. Die bei akut vergifteten Patienten bestimmten Halbwertszeiten können auf Grund der Anwesenheit anderer Medikamente oder infolge von z.B. Schock, Versagen der Funktion von Leber oder Nieren beträchtlich von den Halbwertszeiten der Medikamente bei Patienten ohne Vergiftung abweichen, die meist für gesunde Probanden gelten.

41.6.1.2.1 Paracetamol

Die Vergiftungen mit Paracetamol (Acetaminophen) können schwere Leberzellschädigungen mit akutem Leberversagen hervorrufen /21/. Die in vielen Fällen lebensrettende Therapie mit N-Acetylcystein ist indiziert, wenn die Konzentration des Pharmakons im Blut, bezogen auf den Zeitpunkt der Ingestion, im hepatotoxischen Bereich liegt. Siehe:

41.6.1.2.2 Salicylat

Für Vergiftungen mit Salicylat besteht ähnlich wie bei Paracetamol Intoxikation ein Zusammenhang zwischen der Serumkonzentration einerseits und der Schwere der Vergiftung andererseits unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Einnahme. Siehe Abb. 41-3 – Salicylatkonzentration in Abhängigkeit von der jeweiligen Zeit seit Einnahme und Auswirkung auf den Schweregrad der Intoxikation).

41.6.1.2.3 Cyanid

Es handelt sich um eine extrem toxische Verbindung, die schon in niedriger Konzentration die Zellatmung blockiert, indem sie an Fe3+ der Cytochromoxidasen bindet (Tab. 41-18 – Cyanidkonzentration im Blut). Alkalicyanide werden bei der Gewinnung/Reinigung von Edelmetallen eingesetzt. Zu den organischen Cyaniden zählen Acetonitril und pflanzliche cyanogene Glycoside (z.B. in Samen der Prunusarten: Bittermandel, Aprikose) sowie Nitroprussid-Natrium, das zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt wird. Blausäure wird verwendet zur Rattenbekämpfung auf Schiffen und in Lagerräumen. Sie ist in Brandgasen enthalten und findet sich im Tabakrauch. Es wurde als Zyklon B beim Holocaust eingesetzt.

Der Cyanidnachweis erfolgt mittels Prüfröhrchen (z.B. Dräger) oder Teststreifen (z.B. Macherey & Nagel), die Bestimmung mittels Absorptionsspektrometrie oder Potentiometrie. Bei Brandgasexposition muss außer Cyanid auch CO-Hämoglobin bestimmt werden.

Als Antidot werden eingesetzt: Na-Thiosulfat, Hydroxocobalamin und Methämoglobinbildner (z.B. 4-Dimethylaminophenol).

41.6.1.2.4 Äthanol

9,5 Millionen Personen in Deutschland konsumieren Äthanol in gesundheitlich riskanter Weise; 1,3 Millionen gelten als Alkoholabhängig (Tab. 41-3 – Todesfälle in Deutschland im Jahr 2008). Unter Jugendlichen hat in den letzten Jahren das Rauschtrinken (Binge drinking) dramatisch zugenommen: Im Jahr 2000 mussten 9.500 stationär behandelt werden, 2007 waren es 23.165. Wegen Alkoholabusus in der Schwangerschaft werden 10.000 Kinder/Jahr geschädigt geboren, davon 4.000 mit dem Vollbild des fetalen Alkohol-Syndroms. Die Zahl der durch Alkohol vorgeburtlich geschädigten Kinder ist doppelt so hoch wie die Zahl der Kinder, die mit Down-Syndrom geboren werden /35/.

Vergiftung

Hinweise für die Beurteilung der Konzentration im Blut gibt Tab. 41-19 – Stadien der Ethylalkohol-Intoxikation. Die Ausprägung der klinischen Symptome wird von zahlreichen individuellen, physischen und psychischen Faktoren beeinflusst, wie z.B. Alter, Geschlecht, Konstitution, Ermüdung, Gewöhnung, Überempfindlichkeit, Anflutungs- oder Eliminationsphase von Ethylalkohol. Die Symptome einer Äthanolintoxikation können auch durch andere Ursachen, wie z.B. Medikamenten- und Drogeneinwirkung, Stoffwechselentgleisung oder Schädelverletzung, hervorgerufen oder verstärkt werden. Die Wirkung von Medikamenten kann durch Äthanol erhöht werden, und häufig finden sich gleichzeitig Drogen und Alkohol.

Zur Beurteilung einer Alkoholisierung ist die Bestimmung der Ethylalkohol-Konzentration im Blut bzw. Serum unerlässlich /22/. Die Ethylalkohol-Konzentration im Serum (mmol/l) wird wie folgt in die Blutalkohol-Konzentration (BAK) (g/kg entsprechend Promille) umgerechnet:

CS × Mr × 10–3 × Ds–1 × w–1 = CB

CM × Ds–1 × w–1 = CB

CS × 0,0374 = CB

Cs × Mr × 10–3 = CH

Erklärungen
CB: Ethylalkohol-Konzentration im Blut (g/kg)
CH: Ethylalkohol-Konzentration im Serum (g/l)
CS: Ethylalkohol-Konzentration im Serum (mmol/l)
Ds: Dichte des Serums (1,026 g/kg)
Mr: Relative Molmasse Ethylalkohol (46,07)
w: Wasserverteilungskoeffizient zwischen Serum und Blut (1,20)

41.6.1.2.5 Kohlenmonoxid

Zur Abhängigkeit der klinischen Symptomatik von der COHb-Konzentration siehe Beitrag 15.5.2 – Carboxyhämoglobin.

41.6.1.2.6 Methämoglobinbildner

Siehe Beitrag 15.5.1 – Methämoglobin.

41.6.1.2.7 Methanol

Eine Vergiftung durch Methanol wird verursacht durch (versehentliches) Trinken von Reinigungsmitteln (z.B. Scheibenreiniger, der in Sprudelflasche umgefüllt wurde), mit Methanol vergälltem Industriealkohol oder gepanschtem alkoholischen Getränken. Eine schwere Vergiftung kann zu Erblindung und Tod führen. Sie wird durch den Methanolmetaboliten Ameisensäure hervorgerufen und ist gekennzeichnet durch metabolische Azidose und Hyperosmolalität. Methanol wird, wie andere flüchtige Alkohole und Ketone, bestimmt mittels gaschromatographischer Dampfraumanalyse. Zur spezifischen Behandlung werden Ethanol und Fomepizol zur Verzögerung der Ameisensäurebildung eingesetzt (Tab. 41-19 – Stadien der Ethylalkohol-Intoxikation).

41.6.1.2.8 Pflanzen

Schwere Vergiftungen durch Pflanzen sind selten, wenn auch bei Kindern häufig der Verdacht besteht. Für Deutschland wichtige Giftpflanzen sind aufgeführt in Tab. 41-20 – Giftige Pflanzen und Bäume in Deutschland.

Zur Diagnose werden makroskopische und mikroskopische Charakteristika herangezogen. In Sonderfällen werden zusätzlich Dünnschichtchromatographie, HPLC, GC-MS und LC-MC/MS zur Identifikation eingesetzt. Pflanzliche Herzglykoside lassen sich je nach Kreuzreaktivität mit Hilfe der Digoxin- oder Digitoxin-Immunoassays nachweisen.

Bei Verwendung von vorgeblichen Präparaten der traditionellen chinesischen Medizin können Vergiftungen aus folgenden Gründen auftreten:

  • Verwechslung des Namens und Doppeldeutigkeiten der Bezeichnungen.
  • Zusatz von hoch wirksamen Pharmaka ohne Deklaration.
  • Verunreinigung durch Schwermetalle.
  • Mikrobielle Kontamination (Aflatoxine).

Zur Vergiftung durch Pflanzen in Deutschland siehe Lit. /41/.

41.6.1.2.9 Pilze

Die meisten schweren Pilzvergiftungen in Deutschland werden durch Knollenblätterpilze hervorgerufen, (die mit Champignons verwechselt wurden). Die toxikologische Untersuchung stützt sich auf makroskopische und mikroskopische Charakteristika sowie auf die Bestimmung des extrem toxischen α-Amanitin mittels Immunoassay. Die Behandlung (symptomatisch und mittels Silibinin) muss bei Verdacht sofort einsetzen und nicht erst bei Vorliegen des Befundes oder den typischer weise mit Latenz auftretenden Symptomen (infolge schwerer Gastroenteritis und später Leberzerfall). Andere Pilzvergiftungen spielen in Deutschland keine wesentliche Rolle. Gastrointestinale Störungen kurz nach einer Pilzmahlzeit sind meist durch bakterielle Kontamination des Gerichts bedingt.

41.6.1.2.10 Giftige Tiere

In Europa sind Bienen und Wespen die wichtigsten giftigen Tiere, wenn auch aus den Stichen normalerweise keine gefährliche Vergiftung resultiert. Bei sensibilisierten Personen kann jedoch ein einziger Stich über eine allergische Sofortreaktion einen allergischen Schock auslösen, der zum Tode führen kann. Ganz allgemein spielen toxikologische Laboruntersuchungen bei Tiergiften keine Rolle, da ihre Konzentration sehr niedrig ist und gewöhnlich aus einer Vielzahl verschiedener Proteine besteht. Die Diagnose stützt sich in der Regel alleinig auf die Identifikation des Tieres.

41.6.2 Hirntod

Bei schweren Vergiftungen und anderen, mit Bewusstlosigkeit einhergehenden Zuständen kann im Verlaufe des Krankheitsgeschehens die Differentialdiagnose zwischen Intoxikations bedingtem Koma und irreversiblem Funktionsverlust des Gehirns Probleme bereiten, da bei beiden Zuständen ein Null-Linien-EEG auftreten kann.

Vor Beendigung der Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen schwer Hirn-geschädigter Patienten muss daher die Anwesenheit von Medikamenten, die eine Depression der Funktion des ZNS bewirken können, z.B. Barbiturate, Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva, durch Bestimmung im Blut ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für die entsprechenden Medikamente, die im Rahmen der Behandlung dieser Patienten häufig eingesetzt werden /23/.

41.6.3 Chronische Vergiftungen

Chronische Vergiftungen werden bei Personen beobachtet, die regelmäßig der Einwirkung von toxischen Arbeitsstoffen ausgesetzt sind. In entsprechenden Berufen tätige Personen werden auf Grund von gesetzlichen Regelungen einer regelmäßigen Überprüfung ihres Gesundheitszustandes unterzogen. Eine Aufstellung toxischer Arbeitsstoffe, der vorgesehenen toxikologischen und sonstigen Untersuchungen, sowie der noch zulässigen Grenzwerte in Blut und Urin sind angegeben in Tab. 41-16 – Untersuchung von Arbeitnehmern bei Exposition mit toxischen Arbeitsstoffen.

Kohlenmonoxid

Die chronische Kohlenmonoxid-Exposition kann eine Vielzahl von neurologischen Symptomen hervorrufen /24/. Mit photometrischen Methoden erhaltene Werte über 10 % CO-Hämoglobin bezogen auf die Konzentration des gesamten Hämoglobins im Blut können als sicher pathologisch gelten. Bei starken Rauchern können bis 10 % CO-Hämoglobin im Blut gefunden werden.

Aluminium

Bei Hämodialyse Patienten mit oraler AL(OH)3-Gabe als Phosphatbinder kann eine exzessive Akkumulation von Aluminium zu ausgeprägten Veränderungen der Knochenstruktur und zur tödlichen Enzephalopathie führen /25/. Die laufende Überwachung der Patienten durch Bestimmung von Aluminium im Serum und in der Dialyseflüssigkeit ist zu empfehlen.

41.6.4 Suchtstoffabhängigkeit

Suchtstoffabhängigkeit kann infolge Wechselwirkung eines Pharmakons mit dem Organismus entstehen. Sie ist durch besondere Verhaltensweisen und Reaktionen charakterisiert ist. Dazu gehört das Verlangen, den Suchtstoff periodisch oder dauernd einzunehmen, um dessen psychische Effekte zu erleben oder um die unangenehmen Effekte seines Fehlens zu vermeiden.

Wichtige Suchtstoffe sind aufgeführt in Tab. 41-21 – Empfehlungen zum Nachweis von Suchtmitteln /27/.

Veränderungen in der Drogenszene lassen sich abschätzen anhand der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen (Tab. 41-22 – Erstauffällige Konsumenten harter Drogen).

Die Prüfung auf gängige Suchtmittel erfolgt in der Regel zunächst mittels Immunoassays (IA) im Urin (Drogen-Screening) (Tab. 41-21). Positive Befunde bedürfen der Bestätigung mittels einer anderen Methode, die spezifischer und empfindlicher als das Screeningverfahren ist, z.B. Gaschromatographie-Massenspektrometrie oder Flüssigkeitschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS). Es ist zu beachten, dass sich einige Suchtmittel nur schlecht oder gar nicht mit Immunoassays nachweisen lassen.

41.6.4.1 Amphetamine/Weckamine

Zu dieser Gruppe gehören außer Amphetamin und Methamphetamin auch die sogenannten Designerdrogen (Ecstasy) wie:

  • Methylendioxyamphetamin (MDA).
  • Methylendioxymethamphetamin (MDMA).
  • Methylendioxyethylamphetamin (MDEA).
  • Methylbenzodioxazolylbutanamin (MBDB).
  • Benzodioxazolylbutanamin (BDB).
  • p-Methoxyamphetamin (PMA).
  • p-Methoxymethylamphetamin (PMMA).

Diese Substanzen werden häufig bei Tanzveranstaltungen (Techno-Party) eingenommen und können zu tödlicher Hyperthermie führen. Außerdem werden beobachtet: Hepatopathie, Gerinnungsstörungen, Rhabdomyolyse, Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen. Die neuerdings vermehrt verwendeten PMA und PMMA sind gekennzeichnet durch einen verzögerten Wirkungseintritt. In Unkenntnis wird wegen vermeintlichem Ausbleiben der Wirkung eine weitere Dosis zugeführt, was eine lebensgefährliche Vergiftung nach sich ziehen kann. Die Immunoassays zum Nachweis dieser Substanzgruppe im Urin besitzen die angegebene Empfindlichkeit häufig nur gegenüber der Kalibratorsubstanz (z.B. Amphetamin oder Methamphetamin) und sind gegenüber den Designerdrogen meist sehr viel unempfindlicher.

Das gilt auch für:

  • Die sog. Pep pills, wie z.B. 1-Benzylpiperazin, das legal als Antihelmintikum erhältlich ist. Es soll (chemisch mit Amphetamin verwandt) Ecstasy ähnliche Wirkungen besitzen und kann zerebrale Krampfanfälle auslösen.
  • Khat. Catha edulis ist ein Strauch, dessen frische Blätter unter dem Namen Khat gehandelt werden. Sie setzen langsam nach Verbringen in Mundhöhle und Backentaschen dem Amphetamin verwandte Substanzen (Methcathinon, Pseudoephedrin) frei. Khat-Gebrauch ist in Ostafrika und im Jemen weit verbreitet, sowie unter den Immigranten aus dieser Gegend.

Ein generelles Problem besteht darin, dass in immer kürzerer Zeit neue Verbindungen auftauchen, die chemisch minimal von Amphetamin verschieden sind. Sie entfalten qualitativ ähnliche und z.T. stärkere Wirkungen als die offiziell illegalen Weckamine. Eine genaue systematische pharmakologische Untersuchung solcher Substanzen bezüglich Risiken, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Verwendung wird meist nicht zur Verfügung stehen oder möglich sein. Sie sind frei erhältlich, solange sie nicht explizit verboten sind. In Europa trifft das zur Zeit (März 2011) auf 16 Verbindungen zu, in Japan auf 51 (International Narcotics Control Board der Vereinten Nationen). Als typisches Beispiel ist Mephedron (4-Methyl-N-methcathinon) zu nennen. Die Verbindung hatte größere Bedeutung, da sie in der Schweiz bis zum Verbot am 01.12.2010 als „Pflanzendünger“ über das Internet legal erhältlich war. In Deutschland ist die Substanz seit Anfang 2010 verboten. Die Nachweismöglichkeiten solcher Verbindungen mittels der eingeführten Amphetamin-IA ist nicht absehbar und muss einzeln geprüft werden (siehe auch Beitrag 41.6.4.15 – THC/Cannabinoide)

41.6.4.2 Barbiturate/Methaqualon

Die Bedeutung der Barbiturate ist seit der Aufnahme in das Betäubungsmittelgesetz in der Drogenszene stark zurückgegangen, ebenso wie die von Methaqualon. Die immunchemischen Gruppentests zum Nachweis von Barbituraten im Urin erfassen die verschiedenen Barbiturate sehr unterschiedlich empfindlich. Manche werden zudem im Organismus vollständig metabolisiert, so dass die Urinuntersuchung aus diesem Grunde negativ verläuft.

41.6.4.3 Benzodiazepine

Ca. 1,4 Millionen Erwachsene in Deutschland gelten als Medikamenten abhängig, davon 70 % Frauen. 1–2 % der Erwachsenen nehmen ein Jahr oder länger regelmäßig Benzodiazepine ein, 10–17 % mindestens einmal im Jahr /35/. Zur Zeit sind etwa 50 verschiedene Benzodiazepine verfügbar, von denen überwiegend nur die Abbauprodukte und Konjugate im Urin erscheinen. Zum empfindlichen Nachweis ist deshalb der Urin vor Untersuchung mit dem Immunoassay-Gruppentest zu hydrolysieren. Trotz Hydrolyse können insbesondere Verbindungen, die bereits in geringer Konzentration wirksam sind, wie z.B. Flunitrazepam, dem Nachweis entgehen.

Die Empfindlichkeit der Gruppentests ist nicht mit der Wirkungsstärke des einzelnen Benzodiazepins korreliert, sondern hängt ab von der chemischen Affinität des Antikörpers zum jeweiligen Epitop. Die Nachweisdauer ist von der Geschwindigkeit der Elimination abhängig, die je nach Benzodiazepin zwischen 2–4 h (Midazolam) und 40–250 h (Flurazepam) schwankt.

41.6.4.4 Buprenorphin

Das Substitutionsmittel für Heroinabhängige ist mit einem speziellen Immunoassay im Urin nachzuweisen.

Cocain: Im Organismus wird Cocain rasch in Benzoylecgonin, Ecgoninmethylester, Norcocain und Ecgonin umgewandelt. Für den Nachweis im Urin werden zum Screening entweder Immunoassays eingesetzt, die spezifisch nur Benzoylecgonin erfassen oder Immunoassays, die außerdem Cocain nachweisen.

In der Regel sind Immunoassays, die nur Benzoylecgonin erfassen, zu bevorzugen: Benzoylecgonin ist ein Indikator für die Körperpassage des Suchtstoffes, während Cocain dem Urin auch nachträglich zugesetzt worden sein kann.

41.6.4.5 Dextromethorphan

Das frei verkäufliche Antitussivum rechnet nicht mehr zu den Opioiden. Pharmakodynamisch ähnelt es LSD, Ketamin oder Psilocybin. Es lässt sich nicht mittels Opiat-Immunoassay nachweisen. Die Häufigkeit des Abusus ist nicht bekannt, ein Entzugs- und Abhängigkeitssyndrom ist beschrieben.

41.6.4.6 γ-Hydroxybuttersäure (GHB)

Die Verbindung ist in der Szene unter der Bezeichnung Liquid Ecstasy bekannt. Es entfaltet in niedriger Dosierung ähnliche Wirkungen wie die Weckamine, z.B. Euphorisierung und Antriebssteigerung. Es wurde häufiger z.B. in Diskotheken Getränken als k.o.-Tropfen zugesetzt. Die Verbindung ist mittels GC-MS nur kurze Zeit im Blut oder Urin nachweisbar, evtl. später noch in Haaren. γ-Butyrolacton (Lösungsmittel) und 1,4-Butandiol (Weichmacher) werden rasch in GHB umgewandelt und entfalten also mittelbar die gleiche Wirkung wie GHB.

41.6.4.7 Ketamin

Ketamin, chemisch verwandt mit Phencyclidin, wird medizinisch in der Anästhesie zur Narkose und Analgesie eingesetzt. Missbräuchlich wird es zur Erzeugung von Halluzinationen verwendet, evtl. auch als k.o.-Mittel. Der Immunoassay zum Phencyclidin-Nachweis kann ein positives Testresultat bei Anwesenheit von Ketamin ergeben. Der spezifische Nachweis wird mittels HPLC oder GC-MSD geführt.

41.6.4.8 LSD (Lysergsäurediethylamid)

LSD ist eine halluzinogene und psychedelische Substanz. Sie kann spezifisch im Urin mittels IA nachgewiesen werden.

41.6.4.9 Mescalin

Die psychedelische Droge aus dem Peyote-Kaktus ist seit langem in Mexiko und im Südwesten der USA in Gebrauch. Die Substanz kann mittels GC-MS nachgewiesen werden. Ähnlich Wirkungen wie Mescalin entfaltet das verwandte 4-Bromo-2,5-dimethoxyphen-ethylamin (Venus).

41.6.4.10 Methadon

Es handelt sich um ein Opioid, das zur Substitution von Heroin abhängigen eingesetzt wird. Überwiegend erfolgt der Nachweis mit Immunoassays, die Methadon direkt nachweisen. Daneben gibt es einen Immunoassay, der spezifisch den im Organismus gebildeten Methadon-Metaboliten EDDP im Urin erfasst. Bei Verwendung des EDDP-IA kann eine Einnahme des Substitutionsmittels durch nachträglichen Methadonzusatz nicht vorgetäuscht werden (siehe unter Opiate Beigebrauch).

41.6.4.11 Nicotin/Tabak

Nicotin wird meist über das Rauchen von Tabak aufgenommen (16 Millionen Raucher in Deutschland). Es wird aber auch in der Landwirtschaft als Pflanzenschutzmittel eingesetzt und ist in transdermalen Pflastern enthalten. Die Aufnahme von Nicotin kann durch den Nachweis der Ausscheidung des Metaboliten Cotinin im Urin mittels Immunoassay geführt werden. Alternativ ist die Bestimmung von Nicotin und Cotinin mittels HPLC und GC-MSD möglich.

Die schädliche Wirkung des Rauchens beruht nicht nur auf der Gefäß verengenden Wirkung des Nicotins das Suchtpotential besitzt, sondern auf einer Vielzahl anderer Verbindungen, wie z.B. Benzol, Cyanid und Schwermetallen sowie 40 Krebs erregenden Stoffen. Sie sollen für 40 % aller Krebstodesfälle verantwortlich sein. Sie sind im Rauchnebenstrom enthalten und schädigen damit auch Passivraucher (Tab. 41-3 – Todesfälle in Deutschland im Jahr 2008). Die Schadstoffe tragen zur Entwicklung einer chronischen Bronchitis bei und verursachen Schwangerschaftskomplikationen /35/.

41.6.4.12 Opiate

120.000–150.000 Personen in Deutschland gelten als Heroin-abhängig. Inzwischen ist Heroin zur Substitution in besonderen Fällen zugelassen. Heroin (Diacetylmorphin, Diamorphin) wird rasch in 6-Acetylmorphin und langsamer in Morphin umgewandelt. Außer aus Heroin kann Morphin aber auch aus Codein hervorgehen und schon nach Genuss von Mohnkuchen lässt sich manchmal Morphin im Urin nachweisen. Zum Screening auf Opiat Abhängigkeit wird der IA zum Nachweis von Morphin und Morphinderivaten eingesetzt. Ein positiver Opiat-Test begründet nur einen ersten Verdacht auf Heroinabusus, der mittels eines spezifischen Immunoassays zum Nachweis von 6-Acetylmorphin erhärtet werden kann. Zum ausreichend sicheren Beweis ist wie bei allen Immunoassays zum Suchtstoffnachweis eine Bestätigungsanalyse, z.B. mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie, erforderlich. Opioide wie Dextropropoxyphen, Fentanyl, Methadon, Oxycodon, Pentazocin, Pethidin (Meperidin), Tilidin und Tramadol werden mit dem Morphin/Opiat-IA nicht erfasst.

Beigebrauch bei Substitutionstherapie von Heroinabhängigen

Die Therapie muss sorgfältig mittels überraschend durchgeführten Kontrollanalysen des Urins überwacht werden. Der Beigebrauch anderer Substanzen, z.B. Flunitrazepam zusätzlich zu Methadon, ist häufig und kann zu schweren Vergiftungen und zum Tod führen. Andererseits muss die Methadon-Einnahme überprüft werden, um zu vermeiden, dass das zur Substitution zur Verfügung gestellte Medikament aufgespart und zur Beschaffung z.B. von Heroin weiter verkauft wird.

Die Anwendung der Pharmakokinetik bei der Behandlung von Schmerzen mit Opiaten hat das Potential eine maßgeschneiderte Therapie unter Berücksichtigung des genetische Backgrounds des Patienten (besonders Neugeborene und Kleinkinder) durchzuführen. In einem Review /26/ wurde eine Liste von Genen mit Bedeutung vorgestellt.

41.6.4.13 Phencyclidin

Es handelt sich um eine Verbindung, die beruhigende und analgetische Wirkung besitzt. Sie wird relativ häufig in den USA missbräuchlich in Zigaretten geraucht, in Deutschland ist ein nennenswerter Abusus nicht bekannt. Ein spezifischer IA zum Nachweis steht zur Verfügung.

41.6.4.14 Psilocybin/Psilocin

Die halluzinogenen Verbindungen werden mittels Verzehr bestimmter Pilze, z.B. Psilocybe mexicana zugeführt. Der Nachweis wird mittels HPLC oder GC-MSD geführt.

41.6.4.15 THC/Cannabinoide

Von Nicotin und Ethanol abgesehen sind die Cannabinoide die am häufigsten konsumierten Suchtstoffe. 600.000 Personen wenden sie in gesundheitsschädigendem Ausmaß an /35/. Beim Rauchen von Haschisch oder Marihuana wird als wichtigste Wirksubstanz Tetrahydrocannabinol (THC) inhalativ aufgenommen. THC wird im Organismus zu verschiedenen Verbindungen abgebaut, die im Urin ausgeschieden werden. Der wichtigste Metabolit ist die 11-nor-Δ9-THC-9-Carbonsäure, gegen die auch die Antikörper der Immunoassays primär gerichtet sind. Bei einmaligem Abusus ist der Nachweis nur 1–2 Tage möglich, bei chronischem Abusus unter Umständen mehrere Wochen. Bei Passivrauchern fällt die Untersuchung gewöhnlich negativ aus.

Etwa seit dem Jahr 2008 werden Kräutermischungen (aber auch Badesalz oder Düngemittel) bevorzugt über das Internet angeboten, zunächst unter dem Namen Spice, seit 2010 als Lava red. Sie enthalten nicht deklariert cannabinomimetische Verbindungen, wie JWH-018 und CP-47-497 (Spice) oder JWH-122 (Lava red). Die Verbindungen wirken stärker als Haschisch, lassen sich jedoch nicht mit dem THC-Immunoassay nachweisen. Es ist zu hoffen, dass das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) rasch angepasst wird und nicht nur, wie bereits geschehen, die cannabinomimetischen Verbindungen in Spice, sondern auch JWH-122 und ca. 100 weitere verwandte Substanzen verboten werden.

41.6.4.16 Trizyklische Antidepressiva (TCA)

Zur Untersuchung von Serum auf TCA sind immunchemische Gruppentests im Handel. Sie erfassen jedoch nicht nur TCA, sondern auch ihre Metabolite sowie manche tetrazyklische Antidepressiva und Phenothiazine. Die Immunoassays begründen deshalb lediglich einen Verdacht, der z.B. mittels gaschromatographischer Analyse bestätigt werden muss. Für die quantitative Bestimmung eines nicht identifizierten TCA sind die immunchemischen Verfahren nicht geeignet.

41.6.5 Bedeutung des Suchtmittelnachweises

Der Nachweis von Suchtmitteln in Blut oder Harn des Patienten ist von Bedeutung:

  • Zum Nachweis der Sucht.
  • Zur Erkennung eines Entzugssyndroms.
  • Zur Überwachung der Entzugsbehandlung.
  • Zum Ausschluss des Beigebrauchs bei Substitutionstherapie, z.B. mit Methadon bei Heroinabhängigen.

Patienten mit schwerer Sucht weisen im Allgemeinen auch hohe Konzentrationen des Suchtstoffes im Blut auf, ohne dass deswegen toxische Symptome bestehen müssen. Hohe Serumkonzentrationen, die bei Nichtsüchtigen zum Koma führen, werden oft bei Süchtigen gemessen, die nur schläfrig sind. Um bei einem Süchtigen ein Koma hervorzurufen, sind häufig exzessive Konzentrationen im Blut erforderlich /16/.

41.6.6 Entzugssyndrome

Entzugssyndrome beginnen beim Abusus mit Sedativa und Hypnotika im Allgemeinen zwei Tage nach der letzten Drogenaufnahme, beim Abusus von Ethylalkohol zwischen dem 1. und 3. Tag und beim Abusus mit Benzodiazepinen typischerweise 6–7 Tage nach der letzten Dosis. Negative Nachweise der Suchtstoffe im Blut sind typisch für die Diagnose dieses Zustandes /16/, der mit schweren psychischen und physischen Veränderungen des Patienten einherzugehen pflegt. Nur bei schwerer Sucht können manchmal noch geringe Mengen des Suchtstoffes im Blut nachgewiesen werden.

41.6.7 Überwachung der Entzugsbehandlung

Zur Überwachung der Entzugsbehandlung ist der Urin des Patienten über einen längeren Zeitraum auf Drogenabusus zu kontrollieren. Bei erfolgreichem Entzug nimmt die Suchtstoffkonzentration laufend ab, bis sie schließlich dauerhaft unter der Nachweisgrenze bleibt. Medikamente, die dem Patienten aus therapeutischen Gründen verabreicht werden, sind dem Laboratorium mitzuteilen, um z.B. falsch-positive Befunde durch Kreuzreaktion beim IA zu vermeiden.

Drogen

Die Immunoassays zum Gruppennachweis von Drogen sind in der Regel nicht geeignet rasch herauszufinden, ob der positiv getestete Patient den Suchtstoff weiter einnimmt. Insbesondere bei Anwendung von Gruppentests zum Nachweis von z.B. Weckaminen, Barbituraten, Benzodiazepinen und Opiaten ist diese Aussage erst möglich, wenn bei überwachter Probennahme das Testergebnis negativ ist. Die Kreuzreaktivität der einzelnen Verbindungen und ihrer Metaboliten ist so unterschiedlich und zudem Konzentrations-abhängig, dass eine Abnahme des Messsignals im Vergleich zu einer früheren Probe nicht als sicherer Beleg für Karenz gelten kann. Ursachen sind z.B.:

  • Ein Patient nimmt nicht mehr das empfindlich nachzuweisende Diazepam ein, dafür aber das stark wirksame Flunitrazepam, welches wenig sensitiv nachweisbar ist und rasch ausgeschieden wird.
  • Die Kalibrationskurven verlaufen im niedrigen Konzentrationsbereich steil, im oberen dagegen sehr flach. Deshalb können Unterschiede im oberen Bereich leicht durch Impräzision vorgetäuscht sein.
  • Ein 24 h-Sammelurin steht meist nicht zur Verfügung. Die Ausscheidung der Drogen im Spontanurin kann stark schwanken, z.B. bedingt durch Trinkgewohnheiten oder den Urin-pH.

Bei Anwendung von Immunoassays zum spezifischen Nachweis einzelner Substanzen, z.B. EDDP, Benzoylecgonin, oder zum Nachweis chemisch sehr nah verwandter Verbindungen wie z.B. der THC-Metabolite, kann der aktuelle mit dem Vorbefund bei entsprechender Erfahrung semiquantitativ verglichen werden. Beim Cannabinoid-Nachweis ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das Ausscheidungsmuster der THC-Metabolite in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zufuhr ändert.

Da gleichzeitig die Kreuzreaktivität der Metabolite gegenüber dem Antikörper unterschiedlich ist, sollten die Ergebnisse von in geringem zeitlichem Abstand gewonnenen Proben zurückhaltend beurteilt werden.

Quantitative Resultate auf der Basis von Immunoassays zum Drogennachweis im Urin sollten in keinem Falle als Befund dem Einsender übermittelt werden. Die Klärung der Frage, ob der Patient weiterhin noch die Suchtstoffe einnimmt, lässt sich verbindlich am ehesten mit einer spezifischen, quantitativen Analyse des Serums, z.B. durch Gaschromatographie-Massenspektrometrie herbeiführen.

41.6.8 Sonstiger Abusus

41.6.8.1 Ethylalkohol

Die Ethanolkonzentration im Serum spiegelt den aktuellen Alkoholisierungsgrad des Probanden wider. Der Nachweis im Harn kann zur Überwachung der Entzugsbehandlung durchgeführt werden, da eine qualitative Aussage genügt. Die enzymatische Bestimmung im Morgenharn erlaubt eine diskrete Überwachung eines Alkoholkonsums am Vorabend, den der Patient möglicherweise außerhalb der Anstalt verbracht hat. Die 5-Hydroxytryptophol-Konzentration im Urin ist ein Maß für die Ethanolaufnahme der letzten 24 Stunden, die Ethylglucuronid-Konzentration im Serum oder Urin für die der letzten 3 Tage, die Konzentration von CDT (Carbohydrate deficient transferrin) für die der letzten 3 Wochen. Bei chronischem Abusus sind γ-Glutamyl-Transferase-Aktivität und MCV (Mean cellular volume) erhöht (siehe auch Beitrag 18.6.8.4 – Carbohydrate deficient transferrin: Marker des chronischen exzessiven Alkoholkonsums).

Beim Ethylalkohol besteht eine klare Beziehung zwischen der Menge an getrunkenem Alkohol, der Alkoholkonzentration im Blut und dem Fahrverhalten.

41.6.8.2 Cannabis

Der Verbrauch von Cannabis nimmt stetig zu, sowohl für den medizinischen Gebrauch, als auch in der Freizeit. Mit zunehmendem Gebrauch besteht auch der Wunsch Autofahrer zu testen. Cannabis enthält 9-Tetrahydrocannabiol (THC) 5,9 % oder 13,4 %. Eine Untersuchung /43/ hat gezeigt, dass keine Beziehung zwischen der Konzentration von THC im Blut bzw. den Körperflüssigkeiten und der Atemluft und dem Fahrverhalten (Kohärenz) bei einer 5-stündigen Autofahrt besteht.

41.6.8.3 Abusus von organischen Lösungsmitteln

Das Einatmen von organischen Lösungsmitteln (Schnüffeln) kann zu plötzlichen Todesfällen führen. Akut vergiftete Patienten haben eine Vielzahl von neurologischen Symptomen, die von einfacher Schläfrigkeit bis zur Bewusstlosigkeit mit Krämpfen reichen /28/. Die gaschromatographische Dampfraumanalyse zur Untersuchung des Blutes auf flüchtige Gifte ist in diesen Fällen eine wertvolle diagnostische Hilfe.

41.6.8.4 Laxantien und Diuretika

Diese Stoffe werden gelegentlich, vor allem von Frauen, aus kosmetischen Gründen zur Reduzierung des Körpergewichts heimlich eingenommen. Relativ einfache qualitative Nachweise im Harn können monatelange, ergebnislose klinische und laboratoriumsdiagnostische Untersuchungen vermeiden helfen /29/.

41.6.8.5 Neuroenhancement

Der Begriff Neuroenhancement (Performance enhancement) taucht seit 2008 vermehrt auf. Bei diesem sog. Gehirn-Doping nehmen u.a. Studierende, Manager, Ärzte aber auch Soldaten im Kriegseinsatz Substanzen ohne medizinische Indikation ein, um ihre intellektuellen Leistungen zu steigern, Versagensängste abzubauen und langsamer zu ermüden. Im engeren Sinn fällt unter den Begriff die nicht Bestimmungs gemäße Anwendung rezeptpflichtiger Pharmaka für diesen Zweck. Die Präparate stammen aus verschiedenen pharmakologischen Stoffgruppen und haben zum Teil ein erhebliches Suchtpotential. Siehe Tab. 41-23 – Pharmaka für Neuroenhancement.

Besonders häufig werden zur Zeit eingesetzt: Methylphenidat, Modafinil und Piracetam. Im weiteren Sinn umfasst Neuroenhancement auch den Konsum von Alkohol, Kaffee und Zigaretten bis hin zur Einnahme unerlaubter Drogen (z.B. Cocain, Ecstasy). In einer internationalen Studie bekannten sich 20 % der Befragten zu Neuroenhancement, in Deutschland 5 % der Berufstätigen.

41.7 Hinweise und Störungen

Immunchemische Nachweismethoden

Die in der klinisch-toxikologischen Analytik benutzten immunchemischen Reaktionen besitzen eine eingeschränkte analytische Spezifität. Mit falsch-positiven Ergebnissen muss grundsätzlich gerechnet werden. Ihre Häufigkeit sollte weniger als 5 % betragen /30/. So können z.B. bestimmte Phenothiazine die Anwesenheit von trizyklischen Antidepressiva im Blut vortäuschen /31/.

Ein positives Testergebnis sollte deshalb stets mit Hilfe eines zweiten, unabhängigen Verfahrens, z.B. Gaschromato­graphie/Massen­spektrometrie oder LC-MS/MS überprüft werden /32/.

Gruppentests: Solche Tests, z.B. zum Nachweis von Benzodiazepinen im Urin, erfassen die einzelnen Substanzen unterschiedlich empfindlich, entsprechend der Kreuzreaktivität der verwendeten Antikörper. Sie erfassen die Substanzen unabhängig von der pharmakologischen Wirksamkeit und ohne Berücksichtigung von Geschwindigkeit und Ausmaß der Metabolisierung. Dementsprechend können therapeutische Dosen bestimmter Benzodiazepine dem Nachweis ent­gehen /33/.

Durch Anreicherung des Urins, z.B. mittels Säulenextraktion und Spaltung der Konjugate, kann die Empfindlichkeit der Tests erhöht werden.

Streifentests: Immunchemisch basierte Streifentests sind nur zu empfehlen, wenn instrumentelle Immunoassays nicht genügend schnell zur Verfügung stehen und ausreichende Erfahrung mit den subjektiv visuell zu bewertenden Testresultaten vorliegt.

Untersuchungsmaterial und Test: Werden Immunoassays nicht wie vom Hersteller vorgesehen für Urin sondern zur Untersuchung von Serum, z.B. nach Acetonfällung eingesetzt, so trägt für diesen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch der Anwender die Verantwortung.

Beurteilung eines toxikologischen Screeningprogramms

Bei der Beurteilung der Befunde eines Screeningprogramms muss berücksichtigt werden, welche Substanzen prinzipiell im Rahmen des Programms nicht erfasst werden.

Mit den in Tab. 41-12 – Beispiel eines einfachen toxikologischen Screeningprogramms aufgeführten Untersuchungen können z.B. nicht nachgewiesen werden: Barbitursäure freie Schlafmittel wie Chloralhydrat, Zolpidem, tetrazyklische Antidepressiva oder bestimmte Alkaloide, wie z.B. Strychnin.

Besteht die Notwendigkeit, solche Substanzen in die Untersuchung einzubeziehen, so können die unter Beitrag 41.3 – Untersuchungsmethoden angeführten Verfahren herangezogen werden, wobei Gaschromatographie-Massenspektrometrie und HPLC (sowie zukünftig LC-MS/MS) besondere praktische Bedeutung zukommen.

Giftinformationszentralen (GIZ)

Sie geben Tag und Nacht unentgeltlich Auskunft und sollten in allen unklaren Fällen von Klinik und Laboratorium bei folgenden Fragestellungen in Anspruch genommen werden:

  • Erste Hilfe bei Vergiftungen.
  • Interpretation von Vergiftungszeichen.
  • Zusammensetzung und Toxizität von Medikamenten, Haushaltsmitteln, Chemikalien, Suchtmitteln und anderen Substanzen.
  • Analytische Hinweise.
  • Therapeutische Hinweise

Die Kontaktadressen der GIZ finden sich im Internet sowie in der „Roten Liste“ der Medikamente.

Forensische Aspekte

Für evtl. nachfolgende, rechtsmedizinische Untersuchungen sind alle für klinisch-toxikologische Untersuchungen übermittelten Proben 3–4 Wochen, eindeutig identifiziert, im Kühlschrank oder tiefgefroren gesichert aufzubewahren.

41.8 Pathophysiologie

Es kann davon ausgegangen werden, dass bei leichten und mittelschweren Intoxikationen ansonsten gesunder Personen nicht mit wesentlichen Änderungen der Pharmakokinetik zu rechnen ist. Im Rahmen schwerer Intoxikationen kann es zu Änderungen der Resorption, biologischen Verfügbarkeit, Proteinbindung und Elimination von Medikamenten und Giften kommen /34/.

Auf Grund einer Abnahme der Motilität des Gastrointestinaltraktes und der Bildung schwer löslicher Tablettenmassen ist für eine Anzahl von Medikamenten eine verzögerte Resorption beschrieben worden. Bei Substanzen, die einem ausgeprägten First-pass-Metabolismus unterliegen, kann es durch Sättigung dieses Metabolismus zu einer erheblichen Zunahme der biologischen Verfügbarkeit kommen.

Eine Abnahme der Proteinbindung eines Medikamentes kann zu einer Steigerung der toxischen Wirkung führen, da dessen freier Anteil, der für die pharmakologische Wirksamkeit verantwortlich ist, zunimmt. Darüber hinaus führt eine Abnahme der Proteinbindung zu einer Erhöhung des Verteilungsvolumens. Als Folge der Zunahme des Verteilungsvolumens kann es zu einer Verlängerung der Halbwertszeit kommen.

Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Schock und Hypothermie über eine Abnahme des Herzzeitvolumens und über eine Änderung der Durchblutung zu einer Abnahme der hepatischen Clearance, des Verteilungsvolumens und der renalen Elimination führen.

Durch Verschiebung des Blut-pH kann die Diffusion von Pharmaka in das Zentralnervensystem verändert werden. Darüber hinaus beeinflussen Änderungen des Urin-pH die renale Clearance.

Für die Mehrzahl der peroral zugeführten Medikamente und Fremdstoffe stellt der Metabolismus in der Leber den entscheidenden Eliminationsprozess dar. In die meist lipophilen Verbindungen werden zunächst polare funktionelle Gruppen eingeführt. Sehr häufig erfolgt noch eine Konjugation dieser Metabolite, z.B. mit Glucuronsäure. Aufgrund dieser Änderungen der chemischen Struktur nimmt die Wasserlöslichkeit und damit die renale Ausscheidung erheblich zu.

Die Metaboliten besitzen in der Regel keine oder eine, verglichen mit der Ausgangssubstanz, wesentlich geringere Wirksamkeit. Aber es können auch aktive und/oder toxische Metaboliten gebildet werden. Ein Beispiel dafür liefert die Paracetamol-Intoxikation. Schon bei therapeutischen Dosen wird ein geringer Teil des Paracetamols unter der Katalyse des Cytochrom P-450-Systems zu einem toxischen Metaboliten umgesetzt, der jedoch durch Reaktion mit endogenem Glutathion entgiftet wird. Bei toxischen Dosen wird dieses toxische Abbauprodukt jedoch in so großen Mengen gebildet, dass die extrazellulären Glutathionvorräte nicht ausreichen. Intrazelluläre SH-Verbindungen reagieren mit dem Metaboliten und führen insbesondere zu Leberzellschäden /34/. Durch frühzeitige Substitution mit einem SH-Donator, wie z.B. N-Acetylcystein, kann der Metabolit entgiftet und eine Schädigung der Leber vermieden werden.

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Tabelle 41-1 Beteiligte Substanzen bei stationär behandelten Vergiftungen in England und Wales /2/

Substanz

Häufigkeit (%)*

Paracetamol

60

Salicylate

30

Trizykl. Antidepressiva, Phenothiazine

12

Ethylalkohol

35

Kohlenmonoxid

25

Sonstige

30

* Wegen häufiger Beteiligung mehrerer Substanzen an einer Vergiftung ist die Summe > 100 %.

Tabelle 41-2 Ursachen von Vergiftungen*

Ursachen

Anteil (%)

Kinder

  • Publikumsmittel (ohne Tenside)**

27

  • Tenside

7

  • Medikamente

32

  • Pflanzen

15

Erwachsene

  • Medikamente (besonders häufig Antidepressiva, Benzodiazepine, Sedativa)

> 90

* Gemäß Anfragen an Vergiftungszentralen (ohne Ethylalkohol), ** u.a. Geschirrspülmaschinenreiniger, Lampenöl, Duftöl, Benzin, Nitroverdünner, Terpentinersatz, Nagellackentferner

Tabelle 41-3 Todesfälle in Deutschland im Jahr 2008*

Todesursache

Anzahl

Rauschgift

1.4491)

Alkohol (Ethanol)

73.0002)

Tabak

140.0003)

Passivrauchen

3.3003)

* Quelle: Drogen- und Suchtbericht 2009 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung

1) bedingt durch Überdosierung, langzeitigen Missbrauch und einschließlich Suiziden bei Abhängigen (unter Einwirkung von Entzugserscheinungen oder aus Verzweiflung über die Lebenssituation) sowie Unfällen unter Drogeneinfluss.

2) Unter Einschluss von durch Alkoholismus bedingten Erkrankungen (geschätzt)

3) Vorzeitiger Tod (geschätzt)

Tabelle 41-4 Basisprogramm bei Verdacht auf exogene Intoxikation: Klinisch-chemische und hämatologische Untersuchungen

Blutbild

Na, K, Cl, Ca (Serum)

Thrombozytenzahl

Creatinin, Harnstoff (Serum)

(EDTA-Blut)

Glucose (Blut, Plasma)

APTT* (Plasma)

AST (GOT), ALT (GPT), CK (Serum)

Thromboplastinzeit (Plasma)

GGT (Serum)

Thrombinzeit (Plasma)

(Pseudo-)Cholinesterase Serum

Blutgasanalyse

Urinstatus

Lactat (Plasma)

Anionenlücke (Serum)

Ethylalkohol (Blut)

Osmotische Lücke (Serum)

* Aktivierte partielle Thromboplastinzeit

Tabelle 41-5 Klinisch-chemische Untersuchungen zur Erkennung endogener Intoxikationen

Intoxikation

Blut-Untersuchung

Urin-Untersuchung

Coma diabeticum, hypoglykämischer Schock

Glucose*, Ketonkörper*, Kalium*, Lactat*, Osmolalität*, Säure-Basen-Haushalt*

Glucose,* Ketonkörper*

Akutes Nierenversagen, Urämie bei chronischen Nierenkrankheiten

Harnstoff*, Creatinin*, Säure-Basen-Haushalt*

Urinstatus*, Urinsediment*

Coma hepaticum

Ammoniak*, AST* (GOT), ALT (GPT)*, Bilirubin*, Säure-Basen-Haushalt*

Gallenfarbstoffe*

Akute intermittierende Porphyrie

Uroporphyrinogen-I-Synthase (Porphobilinogen-Desaminase) in Erythrozyten

Porphobilinogen* (Schnelltest nach Watson und Schwartz), Delta-Aminolävulinsäure, Porphyrine

Thyreotoxische Krise, hypothyreotes Koma

Thyroxin* (T4), TSH*

Addison-Krise, hypophysäres Koma

Glucose*, Na*, K*, Cl*, Ca*, Cortisol, TSH*, Säure-Basen-Haushalt*

Natrium, Kalium

Tetanischer Anfall, hyperkalziämische Krise

Ca*, Phosphat, Säure-Basen-Haushalt*

Phäochromozytom-Krise

Adrenalin, Noradrenalin

Vanillinmandelsäure

Die mit * bezeichneten Messgrößenn sollen im Notfalllaboratorium bestimmbar sein.

Tabelle 41-6 Zuordnung der Noxen zu klinischen Befunden bei Organschäden durch Vergiftungen /45/

Klinische Befunde/Symptome

Verursachende Gifte

Leberschäden

  • Akute Nekrose

Arsen, Borate, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Chlorphenotan (DDT), Eisen, Kupfer, Organo-Phosphor-Verbindungen (Cholinesterase-Hemmstoffe), Paracetamol, Paraquat, Pilzgift (z.B. Knollenblätterpilz), Thallium

  • Subakute Nekrose

Chlornaphthalin, Dimethylnitrosamin, Dinitrobenzol, polychlorierte Biphenyle (PCB), Tetrachlorethan, Trinitrotoluol

  • Chronischer Leberschaden

Aflatoxin, Arsen, Ethanol, pyrrolizidinhaltige Alkaloide, Tetrachlorkohlenstoff, Thorotrast, Vinylchlorid, Vitamin A und auch unter subakute Nekrose genannte Substanzen.

  • Toxische Leberschäden

Metalle und anorganische Verbindungen: Antimon (akut toxisch), Arsenwasserstoff (akut toxisch), Beryllium, Mangan, Selen, Wismut

Organische Verbindungen: Acetonitril, Acrylonitril, Benzol, Bromoform, Chlorbutadien, chlorierte Benzole, chlorierte Diphenyle, chlorierte Naphthaline, Chloroform, 1,2-Dichlorpropen, Dimethylsulfat, Dinitrophenol, Dioxan, Epichlorhydrin, Ethylbromid, Ethylsilicat, Ethylenchlorhydrin (2-Chlorethanol), Hydrazin, Kresol, Methanol, Methylchlorid, Naphthalin, Nitrobenzol, Phenol, Phenylhydrazin, Pyridin, Styrol, Tetrabromkohlenstoff, Tetrachlorethen, Tetrachlorkohlenstoff, Toluol, Trichlorethan, Trichlorethen

Nierenschäden

Metalle und metallorganische Verbindungen: Antimon, Arsen, Arsenwasserstoff, Beryllium, Blei, Cadmium, Chrom, Eisen, Mangan, Silber, Uran, Wismut

Lösungsmittel: Methanol, Methylcellulose, Tetrachlorethan, Tetrachlorethen, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethan

Glykole: Diethylenglykol, Ethylenglykol, Glycerol, Propylenglykol, Xylit

Pestizide/Herbizide u.a.: 3,4-Benzpyren, chlorierte Dibenzodioxine (TCCD), Chlorphenotan (DDT), Diquat, Hexachlorbenzol, Malathion, Paraquat, polybromierte Biphenyle (PBB), polychlorierte Biphenyle (PCB)

Sonstige: Colchicin, Kohlenmonoxid, Oxalsäure, Pilzgifte, Schwefelkohlenstoff, Tartrat

Muskelschäden

  • Creatinkinase im Serum erhöht

ε-Aminocapronsäure, Amphetamine, Clofibrat, Ethanol, Ethylenglykol, Glutethimid, Heroin, Isopropanol, Kohlenmonoxid, Lysergsäurediethylamid (LSD), Methadon, p-Phenylendiamin, Phencyclidin, Phenylpropanolamin, Salicylate, Strychnin, Succinylcholin, Toluol;

Hornissentoxine, Spinnentoxine, Wespentoxine

  • Muskelkrämpfe

Antidepressiva, Antihistaminika, Antihyperglykaemika, Antipsychotika, Baclofen, β-Blocker (z.B. Propranolol), Blei, Chlorambucil, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholinesterasehemmstoffe (z.B. Physostigmin, Organo-Phosphor-Verbindungen), Cocain, Ciclosporin, Disulfiram, Folsäure, hypoosmolare Infusionslösungen, Isoniazid, Jodhaltige Kontrastmittel (wässrig), Kampfer, Kohlenmonoxid, Lindan, Lithium, Lokalanaesthetika (z.B. Lidocain), Mefenaminsäure, Methylxanthine, Metronidazol, Nalidixinsäure, Narkoanalgetika (z.B. Fentanyl, Meperidin, Pentazocin), Propanidid, Narkosemittel (z.B. Halothan), Organo-Phosphor-Verbindungen (Cholinesterase-Hemmstoffe), Oxytocin, Phencyclidin, Phenobarbital, Phenol, Phenytoin, Strychnin, Sympathomimetika (z.B. Amphetamin, Ephedrin);

Tropenanzug, Hypoxie, Sauerstoffüberdruckbehandlung

Anämie

  • Blutung aus oberem
    Darmtrakt

Alkohole, Antikoagulantien, Glukokortikoide, Hydralazin, Indometacin, nicht-steroidale Antiphlogistica, Phenylbutazon, Reserpin, Salicylate, Schwermetalle (z.B. Eisen)

  • Hämolyse

Antimonwasserstoff, Dichlorethan

  • Glucose-6-PD**

Anilin- und Nitrobenzolderivate, Antimalariamittel, Nitrofurantoin, Phenacetin

Gerinnungsstörungen

  • DIC*

Eisen, Monoamino-Oxidase-Hemmer, Phencyclidin, Pilzgifte, Schlangengifte, Schock

  • Verlängerte TPZ

Paracetamol, Pilzgifte (Amanitin), Tetrachlorkohlenstoff infolge Leberschädigung

  • Verlängerte TPZ

Cumarine, Warfarin, Superwarfarine (Rattengift) als Vitamin K-Antagonisten

  • Thrombozyten­aggregation

Salicylate als Thrombozyten-Aggregationshemmer

Säure-Basen-Haushalt

  • Metabolische Azidose

Lactatazidose: Biguanid, Cyanid, Ethanol, Ethylenglykol, Isoniazid, Kohlenmonoxid, Methämoglobinbildner, Methanol, Paraldehyd, Salicylat

Retentionsazidose: Amphotericin B, Analgetika, Azetazolamid, Blei, Cadmium, Cyclamat, Lithium, 6-Mercaptopurin, Quecksilber, Toluol

  • Metabolische Alkalose

Diuretika: Bumetamid, Etacrynsäure, Furosemid, Thiazide

  • Respiratorische Azidose

Störung des Atemzentrums: Narkotika, Opiate, Sedativa

Störung der neuromuskulären Übertragung: Aminoglykoside, Succinylcholin, δ-Tubocurarin

  • Respiratorische Alkalose

Störung des Atemzentrums: Analgetika, Katecholamine, Salicylate, Theophyllin

* Disseminated Intravascular Coagulation (DIC), ** Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, TPZ, Thromboplastinzeit

Tabelle 41-7 Untersuchungen zur Überwachung der Eliminationstherapie bei akuten Vergiftungen

Vergiftung

Eliminationsverfahren

Messgrößen zur Überwachung

Lithium, Phenobarbital, Primidon

Forcierte Diurese

Serum: Na, K, Ca, Cl, Protein (gesamt), Osmolalität

Urin: Na, K, Ca, Cl, Osmolalität

Salicylate

Anorganische Salze, z.B. Aluminium, Arsen, Bromid, Chlorat, Kochsalz, Lithium, Quecksilber, Thallium

Hämodialyse

Serum: Na, K, Ca, Cl, Glucose, Harnstoff, Creatinin, Osmolalität

Alkohole, z.B. Ethanol, Ethylenglykol, Isopropanol, Methanol

Hämodialyse

Plasma: Thromboplastinzeit, APTT

Plasma: Säure-Basen-Haushalt

Medikamente, Pflanzenschutzmittel

Hämoperfusion

Plasma: Thromboplastinzeit, APTT

Blut: Thrombozytenzahl

Serum: K

APTT, aktivierte partielle Thromboplastinzeit

Tabelle 41-8 Typische Laborbefunde bei akuten Vergiftungen, modifiziert nach Lit. /6/

Vergiftung durch

Hypoxie + respir. Azidose

Respir. Alkalose

Metab. Azidose

Hypo-kali­ämie

Hyper-

kali­ämie

Hypo-kalzi­ämie

Hypo­glyk­ämie

Hyper­glyk­ämie

Hyper­osmo­lalität

Barbiturate

+

o

Benzodiazepine

+

o

Cyanid

+

+

Digoxin

o

Ethylalkohol

o

o

o

+

Ethylenglycol

+

o

o

+

Insulin

+

Kohlenmonoxid

+

+

Methanol

+

+

Opiate, Opioide

+

o

Orale Antidiabetika

+

Paracetamol

o

o*

Salbutamol

o

+

+

Salicylate

o

+

o

o

o

Theophyllin

+

+

o

+

Trizykl. Antidepressiva

+

o

+ häufig, o selten, * verursacht falsch erhöhte Glucosewerte, z.B. mit Glucoseoxidase-Verfahren

Tabelle 41-9 Leitsymptome bei medikamentösen Vergiftungen

Untersuchung

Leitsymptom

Mögliche Ursache

Pupillen

Mydriasis

β-Adrenorezeptor-Stimulantien, Amphetamin u. ä, Anticholinergika, Chinin, Theophyllin

Miosis

Cholinesterasehemmstoffe (z.B. Organo-Phosphor-Verbindungen, Carbamate), Opiate, Opioide

Sehschärfe

Vermindert

Chinin, Methanol

Salivation

Hypersalivation

Cholinergika, Cholinesterasehemmstoffe

Trockener Mund

Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva

Parästhesien

Taubheitsgefühl oder Brennen der Mundschleimhaut

Aconitin, Antiarrhythmika

Neurologischer Status

Ruhiges Koma, reflexlos

Barbiturate, Opiate

Motorische Unruhe

Anticholinergika, Methaqualon, Weckamine

Krämpfe

Analgetika (z.B. Salizylat), Antiarrhythmika, Opiate

Muskelzuckungen

Organo-Phosphor-Verbindungen (Cholinesterasehemmstoffe)

Kardiale Komplikationen

Toxische Myokarddepression, (Herzinsuffizienz), Rhythmus-Störungen

Antiarrhythmika, Anticholinergika, Cocain, Herzglykoside, Organo-Phosphor-Verbindungen, β-Rezeptorenblocker, Theophyllin, tri- und tetrazyklische Antidepressiva

Atemstörungen

Zentrale/periphere Atemlähmung

Hypnotika, Sedativa, motorische Endplatten blockierende Medikamente

Lungenödem

Inhalationsgifte, Opiate, Opioide, Paraquat

Tabelle 41-10 Typische Vergiftungen mit Medikamenten /9/

Vergiftung

Häufige Symptome

Empfohlene Nachweise

Sedativa/Hypnotika

Alle Grade der ZNS3)-Depression (Benommenheit bis tiefes Koma), Hypothermie, Atemdepression (reagiert nicht auf Naloxon)

Barbiturate und andere Hypnotika, Benzodiazepine, Ethanol, Paracetamol, Phencyclidin, trizykl. Antidepressiva

Narkoanalgetika (Opiate)

ZNS-Depression, Atemdepression (Aufhebung durch Naloxon), Miosis, Bradykardie

Ethanol, Opiate, Paracetamol, Salicylate

Stimulantien

Psychotische Symptome, Tachypnoe, Tachykardie, Hypertonie, Hyperthermie, Mydriasis

Amphetamin u.Ä., Cannabis (THC1)), Cocain, Ethanol, LSD2), Phencyclidin, Phenothiazine, trizykl. Antidepressiva

Anticholinergika

ZNS-Depression, Delirium, extrapyramidale Zeichen, Krämpfe, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Hyperthermie

Amphetamine, Ethanol, LSD(2, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva

1) Tetrahydrocannabinol, 2) Lysergsäurediethylamid, 3) Zentralnervensystem

Tabelle 41-11 Wichtige nicht-medikamentös bedingte Vergiftungen

Vergiftung

Häufige Symptome

Toxikologischer Nachweis

Nahrungsmittel

Erbrechen, Diarrhoe, Fieber, Augensymptome

Tierversuch auf Botulismus

Pilze /7/

Gastrointestinales Pilz-Syndrom, hepatorenales Pilz-Syndrom, Muscarin-Syndrom, Phalloides-Syndrom, Orellana-Syndrom

Sporenanalyse im Mageninhalt und/oder Stuhl, Amanitin im Harn (Knollenblätterpilz (Amanita phalloides))

Ethylalkohol

Siehe Tab. 41-19 – Stadien der Ethylalkohol-Intoxikation

Ethylalkohol-Bestimmung im Serum

Paraquat

Latenzzeit, phasenhafter Verlauf, Haut- und Schleimhautreizung, Parenchymschäden an Leber und Niere, Lungenparenchymschaden (meist letal)

Schnelltest im Harn mit Dithionit

Organophosphor-Verbindungen, z.B. Parathion, Sarin, VX

Vermehrter Speichelfluss, Miosis, Kopfschmerzen, Angstgefühl, Erbrechen, Bradykardie, Erregungszustände, Krämpfe, Koma, Exitus durch Atemlähmung

(Pseudo-) Cholinesterase im Serum, p-Nitrophenol im Urin, Wirkstoffnachweis mittels Gaschromatographie (GC) im Blut

Farben, Lacke, Reinigungsmittel

Pränarkose-Kater-Syndrom, Erregungszustände, Bewusstlosigkeit, u.U. Erbrechen, Coma hepaticum, akutes Nierenversagen

Fujiwara-Reaktion im Urin, Phenole im Urin, chlorierte und nicht chlorierte Kohlenwasserstoffe mittels GC im Blut, Methämoglobin im Blut

Auspuffgase

Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Unruhe, Bewusstlosigkeit, Erbrechen, zentrale Lähmung

CO-Hämoglobin quantitativ im Blut

Brand(Rauch)-gase

Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Unruhe, Bewusstlosigkeit, zentrale Lähmung

CO-Hämoglobin quantitativ im Blut, Zyanid quantitativ im Blut, Thiozyanat (Rhodanid) im Urin

Wohngifte

Psychovegetatives Krankheitsbild (Ängstlichkeit, Apathie, Leistungsdruck, Müdigkeit), Kopfschmerzen, Husten, Augenbrennen, Hautjucken

Pentachlorphenol, Phenole, Quecksilber, Ameisensäure im Urin

GC, Gaschromatographie

Tabelle 41-12 Beispiel eines einfachen toxikologischen Screeningprogramms /14/

Qualitative Farbtests im Urin

Substanz

Methode

Nachweisgrenze

(mg/l)

Basische Substanzen

Farbreaktion mit Tetrabromphenol-

phthaleinethylester (TBPE)

0,5–10

Halogenierte Kohlenwasserstoffe

Farbreaktion mit Pyridin und Natronlauge (Fujiwara-Reaktion)

5

Ketonkörper

Urin-Teststreifen (Nitroprussid-Na)

50

Nitrit

Urin-Teststreifen (Diazoreaktion)

0,5

Paracetamol

Farbreaktion von p-Aminophenol mit o-Kresol

50

Paraquat

Reduktion mit Dithionit

3

Phenacetin

Farbreaktion von p-Aminophenol mit o-Kresol

50

Phenothiazine

Forrest-Tests I/II, III, IV, V

5

Salicylate

Phenistix-Teststreifen

50

Quantitative Bestimmungen im Blut (Serum, Plasma)

Substanz

Methode

Nachweisgrenze

Carbamazepin

Immunoassay

0,5 mg/l

CO-Hämoglobin

Spektralphotometrie

10 % Hämoglobin

(gesamt)

Cumarine, Warfarin, Superwarfarine

Thromboplastinzeit

Digoxin

Immunoassay

0,19 nmol/l

Eisen

Farbreaktion mit Bathophenanthrolin

0,1 mg/l

Ethylalkohol

Enzymatische Bestimmung

0,12 g/l

Lithium

Atomabsorptions-Spektrometrie

0,2 mmol/l

Methämoglobin

Spektralphotometrie

1 % Hb (gesamt)

Organophosphor-Verbindungen

(Pseudo-) Cholinesterase

Paracetamol

Immunoassay

1,0 mg/l

Phenytoin

Immunoassay

0,5 mg/l

Salicylate

Farbreaktion mit Fe3+

70 mg/l

Theophyllin

Immunoassay

0,8 mg/l

Immunoassays im Serum (Plasma) und Urin

Serum (Plasma)

Bezugssubstanz

Entscheidungs

grenze (mg/l)*

Barbiturate

Secobarbital

3,0

Benzodiazepine

Diazepam

0,3

Trizyklische Antidepressiva

Nortriptylin

0,2

Urin

Bezugssubstanz

Entscheidungs

grenze (mg/l)*

Amphetamine

Amphetamin

0,3

Barbiturate

Secobarbital

0,3

Benzodiazepine

Diazepam

0,3

Cannabinoide

Hauptmetabolit

0,05 Δ9-Tetrahydro-

cannabiol

Cocain-Metabolit

Benzoylecgonin

0,3 Carbonsäure

Methadon/Metabolit (EDDP)

Methadon/Metabolit (EDDP)

0,3

Opiate

Morphin

0,3

* Die Entscheidungsgrenze bezieht sich auf die jeweilige Bezugssubstanz. Sie kann von Hersteller zu Hersteller verschieden sein. Verwandte Verbindungen ergeben häufig erst bei (u.U. viel) höheren Konzentrationen einen positiven Befund.

Tabelle 41-13 Eigenschaften von frisch gelassenem Urin

Temperatur

32,0–37,7 °C

Osmolalität

400–800 mmol/kg

Spezifische Dichte

1,003–1,030 kg/l

Creatinin

≥ 9 mmol/l

Nitrite

< 125 mg/l

Chromat

Spur

pH

4–8

Tabelle 41-14 Beispiele für lebensbedrohliche Vergiftungen, die gezieltes ärztliches Handeln erfordern

Gift

Toxikologische Analytik

Spezifische Therapie*

α-Amanitin

Enzymimmunoassay

Silibinin, (Benzylpenicillin, D-Penicillamin)

Benzodiazepine

GC, HPLC

Flumazenil

Butyrophenone (z.B.Haloperidol)

GC, GC-MSD, HPLC

Biperiden

Chlorierte Kohlenwasserstoffe

Farbreaktion nach Fujiwara

Hyperventilation

Chloroquin

GC, HPLC

Diazepam

Cyanid

Cyanidgas-Prüfröhrchen

4-Dimethylaminophenol, Hydroxocobalamin

Cyanid-Teststreifen

Na-Thiosulfat (Amylnitrit (inhalativ), Dicobalt-EDTA)

Digoxin, Digitoxin

Immunoassay

Digitalis-Antitoxin

Eisen-Verbindungen

Farbreaktion mit Ferrozin oder Bathophenanthrolin nach Reduktion zu Fe2+

Deferoxaminmesilat

Ethylenglykol

Gaschromatographie

Ethanol, Fomepizol

Kohlenmonoxid

Photometrie (CO-Hämoglobin)

Sauerstoffbeatmung

Methämoglobinbildner

Photometrie (Methämoglobin)

Toloniumchlorid (Methylenblau, Ascorbinsäure)

Methanol

Gasprüfröhrchen

Ethanol, Fomepizol

Opiate und Opioide

GC, GC-MSD, HPLC

Opiatantagonisten, z.B. Naloxon

Organophospor-Verbindungen

(Pseudo-) Cholinesterase

Obidoxim, Atropinsulfat (Pralidoxim)

Paracetamol

Immunoassay

N-Acetylcystein (Methionin)

Paraquat

Farbreaktion bei Zusatz von Natriumdithionit zur alkalisierten Probe

Aktivkohle, Hämoperfusion (Bentonit)

β-Rezeptorenblocker

GC, GC-MSD, HPLC

Glucagon

Thallium

Farbreaktion

Atomabsorptions-Spektrometrie

Eisen (III) hexacyanoferrat (II)

Vitamin K-Antagonisten1)

Thromboplastinzeit

Phytomenadion (Vitamin K1)

*Angaben in ( ): früher eingesetzte Substanzen oder Substanzen 2. Wahl

1) z.B. Cumarine, Warfarin, Superwarfarine

GC: Gaschromatographie
GC-MSD: Gaschromatographie mit Massen spezifischem Detektor
HPLC: High Performance Liquid Chromatographie

Tabelle 41-15 Spezielle Vergiftungen /19/

Bestimmungsmethoden und toxische Konzentrationen im Serum

Substanz

Methode

Toxisch ab (mg/l)

Acetylsalicylsäure

IA, GC, HPLC

400–500

300 (Kinder)

Amitriptylin

GC, HPLC

0,5–0,6

Bromid

ISE, Photom

500–1.000 (–1.500)

Carbamazepin

IA, GC, HPLC

12–15

Carbromal

GC, HPLC, Photom (als Br)

15–20

Chloroquin

GC, HPLC

0,6–1,0

Chlorprothixen

GC, HPLC

0,4–0,7

Clomethiazol

GC, HPLC

13–26

Clomipramin

GC, HPLC

0,4–0,6

Clonazepam

GC, HPLC

0,1

Clozapin

GC, HPLC

0,8–1,3

Coffein

IA, GC, HPLC

30–50

Cyanid

GC, Fluorsp, Photom, ISE; Qual.: Prüfr., Teststreifen

0,5

Desipramin

GC, HPLC

0,5–1,0

Dextropropoxyphen

HPLC, GC

1

Diazepam

GC, HPLC

1,5

Diclofenac

GC, HPLC

50

Digitoxin

IA

0,03

Digoxin

IA

0,0025–0,0071)

Diphenhydramin

GC, HPLC

1,0

Dosulepin

GC

0,8

(Dothiepin) Doxepin

GC, HPLC

0,1

Doxylamin

GC, HPLC

1–2

Ephedrin

IA (Urin, qual), GC, HPLC

1

Ethosuximid

IA, GC, HPLC

(100–) 150–200

Fentanyl

IA, GC, HPLC

0,002–0,02

Flunitrazepam

GC, HPLC

0,05

Flurazepam

GC, HPLC

0,15–0,20

Haloperidol

GC, HPLC

0,05–0,1

Ibuprofen

GC, HPLC

100

Imipramin

GC, HPLC

0,4–0,5

Lamotrigin

GC, HPLC

25–30

Lidocain

IA, GC, HPLC

6–10

Lithium

FAAS, FAES

1,5– (–2) mmol/l

Lorazepam

GC, HPLC

0,3–0,6

Maprotilin

GC, HPLC

0,3–0,8

Metamizol

GC, HPLC

20*

Methylphenidat

GC

(0,5–) 0,8

Metoprolol

(GC), HPLC

1

Midazolam

GC, HPLC

1,0–1,5

Modafinil

GC

keine Angabe

Nitrazepam

GC, HPLC

0,2–0,5

Nordiazepam

GC, HPLC

1,5–2,0

Nortriptylin

GC, HPLC

0,25

Opipramol

GC, HPLC

0,5–2 (–3)

Oxazepam

GC, HPLC

2,0

Oxycodon

GC, HPLC

0,2

Paracetamol

IA, GC, HPLC

100–150 (Peak)

Pentazocin

GC, HPLC

1–2

Pentobarbital

GC, HPLC

(5–) 8–10

Perazin

GC, HPLC

0,5

Pethidin

GC, HPLC

(1–) 2

Phenazon

GC, HPLC

50–100

Phenobarbital

IA, GC, HPLC

30–40

Phenytoin

IA, GC, HPLC

20–40

Primidon

IA, GC, HPLC

10 (15–20)

Promethazin

GC, HPLC

1

Propranolol

(GC), HPLC

1–2

Sertralin

GC

0,292)

Strychnin

GC, HPLC

0,075–0,1

Thallium

Urin: AAS, Volt, Photom

0,25

Theophyllin

IA, GC, HPLC

25–30

Tilidin

GC, HPLC

1,7 (komatös, letal)2)

Tramadol

GC, HPLC

1 (Blut)

Trimipramin

GC, HPLC

0,5

Valproinsäure

IA, GC, HPLC

150–200

Zolpidem

GC, HPLC

0,5

Zopiclon

GC, HPLC

0,05

* einschließlich aktiver Metaboliten

1) abhängig von der Plasma-Kaliumkonzentration
2) Einzelbeobachtung

AAS: Flammenlose Atomabsorptionsspektrometrie (Graphitrohrküvette)
FAAS: Flammenatomabsorptions-Spektrometrie
FAES: Flammenatomemissions-Spektrometrie

Fluorsp: Fluoreszenzspektrometrie
GC: Gaschromatographie
(GC): GC möglich, nicht empfohlen
HPLC: High Performance Liquid Chromatography
IA: Immunoassay
ISE: Ionenselektive Elektrode
Photom: Photometrie nach Farbreaktion
Prüfr.: Prüfröhrchen (z.B. Dräger)
qual.: qualitativer Nachweis
Volt: Voltammetrie

Tabelle 41-16 Untersuchung von Arbeitnehmern bei Exposition mit toxischen Arbeitsstoffen (Auswahl) /18/

Arbeitsstoff

Messgröße

BAT-Wert*

Material

Aluminium

Aluminium

200 μg/l

Ub

Bleitetraethyl

Diethylblei

25 μg/l

Ub

Blei, gesamt

50 μg/l

Ub

Fluorid und Flusssäure

Fluorid

7 mg/g Creatinin

Ub

4 mg/g Creatinin

Ud

Halothan

Trifluoressigsäure

2,5 mg/l

Bb, c

Kohlenmonoxid

CO-Hämoglobin

5 % des Gesamt-Hb

Bb

Lindan

Lindan

25 μg/l

Pb, Sb

Methanol

Methanol

30 mg/l

Ub, c

Parathion

p-Nitrophenol

500 μg/l

Uc

Acetylcholinesterase

≤ 30 % der Aktivität vor Exposition

Ec

Quecksilber und anorganische

Hg-Verbindungen

Quecksilber

25 μg/g Creatinin

Ua

Tetrachlorkohlenstoff

Tetrachlorkohlenstoff

3,5 μg/l

Bb, c

Toluol

Toluol

1,0 mg/l

Bb

o-Kresol

3,0 mg/l

Ub, c

Xylol (alle Isomeren)

Xylol

1,5 mg/l

Bb

Methylhippursäure

2.000 mg/l

Ub

* Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwerte (BAT-Werte)
B, Blut; E, Erythrozyten; P, Plasma; S, Serum; U, Urin
a: Probennahme jederzeit
b: Probennahme nach Ende der Exposition oder am Schichtende
c: Probennahme bei Langzeitexposition: nach mehreren vorangegangenen Schichten
d: Probennahme vor nachfolgender Schicht

Tabelle 41-17 Grenzkonzentrationen, die zusammen mit dem klinischen Bild der schweren Intoxikation, die Indikation zur Hämoperfusion mit beschichteter Aktivkohle ergeben /20/

Substanz

Grenzkonzentration mg/l*

Demeton (Metasystox)

3

Digitoxin

0,08

Dimethoat

1

Diquat

nachweisbar

Methaqualon

40

Paraquat

nachweisbar

Parathion

0,2

Phenobarbital

100

  • andere Barbiturate

50

* Angaben für Plasma

Tabelle 41-18 Cyanidkonzentration im Blut

Personengruppe

Konzentration (mg/l)

Nichtraucher

0,005–0,04

Raucher

0,04–0,07

Toxische Symptome

0,1–1,0

Leichte Vergiftung

< 2,0

Schwere Vergiftung

> 3,0

Tabelle 41-19 Stadien der Ethylalkohol-Intoxikation /22/

Ethylalkohol-Konzentration

Stadium der Alkoholisierung

Symptome

Blut (g/l)

Serum (g/l)

0–0,5

0–0,6

Meist keine auffälligen Veränderungen (außer bei Intoleranz).

0,5–1,5

0,6–1,8

Leichte Trunkenheit

Euphorie, Kritikschwäche, Nachlassen der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, der Auffassungs-, Kombinations- und Umstellungsfähigkeit und der Geschicklichkeit, Antriebsvermehrung, Rededrang, leichte Gleichgewichtsstörungen, Pupillenreaktion verlangsamt, Nystagmus, Spinalreflexe abgeschwächt.

1,5–2,5

1,8–3,0

Mittlere Trunkenheit

Symptome von Stadium 2 verstärkt, dazu Sehstörungen, Gehstörungen, Distanzlosigkeit, Uneinsichtigkeit.

2,5–3,5

3,0–4,2

Schwere Trunkenheit

Starke Geh- und Sprechstörungen (Torkeln, Lallen). Zunehmende psychische Verwirrtheit, Orientierungsstörungen, Erinnerungslosigkeit.

> 3,5

> 4,2

Schwerste Trunkenheit

Unmittelbare Lebensgefahr. Bewusstsein meist stark getrübt bis aufgehoben, alkoholische Narkose, Reflexlosigkeit, Gefahr der Aspiration von Erbrochenem, des Erstickens in hilfloser Lage, des Todes durch Unterkühlung oder durch Atemlähmung.

Tabelle 41-20 Giftige Pflanzen und Bäume in Deutschland (Auswahl) /36/

Deutsche Bezeichnung

Botanisch

Wichtiger Giftstoff

Aprikose

Prunus armeniaca

Cyanid (Amygdalin)

Bilsenkraut, Schwarzes

Hyoscyamus niger

Atropin

Bittermandel

Prunus amygdalus amara1)

Cyanid (Amygdalin)

Eisenhut

Aconitum napellus

Herzwirksame Alkaloide (Aconitin)

Engelstrompete

Datura suaveolens

Scopolamin, Hyoscyamin

Fingerhut

Digitalisarten

Herzwirksame Glycoside

Germer, Weißer

Veratrum album

Herzwirksame Alkaloide

Giftsumach

Rhus toxicodendron

Uroshiol (Magen-Darm-Gift)

Herbstzeitlose

Colchicum autumnale

Colchicin

Kartoffel

Solanum tuberosum

Solanin (Beeren) (Magen-Darm-Gift)

Lebensbaum

Thuja-Arten

Thujon (Nervengift)

Maiglöckchen

Convallaria majalis

Herzwirksame Glycoside

Oleander

Nerium Oleander

Herzwirksame Glycoside

Rittersporn

Delphinium-Arten

Herzwirksame Alkaloide

Sadebaum

Juniperus

Sabinen, Thujon (Nervengift)

Seidelbast

Daphne-Arten

Daphnin (Nieren-Magen-Darm-Gift)

Schierling, Gefleckter

Conium maculatum

Coniin (Nervengift)

Stechapfel, Gemeiner

Datura stramonium

Hyoscyamin

Tabak

Nicotiana tabacum

Nicotin

Tollkirsche

Atropa belladonna

Atropin, Hyoscyamin

Wasserschierling

Cicuta virosa

Cicutoxin (Nervengift)

Zeder, Virginische

Juniperus virginiana

Sabinen (Nierengift)

1) Die Süßmandel (Prunus dulcis) enthält nur vereinzelt bittere, Amygdalin-haltige Mandeln

Tabelle 41-21 Empfehlungen zum Nachweis von Suchtmitteln, modifiziert nach Lit. /27/

Suchtstoff

Blut

Urin

Urin

Nachweisbar*

Amphetamin u.Ä.

A

B

1–3 d

Barbiturate

  • kurz wirksam

A

B

1 d

  • lang (z.B. Phenobarbital)

A

B

14–21 d

Benzodiazepine

  • klassische (z.B. Diazepam)

AH

B

3 d

  • bei Langzeiteinnahme, langsame Elimination (z.B. Flurazepam)

AH

B

28–42 d

  • rasche Elimination (z.B. Triazolam)

AH

B

> 1 d

Benzoylecgonin (Cocain-Metabolit)

A

B

1–4 d

Ethylalkohol**

GC, E

2–14 h

Lösungsmittel und Schnüffelstoffe

GC

LSD (Lysergsäurediethylamid)

A

B

1–5 d

Methadon

A

B

3 d

Opiate

A

B

2–3 d

THC (Cannabinoide)

  • einmalige Aufnahme

A

B

1–1,5 d

  • Raucher (4 ×/Woche)

A

B

5 d

  • Raucher (täglich)

A

B

10 d

  • chronischer Abusus

A

B

20 d

A = Suchtmittelnachweis ohne Probenvorbereitung mittels Immunoassays

AH = Suchtmittelnachweis nach Hydrolyse der Konjugate mittels Immunoassay.

B = Suchtmittelnachweis mit Probenvorbereitung (Extraktion, Säulentechniken), mittels DC, GC, HPLC, GC-MS.

E = enzymatisch

GC = Gaschromatographische Dampfraumanalyse

THC = Tetrahydrocannabinol

* Zeitraum nach Einnahme

** Abhängig von Blutkonzentration. Abbau 0,1–0,2 g/(kg × h)

Tabelle 41-22 Erstauffällige Konsumenten1) harter Drogen*

Jahr

Gesamt

Heroin

Kokain

Crack2)

Amphet­amin

Meth­amphet­amin

Ecstasy

Sonstige3)

LSD

2004

21.100

5.324

4.802

409

9.238

?

3.907

337

?

2005

19.900

4.637

4.489

433

9.339

?

3.145

416

?

2007

18.620

4.153

3.812

498

9.382

567

2.038

456

145

2008

19.203

3.900

3.970

350

10.188

443

2.174

444

158

?: nicht bekannt

1) Jede Person wird in der Gesamtzahl nur einmal als erstauffälliger Konsument harter Drogen registriert. Es ist jedoch die Zählung einer Person bei mehreren verschiedenen Drogen möglich.

2) Crack: Kokainbase

3) einschließlich LSD (Lysergsäurediethylamid)

* Quelle: Drogen- und Suchtberichte der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Deutschland

Tabelle 41-23 Pharmaka für Neuroenhancement

Wirkstoffgruppe

Pharmakon

Wirkungsmechanismus

Weckamine

Ephedrin

Indirektes Sympathomimetikum

Methylphenidat

Indirektes Sympathomimetikum

Modafinil

α1-Adrenozeptor-Agonist

Antidementiva

Donepezil

Cholinesterase-Hemmer

Piracetam

Steigerung der Blutzirkulation im Gehirn

Ginkgo-Extrakt

Nicht bekannt

β-Rezeptoren­antagonisten

Metoprolol

(Kompetitive) Hemmung von β-Adrenorezeptoren

Propranolol

(Kompetitive) Hemmung von β-Adrenorezeptoren

Antidepressiva

Fluoxetin

Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme

Tranquilizer

Clonazepam

Agonist an ω-Rezeptoren des GABAA-Rezeptorenkomplexes

Diazepam

Agonist an ω-Rezeptoren des GABAA-Rezeptorenkomplexes

Magenspülflüssigkeit, Erbrochenes;Urin; Blut, Plasma, Serum; Atemluft Andere Proben, z.B. Tablettenreste,Luftproben, sonstige Asservate I. Vorproben a) Schnellidentifikationnach Bestimmungslisten b) Analyse wie beibiologischen Proben F arbtests im Urin ImmunchemischeNachweise Tests inder Atemluft II.A. Bestätigungsanalysen positiver Vorproben II.B. Ergänzungsanalysen mit Ausdehnung auf andere Stoffgruppen Probenvorbereitung, z.B.: Saure/basische Extraktion, saure/enzymatische Hydrolyse, Proteinfällung Kopplungsverfahren:Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC-MS)FlüssigkeitschromatographieTandem-Massenspektrometrie Chromatographische Verfahren:Dünnschichtchromatographie (DC)Gaschromatographie (GC)Hochleistungsflüssigkeits-chromatographie (HPLC)GaschromatographischeDampfraumanalyse Spektrometrische Verfahren:PhotometrieInfrarot-, VIS-, UV-Spektrometrie,Atomabsorptionsspektro-metrie (AAS) SonstigeVerfahren:VoltammetriePotentiometrie III. Quantitative Analysen mit Methoden wie bei II. Bei gezieltem Verdacht Untersuchungsmaterial Vorläufiger Befund Befund mit qualitativ bestätigtem Ergebnis Endgültiger klinisch-toxikologischer Befund

Abbildung 41-1 Systematischer toxikologischer Untersuchungsgang /14/

Paracetamol (mg/l Plasma) Hepatotoxisch Wahrscheinlichnicht hepatotoxisch Stunden nach der Einnahme 1000 500 400 300 200 100 50 10 5 1 2 4 8 12 16 20 24

Abbildung 41-2 Semilogarithmisches Diagramm zur Prognose der Paracetamol-Vergiftung /21/.

schwer mittel schwach asymptomatisch 12 24 36 Zeit nach der Einnahme (h) Salicylat-Konzentration im Serum (g/L) 48 60 72 1,61,41,21,00,90,80,70,60,50,40,30,20,1

Abbildung 41-3 Salicylatkonzentration in Abhängigkeit von der jeweiligen Zeit seit Einnahme und Auswirkung auf den Schweregrad der Intoxikation /37/.

Nach oben <