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Biomarker bei malignen Tumoren

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Biomarker bei malignen Tumoren

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Biomarker bei malignen Tumoren

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Biomarker bei malignen Tumoren

28.1 Maligne Erkrankungen

Lothar Thomas

Krebs ist in den Industrienationen nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache.

28.1.1 Epidemiologie

Nach einem Bericht der World Health Organization erkrankten 2012 weltweit 14,1 Millionen Menschen an Krebs und 8,2 Millionen starben, das sind 18,6 % aller Todesfälle /1/. In den USA wurden 1.735.350 Krebsfälle in 2018 berichtet und davon 609.640 Todesfälle /2/. Die entsprechenden Zahlen für Deutschland betragen jährlich für 2013/2014 etwa 482.500 und 224.000 /3/. Eine von drei Personen in den westlichen Staaten erkrankt während ihres Lebens an Krebs, für eine von vier ist Krebs die primäre Todesursache.

Die Inzidenz der Krebserkrankung nimmt von der Jugend bis zum hohen Alter stark zu. Krebserkrankungen mit einer Inzidenz von 1–2 pro Million im Alter von 20 J. können im Alter von 80 J. eine Inzidenz von 20 pro 1.000 haben (Tab. 28.1-1 – Altersabhängige Inzidenz häufiger Krebsarten in Großbritannien).

Die Inzidenz der Krebsarten unterscheidet sich deutlich in den einzelnen Völkern /4/. So ist z.B. die Inzidenz für Hautkrebs in Queensland, Australien und diejenige für Speiseröhrenkrebs in bestimmten Regionen Irans über 20 %. Umweltfaktoren, Nahrungsgewohnheiten, Verhaltensweisen sowie der sozioökonomische Status und die Religion spielen eine Rolle. Die Inzidenz häufiger Krebsarten weltweit zeigt Tab. 28.1-2 – Inzidenz häufiger Krebsarten, prozentual häufige Krebsarten in Deutschland sind in Tab. 28.1-3 – Prozentuale Verteilung häufiger Krebsarten in Deutschland aufgeführt. Zur weltweiten Häufigkeit von Krebs siehe im Internet unter Global Cancer Observatory.

28.1.2 Ursachen von Krebs

Biologisch sind Mutationen Veränderungen in der Nucleotidsequenz eines Genoms und beruhen auf dem Fehler des Systems, dass diese Veränderungen rückgängig macht. Die kalkulierten Mutationsraten betragen etwa 1,14 Mutationen pro Genom und pro Zellteilung (3,9 × 10–10 Mutationen pro Basenpaar pro Zellteilung) bei hämatologischen Zellen und 1,37 Mutationen pro Genom und pro Zellteilung (4,6 × 10–10 Mutationen pro Basenpaar pro Zellteilung) bei der Entwicklung von Zellen des Gehirns. Das Genom ist also nicht stabil und Mutationen der Keimbahn und somatische Mutationen können während des Lebens auftreten. Somatische Mutationen kommen spontan vor, vorwiegend im höheren Lebensalter, und werden als die Ursache von Krebserkrankungen angesehen. Schädliche Keimbahnmutationen werden vorwiegend im Kindesalter klinisch auffällig, treten in vielen Organen auf und betreffen auch die Nachkommen. Mutationen sind häufig durch intrinsische Fehler bei der Replikation der Zellen bedingt. Mutierte Zellen haben eine klonale Dominanz bei der Selektion in ihrer Umgebung, setzen sich gegenüber den anderen Zellen durch und können die Ursache eines Karzinoms sein /5/.

Nach der International Agency for Research on Cancer (IARC) gibt es genügend Belege für die Ursachen von Krebs beim Menschen. Normale Zellen der Gewebe erleiden genomische Veränderungen während der Zellteilung und durch Ausgesetztsein von Substanzen und Einwirkungen die aus einem genomischen Stress resultieren /4/.

Genomische Veränderungen sind neben den Punktmutationen, Insertionen und Deletionen, strukturelle Umlagerungen im Leseraster (Translokationen) und Veränderungen der Kopienzahl.

Genomischer Stress durch Virusinfektion

Die Infektion mit folgenden Viren wird als karzinogen beurteilt: Humanes T-Zell lymphotropes Virus (HTLV), Humanes Immundeficiency Virus (HIV), Hepatitis B Virus (HBV), Hepatitis C Virus (HCV), Humanes Papilloma Virus (HPV), Epstein-Barr Virus (EBV), Humanes herpes Virus 8, auch als Kaposi Sarkoma assoziiertes Herpes Virus (KSHV) bekannt.

Das Kaposi Sarkom und einige andere Typen des aggressiven B-Zell Lymphoms kommen vermehrt bei Personen mit einer niedrigen Zahl an CD4+T-Zellen vor. Bei HIV-Patienten mit immunologischer Fehlregulation ist die immunologische Kontrolle von Onkoviren (KSHV, EBV, HPV, HBV, HCV und Merkel Zell Polyoma Virus) und von Virus infizierter Zellen vermindert, wodurch die Entwicklung der Krebsbildung begünstigt wird /6/.

Genomischer Stress durch verschiedene Ursachen

Die folgenden Ursachen wurden ebenfalls von der IARC festgelegt: Sonnenlicht, Tabak, Medikamente, Hormone, Alkohol, Parasiten, Pilze, Bakterien, gesalzener Fisch, Holzstaub und Kräuter /5/.

Der World Cancer Research Fund und das American Institute for Cancer Research haben weitere Ursachen der Krebsbildung festgelegt; das betrifft Beta-Caroten, rotes Fleisch, behandeltes Fleisch (z.B. gekochtes oder gebratenes Fleisch), Nahrung mit unzureichenden Balaststoffen, fehlende Ernährung mit Brustmilch, Fettsucht, zu hohe Körpergröße und den vorwiegend sitzenden Lebensstil /5/.

Stammzellen

Gewebe mit einer hohen Regeneration von Zellen, diese haben nur eine geringe Lebenszeit, entwickeln häufiger einen Krebs als andere Gewebe. Diese Gewebe haben nur eine geringe Anzahl von Stammzellen (1 auf 50–100 Tausend Gewebezellen), die bei Schädigung des Gewebes eine Reparatur durchführen. Bei Inflammation und Aktivierung der angeborenen Immunität signalisieren Toll-like Rezeptoren den Stammzellen, dass eine Reparatur erforderlich ist. Stammzellen haben in den Geweben eine lange Lebenszeit und einiger genomischer Stress muss sich ansammeln bevor genomische Veränderungen auftreten, die eine Transformation zur Tumorzelle bewirken. Untersuchungen an hämatopoetische Stammzellen zeigen, dass Krebs entstehen kann, wenn sich sequentielle genomische Änderungen in der Stammzelle akkumulieren /7/.

28.1.3 Klassifizierung maligner Tumoren

Tumoren werden nach der TNM-Klassifikation, die von der Union Internationale Contre de la Cancer (UICC) 1968 vorgeschlagen und 1986 erweitert wurde, eingeteilt.

Das TNM System ermöglicht die Klassifikation anhand von zwei Systemen, dem klinische TNM und dem pathologischen TNM.

Klinischer TNM

  • T beschreibt die Ausdehnung des Primärtumors (und ob er in das benachbarte Gewebe infiltriert)
  • N beschreibt den Zustand der regionalen Lymphknoten die involviert sind.
  • M beschreibt die Präsenz von Fernmetastasen.

Siehe auch Tab. 28.1-4 – Klassifizierung der Tumoren nach dem TNM-System.

Pathologischer TNM

Die G-Kategorie (Grading) beschreibt den Grad der Differenzierung des Tumors. Das Tumorgrading ist:

  • G1, gut differenziert.
  • G2, mäßig differenziert.
  • G3, schlecht differenziert.
  • G4, undifferenziert.
  • GX, Differenzierungsgrad nicht bestimmbar.

28.1.4 Metastasierung

Die Aggressivität maligner Tumoren basiert auf ihrer Metastasierungsfähigkeit. Untersuchungen beim Dickdarmkrebs zeigen, dass bei:

  • Tumoren, die noch auf die Darmwand begrenzt sind, nach Operation keine Verkürzung der Lebenserwartung eintritt.
  • Befall der regionären Lymphknoten nur ein Drittel der Patienten eine normale Lebenserwartung hat.
  • Vorliegen von Metastasen in entfernten Organen die Chancen 5 Jahre zu überleben äußerst gering sind.

Generell ist die Fähigkeit eines Tumors zur Metastasierung vom Tumortyp, dem Grad der Differenzierung und der Größe abhängig.

Einige Primärtumoren metastasieren wie folgt:

  • Prostatakarzinom; frühe Knochenmetastasierung.
  • Ovarialkarzinom; maligne Ascitesbildung.
  • Mammakarzinom; multiple Metastasierung (Knochen, Lunge, Gehirn).
  • Kleinzelliges Bronchialkarzinom; multiple Metastasierung (Knochen, Lunge, Gehirn).
  • Kolorektales-Ca, Magen-Ca, Pankreas-Ca; primär bevorzugte Lebermetastasierung.
  • Melanom; bevorzugt Gehirn, Leber, Lunge, Ovar.

Zur Diagnostik und Verlaufsbeurteilung metastasierender Tumoren ist die Bestimmung von Tumormarkern und Enzymen im Serum bedeutsam /8/; Enzyme insbesondere bei Knochen- und Lebermetastasen. So beträgt die diagnostische Sensitivität der AP bei solitären Knochenmetastasen 20 %, bei multiplen 70 %.

Zwei Drittel der malignen Lebertumoren beruhen auf Metastasen und ein Drittel sind durch ein hepatozelluläres Karzinom bedingt. Neben den Enzymen GGT, AP und LDH ist das AFP der entscheidende Marker zur Diagnostik des hepatozellulären Karzinoms. Zum Anderen ist CEA der Marker der Wahl zur Diagnostik von Lebermetastasen. Sind Lebermetastasen vorhanden, so weisen diese hin auf ein Karzinom des Pankreas zu 80 %, des Bronchus zu 71 %, des kolorektalen Darmabschnitts zu 71 % und der Mamma zu 54 %. Der positive prädiktive Wert von CEA-Konzentrationen über 20 μg/l ist für die Metastasenleber sehr viel höher als für das hepatozelluläre Karzinom.

Drei Phasen bestimmen die Metastasierung /910/:

  • Die Pro-Kolonisierungsphase beeinhaltet die Intravasation der Tumorzellen in das Gefäßsystems des Tumors. Zirkulierende Tumorzellen (CTCs) oder Tumorzellaggregate wandern über das Gefäßsystem zu Zielorganen und verharren in den Kapillaren, um mit der Kolonisation zu beginnen. Eine der wesentlichen Theorien zur Invasion in das Zielorgan ist die epitheliale-mesenchymale Transmission (EMT) der Tumorzelle.
  • Die Kolonisation beginnt mit der Extravasation der CTCs in das Mesenchym, was eine Resistenz gegenüber der immunologischen Abwehr und eine günstige Mikroumgebung, auch als metastatische Nische bezeichnet, voraussetzt. Danach verbringen die Zellen eine kürzere bis längere Wartezeit als CTLs oder Mikrometastasen im Mesenchym.
  • Schließlich beenden die Zellen die Wartezeit und durchlaufen eine Rückwärtsschritt auch als mesenchymale-epitheliale Transmission (MET) bezeichnet. Neue Metastasen werden gebildet und das Tumorwachstum nimmt an vielen Orten zu.

28.1.5 Tumorumgebung

Die Mikroumgebung des Tumors ist ein wichtiger Regulator der Progression eines Karzinoms betreffend des Wachstums, der Apoptose, der Invasion, der Angiogenese, der Bekämpfung durch das Immunsystem und der Resistenz gegenüber einer Chemotherapie. Tumorzellen interagieren mit dem Stroma der Umgebung, mit Immunzellen, mit Krebszellen assoziierten Fibroblasten und beeinflussen das umgebende Gewebe, um ihr Wachstum zu beschleunigen und der Immunüberwachung zu entgehen. Dazu bilden sie Zytokine, Metabolite, und Vesikel zum Umbau des durch das Immunsystem geschützten Gewebes in eine immunsuppresive Tumorumgebung /19/.

28.1.6 Molekulare Biomarker

Räumlich und zeitlich sind maligne Tumoren eine Erkrankung von wechselhaftem Charakter und die Erkennung der Pathophysiologie, die für die Ausbildung eines malignen Tumors verantwortlich ist, noch immer eine Herausforderung. Einen einfachen, schnellen, billigen und richtigen Suchtest auf eine maligne Erkrankung gibt es nicht. Der Mangel an diagnostischer Sensitivität und Spezifität, gepaart mit einer niedrigen Prävalenz der meisten malignen Erkrankungen begrenzt den Einsatz von Proteinen, z.B. der Tumormarker. Die immunhistochemische Untersuchung einer Gewebsbiopsie ist noch immer der Goldstandard zur Diagnose und Behandlung von Patienten.

Eine der wesentlichen Herausforderungen ist es, molekulare Biomarker zu finden, die es ermöglichen die Sensitivität, die Prognose und die Resistenz gegenüber einer bestimmten Therapie durch Charakterisierung von somatischen Veränderungen vorher zu sagen /1113/.

Tumorzellen werden von malignen Tumoren abgegeben und setzen zellfreie DNA (cfDNA), DNA-Fragmente, auch als zirkulierende DNA (ctDNA) bezeichnet, und extrazelluläre Vesikel, einschließlich Exosomen frei. Bei letzteren handelt es sich um Nukleinsäuren oder Proteine, die von einer Membran umgeben sind /14/.

Das diagnostische Potential von Tumor-DNA, nachweisbar durch molekulare Analytik einer Liquid biopsy hat sich als brauchbar bei malignen Erkrankungen erwiesen zur Diagnostik, dem Nachweis einer Minimal residual disease, zur therapeutischen Entscheidungsfindung und zum Monitoring. Das wurde möglich aufgrund der Entwicklung von empfindlichen Nachweismethoden für Karzinom-spezifische Marker die, verborgen zwischen einer großen Anzahl von Analyten, auch bei gesunden Personen gefunden werden /15/.

28.1.6.1 Analyte aus der Liquid biopsy zur Erkennung der genomischen Natur der Erkrankung

  • Zirkulierende Tumorzellen (CTC), deren DNA analysiert wird. Die Untersuchung von CTC ist in der klinischen Praxis noch begrenzt, wahrscheinlich auf Grund technischer Herausforderungen. In der Zirkulation sind nur wenige CTCs, außerdem sind sie dynamisch heterogen.
  • Zirkulierende freie DNA (ctDNA). Die Zell-freie Tumor-DNA (ctDNA) wird von der normalen DNA anhand spezifischer Veränderungen unterschieden, z.B. durch eine Mutation, durch Veränderung oder Wechsel der Kopienzahl, ein geändertes Methylierungsmuster oder die Präsenz als Fragmente unterschiedlicher Länge. Die Nachweisempfindlichkeit ist jedoch von der Art des malignen Tumors und dessen Stadium abhängig. Sie variiert von etwa 40 % im Tumorstadium 1 zu nahezu 80 % im Stadium 3 der Erkrankung /12/.
  • Extrazelluläre Vesikel, inclusive Exosomen /18/. Sie enthalten DNA, die entsprechend der ctDNA untersucht wird. In Bezug auf Lit. /18/ erfüllt die Untersuchung von extrazellulären Vesikeln als Biomarker für maligne Erkrankungen die Kriterien, die auch für die klinischen Tests Anwendung finden.

28.1.7 Genetischer Einfluss

Beeinflussende einzelne Nukleotidpolymorphismen (SNPs) und kleine Insertionen oder Deletionen (Indels) wurden durch Genom-weite Studien (GWAS) in der Allgemeinbevölkerung und bei Krebskranken, z.B. bei Patienten mit einem Mammakarzinom, untersucht. Etwa 15–20 % des familiären Brustkrebsrisikos sind durch Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 bedingt. Eine Studie fand heraus, dass das kumulative Brustkrebsrisiko im Alter von 80 Jahren bei der Mutation von Trägern mit BRCA1 etwa 72 % beträgt und 69 % bei Trägern von Mutationen in BRCA2. Jedoch das Brustkrebsrisiko bei erst- und zweitgradig Verwandten lässt noch andere genetische Faktoren vermuten. In einer Studie /12/ wurden bei Patienten mit Brustkrebs bei den Trägern von BRCA1 zwei und bei den Trägern von BRCA2 drei neue Varianten identifiziert.

Literatur

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2. American Cancer Society. Cancer facts and figures 2018.

3. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016.

4. Blackadar CB. Historical review of the causes of cancer. World J Clin Oncol 2016; 7: 54–86.

5. Mustjoki S, Young NS. Somatic mutations in ’benign’ disease. N Engl J Med 2021; 384 (21): 2039–52.

6. Yarchoan R, Uldrick TS. HIV-associated cancers and related diseases. N Engl J Med 2018, 378: 1029–41.

7. Clarke MF. Clinical and therapeutic implications of cancer stem cells. N Engl J Med 2019; 380: 2237–45.

8. Lamerz R, Reithmeier A, Stieber P, Eiermann W, Fateh-Moghadam A. Role of blood markers in the detection of metastases from primary breast cancer. Diagn Oncol 1991; 1: 88–97.

9. Burz C, Pop VV, Buiga R, Daniel S, Samasca G, Aldea C, Lupan I. Circulating tumor cells in clinical research and monitoring patients with colorectal cancer. Oncotarget 2018; 9: 24561–571.

10. Thiele JA, Bethel K, Kralickova M, Kuhn P. Circulating tumor cells: fluid surrogates of solid tumors. Annu Rev Pathol Mech Dis 2017; 12: 419–47.

11. Duffy MJ, Diamandis EP, Crown J. Circulating tumor DNA (ctDNA) as a pan-cancer screening test: is it finally on the horizon? Clin Chem Lab Med 2021; 59 (8): 1353–61.

12. Coignard J, Lush M, Beesley J, O’Mara TA, Dennis J, Tyrer JP, et al. A case-only study to identify genetic modifiers of breast cancer risk for BRCA1/BRCA2 mutation carriers. Nature Communications 2021; 12 Article number 1078: 1–84.

13. Bailey AM, Mao Y, Zeng J, Holla V, Johnson A, Brusco L, et al. Implementation of biomarker-driven cancer therapy: existing tools and remaining gaps. Discov Med 2014, 17: 101–14.

14. Galbiati S, Damin FG, Ferraro L, Soriani N, Burgio V, Ronzoni M, et al. Microarray approach combined with ddPCR: an useful pipeline for the detection and quantification of tumor DNA mutations. Cells 2019; 8: 769.

15. Keup C, Kimmig R, Kasimir-Bauer S. Multimodality in liquid biopsy: does a combination uncover insights undetectable in individual blood analytes? J Lab Med 2022; 44 (4): 255–64.

16. 40 Jahre epidemiologisches Krebsregister Saarland. Ministerium für Gesundheit, Justiz und Soziales. Saarbrücken 2007.

17. Parkin DM, Stjernsward J, Muir CS. Estimates of the worldwide frequency of twelve major cancers. Bull World Health Org 1984; 62: 163–82.

18. Enderle D, Noerholm M. Are extracellular vesicles ready for the clinical laboratory? J Lab Med 2022; 46 (4): 273–82.

19. Li T, Li B, Song Q. The cross-talk between cancer cells and immune cells in the tumor microenvironment. Front Med 2023. doi: 10.3389/fmed.2023.1328045.

28.2 Onkogene und Tumorsuppressor-Gene

Lothar Thomas

28.2.1 Karzinomentstehung

Nach Schätzungen der American Cancer Society entwickelt einer von zwei männlichen und eine von drei weiblichen Personen eine Karzinomerkrankung während ihres Lebens /1/. Karzinome resultieren aus einer Erkrankung des Genoms (Erbgutes). An Krebsgenen sind bisher 70 bekannt, die aus Keimbahnmutationen resultieren und 342, die mit somatischen Mutationen assoziiert sind. Krebs ist eine Gruppe von mehr als 100 Erkrankungen, die ein nicht-kontrolliertes Wachstum bewirken. Der Wechsel von der normalen Zelle zur Tumorzelle resultiert hauptsächlich durch Genmutation. Krebszellen zeigen einen gewissen Phänotyp. Er umfasst:

  • Vermehrte Zellteilung.
  • Verminderte Zelldifferenzierung.
  • Hemmung des Zelltodes (Apoptose).

Drei Gruppen von Genen und die von ihnen kodierten Proteine können bei Karzinomen verändert sein:

  • Onkogene.
  • Tumorsuppressor Gene.
  • Reparatur Gene.

Physiologisch sind alle drei Gruppen von Genen verantwortlich für die Proliferation und Differenzierung von Zellen. Onkogene fördern das Zellwachstum, Tumorsuppressor Gene wirken hemmend. Die Zelle verliert ihren Wachstumsrhythmus und geht in eine unkontrollierte Wachstumsphase über, wenn die Balance der Wirkungen von Onkogenen und Tumorsuppressor Genen aus dem Gleichgewicht gerät /2/. Liegt ein genetischer Schaden vor, treten Reparatur Gene in Aktion. Sie erkennen den Schaden und sind häufig in der Lage diesen zu reparieren. Ist das nicht möglich, so erfolgt über eine genetische Information die Anweisung zur Apoptose. Somit wird verhindert, dass bei einer Zellteilung der genetische Schaden weiter gegeben wird.

Generell führen Mutationen in zwei basalen Klassen von Genen, den Protoonkogenen und den Tumorsuppressor Genen zur Entwicklung einer Krebserkrankung.

Ein Gen und seine Funktion sind durch die Anordnung der Basen (Nukleotide) charakterisiert. Änderungen in der Basensequenz (Mutationen) bewirken Defekte und betreffen eine Zelle in vielfältiger Weise. Spezifische Gendefekte aktivieren das Gen zur vermehrten Bildung, während andere das Gegenteil bewirken. Einige Mutationen zeigen keine Wirkung.

Etwa 90 % der Karzinome beruhen auf sporadischen Veränderungen der DNA im Verlauf des Lebens, besonders im Alter. Sporadische Mutationen werden auch als somatische oder erworbene Mutationen bezeichnet. Ursachen können Ereignisse in der Umgebung wie die Exposition von Toxinen oder Strahlung sein.

Hereditäre Mutationen, auch als Mutationen der Keimzellen (Keimbahnmutation) bezeichnet, sind für die Entwicklung und Progression von 5–10 % der Karzinome verantwortlich. Es wird nicht das Karzinom selbst vererbt, sondern die Veranlagung. Im Unterschied zu den spontanen Karzinomen besteht bei Keimbahnmutation der genetische Schaden entweder im Spermium oder der Eizelle. Die Weitergabe von Gendefekten in Keimzellen führt nicht sofort zur Karzinombildung, da ja noch das Gen des gesunden Elternteils vorliegt. Erst wenn dieses Gen im Verlaufe des Lebens geschädigt wird, kann eine Krebserkrankung entstehen. Eine Liste von Hereditary cancer syndromes ist veröffentlicht unter https://themedicalbiochemistrypage.org/oncogene.php.

Ein Karzinom entwickelt sich aus einer einzigen genetisch vorbelasteten Zelle. Der Schaden kann nicht repariert werden und der Vorgang der Apoptose ist nicht erfolgreich. Die Folge ist ein sich ausbildendes Karzinom. Das ist besonders der Fall, wenn ein Gen betroffen ist, das in die Zellteilung oder die Apoptose involviert ist. Während der malignen Transformation muss ein sich entwickelnder Zellklon die anti-neoplastischen Gegenmaßnahmen, die normalerweise die Aktivität der Protoonkogene regeln, umgehen. Ist das gelungen, nutzt der Clon die Malignitäts-fördernden Eigenschaften der Onkogene.

Beispiele der Tumorgenese sind /3/:

  • Protoonkogene wie Myc induzieren die Zellproliferation. Interne apoptotische Sicherheitsmechanismen wie der ARF/MDM2/p53 Weg wirken aber gegen den von Myc induzierten mitotischen Stimulus und unterdrücken die Transformation zur Tumorzelle. Durch eine Loss of function mutation von p53 oder eine Überexpression von BCL2 wird jedoch die Tumorgenese begünstigt.
  • Onkogene wie BCL2 sind potente Inhibitoren der Apoptose und schwache Induktoren der Zellproliferation. Deshalb können sie keine Tumorgenese initiieren. In kooperativer Aktivität mit Onkogenen der Zellproliferation (Myc, Ras) kann BCL2 die Apoptose supprimieren, was die Tumorgenese begünstigt.
  • Gewisse Onkogene wie BCR-ABL können intrazelluläre Signalwege aktivieren, simultan die Zellproliferation induzieren und die Apoptose supprimieren, was eine Tumorgenese fördert.

Krebs wird als eine genetische Erkrankung angesehen. Häufig haben die Gene von Krebspatienten eine Fehlfunktion. Das kann auf einer genetischen Translation (Genlokalisation an einer abnormalen Position), einer Amplifikation (es werden mehr als zwei Kopien erworben), einer Mutation (Änderung der normalen Sequenz), einer Deletion (Verlust von Teilen eines Gens) oder einer abnormalen Regulation (Unter- oder Überexpression) beruhen /4/.

28.2.2 Protoonkogene

Protoonkogene und ihre Produkte sind in die Abläufe der Zellteilung und Zelldifferenzierung eingebunden. Onkogene und ihre Produkte beeinflussen diese Abläufe, aber in einer nicht normalen Art und Weise /5/.

28.2.3 Onkogene

Per definitionem ist ein Onkogen ein Gen, dessen abnormale Expression oder sein verändertes Genprodukt zu einer malignen Transformation der Zelle führt.

Protoonkogene sind eine Gruppe von Genen, die bei normalen Zellen bewirken,dass sie nach einer Mutation zum Onkogen transformieren, also kanzerös werden. Mutationen in Protoonkogenen sind Natur gemäß dominant /4/. Treibermutationen sind Mutationen, in (Proto-) Onkogenen, die ein Wachstum der jeweiligen Tumorentität vorantreiben

Ein Onkogen ist die mutierte Version eines Protoonkogens, sind typischerweise dominant und haben eine den Protoonkogenen entgegen gesetzte Funktion. Onkogene steigern die Expression des Protoonkogens zur Synthese von Proteinen der Zellregulation, mit der Folge einer vermehrten Zellteilung, verminderten Differenzierung und Hemmung der Apoptose. Insgesamt kommt es zur Zelltransformation und die Zelle gerät außer Kontrolle /5/.

Die Mechanismen der Onkogen-Aktivierung sind verschieden und beruhen auf /5/:

  • Der hoch regulierten Expression eines normalen Gens.
  • Der Expression eines mutanten Proteins mit erhöhter Stabilität oder veränderter Funktion.
  • Der veränderten subzellulären Lokalisation eines normalen Genproduktes durch die Interaktion mit einem abwegigen oder mutanten Bindungsprotein.

Molekulare Änderungen, die ein Protoonkogen zum Onkogen transformieren oder aktivieren sind Punktmutationen, Deletionen, die insertionale Aktivierung, Amplifikationen und Translokationen. Eine charakteristische chromosomale Translokation ist das Philadelphia-Chromosom. In diesem Falle ist ein Ende des Chromosoms 9 mit einem Ende des Chromosoms 22 ausgetauscht. Auf dem Ende des Chromosoms 22 liegt das Gen BCR, das mit einem Fragment des Chromosom 9, dass das ABL1-Gen trägt, fusioniert. Mit der Fusion der Chromosomenenden sind beide Gene zum Gen BCR-ABL fusioniert. Das fusionierte Gen wird exprimiert und kodiert eine hohe Tyrosinkinase Aktivität, beruhend auf der ABL1-Hälfte des Gens. Die nicht regulierte Expression des Proteins der ABL1-Hälfte aktiviert eine Spektrum anderer in die Regulation des Zellzyklus involvierter Proteine und stimuliert die Zellteilung. Die Folge ist, dass das Philadelphia Chromosom mit der chronisch myeloischen Leukämie und anderen Leukämieformen assoziiert ist.

Mutationen sind eine häufige Ursache von Karzinomen. Ein Profiling von Onkogenen in 1.000 Proben von 17 verschiedenen Karzinomtypen zeigte folgendes Resultat /6/: Von 17 untersuchten Onkogenen waren 14 mindestens einmal mutiert und 298 Proben zeigten mindestens eine Mutation.

Eine Auswahl von Protoonkogenen und Onkogenen ist aufgeführt in Tab. 28.2-1 – Auswahl an Protoonkogenen und Onkogenen und ihre klinische Bedeutung.

Die Einteilung der Onkoproteine in funktionelle Gruppen zeigt Tab. 28.2-2 – Einteilung der Onkoproteine in funktionelle Gruppen.

28.2.4 Tumorsuppressor Gene

Tumorsuppressor Gene sind Anti-Onkogene. Die reguläre Funktion dieser Gene ist die Kontrolle des Zellwachstums und die Kontrolle der Ausbildung von Mutationen, so dass es eher zu einem Verlust als zu einem Gewinn für die Zellfunktionen kommt. Anti-Onkogene verhindern eine mögliche maligne Entwicklung der Zelle, denn sie regulieren die Zellteilung herunter, reparieren Fehler der DNA und leiten die Apoptose ein. Einige wichtige Tumorsuppressor Gene sind TP53, BRCA1, BRCA2, APC und RB1. Ein entscheidender Unterschied zwischen Onkogenen und Tumorsuppressor Genen ist, dass erstere Krebs induzieren, wenn Protoonkogene aktiviert sind, Tumorsuppressor Gene aber Krebs induzieren, wenn sie abgeschaltet sind /2/.

Onkogene und Tumorsuppressor Gene bei malignen Tumoren sind aufgeführt in Tab. 28.2-3 – Onkogene und Tumorsuppressor Gene bei malignen Tumoren.

28.2.5 Molekulare Therapieansätze in der Krebsbehandlung

Medikamente wurden entwickelt, die Onkogene wie das Protein HER2 attackieren /7/, die Zellproliferation reduzieren und das Leben von z.B. Patientinnen mit Mammakarzinom verlängern. Eine Auswahl solcher Medikamente zeigt Tab. 28.2-4 – Onkogen Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Substanzen. Die Behandlung von Krebs auslösenden Tumorsuppressor Genen ist problematisch. Profiler PCR-Assays mit denen eine Vielzahl von Genen gleichzeitig untersucht wird, werden häufig eingesetzt.

Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI)

Die Immuntherapie von Krebserkrankungen versucht, die Fähigkeit des Immunsystem zur Entfernung des Tumors zu stärken und somit mittels einer adäquaten Immunantwort der Immuntoleranz des Tumors entgegen zu wirken.

Immuncheckpoints sind regulatorische Moleküle auf Immunzellen, die innerhalb des Immunsystems die Aktivierung oder Hemmung der Immunantwort steuern. Die Achse PD-1/PD-L1 bremst die Erkennung von Tumorzellen durch bestimmte T-Zellen und ist ein Weg der Tumorzelle, sich der Erkennung durch das Immunsystem zu entziehen. Durch die Applikation von Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI) wird versucht, das zu verhindern /36/.

Die CPI sind Antikörper und nutzen im Wesentlichen die Antigene folgender Zielmoleküle /36/:

  • Das in den zytotoxischen T-Lymphozyten vorhandene T-lymphocyte associated protein 4 (CTLA 4). Ein Antikörper (CPI) gegen CTLA-4 ist Ipilimumab.
  • Die programmed cell death proteins 1 (PD-1) und (PD-L1). Antikörper (CPI) gegen PD-1 sind Nivolumab, Pembrolizumab und Cemiplimab. CPI gegen PD-L1 sind Avelumab, Durvalumab und Atezolizumab.

Immuncheckpoint-Inhibitoren haben Nebenwirkungen, z.B. /37/:

28.2.6 Ursachen genetischer Veränderungen

Karzinogene Substanzen können eine Transformation des Protoonkogens zum Onkogen bewirken. Drei Gruppen auslösender Mechanismen sind bekannt.

Chemische Substanzen

Von den chemischen Substanzen ist der Tabakrauch das wichtigste Karzinogene. Es handelt sich um eine Kombination von Stoffen (Nitrosamine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Benzole), die gemeinsam zu einer Zellschädigung führen. Tabakrauch ist bei Frauen für mehr als 5 % der Krebserkrankungen verantwortlich und bei Männern zu über 20 %. So verursacht Tabakrauch die Mehrzahl der Karzinomerkrankungen von Lunge, Pankreas, Harnblase und der Speiseröhre. Auch scheint die Kombination von Tabakrauch und Alkohol überwiegend für die Karzinomerkrankungen von Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre verantwortlich zu sein. Neben Tabakrauch sind Schimmelpilzgifte (Aflatoxine) und Nitrosamine in Nahrungsmitteln wichtige Karzinogene.

Viren

Tumorzellen können auf Grund spezifischer Aktionen von Tumorviren entstehen. Es gibt zwei Typen:

  • Viren mit DNA-Genom (Papillomavirus, Adenovirus). Proteine, die von DNA-Tumorviren kodiert werden, auch als T-Antigene bezeichnet, interagieren mit anderen Zellproteinen. Es handelt sich vorwiegend um Proteine vom Tumorsuppressor-Typ. Durch diese Interaktion wird die normale Funktion dieser Proteine gestört und somit die Homöostase der Zelle.
  • Viren mit RNA-Genom, auch als Retroviren bezeichnet. Sie sind häufig bei Geflügel, Katzen und Mäusen, aber selten beim Menschen. Humane Retroviren sind das Humane T-Zell Leukämievirus (HTLV) und das Humane immunodeficiency virus (HIV). Wenn Retroviren eine Zelle infizieren wird ihr RNA-Genom durch die Reverse Transkriptase in DNA transformiert und in das Genom der Wirtszelle integriert. Durch Austauschvorgänge von Wirt-DNA mit viraler DNA (Transduktion) kann es zur unbegrenzten Proliferation der Wirtszelle und Tumorgenese kommen.

Strahlen

Radioaktive Strahlung kann zu Strangbrüchen der dNA führen und Leukämien verursachen. Exposition von Sonnenlicht induziert die Melanombildung.

28.2.7 Liquid biopsy

Die Liqiuid biopsy ist ein nicht-invasives Konzept der Gewinnung von Proben zum Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen (CTCs), Zell-freier Tumor DNA (ctDNA) und anderen von Tumoren stammenden Produkten, z.B. zirkulierender Zell-freier RNA (nicht-kodierender Messenger-RNA), extravaskulären Vesikeln oder Tumor-adaptierten Blutplättchen. Die Liquid biopsy Analytik von CTCs und ctDNA kann wertvolle Information beitragen zur primären Krebsdiagnostik, der molekularen Zusammensetzung von Tumoren, über Minimal Residual Disease und auch prognostische Information zum Überleben des Patienten mit verschiedenen Krebserkrankungen /9/.

Vorteile sind /10/:

  • Minimal invasiv.
  • Ohne Risiko (assoziiert mit geringem Morbiditäts­risiko).
  • Schmerz frei.
  • Chirurgischer Eingriff nicht erforderlich.
  • Temporale Beurteilung der Tumorlast und frühe Erkennung des Rezidivs und des nicht Ansprechens auf Therapie.
  • Momentaufnahme der Erkrankung zu unterschiedlichen Zeitpunkten möglich.
  • Das genetische Profil der verschiedenen Tumorzellklone des Patienten wird erfasst im Unterschied zur Gewebebiopsie mit der nur eine Tumorregion erfasst wird
  • Die Kosten und die Diagnosezeit sind geringer als bei der Gewebebiopsie

Zirkulierende Zellen und Moleküle, die mittels Liquid biopsy bestimmt werden:

  • Zirkulierende Tumorzellen (CTCs).
  • Zell freie DNA, vermittels derer bestimmt werden können die Konzentration der freien DNA, deren Integrität und Methylierung, die Tumor-DNA, der Mutationsstatus der DNA und die Anzahl der Aberrationen.
  • Zirkulierende RNAs (z.B. miRNA). Das wesentliche Untersuchungsgut für zirkulierende RNAs sind CTCs und Exosomen der Tumorzellen. Siehe auch Beitrag 28.5 – Mikro-Ribonukleinsäuren.

CTCs sind nahezu intakte Zellen und enthalten alle Tumor bezogenen Eigenschaften. Die ct-DNA stammt von apoptotischen Zellen, ist stark fragmentiert und besteht aus bis zu etwa 160 Basenpaaren. Die Bestimmung der CTCs und der ct-DNA sind wichtige komplementäre Verfahren, geben aber unterschiedliche diagnostische Information /19/:

  • Die ct-DNA informiert über die Tumorlast und gibt eine Zeit nahe Information zum Erfolg einer Behandlung und dem Wiederauftreten des Tumors.
  • Die CTCs werden bestimmt zur Phänotypisierung, Genotypisierung, der Zelllinienkultur und Patienten-bezogenen Xenotransplantation.

Die Bestimmung der CTCs und der cfDNA sind Verfahren zur Ermittlung des Genom weiten Status der Kopienzahl und einer Einsicht in die Biologie und die Evolution von Krebs, was einen Einfluss auf die Behandlung des Krebspatienten hat /19/.

28.2.8 Methoden der genetischen Diagnostik

Monogene Tumorerkrankungen, bei denen eine einzelne genetische Veränderung zur Erkrankung führt, sind selten und betreffen Tumorprädispositionen wie das Karzinom des Ovars oder das hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom. Das Auslesen von DNA-Molekülen erfolgt in diesen Fällen mittels der Kettenabbruchsynthese nach Sanger (siehe Beitrag 52.5.1 – Sanger Sequenzierung). Die weitaus höhere Zahl maligner Tumor ist jedoch ursächlich durch Veränderungen in vielen Erbanlagen bedingt. Die seqentielle Einzelanalyse nach Sanger ist in diesem Fall wenig sinnvoll. Wichtig ist die gleichzeitige Bestimmung vieler ausgewählter Gene (Genpanel) von nahezu allen Protein-kodierenden Abschnitten der DNA (Exom) in einem Ansatz. Das ist möglich vermittels des Next Generation Sequencing (NGS). Mittels der NGS können gleichzeitig und schnell große Abschnitte der DNA ausgelesen werden und viele ausgewählte Gene werden gleichzeitig bestimmt /11/ (siehe Beitrag 52.5.2 – Next generation sequencing (NGS)).

28.2.9 Ziel-gerichtete Therapie maligner Tumoren

Konventionelle Chemotherapien maligner Tumoren, obwohl gegen bestimmte Makromoleküle oder Enzyme gerichtet, differenzieren typischerweise wenig effektiv zwischen normalen Zellen, die sich schnell teilen (z.B. Zellen des Gastro-intestinalen Traktes und des Knochenmarks) und Tumorzellen, wodurch es zu toxischen Nebeneffekten kommt. Die Antworten auf eine zytotoxische Chemotherapie sind deshalb nur partiell, kurz und nicht vorhersehbar. Demgegenüber stören moderne Therapien molekulare Zielstrukturen, die eine Rolle in dem Wachstum und der Progression des Tumors spielen. Die molekularen Zielstrukturen sind in der Regel auf oder in den Tumorzellen gelegen /43/.

Tumorantigene werden von Antigen präsentierenden Zellen (antigen presenting cells; APCs) aufgenommen, prozessiert und auf der Zelloberfläche der APCs in Kombination mit Molekülen des Major histocompatibility complexes (MHC) präsentiert. Die Rezeptoren der APCs erkennen die Antigene als fremd und in Kombination mit kostimulatorischen Signalen wie CD28 werden T-Zellen aktiviert. Wenn eine T- Zelle eine Tumorzelle trifft, die das spezifische Antigen trägt, wird dieses erkannt und zerstört. Die Immunabwehr hemmenden Signale regulieren die Antwort gegenüber der Tumorzelle, wie beispielsweise die Oberflächenrezeptoren des Programmed death -1, das PD-19 cytotoxic T-Zell- assoziierte Protein 4 (CTLA-4) oder das T-Zellaktivierungsgen 3 (LAG-3). Bei den modernen Therapien kann die Immunantwort gegen die Tumorzellen erhalten bleiben oder wieder hergestellt werden. Die modernen Tumortherapien beihalten eine Vielzahl von Substanzen und Angriffspunkten. Siehe Tab. 28.2-5 – Gezielte Therapie maligner Tumoren.

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28.3 Zirkulierende Tumorzellen

Lothar Thomas

Zirkulierende Tumorzellen (CTCs) werden von soliden Tumoren bei Krebspatienten in jedem Tumorstadium in die Zirkulation freigesetzt. Bei den meisten soliden malignen Tumoren ist nicht der Primärtumor selbst, sondern die Metastasierung ein maßgebender prognostischer Faktor. Periphere Metastasen, verursacht durch zirkulierende Tumorzellen (circulating tumor cells, CTCs) die aktiv in den Blutstrom gelangen, lagern an das Endothel von Zielorganen, dringen in das umgebende Parenchym ein und bilden einen neuen Tumor /1/. Tumorzellen im Blutstrom werden als CTCs bezeichnet, diejenigen die das Knochenmark erreichen und dort sich implantieren werden disseminierte Tumorzellen (DTCs) genannt /6/.

Die meisten CTCs sind intakte Zellen und repräsentieren das gesamte Genom eines Tumors. Eine Blutprobe und spezifische Reagenzien sind erforderlich um die CTCs zu erkennen und auch weitere Komponenten wie zirkulierende freie DNA und Exosome /2/.

28.3.1 Indikation

Insgesamt: Vorhersage der Overall survival (OS) und der Progression free survival (PFS), z.B.:

  • Beurteilung des frühen Stadiums und der Metastasierung einer Krebserkrankung.
  • Bei nicht metastasierender Krebserkrankung zur Beurteilung der Prognose
  • Bei Krebskranken, bei denen eine operative Entfernung des Primärtumors bevorsteht die Feststellung des Risikos einer postoperativen Metastasierung.

28.3.2 Bestimmungsmethode

CTCs sind in der Zirkulation nicht zahlreich. Methoden zur Anreicherung beruhen auf physikalischen und biochemischen Eigenschaften, z.B. der Expression von Proteinmarkern /2/.

Die CTCs sind charakterisiert durch:

  • Präsenz eines Zellkerns.
  • Eines Durchmessers > 5 μm.
  • Positivität für die zytoplasmatische Expression von Cytokeratin.
  • Negativität für die Expression des Leukozytenmarkers CD45. Cytokeratin wird durch Fluoreszenz-markiert und der Zellkern mit 4,6 diamidino-2-phenylindol (DAPI) angefärbt. CTCs sind definiert als CK+/CD45/DAPI+.

Nach dem einzig von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Verfahren, der CellSearch method, sind CTCs definiert als Cell adhesion molecule (EpCAM)+, cytokeratin+ und CD45.

Anreicherung der CTCs

Das Verfahren zur Anreicherung von CTCs basiert auf der Anwendung von magnetischen Nanopartikeln. Diese sind mit einer Polymerschicht aus Biotinanalogen überzogen, die mit Antikörpern gegen epithelial cell adhesion molecule (EpCAM) beladen ist zur Bindung von CTCs in der Probe. Die Zellen werden vor der Charakterisierung und Zählung immunmagnetisch angereichert. Das Verfahren hat eine Rückgewinnung von 93 % bei einer Nachweisempfindlichkeit von einer CTC auf 7,5 ml Blut /4/.

Identifizierung

Zahlreiche Methoden zur Identifizierung von CTCs werden angewendet wie Flowzytometrie, Immunchemie, Reverse Transkriptase, Polymerase Kettenreaktion, immunmagnetische Trennung, Mikrochips, fiber optic array scanning technology (FAST) und die Density based cell mechanism combined with digital scanning microscope.

28.3.3 Untersuchungsmaterial

Container mit einer spezifischen Flüssigkeit

28.3.4 Grenzwert

Etwa 99,7 % der Gesunden und eine begrenzte Anzahl von Patienten mit gutartiger Erkrankung haben < 2 CTCs in einer 7,5 ml Blutprobe /5/.

28.3.5 Bewertung

CTC-Zählung in frühen Tumorstadien

Im frühen Stadium eines malignen Primärtumors, beim Übertritt der Tumorzellen vom Epithel in das umgebende Gewebe, starten Tumorzellen auch den Übertritt in das Blut, und zwar mit einer Rate von etwa 106 Zellen pro Gramm Tumor /6/. Die CTCs wandern im Blut als einzelne Zellen oder als Aggregate und bilden Fernmetastasen. Obwohl nicht jede CTC repräsentativ für eine Metastase ist, scheinen viele Fernmetastasen auf einer hämatogenen Aussaat dieser Zellen zu beruhen /7/. Sind CTCs in einer Blutprobe so haben sie einen Anteil von etwa 1 × 10–4 % (1–10 Zellen/ml) aller kernhaltigen Zellen im Blut /8/.

Die diagnostische Sensitivität der CTCs im Blut eines Tumorpatienten ist von der Bestimmungsmethode abhängig. Für das CellSearch System beträgt sie im Mittel 85 %, bei anderen analytischen Systemen kann sie bis zu 99,9 % betragen bei einer diagnostischen Spezifität bis zu 100 % /9/.

Trotz der großen Anzahl von CTCs die täglich in das Blut abgegeben werden erscheinen sie nur in geringer Anzahl im Blut. Das beruht auf der Verklumpung mit Thrombozyten oder Mikrogerinnseln, die sie vor der Immunüberwachung abschirmen, so dass ein Teil unsichtbar bleibt /6/.

Im frühen Tumorstadium korreliert die Zahl der CTCs mit der Tumorprogression und einer schlechteren Prognose. Bei metastasierenden Tumoren ist eine hohe oder ansteigende Zahl von CTCs ein schlechtes Zeichen und einem negativen Ausgang verbunden /6/.

Die Prävalenz der CTCs bei Patienten mit malignen Tumoren ist vom Karzinomtyp abhängig. Im Frühstadium des Mammakarzinoms wurden CTCs in 18–30 % der Fälle nachgewiesen während das im metastasierten Stadium etwa zu 70 % der Fall war. Eine Studie /10/, bei Anwendung des CellSearch Systems, erbrachte zu 54 % positive Ergebnisse und im Einzelnen folgende Resultate: Mammakarzinom 71 %, Kolonkarzinom 64 %, Magenkarzinom 33 %, Rektumkarzinom 66 %, Ovarialkarzinom 60 % und Prostatakarzinom 20 %.

CTC-Zählung bei metastasierenden Tumoren

Bei metastasierenden Tumoren erreicht die CTC-Zahl ihren Höchstwert und den höchsten Grad an Evidenz. Das führte zu einer Empfehlung der FDA bei metastatischen Karzinomen von Mamma-, kolorektalen und Prostatakarzinom die CTCs zu bestimmen unter Anwendung des CellSearch Systems.

Bei Patienten, die sich der operativen Entfernung eines kolorektalen Tumors unterzogen, zeigte der Nachweis von CTCs das erhöhte Risiko für eine postoperative Metastasierung an /11/.

Höhere oder ansteigende Zahlen von CTCs weisen auf ein Tumorrezidiv hin, aufgrund einer Umwandlung von Tumorzellen in Tumorstammzellen, die dann eine Neubeginn des Tumors starten /12/.

CTC-Zählung zum Monitoring und Prognose bei metastasierenden Tumoren

Beim kolorektalen Karzinom sind die CTCs ein besserer prognostischer Marker als der Tumormarker CEA /13/. Die Überwachung von Patienten mit metastasiertem Karzinom ist die häufigste Indikation zur Bestimmung der CTCs. So haben 50–70 % der Patienten mit Karzinomen von Mamma, Colon und Prostata erhöhte CTC-Werte. Eine Metaanalyse /14/ zeigte, dass die Bestimmung der CTCs signifikant mit einer schlechteren Prognose sowohl im Frühstadium als auch im metastasierten Stadium assoziiert war (Tab. 28.3-1 – Prognostische Aussage zirkulierender Tumorzellen beim Mammakarzinom im Frühstadium und metastasierten Stadium).

Auch sind erhöhte CTCs vor Beginn einer neuen systemischen Therapie mit einer schlechteren Prognose assoziiert als CTC-Zahlen unterhalb des Grenzwertes. Persistierend erhöhte CTCs oder der Anstieg unter systemischer Therapie, sind ein Indikator, dass das Therapieregimen unwirksam ist /15/. Beim metastasierten Mammakarzinom haben verschiedene nationale und internationale Studien gezeigt, dass mit der Bestimmung der CTCs eine frühe Detektion der systemischen Chemotherapie-Wirkung möglich ist und neue Strategien für die Anwendung von z.B. anti-HER2 Medikamenten erarbeitet werden können /16/.

CTC-Zählung: Nachteile

Nachteile in der Bewertung der Resultate auf CTCs sind /17/:

  • Die Fraktion der CTCs ist heterogen und enthält epitheliale Tumorzellen, Epithel ähnliche mesenchymale Zellen, EMT (epithelial-mesenchymale Übergangszellen) und Tumorstammzellen.
  • Es ist nicht möglich eine reine Population von CTCs zu erhalten. Auch ist ein weiterer Reinigungsschritt zur Beseitigung der Blutzellkontamination erforderlich um reine Einzelzellen zu erhalten.
  • Die Daten der Einzelzell DNA Sequenzierung von CTCs, die mittels der Amplifizierung des gesamten Genoms erhalten werden, sind oft durch kurze Bereiche und nicht einheitliche Bereiche der DNA charakterisiert. Hinzu kommen Irrtümer; falsch positive bedingt durch die PCR und falsch negative durch eine insuffiziente Hybridisierung, das Wegfallen eines Allels oder eine allelische Imbalance.

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28.4 Zirkulierende Tumor DNA

Lothar Thomas

Zirkulierende zellfreie DNA (cfDNA) kann bei gesunden Personen und bei Krebspatienten freigesetzt werden und hat in derDiagnostik und Therapie von Krebspatienten eine Bedeutung erlangt. Die cfDNA, sie enthält vom Tumor stammende DNA-Fragmente (zirkulierende Tumor DNA; ctDNA) des Patienten mit Krebs und ist ein wertvoller Marker zum Monitoring der Metastasierung, der Resistenz gegenüber der Behandlung und dem Wiederauftreten des Tumors. Im Vergleich zu den zirkulierende Tumorzellen (CTCs) beschreibt die cfDNA besser die Tumorlast, und gibt eine zeitgleiche molekulare Information zur Beurteilung des Behandlungserfolgs und des Wiederauftretens des Krebses /12/.

28.4.1 Zirkulierende zellfreie DNA im Plasma

Der Begriff cfDNA bezieht sich auf DNA-Fragmente, die sich in den nicht-zellulären Elementen des Blutes, also im Blutplasma, befinden. DNA, mRNA und microRNA gelangen in das Blut aufgrund der Apoptose und Nekrose von Zellen und werden aus dem Blut mit einer Halbwertszeit von einer Stunde oder weniger entfernt. Die cfDNA liegt in der Regel als doppelsträngiges Fragment von 100–200 Basenpaaren vor, korrespondierend zur DNA eines Nukleosoms /3/. Zirkulierende cfDNA entstammt entweder von Tumorzellen oder aus Exosomen. Es handelt sich um aktiv sezernierte Membranvesikel und stabile Träger verschiedener Moleküle wie DNAs und RNAs und von Proteinen. Exosomen sind in erhöhter Konzentration im Plasma von Tumorpatienten. Die DNA und RNA aus Exosomen sind bedeutende Biomarker bei Krebspatienten.

Anstrengung, Trauma, Herzinfarkt, Schlaganfall und das Endstadium der chronischen Niereninsuffizienz sind Zustände mit Erhöhung der cfDNA. Bei Gesunden beträgt die Konzentration im Blut etwa 10–15 μg/l /3/.

Bei Krebspatienten resultiert ein Anteil der cfDNA aus den Tumorzellen, diese cfDNA wird auch als ctDNA bezeichnet. Sie kann bei Tumorpatienten einen Anteil von 0,1 % bis zu über 90 % haben /1/. Bei Krebspatienten trägt die ctDNA Tumor bezogene Informationen. Sie betreffen genetische und epigenetische Veränderungen, die für die Krebsentwicklung, die Progression und die Therapieresistenz relevant sind. Die Veränderungen betreffen die Loss of heterozygosity (LOH) und Mutationen der Tumorsuppressor Gene (z.B. TP53) und von Onkogenen, z.B. KRAS und BRAF /4/. Der Anteil der Fraktion der ctDNA tendiert parallel zur Tumorlast des individuellen Patienten. Jedoch gibt es interindividuell eine erhebliche Variation bei Patienten mit dem gleichen Tumortyp.

Ultra sensitive Methoden wie das Next-Generation Sequencing /4/ sind erforderlich, um Veränderungen wie Mutationen oder eine Veränderung der Kopienzahl durch Bestimmung der cfDNA zu erkennen.

28.4.1.1 Methylierte zellfreie DNA (cfDNA)

Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um die Bindung von Methylgruppen an die DNA. Sie wird durch die enzymatische Übertragung von Methylgruppen auf Nukleobasen an bestimmten Stellen der DNA bewirkt. Die Diagnostik einer aberranten Hypermethylierung bestimmter Regionen von cfDNA wird als Biomarker zur Diagnostik von Krebserkrankungen angesehen. Zum Erhalt einer höheren diagnostischen Sensitivität und von mehr Information wird die aberrante Methylierung bestimmter Regionen des Genoms untersucht. So wurde zur Diagnostik des Magenkarzinoms im Vergleich zu Normalpersonen in einer Studie /11/ 153 cfDNA methylierte Biomarker inklusive DOCK10, CABIN1 und KCNQ5 untersucht. Das Panel dieser Biomarker hatte eine Sensitivität von 44 %, 59 %, 78 % und 100 % bei einer Spezifität von 92 % bei Patienten mit den Stadien I, II, III und IV des Magenkarzinoms.

28.4.2 Diagnostik von malignen Tumoren

Die Tumor bezogene mutante DNA kann in der Zell freien Fraktion des Blutes bei den individuellen Tumorarten nachgewiesen werden. Raten der Übereinstimmung von 80–90 % zwischen der cfDNA und den Biopsieresultaten bestehen /1/. Zu einer mangelnden Übereinstimmung kommt es, wenn die Konzentration der cfDNA im Blut niedrig ist. In einer Studie /6/ mit ausreichender cfDNA wurden keine Mutationen bei Kontrollen ohne Tumor bestimmt, es hatte aber die Hälfte der Patienten mit Mammakarzinom mindestens eine Mutation oder Amplifikation bei Bestimmung der cfDNA in 13 untersuchten Genen.

Die Anwendung der ctDNA Bestimmung zur Diagnostik maligner Tumoren bei Patienten ohne klinische Beschwerden ist in vielen Fällen untauglich, da zu diesem Zeitpunkt die Konzentration von ctDNA zu niedrig ist. In einer Studie /7/ wurde bei Anwendung eines hochempfindlichen Nachweisverfahrens für ctDNA die Tumordynamik bei kolorektalen Karzinomen untersucht. Bei allen Patienten wurde vor operativer Entfernung des Tumors die ctDNA bestimmt und nach Operation serielle Bestimmungen zur Beurteilung der Schwankungen. Diese korrelierten mit dem Ausmaß der operativen Resektion. Patienten, mit postoperativ nachweisbarer ctDNA hatten einen Rückfall innerhalb eines Jahres. Die Bestimmung der ctDNA erwies sich als ein empfindlicheres Kriterium als der Tumormarker CEA.

28.4.3 Molekulares Profiling

Mittels cfDNA besteht die Möglichkeit das molekulare Tumorprofil zu beurteilen und genetische Veränderungen des Tumors zu ermitteln. Da die Tumoren eine Heterogenität ihrer Merkmale zeigen, kann es durch Bestimmung der cfDNA auch möglich sein eine Resistenz gegenüber Therapeutika, z.B. auch in Metastasen, festzustellen. In einer Studie /8/ zeigte das molekulare Profiling metastasierter kolorektaler Karzinome vermittels des Next Generation Sequencing Veränderungen jenseits der RAS/RAF Mutationen, die eine Resistenz gegenüber dem EGFR (epidermaler Wachtumsfaktor-Rezeptor) bewirkten.

Molekular bezogene Therapeutika mit anti-Tumoraktivität werden bei Patienten angewendet, die eine entsprechende Veränderung ihres Tumorprofils aufweisen. Es sollten aber keine Therapeutika eingesetzt werden die nicht zugelassen sind, denn die erzielten Resultate sind nicht besser als bei konventioneller Therapie /9/.

28.4.4 Feststellung einer erworbenen Resistenz

Eine Resistenz gegenüber der konventionellen Therapie wird erworben, durch eine Überwucherung des Tumors durch multiple resistente Tumorzellklone. Sie befinden sich im Primärtumor oder den Metastasen. In den verschiedenen Metastasen können unterschiedliche Resistenzen vorliegen /7/. Im Primärtumor haben alle Zellen ihr ursprüngliches klonales molekulares Profil, aber einige Subklone können ein Profil haben, das für sie einen Vorteil bietet unter dem selektiven therapeutischen Druck. Unter Therapie besteht ein zytotoxischer Effekt für die meisten Tumorzellen, aber die Subklone sind weniger betroffen und können noch proliferieren. Das Ergebnis ist eine Verschiebung des molekularen Profils des Tumors und ein eventuelles neues Wachstum.

Bei erworbener Resistenz wird die veränderte DNA von den Tumorzellen abgeworfen und wird als ctDNA im Plasma bestimmbar /7/.

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28.5 Micro ribonucleic acids (MicroRNAs)

Lothar Thomas

MicroRNAs, sind kurze, hoch konservierte, nicht kodierende Ribonukleinsäuren, die eine wichtige Rolle im komplexen Netzwerk der Genregulation, insbesondere bei der Ruhigstellung von Genregionen spielen. MicroRNAs sind kleine einzelsträngige, nicht kodierende RNAs mit einer Länge von 19–25 Ribonukleotiden, die in Genomen kodiert werden. Transkribiert durch die RNA-Polymerase II aus einem DNA-Helix, entsteht primär eine Vorläufer miRNA, die in das Zytoplasma der Zelle transportiert, dort zur miRNA transformiert und teilweise in die Zirkulation gelangt. Sie erscheinen entweder als freie MicroRNAs oder Carrier-gebunden (z.B an Proteine oder in Mikrovesikeln) im Plasma. Bei den Säugetieren machen sie 1–3 % des Genoms aus. MicroRNAs regulieren die Genexpression hochspezifisch auf der post-transkriptionalen Ebene. Die Genregulation erfolgt durch Bindung der MicroRNAs an die 3’ untranslatierte Region (3’-UTR) der mRNA von Zielgenen. Je nach Komplementarität der Bindesequenz und der beteiligten Proteine werden die Zielgene entweder an der Translation gehemmt, oder durch Zerschneiden abgebaut.

Extrazellulär vorkommende MicroRNAs können, quantitativ bestimmt und als Biomarker zum Monitoring der Organfunktion eingesetzt werden. Plasma und Serum enthalten zellfreie MicroRNAs, die aus der Leber, der Plazenta, den endokrinen Drüsen, der Muskulatur, aus geschädigtem Geweben und aus Tumoren stammen. In der Zirkulation sind MicroRNAs stabil und an Mitglieder der Proteinfamilie der Argonauten gebunden. Jede MicroRNA hat ein spezifisches Präfix (hsa für human) und eine individuelle Kennzahl. Die Konzentration der MicroRNAs im Plasma ist etwa 100-fach niedriger als die von Hormonen.

Die MicroRNAs spielen eine wichtige Rolle in der Signalgebung, der Regulation der Zelldifferenzierung, der Progression des Zellzyklus und der Apoptose. Sie regulieren ihre Zielgene entweder durch Induzierung der Degradation von messenger RNA (mRNA) oder durch Hemmung der Translation auf post translationaler Ebene /1/.

Bei Karzinomerkrankungen kann die Expression der MicroRNAs gesteigert oder vermindert sein, in Abhängigkeit von der spezifischen MicroRNA. Die fehlregulierte MicroRNA-Expression kann entweder als Onkogen oder als Tumorsuppressor-Gen wirken. Die Bindung an die 3' nicht translatierte Region (3'UTR) der Ziel mRNA durch Basenpaarung resultiert in der Degradation, der transkriptionalen Hemmung und möglicherweise negativen Hemmung der Genexpression.

Insgesamt führt die Dsyregulation der MicroRNA-Expression zu Kontrollverlust und der Entwicklung einer Malignität. Umgekehrt können Malignitäts bedingte Veränderungen von MicroRNAs eine Hilfe zur Detektion und Charakterisierung von Krebserkrankungen, der Metastasierung und der Therapie sein /2/. Eine Zusammenstellung Tumor-assoziierter MicroRNAs als potentielle Biomarker für Karzinome ist in Lit. /3/ veröffentlicht.

Nachweis von miRNA

Die Untersuchung auf MicroRNAs erfolgt in Geweben, im Blut und Plasma /4/.

Klinische Bedeutung

Wichtiges Untersuchungsmaterial für zirkulierende MicroRNAs sind im Serum oder Plasma vorhandene MicroRNAs und zirkulierende Exosomen von Tumorzellen oder zirkulierende Tumorzellen selbst. Die Exosomen sind aktiv sezernierte Vesikel und vermitteln Informationen zwischen den Zellen. Neben Proteinen und Enzymen enthalten die Exosomen auch DNA und RNA. Krebszellen geben eine große Menge von Exosomen im Vergleich zu normalen Zellen ab. Das Zusammenspiel zwischen Krebszellen durch den Austausch von MicroRNAs von einer Zelle zur anderen bewirkt eine Reprogrammierung der Empfängerzelle /5/. Die Tumorvesikel sind Träger von diagnostische Markern. Nicht natürliche Mengen von miRNA in Vesikeln reflektieren den physiologischen Zustand von Krebszellen und die Charakterisierung der MicroRNAs dient diagnostische und prognostischen Zwecken und zur Therapiekontrolle /6/.

Eine veränderte Expression von MicroRNAs wurde bei zahlreichen malignen Tumoren diagnostiziert /1378/.

Literatur

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28.6 Tumormarker

Lothar Thomas

Tumormarker sind im Blut und anderen Körperflüssigkeiten zirkulierende Makromoleküle, deren Präsenz und Änderung der Konzentration mit dem Wachstum eines malignen Tumors in Beziehung stehen. Tumormarker haben einen Kohlenhydrat- oder Lipidanteil und werden in oder auf Tumorzellen exprimiert. Auch kann ihre Bildung durch Induktion anderer Zellen aktiviert werden. Sie gelangen als zirkulierende Moleküle in das Blut und andere Körperflüssigkeiten. Die von der Tumorzelle gebildeten Marker können onkofetale Antigene, mit monoklonalen Antikörpern erkennbare Kohlenhydratepitope, Enzyme, Isoenzyme, onkogene Produkte und Rezeptoren sein /1/.

28.6.1 Einteilung der Tumormarker

  • Onkofetale und onkoplazentare Antigene, z.B. CEA, AFP, hCG.
  • Mit monoklonalen Antikörpern erkennbare Kohlenhydratepitope, z.B. CA 19-9, CA 125, CA 15-3.
  • Differenzierungs- und Proliferationsantigene, z.B. NSE, PSA, β2-Mikroglobulin.
  • Ektopisch gebildete Hormone, z.B. ACTH beim Karzinom des Bronchus, Calcitonin beim Schilddrüsenkarzinom.
  • Ektopisch gebildete Proteine, z.B. monoklonal synthetisiertes Immunglobulin oder freie monoklonale Leichtketten beim multiplen Myelom.

Diagnostisch bedeutsame Tumormarker sind aufgeführt in Tab. 28.6-1 – Diagnostisch wichtige Tumormarker.

28.6.2 Variable der Tumormarker-Konzentration

Die Konzentration bzw. die Konzentrationsänderung des Tumormarkers im Blut und anderen Körperflüssigkeiten unterliegt folgenden Variablen /2/:

  • Gesamtzahl der Marker-bildenden Zellen und somit der Tumormasse, Tumorausbreitung und dem Tumorstadium.
  • Syntheserate des Tumormarkers.
  • Freisetzungsrate des Tumormarkers aus der Tumorzelle oder von der Zelloberfläche.
  • Exprimierung des Markers. Ein Anstieg des Tumormarkers tritt nicht auf, wenn der individuelle Tumor den Marker nicht trägt.
  • Der Tumortyp ist ein Non-Sekretor. Der Tumormarker wird von der Tumorzelle exprimiert, aber nicht in die Körperflüssigkeiten abgegeben.
  • Blutversorgung des Tumors; ist sie schlecht, gelangt weniger Tumormarker in die Zirkulation.
  • Gewebenekrosegrad des Tumors; starker Tumorzerfall verursacht einen zur Tumorgröße über proportionalen Anstieg des Tumormarkers, das ist der Fall unter zytostatischer Therapie und Bestrahlung.
  • Abbaurate des Tumormarkers. Besteht eine Störung der Ausscheidung, z.B. durch Niereninsuffizienz, Störung der Leberfunktion oder Cholestase, so nimmt die Konzentration des Tumormarkers zu.
  • Einfluss von Antikörpern; es kann zur Bildung von Immunkomplexen kommen, deren Eliminationsrate von der Größe der Komplexe abhängt.

28.6.3 Indikation

  • Screening (eingeschränkt auf Prostata-, Ovarial und Pankreaskarzinom).
  • Risikogruppen (Leberzirrhose, Keimzelltumor und Schilddrüsenkarzinom).
  • Bei Krebs ohne bekannten Primärtumor.
  • Zum Zeitpunkt der Primärdiagnose eines Tumors.
  • Etwa vier Wochen nach der Therapie zur Feststellung des Basiswertes.
  • Differentialdiagnose, z.B. von unklaren Leber- oder Lungentumoren.
  • Prognostische Aussage.
  • Verlaufs- und Therapiebeurteilung einer Tumorerkrankung.

28.6.4 Referenzbereich

Beurteilt wird der Grenzwert, es handelt sich um den angenommenen oberen Referenzbereichswert eines Tumormarkers bei gesunden Personen oder von Patienten mit einer relevanten gutartigen Erkrankung. Der Grenzwert (cut-off) entspricht der 95. oder 97,5. Perzentilen gesunder Personen. Liegt ein Tumor vor, so kommt dem oberen Wert des Patienten bei Diagnosestellung für den weiteren Verlauf der Erkrankung keine Bedeutung zu.

28.6.5 Bewertung

Ein Wert des Tumormarkers im Referenzbereich schließt einen malignen Tumor nicht aus, Werte oberhalb geben erst, wenn sie sehr hoch sind, den Hinweis auf einen Tumor /1234/.

28.6.5.1 Screening mit Tumormarkern

Jeder Tumormarker kommt physiologisch im Blut vor, und da die Freisetzung und Elimination individuell sehr verschieden ist, hat jede Person einen individuellen Basiswert. Da die Basiswerte gesunder Personen mit denen von Patienten mit nicht malignen Erkrankung und denjenigen mit einer Krebserkrankung deutlich überlappen, sind Screening-Untersuchungen generell nicht empfehlenswert und sollten auf wenige Diagnosen begrenzt sein. Auch zur Überwachung von Risikopatienten, zur Kontrolle von Patienten mit familärer Anamnese von Tumoren (familiäre Poliposis coli, postmenopausales Ovarialkarzinom) sind Tumormarker ungeeignet /1/.

Bei Vorliegen einer Krebserkrankung ohne bekannten Primärtumor wird zu dessen Suche nach den ESMO guidelines und den American NCCN guidelines die Bestimmung ausgewählter Tumormarker empfohlen /5/:

  • Bei Frauen mit Mediastinaltumoren die Bestimmung von hCG (Chorionkarzinom) und AFP (Keimzelltumor des Ovars) und bei denjenigen mit inguinalen Lymphknoten oder peritonealer Erkrankung CA 125 (Ovarialkarzinom).
  • Bei Männern AFP und hCG (Keimzelltumor der Testes) sowie PSA (Prostatakarzinom).

28.6.5.2 Differentialdiagnostische Bedeutung der Tumormarker

Wird mittels bildgebender Verfahren der Verdacht auf einen Tumor gestellt, so können Tumormarker differentialdiagnostische Hinweise geben /1/:

  • Benigne Rundherde in der Leber können auf Metastasen anderer Primärtumore, einem hepatozellulären Karzinom oder einem cholangiozellulären Karzinom beruhen. Ist die AFP-Konzentration über 1.000 μg/l, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem hepatozellulären Karzinom ausgegangen werden, wenn ein Keimzelltumor ausgeschlossen ist. Lebermetastasen eines Adenokarzinoms (Kolon, Mamma) sind bei einer CEA-Konzentration über 50 μg/l wahrscheinlich.
  • Lungentumoren unklarer Dignität, festgestellt mit bildgebenden Verfahren, können benigner Natur sein, die Metastasen eines anderen Primärtumors oder ein Bronchialkarzinom. Ein ProGRP Wert über 500 ng/l spricht für ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.
  • Ein HER-2 Wert über ≥ 80 μg/l weist auf ein Karzinom der Mamma hin.
  • S100-Werte über 1 μg/l sind wahrscheinlich mit einem metastasierten malignen Melanom assoziiert.

28.6.5.3 Tumormarkerbestimmung vor Primärtherapie eines Karzinoms

Nach der Primärdagnose eines malignen Tumors ist es wichtig, vor Beginn der Therapie die Konzentration des freigesetzten Tumormarkers zu bestimmen. Wichtig ist dabei, aus der großen Zahl möglicher Marker einen brauchbaren auszuwählen. Die Bestimmung mehrerer Marker bringt meist wenig Nutzen. Sinnvolle Marker sind aufgeführt in:

Aus dem Muster der Freisetzung des oder der Tumormarker können folgende Informationen gewonnen werden:

  • Der zum Zeitpunkt der Primärdiagnose exprimierte Tumormarker stellt mit großer Wahrscheinlichkeit auch den relevanten Marker der Nachsorge dar und dient als Ausgangspunkt der post-therapeutischen Überwachung.
  • Eine prognostische Aussage wird ermöglicht. Hohe Werte geben den Hinweis auf eine bisher noch nicht bekannte Fernmetastasierung. Sie ermöglichen vorher zu sagen, welcher Verlauf zu erwarten ist und helfen bei der Entscheidung die Therapie festzulegen (operativ, konservativ oder aggressiv).
  • Die Bestimmung von hCG, AFP und LDH ist erforderlich bei Keimzelltumoren, da die Werte in das Staging der S-Klassifikation eingehen.

28.6.5.4 Kontrolle der Effizienz nach Therapie

Das Verhalten der Konzentration desTumormarkers nach Operation, nach Radio- oder Chemotherapie gibt Hinweise zur Effektivität der Therapie (Tab. 28.6-3 – Biologische Halbwertszeit und obere Grenzwerte von Tumormarkern). Nach einem Monat beträgt bei den meisten Tumormarkern der Abfall mindestens vier Halbwertszeiten, so dass bei einem kompletten therapeutischem Ansprechen der Nadir erreicht ist (Tab. 28.6-2 – Indikationen für Tumormarker-Bestimmungen). Generell gilt:

  • Kontinuierlich abfallende Werte sind ein Zeichen effektiver Therapie.
  • Konstant bleibende Werte sprechen für eine stabile Erkrankung.
  • Ansteigende Konzentrationen weisen auf das Nicht-Ansprechen und die Notwendigkeit hin, das therapeutische Konzept zu ändern.
  • Nach Manipulation am Tumor oder in den ersten Tagen nach Beginn einer Radio- oder Chemotherapie steigt die Konzentration des Tumormarkers an.

Rezidivfreies Intervall, Remission: Die Zielsetzung von einer operativen Behandlung ist die R0-Resektion mit dem Abfall des prä-therapeutisch erhöhten Tumormarkerwerts auf eine individuelle Basislinie. Diese sollte unterhalb der 95 %-Perzentilen gesunder Kontrollpersonen liegen, besser noch in den Bereich des Medians abfallen. Bleiben die Werte in diesem Bereich und schwanken nur um die methodisch bedingte Impräzision, so liegt ein Rezidiv freies Intervall vor, was aber nie eine gleichzeitig stattfindende klinische Progression der Tumorerkrankung ausschließt.

Resttumor mit anschließender Progredienz: Kennzeichnend für einen Resttumor ist nach Tumorresektion ein Verbleiben des Tumormarkerwerts oberhalb der 95 %-Perzentilen gesunder Personen. Nach einem kurzen Zeitintervall erfolgt oft ein kontinuierlicher starker Tumormarkeranstieg.

28.6.5.5 Tumormarkerwerte nach Primärtherapie

Für die weitere Nachsorge nach Primärtherapie (operativ, Chemo- oder Radiotherapie) ist der Tumormarkerwert etwa 1 Monat nach der Primärtherapie von großer Bedeutung als Indikator des individuellen Basiswerts des Patienten. Der dann gemessene Wert ist für den jeweiligen Patienten sein individueller Normwert für die Verlaufsbeurteilung der folgenden Jahre. Ein prozentualer Anstieg in der Verlaufsbeurteilung ist ein empfindliches Kriterium, das auf ein Rezidiv hinweist und weitere Untersuchungen (Klinik, bildgebende Verfahren) erfordert. So ist z.B. bei CEA und auch CA 15-3 ein 100 %iger Anstieg Tumor spezifisch und weist auf ein Rezidiv, eine Metastasierung oder ein Zweitkarzinom hin /1/.

Nach Primärtherapie orientiert sich die Verlaufsbeurteilung nur noch an dem individuellen Basiswert, der obere Referenzbereichswert des Tumormarkers spielt keine Rolle. Eine Bestimmung des Tumormarkers zur Verlaufsbeurteilung muss auch erfolgen, wenn der Marker prä-therapeutisch im Referenzbereich liegt.

28.6.5.6 Tumormarker in der Nachsorge

In definierten Zeitintervallen wird die Bestimmung eines Tumormarkers durchgeführt, um ein Rezidiv oder eine Progression vor der klinischen Präsentation zu erkennen. So ist nach vermeintlich kurativer Operation der Anstieg des Tumormarkers der Hinweis auf ein Rezidiv oder eine Fernmetastasierung. Die Möglichkeiten einer noch kurativen Behandlung nehmen aber mit wachsender Lead time ab.

Lead time

Nach Therapie ist in Zusammenhang mit einer frühen Erkennung eines Rezidivs die Lead time von Bedeutung. Man versteht darunter das Zeitintervall vom erstmaligen Anstieg des Tumormarkers bis zum klinischen oder apparativen Nachweis des Rezidivs bzw. der Metastasierung. Unterschieden werden:

  • Positive Lead time bei der ein Markeranstieg der Klinik oder bildgebenden Verfahren vorangeht (kann 4–26 Monate betragen).
  • Negative Lead time, bei der die klinische Diagnostik dem Anstieg des Markers vorausgeht. Ein hohe diagnostische Sensitivität und ein hoher positiver prädiktiver Wert eines Tumormarkers sind in dieser Situation nutzlos.

Die Lead time ist vom zeitlichen Intervall der Probennahmen abhängig. Sie müssen für eine effiziente Nachsorge alle 6–8 Wochen erfolgen.

Tumorfreiheit mit anschließender Progredienz

Es liegt eine Situation mit Rezidiv freiem Intervall vor, an das sich ein kontinuierlicher, zunächst langsamer Anstieg anschließt. Der Anstieg kann sich über mehrere Untersuchungsintervalle sogar noch im Referenzbereich bewegen und hat die gleiche Bedeutung, als würde er oberhalb des Referenzbereichs stattfinden.

Der kontinuierliche Anstieg ist das Zeichen von Progredienz. Ein einmaliger Anstieg ohne begleitende klinische Symptomatik sollte, auch wenn er stark ausgeprägt ist, keine invasiven oder therapeutischen Konsequenzen haben. Der Anstieg sollte immer durch eine kurzfristige Kontrolluntersuchung bestätigt werden.

In Tab. 28.6-4– Tumormarker bei Krebserkrankungen sind Tumorerkrankungen und der sinnvolle Einsatz von Tumormarkern dargestellt. Zu den Tumormarkern selbst wird auf die nachfolgenden Beiträge verwiesen.

28.6.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Die Konzentration eines Tumormarkers ist abhängig vom Hersteller des Kits, und mit Kits verschiedener Hersteller werden unterschiedliche Werte gemessen, auch dann, wenn es sich um das gleiche Verfahren unter Verwendung identischer Antikörper handelt. Remissionen und Progressionen können vorgetäuscht werden und falsche Therapien sind die Folge. Deshalb muss zum jeweiligen Resultat der Name des Hersteller des Kits angegeben werden.

Intraindividuelle Variation

Die intraindividuelle Variation der Tumormarker ist bei Krebspatienten höher als bei Gesunden und beträgt /9/ für CEA bei Gesunden 8,4 %, bei Tumorpatienten 19,3 %, für CA 15-3 bei Gesunden 6,0 % und bei Tumorpatienten 17,3 %.

Störfaktoren

Zu beachten ist:

  • Ein Zeitintervall über 60 min bis zum Abseren des Blutes führt zum Anstieg von NSE, da NSE aus den Thrombozyten austritt. Für die Bestimmung von freiem PSA sollte der Zeitraum nicht länger als 3 Std. sein.
  • Hautkontakt mit dem Inneren von Probengefäßen führt zum Anstieg von SCC.
  • Kontamination der Untersuchungsprobe mit Speichel erhöht die Konzentration von SCC, CA 19-9 und in geringerem Umfang auch von CEA.
  • Hämolyse erhöht die Werte von NSE durch die Freisetzung aus Erythrozyten und Thrombozyten.
  • Ikterisches Serum bewirkt erhöhte Werte von PSA.
  • Medikamente, z.B. hohe Konzentrationen zwei- und dreiwertiger Metallionen, Purin-, Indol-, Guanidin-Analoga (Isoket, Isoptin), Vitamin C, Cisplatin, Mitomycin, Östradiol, Epirubicin können zu falschhohen PSA-Werten führen.
  • Humane Anti-Maus-IgG-Antikörper (HAMA) entstehen bei Patienten, bei denen aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen im Rahmen einer Immunszintigraphie oder Immuntherapie Maus-Immunglobuline appliziert worden sind. Hierdurch ist es möglich, dass in Testsystemen, in denen monoklonale Maus-Antikörper verwendet werden, ein positives Signal vorgetäuscht wird. Diese heterophilen Anti-Ig-Antikörper kommen auch bei Patienten vor, die mit Frischzellen behandelt worden sind und können somit falschhohe Tumormarkerwerte vortäuschen.

Einflussgrößen

Zu beachten ist:

  • Alter; es beeinflusst die Höhe des Tumormarkerwerts. So hatten in einer Studie /10/, in der bei gesunden Personen im Alter von 66–99 Jahren routinemäßig die Tumormarker CA 19-9, CEA, CA 72-4, CA 15-3, AFP und PSA bestimmt wurden, 40 % mindestens einen erhöhten Wert.
  • Eine Niereninsuffizienz oder eine Cholestase können auf Grund einer verminderten Ausscheidung die Werte von Tumormarkern erhöhen. Charakteristisch ist, dass die Tumormarkerwerte gleichbleibend erhöht sind.
  • Abhängig vom Zigarettenkonsum kann CEA 10 μg/l, selten sogar 20 μg/l betragen.

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28.7 AFP (Alpha-Fetoprotein)

Rolf Lamerz

AFP ist einer der wenigen Tumormarker, der bei Risikopatienten zum Screening auf Erkrankung empfohlen wird sowie nachfolgend zum therapeutischen Monitoring und in der Nachsorge eingesetzt wird.

28.7.1 Indikation

  • Verdacht auf hepatozelluläres Karzinom, z.B. bei Patienten mit Leberzirrhose.
  • Diagnostik und Differentialdiagnostik von Keimzelltumoren (Hoden, Ovar, extragonadal).
  • Therapeutisches Monitoring und Nachsorge von Patienten mit AFP-positiven Keimzelltumoren oder primärem Leberzellkarzinom, z.B. postoperativ bzw. unter oder nach Radio- und Chemotherapie.

28.7.2 Bestimmungsmethode

Immunoassays wie der Enzyme-linked immunoassay und immunometrische Assays mit Enzym-, Fluoreszenz- oder Lumineszenz-markierten Tracern. Verwendet werden poly- und vorwiegend monoklonale Antikörper.

28.7.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Pleuraexsudat, Ascites, Liquor cerebrosp.: 1 ml

28.7.4 Referenzbereich

Serum/Plasma: Bis 10 μg/l (ca. 7 IU/ml)*

* nach dem 1. Lebensjahr.

28.7.5 Bewertung

Die AFP-Bestimmung ist zum Screening und zur Kontrolle von Risikogruppen mit Verdacht auf Entstehung eines primären Leberzellkarzinoms oder eines Keimzelltumors wichtig, kann aber auch bei benignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.7-1 – AFP-Erhöhungen im Serum) /12/.

28.7.5.1 Leberzirrhose

Eher niedrig-pathologische und im Verlauf konstante oder transitorische AFP-Erhöhungen werden bei der Leberzirrhose gefunden. Die Positivitätsraten betragen /2/: 10–62 %. Im Mittel liegen 17 % der Werte im Bereich von 15–100 μg/l, 20 % bis 500 μg/l und 1 % > 500 μg/l. Langzeitstudien weisen darauf hin, dass Leberzirrhose-Patienten mit pathologischen AFP-Werten ein höheres Risiko für die Entstehung eines primären Leberzellkarzinoms haben /3/.

28.7.5.2 Virushepatitis

Bei akuter und chronisch-aktiver Virushepatitis kommen AFP-Erhöhungen vor und sind bei der akuten Hepatitis von transitorischer Natur. Die Gesamtrate pathologischer Werte beträgt 31 %, nur 1 % von den 31 % sind > 500 μg/l /2/. Bei der akuten Virushepatitis besteht eine zeitliche Beziehung zwischen AFP-Wert und den Gipfelwerten der Aminotransferasen, wobei den letzteren (Nekrosestadium) das AFP-Maximum (Regenerationsphase) zwei Wochen später folgt. Nach 6–10 Wochen werden wieder normale AFP-Werte erreicht. Bei fulminanter Virushepatitis hat die erhöhte AFP-Konzentration eine prognostisch günstige Bedeutung (Regeneration). Bei chronischer Hepatitis C und fortgeschrittener Fibrose ist die AFP-Erhöhung, bei niedrigem Albumin und dem Genotyp 1b mit einer schlechteren Prognose assoziiert /4/.

28.7.5.3 Andere Lebererkrankungen

Selten sind AFP-Erhöhungen bei toxischer Lebererkrankung, Hepatitis durch nicht-hepatotrope Viren, Gallengangsatresie, Cholestase, hereditärer Leberzirrhose und Erkrankungen des Stoffwechsels mit Leberbeteiligung.

28.7.5.4 Hepatozelluläres Karzinom (HCC)

Das HCC tritt in Europa, den USA und Japan vornehmlich auf dem Boden einer Leberzirrhose auf. Es befällt in Gebieten hoher Prävalenz (Asien, Afrika: Inzidenz Männer 30–40/100.000, Frauen 10–14/100.000) öfters Altersgruppen < 40 J. als in Gebieten niedriger Prävalenz. In Europa, USA, Kanada ist die Prävalenz bei Männern 2–8/100.000, bei Frauen 1–4/100.000, wobei Männer (männlich/weiblich 1,4–3,0) bevorzugt sind und die Inzidenzraten ansteigen /5/.

Bei Primärdiagnose eines HCC weisen auf Grund kleinerer Tumoren durch verbesserte bildgebende Verfahren nur noch 60 % der Fälle erhöhte AFP-Konzentrationen auf. Davon sind etwa 20 % der AFP-Werte > 10 mg/l mit maximalen Konzentrationen bis 10.000 mg/l, 32 % > 1 mg/l und etwa 50 % > 100 μg/l.

Histologisch gesicherte HCC deutlicher Größe und Ausdehnung haben noch zu 5–10 % normale AFP-Konzentrationen. Beim sehr viel selteneren Hepatoblastom werden normale oder erhöhte Werte beobachtet, während cholangiozelluläre Karzinome AFP-negativ sind.

Es besteht keine Korrelation zwischen dem AFP-Wert, anderen Laboruntersuchungen oder klinischen Krankheitszeichen zu Tumorgröße, Tumorwachstum, Stadium oder Malignitätsgrad, aber zum Tumor-AFP-Gehalt und zur Zunahme der Entdifferenzierung /6/.

Der Nutzen der AFP-Bestimmung zur Überwachung von Risikogruppen (Leberzirrhose, HBsAg-Träger) und zur Früherkennung des HCC wird als hoch erachtet /7/. Patienten mit AFP-positiven Lebererkrankungen zeigen eine höhere Rate von HCC-Bildung und eine schlechtere Prognose im 5-Jahresverlauf /3/.

Nach der Tumormarker (TM)-Guideline der National Academy of Clinical Biochemistry (NACB) von 2010 /8/ wird AFP als der bisher einzige empfehlenswerte TM beim HCC für folgende Indikationen empfohlen: Beim Screening von Patienten mit erhöhtem HCC-Risiko (Leberzirrhose, chronische Hepatitis B/C) zusammen mit Ultraschall 6-monatlich, wobei ein Wert > 20 ng/ml auch bei negativem Ultraschall weiter als verdächtig untersucht werden sollte.

Für die HCC-Diagnose von Risiko-Patienten sind hilfreich für die Frühdiagnose: Anhaltende AFP-Erhöhung, Ultraschall, CT/MRT-Befund mit Tumorgrößen < 1 cm bzw. 1–2 cm und evtl. eine Biopsie. Diese erübrigt sich bei Tumorgröße > 2 cm und einem AFP > 200 μg/l mit typischem Ultraschall-Befund.

Zum Therapiemonitoring des HCC in der Verlaufsbeurteilung werden AFP-Kontrollen 3-monatlich für 2 Jahre und 6-monatlich zur Beurteilung des Therapiezustands nach Leberresektion oder Lebertransplantation für die Rezidiverkennung oder nach ablativer oder palliativer Therapie zur Erfolgskontrolle empfohlen.

28.7.5.5 Keimzelltumoren

Die bei Keimzelltumoren des Hodens, Ovars oder extragonadaler Lokalisation (sacrococcygeal, mediastinal, intrakraniell) beobachtete AFP-Bildung wird gemäß der Verbreitung AFP-bildender Zellen im Fetalstadium auf Dottersackentoderm ähnliche Strukturen zurückgeführt /9/. Dies hat vor allem bei Keimzelltumoren des Hodens (4–6 Neubildungen/100.000 männliche Einwohner und Jahr) auf Grund besserer Therapiemöglichkeit (Cis-Platin, Bleomycin, Etoposid) die histologische Einteilung beeinflusst.

Neben den drei noch gebräuchlichen histologischen Nomenklaturen (GB, USA, WHO) /10/ hat die histogenetische Einteilung von Teilum /9/ dem Vorkommen von AFP und hCG im Tumor Rechnung getragen. Nach dieser Einteilung kann sich die primordiale Keimzelle zum Germinom (Seminom, Dysgerminom; immer AFP-negativ) und embryonalen Karzinomen (AFP/hCG-negativ oder -positiv) entwickeln. Diese können folgende Differenzierung durchmachen:

  • Extraembryonale Tumoren (Trophoblast-Chorionkarzinom: AFP-negativ/hCG-positiv; Dottersack-entodermaler Sinustumor: AFP-positiv/hCG-negativ).
  • Embryonale Tumoren (reifes/unreifes Teratom: AFP/hCG-negativ).

Daraus geht hervor (Abb. 28.7-1 – Differenzierung von Keimzelltumoren durch die Bestimmung von AFP und hCG):

  • Reine Seminome, Dysgerminome und differenzierte Teratome sind immer AFP negativ.
  • Reine Dottersacktumoren sind immer AFP positiv.
  • Embryonale Karzinome und Kombinationstumoren können je nach der Menge entodermaler Strukturen positiv oder negativ sein.

Bei nicht seminomatösen Hodentumoren beträgt die diagnostische Sensitivität des AFP 50–80 %. So lagen erhöhte AFP-Werte vor /11/: Beim malignen undifferenzierten Teratomen (MTU) zu 70–72 %, beim intermediären malignen Teratom (MTI) in 60–64 %, bei Dottersack- und Kombinationstumoren zu 64 %, aber bei keinem von 130 Seminomen. Hohe Konzentrationen über 1.000 μg/l werden beim MTU in 53 %, MTI in 16 % und Kombinationstumoren in 26 % gefunden /12/.

In Abhängigkeit vom klinischen Stadium treten bei malignen Teratomen und Kombinationstumoren AFP-Erhöhungen in folgender Häufigkeit auf: Stadium I 76 %, Stadium II–III 63 %, Stadium IV 81 %. Dabei beträgt die diagnostische Spezifität 100 % gegenüber reinen Seminomen und gesunden Erwachsenen. Nach anderen Autoren /13/ ergibt sich durch die kombinierte Markerbestimmung AFP/hCG eine diagnostische Sensitivität für die Erfassung von Tumorrezidiv und partieller Remission von 86 % bei einer diagnostischen Spezifität von 100 % sowie ein positiver prädiktiver Wert von 100 % und ein negativer von 87 %. Im Zusammenhang mit der retroperitonealen Lymphadenektomie wird durch die Bestimmung von AFP/hCG eine Verminderung des Stagingfehlers von ca. 50 % auf unter 15 % in Stadium I und II erreicht /11/.

Nach der TM-Guideline der National Academy of Clinical Biochemistry (NACB) von 2008 /14/ und der International germ cell cancer collaborative group /15/ ist bei Keimzelltumoren eine prä-therapeutische Untersuchung von hCG, AFP und LDH unabdingbar für das Staging und die Risikostratifizierung. Beim Monitoring sollten Patienten mit prä-therapeutischer TM-Erhöhung (AFP, hCG, LDH) wöchentlich bis zur Normalisierung der Marker kontrolliert und die Halbwertzeit bestimmt werden. Post-therapeutische Markererhöhungen bedeuten residuelle Erkrankung, welche durch andere Methoden bestätigt oder ausgeschlossen werden sollte. Serielles Monitoring mit AFP, hCG und LDH wird auch bei fehlender prä-therapeutischer Erhöhung wegen möglicher Änderung unter Therapie empfohlen.

Liquor cerebrospinalis

Die AFP (hCG)-Bestimmung im Liquor ist für die Diagnose und Überwachung von intrakraniellen Keimzelltumoren von Bedeutung /16/. AFP im Serum ist in diesen Fällen oft nicht erhöht.

28.7.5.6 Andere Tumoren

Differentialdiagnostisch werden in seltenen Fällen erhöhte AFP-Werte bei nicht therapeutischen gastrointestinalen Tumoren gefunden: Zu 21 % bei Magen-, Kolon-, Gallenwegs- und Pankreas-Karzinom. Sehr selten sind AFP-Erhöhungen bei nicht gastrointestinalenTumoren, z.B. Bronchialkarzinom, meist im Zusammenhang mit Lebermetastasierung /2/. Die Konzentrationen liegen überwiegend < 500 μg/l, nur ca. 4 % > 500 μg/l.

28.7.5.7 Verlaufsbeurteilung

Unbehandelte HCC, und Keimzelltumoren führen mit Tumorausbreitung zu einem zunächst langsamen, dann exponentiellen AFP-Anstieg, der beim HCC Werte von 100–1.000 mg/l und mehr erreichen kann. Der Anstieg ist vor allem im prä-terminalen Stadium nicht mit dem Tumorwachstum korreliert, sondern kann mit zunehmender Einschränkung des Leberstoffwechsels inadäquat höher sein. Auch ein prä-terminaler AFP Abfall ohne Therapie (Nekrose) wird beobachtet.

28.7.5.8 Operative Tumorverkleinerung, -entfernung

Bei Tumoren die AFP bilden, spiegelt der Abfall die Menge des entfernten Tumors wider. Bei vollständiger Tumorentfernung fällt nach einem oft kurzfristigen postoperativen Anstieg auf Grund der Manipulation am Tumor, die AFP-Konzentration mit einer Halbwertszeit von < 5 Tagen in den Referenzbereich ab (Tab. 28.7-2 – AFP-Werte unter Therapie).

28.7.5.9 Strahlen- und zytostatische Therapie

Ein kurzfristiger Anstieg von AFP durch Freisetzung bei Tumorzellzerfall und Tumorlysesyndrom ist möglich.

Das Verhalten von AFP hängt von der Zusammensetzung des Tumors ab. Bei einheitlicher Zellfraktion (HCC) mit Fähigkeit zur AFP Bildung spiegelt der Abfall von AFP im Serum das Verhalten des Gesamttumors wider.

28.7.5.10 AFP Verhalten unter Therapie

Bei Kombinationstumoren des Hodens gibt der AFP Abfall ausschließlich das Verhalten des Marker bildenden Zelltyps wieder, das vom Verhalten der anderen Zelltypen abweichen kann. Daraus leitet sich die Forderung nach der Verwendung mehrerer Tumormarker für die Kontrolle gemischtzelliger Tumoren ab, z.B. AFP und hCG bei Hodentumoren. Bei Hodentumoren besteht die Möglichkeit, dass AFP und hCG sich zwar konkordant normalisieren, im Verlauf jedoch mit anderen Methoden, z.B. CT, Röntgen ein Resttumor bzw. eine Progression festgestellt wird. Dies wird gelegentlich unter zytostatischer Therapie beobachtet und ist durch einen histologischen Typenwandel, z.B. Übergang in ein reifes Marker negatives Teratom, bedingt.

Ansteigende Konzentrationen eines oder mehrerer Tumormarker sind mit einer Tumorremission unvereinbar. Sie zeigen oft 1–6 Monate vor dem Erkennen durch andere Methoden eine Progression an und können eine Änderung des Therapieplans rechtfertigen.

28.7.5.11 Prognostische Bedeutung von AFP

Die Bestimmung der Halbwertszeit (HWZ) von AFP und hCG /17/ wird zur Verlaufsbeurteilung empfohlen und als prognostisch günstiges Zeichen gewertet, wenn sie im physiologischen Bereich (unter 5 Tage) liegt.

Patienten mit Halbwertszeiten von > 7 Tagen (AFP) oder > 3 Tagen (hCG) nach zwei Chemotherapiezyklen weisen ein geringeres Gesamtüberleben auf als diejenigen mit normaler Clearance der Marker. Sie werden als HochrisikoGruppe für eine aggressivere Chemotherapie vorgeschlagen /1819/.

Von der International Germ Cell Cancer Collaboration Group wurde die International Germ Cell Consensus Klassifikation verabschiedet. Sie sieht eine Prognosefaktor basierte Stadieneinteilung für metastatische Keimzelltumoren vor /15/. Für Nicht-Seminome umfasst sie:

  • Drei Prognosegruppen (gut, intermediär, schlecht) für den primären Hodentumor, den retroperitonealen oder mediastinalen Tumor ohne oder mit nicht-pulmonalen viszeralen Metastasen.
  • Drei Bereichsgruppen ansteigender Konzentration von AFP (< 1.000; 1.000–10.000; > 10.000 μg/l), hCG (< 5.000; 5.000–50.000; > 50.000 IU/l) und LDH (< 1,5 fach; > 1,5–10 fach; > 10 fach des oberen Referenzbereichswerts). Die Raten für ein Progressions freies oder Gesamtüberleben sind: Gut 89/92 %; intermediär 75/80 %; schlecht: 41/48 %) /15/.

Bei 2.253 Lebertransplantations-Patienten waren die prä-therapeutische AFP-Konzentrationen (Wert gruppiert < 20; 20–399; > 400 ng/ml) ein prognostischer Prädiktor des Überlebens nach Transplantation /20/.

Die frühe AFP Antwort auf eine lokale Radiochemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem HCC ergab für die Responder ein verbessertes von Progression freies Überleben /21/. Auch eine frühe AFP Antwort (Abfall > 20 % vom Basalwert nach 2–4 Behandlungswochen) ist der Prädiktor einer Therapieeffizienz von anti-angiogener Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC. Dabei hatten die AFP Responder ein längeres medianes von Progression freies Überleben und AFP war ein unabhängiger Prädiktor für von Progression freies Überleben und mittlere Überlebenszeit /22/.

28.7.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Die Nachweisempfindlichkeit liegt in Abhängigkeit vom Immunoassay bei 0,1–1 μg/l. Die Tests werden kalibriert am WHO-Standard ist AFP 72/225. Die international Unit wird als Maß empfohlen und es entspricht 1 IU = 1,21 ng.

Referenzbereich

Schwangere haben, abhängig von der Woche der Schwangerschaft (SSW) ab der 10. SSW über der oberen Referenzbereichsgrenze liegende Serumwerte von AFP. Diese erreichen in der SSW 32–36 einen Gipfelwert von 400–500 μg/l betragen kurz vor der Geburt 40–250 μg/l, fallen unter der Geburt leicht ab und danach mit einer Halbwertszeit von 3,8 ± 0,9 Tagen in den Normbereich /23/.

Bei Neugeborenen fällt das AFP von einem mittleren Wert im Nabelschnurserum um 70 mg/l mit einer Halbwertszeit von 4,0 ± 1,8 Tagen ab, erreicht mit großen individuellen Schwankungen nach 2–3 Wochen 500–4.000 μg/l und die Erwachsenenwerte etwa ab 10. Lebensmonat /23/.

Stabilität

Kurzversand durch die Post möglich, im Kühlschrank bis 1 Woche, längere Lagerung bei –30 °C /24/ beobachtet /25/.

28.7.7 Pathophysiologie

AFP ist ein Glykoprotein (4 % Kohlenhydratanteil) mit einem MG um 70 kDa und einer elektrophoretischen α1-Beweglichkeit /26/.

AFP wird im Fetalleben im Gastrointestinaltrakt und in der Leber sowie zusätzlich im Dottersack gebildet und in das Blut und andere Körperflüssigkeiten des Feten abgegeben. Diaplazentar gelangt es auch in Abhängigkeit von der SSW und der Zusammensetzung der Plazentaschranke in das mütterliche Serum.

Höchste fetale Konzentrationen im Serum von 300–400 mg/l werden in der SSW 13–15 beobachtet, deutlich niedrigere im Fruchtwasser (maximal bis 35 mg/l um die 16. SSW) und im mütterlichen Serum (maximal bis ca. 500 μg/l in der SSW 32–36).

Als mögliche physiologische Bedeutung in der Fetalzeit werden eine Schutzfunktion für den Feten vor den mütterlichen Östrogenen oder vor der immunologischen Abstoßung sowie eine Ersatzfunktion für das erst später überwiegende Albumin diskutiert.

Bei Geburt betragen die mittleren AFP-Werte im Blut der Nabelschnur 70 mg/l. Mit einer Halbwertszeit von ca. 4 Tagen fällt in den folgenden Lebenswochen die AFP Konzentration mit großen individuellen Schwankungen ab, so dass erst ab dem 10. Lebensmonat Erwachsenenwerte < 15 μg/l erreicht werden.

Im Erwachsenenalter treten im Zusammenhang mit benignen Lebererkrankungen und Regenerationsvorgängen in der Leber erhöhte AFP Werte von konstanter oder transitorischer Natur sowie hoch pathologische Werte mit der Entstehung von primären Leberzellkarzinomen oder Keimzelltumoren des Hodens, Ovars oder extragonadaler Lokalisation auf.

Dieses wieder Auftreten vergleichsweise fetaler Werte von AFP wird durch eine Derepression von für die Bildung von AFP verantwortlichen Genomen, die bei Geburt reprimiert wurden, erklärt.

Während für die Bildung von AFP beim primären Karzinom der Leber irreversible Veränderungen von Vorstufen der Hepatozyten bzw. persistierende Hepatoblasten verantwortlich scheinen, werden die in Keimzelltumoren zur Bildung von AFP befähigten Zellen vom Dottersackepithel (entodermale Sinusstrukturen) abgeleitet.

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28.8 CA 19-9, GICA (Gastrointestinal cancer antigen)

Rolf Lamerz

CA 19-9 ist in der Abklärung des Pankreaskarzinoms gegenüber anderen gastrointestinalen Tumoren der Marker mit der höchsten diagnostischen Sensitivität und Spezifität. Die Bedeutung der-Bestimmung von CA 19-9 liegt in der Verlaufsbeurteilung des Pankreaskarzinoms, des hepatobiliären Karzinoms und des Magenkarzinoms.

28.8.1 Indikation

Absolut

  • Verdacht auf Pankreaskarzinom, hepatobiliäres Karzinom (Leberkarzinom, Gallenwegs-Karzinom), Magenkarzinom.
  • Nachsorge der zuvor genannten Tumoren.

Relativ

  • Zur Diagnostik und Nachsorge beim kolorektalen Karzinom (Zweitmarker nach CEA) und Ovarialkarzinom (Zweitmarker nach CA-125).

28.8.2 Bestimmungsmethode

Immunometrische Assays /1/ und Enzymimmunoassays (ELISA) unter Verwendung des gleichen monoklonalen Anti-CA 19-9-Antikörpers als Capture Antikörper und Detektor/Tracer Antikörper. Die Tests erfordern meist zwei Inkubations- und Waschschritte und haben einen Messbereich von 5–1.000 U/ml.

28.8.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Pleurapunktat, Ascites: 1 ml

28.8.4 Referenzbereich

Serum, Plasma: ≤ 37 U/ml /1/

(1 U = 0,8 ng)

28.8.5 Bewertung

CA 19-9 kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.8-1 – Diagnostische Sensitivität von CA 19-9 bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.8.5.1 Benigne Erkrankungen

Bei einem Grenzwert von 37 U/ml sind in 20–30 % der Fälle höhere Werte für cholestatische Zustände, z.B. Cholezystitis, Cholangitis sowie für Leberzirrhose, Mukoviszidose und die massive Leberzellnekrose beschrieben. Werte > 1.000 U/ml sind beim benignen Verschlussikterus nicht selten. An weiteren benignen Zuständen mit möglicher leichter und selten deutlicher CA 19-9 Erhöhung seien summarisch genannt: Milz-, Leber-, Pankreas- und bronchogene Zysten, benignes multi-zystisches Mesotheliom des Peritoneums, Lungenfibrose, Divertikulitis und benigne Hydro- und Pyonephrose /2/.

Bei der chronischen inaktiven Pankreatitis findet man nur in 0–6 % erhöhte Konzentrationen, bei der akuten Pankreatitis und im akuten Schub einer chronischen Pankreatitis jedoch in 15–20 % der Fälle, mit Werten meist unter 100 bis maximal 500 U/ml /3/.

Zur besseren Differenzierung des Pankreaskarzinoms von benignen Ursachen wird ein höherer Entscheidungswert von 100 U/ml empfohlen als Kosten sparender Initialtest im Vergleich zur Sonographie für die Pankreaskarzinom Fahndung bei Patienten mit den klinischen Symptomen Gewichtsabnahme und Bauchschmerzen. Bei diesem Vorgehen beträgt die diagnostische Sensitivität 62 % bei einer diagnostischen Spezifität von 97 % für die Diagnostik eines Karzinoms /45/.

28.8.5.2 Pankreaskarzinom

Beim exkretorischen duktalen Karzinom des Pankreas (Adenokarzinom mit einer Inzidenz von 8/100.000 Einwohner/Jahr) wird eine diagnostische Sensitivität des CA 19-9 von 70–95 % bei einer Spezifität von 72–90 %, mit maximalen Werten > 100.000 U/ml berichtet /136, 78910/.

Übersichten aus 22 bzw. 30 Studien mit Pankreaskarzinom ergaben für CA 19-9 (Grenzwert 35–40 U/ml) eine mediane diagnostische Sensitivität von 79 % (70–90 %) bei einer medianen Spezifität von 82 % (68–91 %) bzw. eine diagnostische Sensitivität von 59–85 % bei einer Spezifität von 60–100 % /1112/. Die diagnostische Sensitivität von CEA nur etwa halb so hoch /7/.

Bei einer Prävalenz von 58 % des Pankreaskarzinoms im Kollektiv der Pankreatitis (Grenzwert des CA 19-9 50 U/ml) ergaben sich folgende Daten: Diagnostische Sensitivität 81 % bei einer Spezifität von 94 %, positiver prädiktiver Wert 95 %, negativer 78 % /39/.

Es besteht eine Korrelation von Höhe und Inzidenz pathologischer CA 19-9 Werte zur:

  • Tumorlokalisation (Entscheidungswert 37 U/ml): Pankreaskopf 80 %, Korpus, Schwanz 57 %.
  • Tumorausdehnung (Entscheidungswert 120 U/ml): T2/3 33 %, T + N1 71 %, TN + M1 85 %;
  • Tumordurchmesser (Entscheidungswert 37 U/ml): < 3 cm 57 %, 3–6 cm 80 %, > 6 cm 100 %.
  • Zur Resezierbarkeit und zur Metastasierung, aber nicht zur histologischen Differenzierung /9/.

In Untersuchungen an Patienten mit Pankreaskarzinom wurde der prognostische Wert der prä-therapeutischen CA 19-9 Konzentration und der signifikante Stellenwert seines Monitorings für die therapeutische Erfolgsbeurteilung mit und unter Einsparung von bildgebenden Verfahren belegt /7810/:

  • Bei 142 Patienten mit intraduktaler papillärer muzinöser Neoplasie des Pankreas (IPMN) fanden sich präoperativ bei 74 % ein erhöhtes CA 19-9 bei invasivem gegenüber nur 14 % bei nicht invasivem Tumor. Es betrugen bei einem Entscheidungswert von 37 U/ml die diagnostische Spezifität 85,9 %, der negative prädiktive Wert 85,9 %, der positive prädiktive Wert 74 % und die Treffsicherheit 81,7 % /13/.
  • Ebenso zeigten IPMN-Patienten postoperativ eine Rezidivrate von 12,6 % mit einem medianen Überleben von 17 gegenüber 41,4 Monaten in der Nicht-Rezidivgruppe. Die Rezidiv Prädiktoren waren eine invasive Pathologie, die Pankreaskopf-Lokalisation und ein präoperativer Wert des CA 19-9 über 38 U/ml /14/.
  • Bei weiteren Patienten mit IPMN war nach chirurgischer Intervention ein CA 19-9 > 37 U/ml mit einem fortgeschrittenen Stadium vergesellschaftet. CA 19-9 war ein sigifikanter Prädiktor für ein malignes oder invasives IPMN. Auch erwies sich CA 19-9 als ein Prädiktor für das postoperative Überleben. Ein Wert > 63,6 U/ml zeigte eine schlechte postoperative Prognose und ein Rezidiv an /15/.

28.8.5.3 Leber- und Gallenwegskarzinome

Für Leberzell- und cholangiozelluläre Karzinome beträgt diagnostische Sensitivität des CA 19-9 22–51 % und für Gallenwegskarzinome 55–79 % /3/.

Cholangiokarzinom Patienten ohne primär sklerosierende Cholangitis (PSC) konnten gegenüber nicht-maligner Lebererkrankung und Gallengangsstrikturen bei einem Grenzwert des CA 19-9 von 100 U/l mit einer diagnostischen Sensitivität von 53 % und einer Spezifität von 76 % (Lebererkrankung) bzw. 92 % (Gallengangstriktur) unterschieden werden /16/.

Beim einem Entscheidungswert von 100 U/l beträgt für die Unterscheidung der PSC von der Kombination aus PSC mit Cholangiokarzinom die diagnostische Sensitivität 75 % bei einer Spezifität von 80 % /17/. Ferner wurde zur gleichen Problematik ein Kings College Score mittels der Bestimmung von CA 19-9 und CEA beschrieben (40 × CEA + CA 19-9 ≥ 400) /18/, dessen Treffsicherheit allerdings in Frage gestellt wurde.

28.8.5.4 Magenkarzinom

Für das Magenkarzinom hat CA 19-9 eine diagnostische Sensitivität von 26–60 % mit deutlicher Abhängigkeit vom Tumorstadium. Wegen der komplementären Befunde von CA 19-9 und CEA erhöht sich die diagnostische Sensitivität unter Verwendung beider Marker auf das Doppelte. Ferner erwies sich die kombinierte Bestimmung von CA 19-9 und CEA als unabhängiger prognostischer Faktor für das Überleben, neben Invasionstiefe, Lebermetastasen, peritonealer Aussaat und Tumorstadium /19/.

28.8.5.5 Kolorektales Karzinom (CRC)

Für das CRC ergibt sich eine diagnostische Sensitivität von 18–58 % mit starker Abhängigkeit vom Tumorstadium (Dukes A 0–7 %, B 17 %, C 47 %, D 75 %) /13/. Im Vergleich zu CEA (diagnostische Sensitivität 38–58 %, Dukes D 65–94 %) sind die Inzidenzraten für CA 19-9 (18–31 %, Dukes D 29–59 %) nur halb so hoch. Ferner war das präoperative CA 19-9 (Entscheidungswert > 60 U/ml) neben dem Tumorstadium nach Dukes, ein Prädiktor für das Überleben /20/.

28.8.5.6 Andere Tumoren

Niedrige diagnostische Sensitivitäten hat CA 19-9 beim Bronchialkarzinom (7–42 %) und dem Mammakarzinom (10 %) /126/. Beim Ovarialkarzinom ist die diagnostische Sensitivität 15–38 % mit Werten von 68–88 % beim muzinösen Typ und 25–29 % beim nicht muzinösen; beim Uteruskarzinom nur von 13 % /32122/.

28.8.5.7 Verlaufsbeurteilung

Im Verlauf, z.B. Bestimmung im Abstand von mindestens 14 Tagen, zeigen:

  • Benigne Erkrankungen, wenn überhaupt, entweder eine transitorische Erhöhung oder konstant niedrige Konzentration meist < 200 U/ml.
  • Nicht behandelte maligne Erkrankungen eine stetig wachsende Konzentration, die sich bis weit über 1.000 U/ml entwickeln kann.

Beim Pankreaskarzinom, hepatobiliären Karzinom, Magen- und CRC besteht eine gute Korrelation von CA 19-9 zum klinischen Verlauf unter chirurgischer, Strahlen- und zytostatischer Therapie /3/ mit einer Vorwarnzeit von bis zu 7 Monaten /23/. Das bedeutet:

  • Normalisierung (< 15 U/ml) innerhalb von 2–4 Wochen nach vollständiger Operation (Stadium I).
  • Nur geringer, vorübergehender Abfall der Konzentration ohne Normalisierung bei palliativer Therapie.
  • Wieder- oder weiterer Anstieg bei Rezidiv und/oder Metastasierung sowie bei Progredienz /3/.

Änderungen des klinischen Verlaufs werden durch das Verhalten des CA 19-9 in der Nachsorge mit folgender Richtigkeit angezeigt /3/:

  • Beim Magenkarzinom (diagnostische Sensitivität 38–70 %, Spezifität 89–91 %, Treffsicherheit 83 %).
  • Beim CRC (diagnostische Sensitivität 53–73 %, Spezifität 91–94 %, Treffsicherheit 80 %).

Erhöhtes CA 19-9 vor Behandlung deutet auf eine schlechte Prognose hin, wobei eine prä-operative Erhöhung > 1.000 U/ml am besten zwischen einem guten und schlechten Ausgang differenziert. Ein Markerabfall nach Operation ist der beste Prädiktor für ein Gesamtüberleben.

Entscheidungswerte von 200 U/ml bzw. nach adjuvanter Chemoradiotherapie > 90 oder 180 U/ml sind Prädiktoren eines schlechten Ausgangs /2425/.

Eine Übersicht von 7 Pankreaskarzinom-Studien (zwei postoperativ, drei nach Chemoradiotherapie und zwei nach Chemotherapie) ergab für Entscheidungswerte von CA 19-9 (zwischen 200 und 680 bzw. 958 und 1212 U/ml) vor Therapie ein höheres medianes Überleben bei deren jeweiliger post-therapeutischen Unterschreitung (9,5–22 Monate) als bei deren Überschreitung (4,4–8,0 Monaten) /26/.

In drei weiteren Chemotherapie Studien differierte das mediane Überleben je nach Abfall-Response-Definition des CA 19-9 von ≥ 75 % oder ≥ 50 % oder lediglich bei Abfall bei Respondern günstiger (10,6–23 Monate) als bei Non-Respondern (4,1–8 Monate) /26/.

In 8 Chemotherapie-Studien und Abfall-Response-Definition des CA 19-9 von ≥ 15–25 %, ≥ 50 % oder ≥ 75 % zeigten Responder ein besseres medianes Gesamtüberleben (4,7–13,8 Monate) als Non-Responder (2,9–8,1 Monate) /26/.

Eine Chemotherapie Multicenterstudie bei 115 Patienten mit Pankreaskarzinom und Bestimmung der Kinetik von CA 19-9 aus mindestens drei Messungen in einem Time-varying covariate-Modell wies folgendes nach /27/: Die Kinetik des CA 19-9(log CA 19-9) nach Beginn der Chemotherapie ist ein signifikanter Prädiktor für die Zeit bis zur Progression (Hazard ratio 1,45) und das Gesamt-Überleben (Hazard ratio 1,38).

28.8.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Auch bei Verwendung des gleichen Antikörpers und Verfahrens sowie einer intraassay-Variation von 3–13 % und der interassay Variation von 4–16 % ist ein Vergleich der Werte von CA 19-9 der Tests zweier Hersteller meist nicht möglich. Deshalb ist bei Verlaufsbestimmungen stets der gleiche Test zu verwenden.

Referenzbereich

In einem sehr großen Kollektiv gesunder Blutspender beträgt die obere Wert des Referenzbereichs 37 U/ml (x = 8,4 ± 7,4 U/ml) /1/. Es besteht keine Korrelation zum Alter oder Raucherstatus, aber zum Geschlecht; Frauen haben leicht höhere Werte.

Keine messbaren CA 19-9-Erhöhungen sind bei Gesunden und Patienten mit der seltenen Blutgruppenkonstellation (Lewis a–b–; bei 3–7 % der Bevölkerung) zu erwarten, da ihnen eine für die Expression des CA 19-9-Epitops wichtige Sialyltransferase und eine fukosylierte Vorstufenkette fehlt.

Es besteht eine Variation des CA 19-9 im Serum von normalen Personen in Abhängigkeit von Lewis- und Secretor-Genotyp bei Kaukasiern /28/. Nach diesen Genotyp spezifischen Referenzwerten von CA 19-9 zeigen sich Schwankungen des oberen Werts des Referenzbereichs zwischen minimal 8 (Le/le; Se/Se) und maximal 51 (Le/Le; se/se) U/ml.

Während der Menstruation und in der Schwangerschaft sind Erhöhungen von CA 19-9 bis 70 U/ml bei ca. 15 % von nicht Schwangeren und bis 120 U/ml bei 10 % der Schwangeren, ohne Beziehung zum Stadium der Schwangerschaft, beschrieben /2/.

Ascites zeigt bei einer dem Serum vergleichbaren Entscheidungswert (30 U/ml) einen signifikanten Unterschied (diagnostische Sensitivität 50 %, Spezifität 100 %) zwischen benignen und malignen Erkrankungen, nicht aber die Pleuraflüssigkeit /29/.

Ein obstruktiver Ikterus /30/ aufgrund von benignen und malignen Erkrankungen mit Kontrollwerten vor und nach endoskopischer biliärer Drainage zeigte Erhöhungen von CA 19-9 (Entscheidungswert 37 U/ml) bei 61 % der benignen und 86 % der malignen Erkrankungen. Ein Markerabfall nach Drainage trat bei 50 % der malignen und nahezu allen benignen Fällen auf. Ein Entscheidungswert von 90 U/ml ergab eine verbesserte Treffsicherheit nach biliärer Drainage zwischen maligner und benigner CA 19-9-Erhöhung (diagnostischen Sensitivität von 61 %, Spezifität von 95 %).

Stabilität

Bei 4 °C für 24 h stabil, nach 72 h Anstieg um 5 %. Bei Lagerung im Entnahmegefäß mit Separatorgel Anstieg bei 4 °C in 24 h um 4 % nach 72 h um 21 % /31/.

Störfaktoren

Falsch positive Werte sind möglich, bedingt durch die Bildung von Antikörpern bei Patienten unter Therapie mit Trockenzellextrakt oder nach Verabreichung monoklonaler Antikörper (Maus oder Ratte). CA 19-9 ist als Epitop einer Blutgruppeneigenschaft normaler Bestandteil vieler Schleimhautzellen und deren sezernierter Produkte, z.B. Mekonium, Stuhl. Vorsicht ist deshalb bei allen Sekreten geboten, weil auch bei Gesunden CA 19-9 bis über 100.000 U/ml gemessen werden können, z.B. in Milch, Sputum, Speichel, Bronchialschleim, Seminalflüssigkeit, Zervixsekret, Magensaft, Fruchtwasser, Urin, Ovarialzystenflüssigkeit /3/.

28.8.7 Pathophysiologie

1979 wurde zum ersten Mal über einen monoklonalen Antikörper (1116NS-19-9) berichtet, der gegen eine menschliche Zelllinie des kolorektalen Karzinoms hergestellt worden war /32/. Nach Isolierung ließ sich das Antigen einem Molekül von 36 kDa zuordnen und wurde als CA 19-9 bzw. GICA (Gastro-Intestinal Cancer Antigen) bezeichnet.

Chemisch ist CA 19-9 ein Monosialogangliosid (Glykolipid), und zwar das Sialyl-Derivat der Lacto-N-Fukopentaose II, ein Hapten der Lewis-a-Blutgruppendeterminante /33/. Sein immunologischer Nachweis kann durch Neuraminidase verhindert werden, weil nach einer Konformationsanalyse von CA 19-9 Neuraminsäure in das Epitopt integriert ist /34/.

CA 19-9 wurde vorwiegend in Colon- (59 %), Magen- (89 %) und Pankreaskarzinom (86 %) sowie selten in Leber-, Gallenblasen-, Bronchial-, Mamma- und muzinösen Ovarialkarzinomen /35/ nachgewiesen. Zusätzlich konnte CA 19-9 auch frei zirkulierend als hochmolekulares Mucin (Molekulargewicht über 106 KDa) bestimmt werden /36/.

CA 19-9 (Sialyl-Lea) leitet sich wie Lex, Sialyl-Lex, Ley vom Lewis-Blutgruppensystem (Lea, Leb) ab, kann als Glykolipid oder Muzin auftreten und enthält Neuraminsäure und Fukose.

Als normaler Bestandteil der Blutgruppensubstanz Lea sind hohe zirkulierende Konzentrationen von CA 19-9 in Sekreten physiologisch. Sie sind nur im Serum und verwandten Körperflüssigkeiten oberhalb der Referenzbereichsgrenze von 30–40 U/ml als pathologisch und mit steigender Konzentration als pathognomonisch für eine Tumorerkrankung anzusehen.

Leitlinien

Nach der National Academy of Clinical Biochemistry (NACB, USA) wird CA 19-9 nicht für die Diagnose des Pankreaskarzinoms empfohlen. Zu diagnostischen Zwecken sollte es nur in Verbindung mit anderen Verfahren (CT, MRT) oder dem Endosonographie verwandt werden. Die Befunde von CA 19-9 sollen invasive Testverfahren wie ERCP, Laparoskopie oder eine EUS-Feinnadelbiopsie unterstützen sowie im Zusammenhang mit anderer Verfahren auch zur Risikostratifizierung benutzt werden /37/.

Nach dem ASCO Update 2006 für Tumormarker bei gastrointestinalen Karzinomen wird CA 19-9 beim Pankreaskarzinom im Verlauf alle 1–3 Monate bei Patienten mit lokal fortgeschrittener oder metastatischer Erkrankung unter aktiver Therapie empfohlen. Erhöhungen serieller Bestimmungen von CA 19-9 in Kombination mit anderen Verfahren können eine progressive Erkrankung signalisieren /38/.

Nach dem National Cancer Comprehensive Network (NCCN, USA) kann die Höhe von CA 19-9 nützlich für die Unterscheidung des Adenokarzinoms des Pankreas gegenüber der Pankreatitis sein. Bei nicht metastasierter Erkrankung wird CA 19-9 präoperativ als Basiswert und postoperativ zur Überwachung zusammen mit CT seriell bei gleichem Test 3–6 monatlich für 2 Jahre nach chirurgischer Resektion empfohlen (Kategorie 2B) /39/.

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28.9 CA 125

Rolf Lamerz

Die wesentliche klinische Bedeutung von CA 125 liegt in seiner adjuvanten Rolle für die Diagnostik, Therapiekontrolle und Verlaufskontrolle des Ovarialkarzinoms. Ferner kann CA 125 beim Pankreaskarzinom als zweiter Marker nach dem CA 19-9 mit verwandt werden. Für andere Tumorerkrankungen ist CA 125 wegen zu geringer diagnostischer Sensitivität und Spezifität nicht zu empfehlen.

28.9.1 Indikation

Absolut

  • Verdacht auf Ovarialkarzinom.
  • Therapie- und Verlaufskontrolle des Ovarialkarzinoms.

Relativ

  • Pankreaskarzinom; Zweitmarker nach CA 19-9.

28.9.2 Bestimmungsmethode

Heterologe Immunoassays (sogenannte CA 125 II-Tests) mit dem monoklonalen Antikörper M11 als capture und OC 125 als Detektor/Tracer-Antikörper. Nachweisempfindlichkeit 0,5–5 U/ml je nach Test /123/.

28.9.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Ascites, Liquor cerebrospinalis: 1 ml

28.9.4 Referenzbereich

Serum,

0–35 U/ml* /3/

Plasma:

0–65 U/ml** /3/

* 99 %ige Vertrauensgrenze für Normalpersonen

** 99,8 % Vertrauensgrenze für Normalpersonen und Patienten mit benignen Erkrankungen

28.9.5 Bewertung

CA 125 kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.9-1 – Diagnostische Sensitivität von CA 125 bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.9.5.1 Benigne Erkrankungen

Ein erhöhtes CA 125 im Serum wird gefunden bei: Akuter Adnexitis (17–25 % über 65 U/ml), externer Endometriose (30 % über 35 U/ml), endometrioid bedingten Zysten, entzündlichen Beckenerkrankungen, Peritonitis (59 % über 65 U/ml), Darmverschluss, benigner gastrointestinaler Erkrankung (2–8 % über 65 U/ml), akuter Pankreatitis (25–36 % über 35/65 U/ml), Cholelithiasis (7 % über 65 U/ml), Cholezystitis (23 % über 65 U/ml), akuter und chronisch-aktiver Hepatitis (2–5 % über 65 U/ml), chronischen Lebererkrankungen (57 % über 65 U/ml), Leberzirrhose (35–64 % über 65 U/ml), Ikterus ohne Leberzirrhose (21–35 % über 35/65 U/ml), Lebergranulomatose (47 % über 65 U/ml), Autoimmunkrankheiten (7 % über 65 U/ml), Herz- und Niereninsuffizienz (11 % > 65 U/ml), benignen Adnextumoren, Meigs-Syndrom, Leiomyom, Perikarditis, Pleuritis, Ascites, veno-okklusiven Erkrankungen, nach Knochenmark-Transplantation /345/.

28.9.5.2 Ovarialkarzinom

Inzidenz erhöhter Werte

Beim primären Ovarialkarzinom mit einer Inzidenz von 15/100.000 Frauen und Jahr beträgt für CA 125 die diagnostische Sensitivität 82–96 % (Entscheidungswert 35 U/ml) und 74–78 % (Entscheidungswert 65 U/ml). Die maximal gemessenen Werte sind > 5.000 U/l /2346789/.

Die Suche nach Methoden zum Screenings zur Frühdiagnose eines Ovarialkarzinoms (OK) erfolgte auf Grund von Symptomen (abdominelle Anspannung, Harnfrequenz, Bauchschmerzen), mit transabdominellem oder transvaginalem Ultraschall (US) sowie mit Tumormarkern (überwiegend CA 125). Verstärkt wurde die Suche durch:

  • Einschluss von Patientinnen mit familiärer Disposition (erbliches OK-Syndrom, Lynch-Syndrom).
  • Genetische Beratung und Testung (BRCA1/2, MLH1, MSH2) bei Patientinnen mit hohem Risiko.
  • Untersuchung postmenopausaler Frauen /1011/. Für diese hat das UK Collaborative Trial of Ovarian Cancer Screening (OKCTOCS) die bisher validesten Ergebnisse erbracht /12/.

Ergebnisse der OKCTOCS-Studie

In der OKCTOCS-Studie wurden 202.638 postmenopausale Frauen im Alter von 50–74 Jahren in eine nicht untersuchte Kontrollgruppe (n = 101.359) und eine jährliche CA 125 Screeninggruppe nach einem OK-Risiko-Algorithmus mit transvaginalem US als 2nd-line Test (multimodales Screening, MMS), n = 50.640) und eine zweite Screeninggruppe (n = 50.639) mit alleinigem jährlichen transvaginalem US (USS), randomisiert. Patientinnen mit einem abnormen Test erhielten eine Testwiederholung, solche mit persistierend abnormem Test eine klinische mit eventueller chirurgischer Untersuchung.

Insgesamt war bei 8,7 % bzw. 12 % der Untersuchten einen Wiederholungstest, bei 0,3 % bzw. 3,9 % eine klinische und bei 0,2 % bzw. 1,8 % eine zusätzliche chirurgische Evaluierung erforderlich. Dabei wurden 42 bzw. 45 primäre Ovarial- und Tubenkarzinome einschließlich 28 Borderline-Tumoren gefunden. 28 der 58 (48,3 %) invasiven Karzinome lagen im Stadium I/II ohne Unterschied in beiden Gruppen vor, und 13 weitere primäre Ovarialkarzinome entwickelten sich im Jahr nach dem Screening.

Sensitivität, Spezifität und positiver prädiktiver Wert für alle primären Ovarial- und Tubenkarzinome betrugen 89,4 %, 99,8 % und 43,3 % im multimodalen Screening und 84,9 %, 98,2 % und 5,3 % im transvaginalen Ultraschall.

Für die primären invasiven epithelialen Ovarial- und Tubenkarzinome betrugen Sensitivität, Spezifität und positiver prädiktiver Wert für das multimodale Screening (MMS) 89,5 %, 99,8 % und 35,1 % und 75 %, 98,3 % und nur 2,8 % für den transvaginalen Ultraschall (USS).

Es bestand ein signifikanter Spezifitätsunterschied aber nicht in der Sensitivität zwischen den beiden Screeninggruppen für alle Ovarial- und Tubenkarzinome.

Von besonderer Bedeutung ist der Prozentsatz von im Stadium I/II entdeckten Karzinomen (47,1 % MMS, 50 % USS) und der signifikant höhere positive prädiktive Wert (35,1 % vs. 2,8 %) und konsekutiv die niedrigere Anzahl von Operationen pro im Screening entdeckter Karzinome für MMS (2,9 : 1 vs. 35,2 : 1).

Der PLCO Cancer Screening Randomized Controlled Trial verglich eine Interventionsgruppe (n = 39.105, jährlich CA 125 für 6 und transvaginaler US für 4 Jahre) mit einer üblich betreuten Kontrollgruppe (n = 39.111). Alter der Frauen 55–74 Jahre, Beobachtungszeitraum maximal 13 Jahre. Sie führte zur Entdeckung von 212/176 Ovarialkarzinomen und 118/100 Ovarialkarzinom Todesfällen, vielen falsch-positiven Befunden mit Komplikationen, aber nicht zu einer Reduktion der Ovarialkarzinom Mortalität /13/.

28.9.5.2.1 Beziehung von CA 125 Konzentration und Tumormasse

Nach einer Kombination von Daten aus 15 Studien /13/ zeigten sich CA 125 Erhöhungen über 35 U/ml im FIGO-Stadium I bei 49/96 (50 %), bei 55/61 (90 %) im Stadium II, 199/216 (92 %) im Stadium III und bei 77/82 (94 %) Fällen im Stadium IV.

Nach Daten aus 12 verschiedenen Studien /13/ zeigten sich erhöhte Konzentrationen bei 254/317 (80 %) bei Patienten mit Tumoren des serösen Typs, bei 35/51 (69 %) vom muzinösen Typ, bei 39/52 (75 %) vom endometrioiden Typ, bei 28/36 (78 %) vom Klarzell-Typ und bei 56/64 (88 %) vom undifferenzierten Typ.

28.9.5.2.2 Präoperative CA 125-Bestimmung

Der präoperative Wert hat prognostische Bedeutung beim epithelialen Ovarialkarzinom. Geringe Erhöhungen werden häufiger im frühen klinischen Stadium, bei minimaler Tumorlast, erfolgreicher Therapieresponse und niedriger Rezidivrate gefunden. Demgegenüber sind hohe präoperative Werte eher mit einer fortgeschrittenen Erkrankung und geringer Responserate auf Chemotherapie assoziiert /14/.

28.9.5.2.3 Beziehung zwischen CA 125 und klinischem Verlauf

Nach operativer Therapie bzw. unter Chemotherapie zeigt sich beim Ovarialkarzinom eine gute Korrelation zwischen CA 125 und dem klinischen Verlauf in 87–94 % der Fälle /26789/ mit einer Vorzeitigkeit in etlichen Fällen von 1–7 Monaten /78/.

Nach vollständiger Tumorentfernung kommt es oft zu einem exponentiellen Abfall von 75–90 % des Ausgangswerts in den ersten 7 Tagen und zu einer Normalisierung innerhalb von 1–3 Monaten /8/ (Halbwertszeit 4,8–6,4 Tage). Tumor freie Stadien weisen deshalb nur in 1–4 % der Fälle pathologische CA 125 Werte auf /46/. Da jedoch bei kurativ operierten Patientinnen trotz normalisiertem CA 125 bei früheren Second-Look-Operationen in bis zu 50 % der Fälle noch restliches Tumorgewebe, meist < 1 cm Durchmesser, gefunden wurde, kann von normalisierten Werten nicht auf Tumorfreiheit geschlossen werden /47815/. Das gleiche gilt auch für die Normalisierungen von CA 125 unter Chemotherapie /8/.

Andererseits findet sich bei Patientinnen mit ansteigend oder persistierend erhöhten CA 125 1–3 Monate nach Operation noch ein Resttumor von über 1–2 cm Durchmesser, weshalb in diesen Fällen auf eine Revisionslaparotomie zur Entscheidung über eine weitere zytostatische Therapie verzichtet wird /15/.

Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom Stadium III und IV ist die nach initialer Chemotherapie bestimmte Halbwertszeit von CA 125 wesentlicher prognostischer Indikator für das Überleben. Es sprechen eine Zeit von unter 20 Tagen für gute, 20–40 Tage für mittlere, über 40 Tage für schlechte Prognose; mit entsprechenden 2-Jahres-Überlebensraten von 76 %, 48 % und 0 % /16/. Dies gilt auch für Bestimmungen von CA 125 einen Monat nach Chemotherapie /17/.

Beim Rezidiv und unter klinischer Progression zeigen 74–89 % der Fälle CA 125 über 65 U/ml /4/. Der CA 125 Wert drei Monate nach Operation und Chemotherapie Erstbehandlung wird deshalb als ein kritischer Prädiktor der Therapieantwort angesehen /8/.

Zur Erhöhung der Sensitivität und Spezifität wurde CA 125 mit einer ergänzenden Kombination von Markern untersucht, mit dem Ziel, zuverlässigerer Aussagen zu Frühdiagnose, Prognose, Therapieverlauf und Rezidiverkennung /18/. Von diesen Markern hat HE4 (Whey-acidic protein human epididymis protein 4) große Aufmerksamkeit erfahren. Einer Kombination von HE4 und CA 125 mit einem unterschiedlichen Risk of Ovarian Malignancy Algorithm (ROMA) für prä- und postmenopausale Patientinnen wird eine signifikant höhere Sensitivität für die Entdeckung von epithelialen Ovarialkarzinomen zugeschrieben /19/. Das wird in einer prospektiven Studie im Vergleich zum alleinigen CA 125 bestritten /20/.

28.9.5.2.4 Responsekriterien nach initialer Chemotherapie

Response-Kriterien sind /21/:

  • Ein CA 125 Abfall nach zwei initial erhöhten Verlaufswerten mit nachfolgendem 50 %igem Markerabfall, bestätigt durch eine 4. Kontrolle innerhalb von 28 Tagen nach der vorherigen Kontrolle.
  • Ein 75 %iger Markerabfall über drei Verlaufswerte mit der letzten Kontrolle wie oben.
  • Ausgehend von einem Vorwert über dem zweifachen des oberen Referenzwerts vor Therapiebeginn, ein mindestens 50 %iger CA 125 Abfall für wenigstens 20 Tage (Gynecologic Cancer Intergroup, GCIG) /22/.
28.9.5.2.5 CA 125-Monitoring nach Initialtherapie

Ein CA 125 Monitoring nach vollständiger Initialtherapie gilt dem frühen Nachweis eines Rezidivs bzw. einer metastatischen Erkrankung mit einer Leadtime zwischen CA 125 Anstieg und klinischer Progression von 1–15 Monaten (Median 3–4 Monate). Dazu zählt ein bestätigter CA 125 Anstieg auf mehr als das Doppelte des oberen Referenzwerts im Verlauf der First-line Chemotherapie als Prädiktor eines Rezidivs mit einer Sensitivität von 84 % und falsch positiven Rate von unter 2 % /23/. Auch zählt dazu eine bestätigte Verdopplung von CA 125 gegenüber seinem Nadir (Marker-Tiefstwert), Sensitivität 94 %, Spezifität 100 % /24/. Beide Definitionen wurden von der GCIG zur Definition einer Progression nach Erstlinien Chemotherapie übernommen.

Eine der obigen Regeln wurde in einer Studie (MRC OVO5/EORTC 55955) /25/ zum Nachweis des Erfolgs einer frühen Rezidiv-Behandlung auf der Basis eines erhöhten CA 125 (früh) im Vergleich zu einer um etwa 4,8 Monate verzögerten Zweitlinien-Chemotherapie angewandt. Die Patientinnen hatten nach Symptomen und Klinik das Rezidiv eines Ovarialkarzinoms mit kompletter Remission nach Platin basierter Erstlinien-Chemotherapie mit CA 125 Normalisierung und klinischer und CA 125 Untersuchung alle drei Monate. Die Studie ergab nach Randomisation in 264 Früh- und 264 Verzögert-Fälle nach einer medianen Verlaufsbeurteilung von 56,9 Monaten 370 Todesfälle (186 früh, 184 verzögert). Es bestand kein Unterschied im Gesamtüberleben beider Gruppen bei einem medianen Überleben nach Randomisation von 25,7 bzw. 27,1 Monaten. Das Ergebnis eines fehlenden Überlebensvorteils für eine frühere Rezidivbehandlung auf der Basis einer alleinigen erhöhten CA 125 Bestimmung stellt den Wert von CA 125 im Verlauf bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom nach kompletter Remission nach Erstlinien-Behandlung in Frage. Eine kritische Beurteilung des Studienergebnisses bemängelt aber viele Details dieser Studie /26/.

Eine Studie in den USA untersuchte 74 Patientinnen nach Primärtherapie eines epithelialen Ovarialkarzinoms mit bei Rezidiv durchgeführter sekundärer zytoreduktiver Operation. Nach primärem Rezidivverdacht aufgrund eines zweifach erhöhten CA 125-Nadirs und CT-Untersuchung erfolgte eine Zweitlinienchemotherapie. Das Zeitintervall zwischen erster CA 125 Erhöhung und Operation war für eine optimale Operationsgruppe (mikroskopische residuelle Erkrankung ≤ 0,5 cm, n = 41) mit 5,3 Wochen signifikant kürzer als für eine suboptimale Operationsgruppe (MRD > 0,5 cm, n = 33) mit 16,4 Wochen (Hazard ratio 1,03) und noch deutlicher das mediane Gesamtüberleben mit 47 gegenüber 23 Monaten /28/.

28.9.5.2.6 Guideline-Empfehlungen

Nach den NACB-Empfehlungen für das Ovarialkarzinom /27/ wie auch der European Group on Tumor Markers (EGTM) /28/ wird CA 125 nicht zum Screening asymptomatischer Frauen, aber zusammen mit transvaginalem Ultraschall zur frühen Entdeckung eines Ovarialkarzinoms bei Frauen mit hereditären Syndromen empfohlen, weil für sie eine frühe Intervention von Vorteil ist.

Ferner wird CA 125 als Untersuchung zur Unterscheidung zwischen benignen und malignen verdächtigen Beckentumoren, besonders bei postmenopausalen Frauen empfohlen.

CA 125 kann auch zur Therapiekontrolle einer Chemotherapie benutzt werden. Dabei sollte die erste Probe innerhalb von 2 Wochen vor Behandlung mit nachfolgenden Proben von 2–4 Wochen während der Behandlung und mit Intervallen von 2–3 Wochen danach unter Verwendung des gleichen Tests durchgeführt werden. Ausgeschlossen sind Patientinnen nach einer Anti-CA 125-Antikörpertherapie.

In der Nachsorge wird CA 125 nur empfohlen, wenn die Werte anfänglich erhöht waren. Bei noch fehlender validierter Definition von Kontrollintervallen ist die augenblickliche Praxis, Patientinnen alle 2–4 Monate für 2 Jahre und dann seltener zu kontrollieren.

Eine CA 125 Bestimmung während der Primärtherapie wird ebenfalls empfohlen, da sowohl prä- wie postoperative CA 125 Werte von prognostischer Bedeutung sein können, wobei persistierende Erhöhungen eine schlechte Prognose signalisieren.

Trotz anderer vielversprechender Marker wird CA 125 als einziger Marker zur Anwendung bei serösen Malignomen des Ovars empfohlen.

28.9.5.2.7 Andere gynäkologische Karzinome

Diagnostische Sensitivitäten des CA 125:

  • Mammakarzinom 8–13 % (Entscheidungswert 35/65 U/ml) /26/.
  • Zervixkarzinom 13–54 % (Entscheidungswert 35 U/ml) /929/.
  • Endometriumkarzinom 9–41 % (Entscheidungswert 35 U/ml) mit erhöhten Werten im Stadium I–II nur bei extrauteriner Ausbreitung, im Stadium III–IV 55–86 % /30/, auch beim Eileiterkarzinom.

28.9.5.3 Gastrointestinale Karzinome

Folgende diagnostische Sensitivitäten sind beschrieben: Pankreaskarzinom 45–79 % (Entscheidungswert 35 U/ml) /25/, Lebermetastasierung 70 % (Entscheidungswert 65 U/ml), Hepatom 40–77 % (Entscheidungswert 35/65 U/ml), Gallengangskarzinom 46 % (Entscheidungswert 35 U/ml), kolorektales Karzinom 20–39 % (Entscheidungswert 35 U/ml) /25/, Magenkarzinom 39 % (Entscheidungswert 35 U/ml). Vor allem beim Pankreaskarzinom konnte eine gute Korrelation zwischen der CA 125-Konzentration und dem Tumorstadium beobachtet werden /5/.

28.9.5.4 Andere Karzinome

Beim Bronchialkarzinom werden Werte > 35 U/ml zu 30–57 % beobachtet /2/, ferner bei Lungen- und Pleurametastasen, beim peritonealen/pleuralen Mesotheliom und bei Non-Hodgkin-Lymphomen.

28.9.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Bei Verwendung von Tests verschiedener Hersteller ist trotz des gleichen monoklonalen Antikörpers und ähnlichem Verfahren mit differenten CA 125Werten zu rechnen.

Im Serum von Tumorpatienten können ein sehr hohes CA 125 auftreten. Zur Vermeidung des High-Dose-Hook-Effekts sollten Werte von über 350–400 U/ml mit einer 1 : 10-Serumverdünnung wiederholt werden.

Bei Patientinnen nach nur noch selten durchgeführter OC 125-Radioimmunszintigraphie muss mit dem Auftreten von humanen anti-murinen CA 125-Antikörpern (HAMA) im Serum gerechnet werden, die falschhohe oder falsch niedrige CA 125 Werte bedingen können. Dies ist durch Verwendung von CA 125 II-Testen (epitop-differenter Fänger-Antikörper M11) oder ähnlichen heterologen Tests und Verwendung des Zweischritt-Verfahrens (Zwischen-Waschschritt) ausgeschlossen.

Referenzbereich

Gesunde männliche Blutspender haben ein Mittel von 8,0 ± 9,4 U/ml, weibliche Spender ein Mittel von 9,9 ± 8,0 U/ml und beide Gruppen zusammen ein Mittel von 8,7 ± 8,9 U/ml /3/.

Bei einer Log-Normalverteilung besteht ein signifikanter Geschlechts- (Frauen leicht höher) und geringerer Altersunterschied (leicht abnehmende Werte mit höherem Alter) für beide Geschlechter ohne Einfluss des Raucherstatus /3/.

Frauen haben während der Menstruation gelegentlich ein leicht erhöhtes CA 125 /31/. Auch ist mit einem erhöhten CA 125 bei einem Teil der Schwangeren zu rechnen, und zwar mit höheren Werten im ersten (16–268 U/ml) als im zweiten (12–25 U/ml) oder dritten (17–44 U/ml) Trimenon /32/. Dies beruht auf einem deutlichen CA 125 Gradienten vom Fruchtwasser zum Serum mit einem CA 125 im Fruchtwasser von 8.800–82.000 U/ml (SSW 7–12), 3.000–13.000 U/ml (SSW 13–25) und 640–3.400 U/ml (SSW 33–42) gegenüber 10–50 U/ml im Nabelschnurblut und 15–33 U/ml im Urin des Neugeborenen.

Stabilität

Bei 4 °C in 24 h Anstieg um 6 %, nach 72 h um 8 %. Bei Lagerung im Entnahmegefäß mit Separatorgel Anstieg bei 4 °C in 24 h um 6 %, nach 72 h um 20 % /33/. Nach NACB-Empfehlung /27/ sollten die Serumproben entweder kurzfristig bei 4 °C (1–5 Tage) oder – 20 °C (2 Wochen bis 3 Monate) oder langfristig bei – 70 °C gelagert werden.

Andere Körperflüssigkeiten

Da es sich beim CA 125 um ein hochmolekulares Glykolipid oder Glykoprotein handelt, sind klinisch verwertbare Bestimmungen nur im Serum/Plasma oder allenfalls in Serum abhängigen Körperflüssigkeiten wie Pleura-Exsudat/Transsudat, Liquor cerebrospinalis, Ascites und in bestimmten Sekreten zu erwarten.

So sind enthalten:

  • Im Zervixsekret Gesunder 14.200–15.300 U/ml.
  • In nicht maligner Ovarialflüssigkeit im Mittel 24.600 U/ml.
  • In Ovarialflüssigkeit benigner Zystadenome (serös 50–371.000 U/ml; muzinös 845–116.000 U/ml).
  • In malignen epithelialen Karzinomen (serös < 50–73.200; muzinös 1.130–113.000 U/ml) /34/.

28.9.7 Pathophysiologie

Über den monoklonalen Antikörper OC 125, der gegen einen epithelialen Ovarialtumor, und zwar ein seröses Zystadenokarzinom gerichtet war, wurde 1981 erstmalig berichtet /35/. Er reagiert mit epithelialen humanen Zelllinien des Ovarialkarzinoms und Tumorzellen aus dem Ascites von Patientinnen mit Ovarialkarzinom, aber nicht mit fetalen und adulten Ovarien, anderen adulten normalen Geweben wie Uterus, Mamma, Eileiter, Haut, Lunge, Leber, Milz, Niere oder mit Karzinomen nicht-ovarieller Provenienz.

Positiv reagieren benigne und borderline seröse Ovarialtumoren; 83 % der serösen Adenokarzinome, ferner endometrioide, hellzellige und undifferenzierte nicht muzinöse Karzinome /36/. OC 125 reagiert auch /37/:

  • Mit normalen und karzinomatösen Epithelzellen von Eileiter, Endometrium und Endozervix (Decidua).
  • In Fetalgeweben mit Abkömmlingen vom Zölomepithel (Müllersches Gangepithel).
  • Mit Grenzzellen und Mesothelzellen von Peritoneum, Pleura und Perikard.

Deshalb wird CA 125 als ein normaler Bestandteil des Oberflächenepithels des weiblichen Genitaltrakts angesehen.

Das aus Tumor, Milch und Patientenserum hochgereinigte und desaggregierte Protein hat ein MG um 200 kDa. Sein biochemisches Verhalten und seine eindeutige Unterscheidung gegenüber CA 19-9 weisen die mit OC 125 bindende Determinante als ein selbständiges Protein-Kohlenhydrat-assoziiertes und von der Konformation abhängiges Epitop aus /38/.

Neuere Untersuchungen haben zur molekularen Klonierung von CA 125 als Muzin MUC16 in Chromosom 19p13.3-p13.2 geführt /39/. Ferner wurden zahlreiche Antikörper in einem internationalen Workshop (TD 1) vergleichend untersucht und ihre Beziehungen zueinander publiziert /40/.

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28.10 CA 72-4 (TAG-72)

Rolf Lamerz

CA 72-4 gehört zur Gruppe der Tumor assoziierten Glykoproteine (TAG) und ist für die Kontrolle von Therapie und Verlauf des Magenkarzinoms der Erstmarker. Häufig zusätzlich verwendete Marker (Zweitmarker zur Erhöhung der diagnostischen Sensitivität) sind CEA oder CA 19-9.

Ferner hat CA 72-4 eine Bedeutung als Zweitmarker nach CA 125 beim Ovarialkarzinom wegen komplementärer Befunde und höherer diagnostischer Sensitivität beim muzinösen Ovarialkarzinom.

28.10.1 Indikation

Absolut: Als Erstmarker Kontrolle von Therapie und Verlauf beim Magenkarzinom, als Zweitmarker CA 19-9 oder CEA.

Relativ: Zweitmarker beim muzinösen Ovarialkarzinom.

28.10.2 Bestimmungsmethode

Unter Verwendung von zwei monoklonalen Antikörpern werden immunometrische Tests angeboten /1/. Eingesetzt wird der an eine feste Phase gebundene Capture-Antikörper CC49 sowie der Detektor/Tracer-Antikörper B72.3, mit dem das gebundene TAG-72 detektiert wird.

28.10.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Liquor cerebrospinalis, Pleura-, Flüssigkeit, Ascites: 1 ml

28.10.4 Referenzbereich

Serum/Plasma: ≤ 6 U/ml /1234567/

28.10.5 Bewertung

CA 72-4 kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.10-1 – Diagnostische Sensitivität von CA 72-4 bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.10.5.1 Benigne Erkrankungen

Erhöhtes CA 72-4 wird bei Patienten mit verschiedenen benignen Erkrankungen (2–11 %) gefunden /12/, z.B. bei Pankreatitis (3 %) /3/, Leberzirrhose (4 %) /3/, Lungenerkrankungen (17–19 %) /3/, rheumatische Erkrankungen (21 %) /3/, gynäkologische Erkrankungen (0–10 %) /35/, benigne Ovarialerkrankungen (Adenom, Zyste 3–4 %) /5/, Ovarialzysten (25 %) /3/, Brusterkrankung 10 %, benignen gastrointestinalen Erkrankungen 5 % /3/. Insgesamt ist jedoch im Vergleich zu anderen Markern (CEA, CA 19-9) die hohe diagnostische Spezifität gegenüber benignen Erkrankungen hervorzuheben /1234567/.

28.10.5.2 Magenkarzinom

Inzidenz erhöhter Werte

Bei einer diagnostischen Spezifität von meist über 95 % gegenüber benignen gastrointestinalen Erkrankungen werden diagnostische Sensitivitäten von 28–80 % und meist um 40–46 % beschrieben /12357/. Dabei liegen die Werte deutlich über den diagnostischen Sensitivitäten von CA 19-9 (im Mittel um 32 %) und CEA (20–24 %).

28.10.5.2.1 Beziehung zwischen CA 72-4 Konzentration und Ausbreitung der Erkrankung

Es besteht eine Abhängigkeit vom Stadium mit folgenden Positivitätsraten (Entscheidungswert 6 U/ml) im Vergleich zu CA 19-9 (Entscheidungswert 37 U/ml) und CEA (Entscheidungswert 5 μg/l): 11/33/0 % (Stadium IA), 20/20/13 % (IB), 13/6/19 % (II), 46/42/25 % (IIIA), 41/28/21 % (IIIB), 58/42/37 % (IV) und von 56/32/11 % im Rezidiv /5/.

Andere Untersucher /7/ haben folgende Positivitätsraten ermittelt: CA 72-4 (Entscheidungswert 4 U/ml), CA 19-9 (Entscheidungswert 37 U/ml), CEA (Entscheidungswert 5 μg/l): 0/25/13 % (Stadium I), 25/13/25 % (II), 50/41/23 % (III), 57/50/50 % (IV), ohne Anhalt für Resttumor 4/4/13 %, Rezidiv 61/77/31 %.

Für CA 72-4 besteht eine Korrelation zum Befall der Lymphknoten, nicht jedoch zur Infiltration der Serosa /5/.

Im postoperativen Verlauf normalisiert sich CA 72-4 innerhalb von 1–2 Wochen und bleibt bei Fällen ohne Anhalt für einen Resttumor im Normbereich, wohingegen bei 70 % der Rezidivfälle (CA 19-9 um 50 %, CEA um 20 %) vorzeitig oder gleichzeitig mit der klinischen Entdeckung ansteigen. In Kombination erhöht sich die diagnostische Sensitivität von CA 72-4 (42 %) mit CA 19-9 auf 57 %, mit CEA aber nur auf 51 % /5/.

Nach einer Studie beim operablen Magenkarzinom und im Vergleich zu CA 19-9 und CEA war zwar ein niedriges kumuliertes 3-Jahresüberleben mit einer Erhöhung jeder Markerkonzentration korreliert, aber in der multivariaten Analyse zeigte nur CA 72-4 neben dem Alter und Tumorstadium eine prognostische Aussage mit 4,2 mal höherem Todesrisiko bei erhöhtem präoperativen CA 72-4-Wert /6/. Nach anderen Untersuchern /7/ war in der multivariaten Analyse von 167 operablen Fällen eine erhöhte prä-operative Konzentration von CEA, CA 19-9 oder CA 72-4 ein unabhängiger Risikofaktor für hämatogene Rezidive mit einem relativen Risiko von 4,82 neben einer Lymphknotenbeteiligung (relatives Risiko 3,82).

Eine weitere Untersuchung von prä-operativem CEA, CA 19-9, CA 72-4 und AFP bei 95 Patienten mit Magenkarzinom zeigte diagnostische Sensitivitäten von 41 %, 32,6 %, 24,2 % und 8,4 %. Die Rate war höher für CEA bei Patienten mit Lebermetastasen, für CA 19-9 bei Lymphknotenbefall, Peritonealbefall und Serosabefall und für CA 72-4 höher bei Lymphknoten-, Peritoneal- und Leberbefall. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen niedrigem 3-Jahres-Überleben und erhöhtem CEA, CA 19-9, CA 72-4 und AFP. In der multivariaten Analyse waren Alter, Tumorstadium und CA 72-4 die einzigen unabhängigen prognostischen Faktoren, und ein erhöhtes CA 72-4 mit einem 3,8 fach erhöhtem Todesrisiko bei Magenkarzinom assoziiert /8/.

Nach anderen Untersuchungen ergaben präoperative Serumwerte von CEA, CA 19-9 und CA 72-4, (Entscheidungswerte 10 μg/l, 60 U/ml, 6 U/ml) bei 52 Patienten mit Magenkarzinom diagnostische Sensitivitäten von 35 %, 52 % und 58 % und kombiniert von 75 % ohne prognostischen Wert für nicht metastatische Patienten. Bei den Fällen mit Metastasen waren univariat nur hohe CA 19-9 Werte und das Geschlecht Indikatoren einer schlechten Prognose, multivariat aber CA 19-9 gefolgt von CA 72-4 und adjustiert nach Geschlecht unabhängige prognostische Faktoren /9/.

Eine prospektive Untersuchung von prä-operativen CEA (über 5 μg/l), CA 19-9 (über 37 μg/l) und CA 72-4 (über 4 μg/l) bei 66 Patienten mit Magenkarzinom (27 Stadium I–II, 39 Stadium III–IV) ergab Fallzahlen erhöhter Werte nach Stadium I–II/III–IV von 0/5 für CEA, 7/12 für CA 19-9 und 0/28 CA 72-4. Es bestand keine Korrelation zum histologischen Typ oder Tumorgrad, aber CA 72-4 war der beste Prädiktor eines fortgeschrittenen Stadiums /10/.

Eine andere Untersuchung prä-operativer Konzentrationen von CEA, CA 19-9, CA 72-4, CA 242 und hCGβ (Entscheidungswerte 5 μg/l, 37 U/ml, 6 U/ml, 20 U/ml, 2 pmol/l) bei 146 Patienten mit Magenkarzinom Stadium I–IV mit kumulativer 2-Jahres Überlebensrate von 40 % ergab folgende Ergebnisse. Bei diagnostischen Gesamtraten von 18 %, 31 %, 34 %, 34 % und 36 % zeigten alle Marker außer CA 19-9 eine signifikante Korrelation mit dem Stadium. Univariat waren alle Marker ohne CEA prognostische Faktoren, multivariat aber nach Stadium und der Tumorhistologie nur hCGβ und CA 72-4 unabhängige prognostische Faktoren /11/.

28.10.5.3 Kolorektales Karzinom

Inzidenz erhöhter Werte

Die diagnostische Sensitivität beträgt 20–41 % /25/. Es besteht eine Korrelation zum klinischen Stadium nach Dukes mit Positivitätsraten für CA 72-4 (Entscheidungswert über 4/6 U/ml) im Vergleich zum CEA (Entscheidungswert 5 μg/l) von 3–29 % (A), 30–31 % (B), 22–53 % C, 55–70 % (D) bei einer Gesamtrate von 43 % und einer diagnostischen Spezifität gegenüber benignen Erkrankungen des Colons von 98 % /35/.

Beziehung zwischen CA 72-4 und klinischem Verlauf

Nach kompletter Resektion kommt es zu einem Markerabfall innerhalb von 18 Tagen im Gegensatz zu einem fehlenden Abfall bei palliativen Operationen. In Langzeitkontrollen bleibt CA 72-4 bei Residualtumor erhöht oder steigt weiter und oft vorzeitig an bei 78 % der Rezidivfälle /5/ bzw. bei 39 % der Patienten mit lokalem und 52 % mit Fernrezidiv /12/.

In Kombination von CA 72-4 mit CEA erhöht sich die diagnostische Sensitivität von 43 % auf 60 % bei der Primärdiagnose und von 78 % auf 87 % bei der postoperativen Rezidivkontrolle mit vor- oder gleichzeitigem Anstieg /5/.

Beim kolorektalen Karzinom aller Stadien sind nach einer Studie /13/ in der multivariaten Analyse neben dem Stadium als stärkstem, gefolgt von der Tumorlokalisation, die präoperativen Serummarker hCGβ, CA 72-4 und CEA-unabhängige Prognosefaktoren.

28.10.5.4 Andere Karzinome

Erhöhte Werte werden beim Gallenwegskarzinom (35–52 %), Pankreaskarzinom (17–35 %) /3512/ und Ösophaguskarzinom (4–25 %) /2/ gefunden, bei denen aber CA 19-9 deutlich überlegen scheint.

Eine Studie über den prognostischen Wert von CEA, CA 19-9, CA 242, CA 72-4 und hCGβ bei 160 Patienten mit Pankreaskarzinom aller Stadien wies CA 19-9 (Grenzwert 37 U/ml) als am häufigsten erhöhten Marker aus (87 %). In der univariaten Analyse waren für Stadium, Lokalisation, Ausmaß des Tumors und kurative Resektion CEA, CA 72-4 und hCGβ prognostische Faktoren. In der multivariaten Analyse hatte jeder Marker einen unabhängigen prognostischen Wert nach individueller Analyse und adjustiert für das Stadium. Der stärkste prognostische Marker war hCGβ gefolgt von CA 72-4 und dem Tumorstadium /14/.

Eine Untersuchung von CEA, CA 19-9, CA 72-4, SCC, und NSE im Perikarderguss von Patienten verschiedener maligner und nichtmaligner Ätiologie ergab für CA 72-4 und CEA die beste Diskriminierung für CA 72-4 gefolgt von CEA. CA 72-4 war nur in einem nicht malignen Erguss (4 %) gegenüber in 21 von 29 Ergüssen (72 %) nachweisbar, weshalb seine Bestimmung für die Evaluation von Perikardergüssen vor allem bei nicht konklusiver Zytologie empfohlen wird /15/.

28.10.5.5 Ovarialkarzinom

Die diagnostische Sensitivität beträgt 47–80 % /345/ mit höherer diagnostischer Sensitivität im Stadium III–IV (56 %) als im Stadium I–II (10 %) /3/ und einer höheren diagnostischen Sensitivität beim mucinösen Karzinom gegenüber CA 125 /4/.

Die diagnostische Spezifität gegenüber benignen Ovarialerkrankungen beträgt 97 % für CA 72-4 und für CA 125 85 %. Patientinnen mit früher Second-Look-Operation wiesen bei Rezidivfällen zu 40 % erhöhtes CA 72-4 und zu 60 % erhöhtes CA 125 auf, von Fällen ohne Residualtumor bei CA 72-4 keiner und bei CA 125 noch 30 %. Eine Kombination beider Marker führte zu einer additiven diagnostischen Sensitivität von 60 % (CA 125 allein) auf 73 % bei Primärdiagnose und von 60 % auf 67 % in der Verlaufskontrolle.

Beim serösen und mucinösen Ovarialkarzinom und einer diagnostischen Spezifität von 95 % gegenüber benignen Ovarialerkrankungen zeigte ein Vergleich der Marker CA 72-4 (Entscheidungswert 6,8 U/ml), CA 125 II (über 160 U/ml), Cancer Associated Serum Antigen (CASA) (über 6,5 U/ml) und CYFRA 21-1 (über 2,4 μg/l) folgende Positivitätsraten /4/:

  • Insgesamt 47 %/47 %/31 %/44 %.
  • Bei Primärdiagnose 36 %/50 %/50 %/33 % bei serösen und 43 %/21 %/21 %/36 % bei muzinösen Adenokarzinomen.

In der Kombination ergab sich:

  • Der höchste Zuwachs an diagnostischer Sensitivität für CA 125 und CA 72-4 von 47 % auf 58 % insgesamt bei Primärdiagnose.
  • Für CA 72-4 (36 %) und CASA (50 %) auf 61 % beim serösen und von 43 %/21 % auf 47 % beim mucinösen Ovarialkarzinom.

Dennoch wird CA 125 auch weiterhin als der Erstmarker beim Ovarialkarzinom und CA 72-4 als dem CA 125 unterlegen eingestuft /1617/.

28.10.5.6 Andere gynäkologische Erkrankungen

CA 72-4 Erhöhungen werden bei 24 % der Patientinnen mit Mammakarzinom /3/, bei 14 % mit Zervixkarzinom und zu 54 % mit Endometriumkarzinom gefunden /5/.

28.10.6 Hinweise und Störungen

Referenzbereich

Im Serum von gesunden Probanden wurden mit dem kommerziellen Test für CA 72-4 Konzentrationen um 1–3 U/ml gemessen; der obere Referenzbereichswert wird unterschiedlich bei 3–6 U/ml angegeben.

Stabilität

Es liegen keine besonderen Erfahrungen vor. Kurzfristige Lagerung bis zu einer Woche bei 4 °C möglich, sonst Einfrieren bei mindestens –25 °C.

28.10.7 Pathophysiologie

Der monoklonale Antikörper B72.3 wurde gegen einen Membran angereicherten Extrakt aus Metastasen des Mammakarzinomsals Immunogen hergestellt /18/. Er reagiert mit einer Determinante (CA 72-4) auf einem Mucin-like hochmolekularen Tumor assoziierten Glykoprotein-Komplex mit der molaren Masse von über 1 Mio. kDa und wird als TAG-72 bezeichnet /19/.

B72.3 reagiert mit folgenden Kazinomgeweben: Mamma bis 84 % /20/, Colon über 90 % /21/, nicht kleinzelliges Bronchusgewebe bis 96 % /22/, epitheliales ovarielles Gewebe bis zu 100 % /23/, weniger mit Endometriumkarzinom /24/, Pankreaskarzinom /25/, Magenkarzinom /26/, Prostatakarzinom /27/ sowie anderen Karzinomen und mit fetalem Gewebe von Colon, Magen, Ösophagus. Im Gegensatz dazu wurde keine Anfärbung von normalem Gewebe des Erwachsenen einschließlich Leber, Milz, Herz, Brust, Uterus, Lunge, Knochenmark, Colon, Magen, Lymphknoten und Niere gefunden /18/. TAG-72 wird deshalb als ein pancarcinoma und onkofetales Antigen angesehen.

Der monoklonale Antikörper B72.3 wird auch erfolgreich eingesetzt zur besseren Differentialdiagnose bei Feinnadelaspirations Zytologie von Mammapunktaten /28/ und von Zytologie Präparationen aus Körperflüssigkeiten (Ascites, Pleuraexsudat), z.B. zur Unterscheidung zwischen Lungenadenokarzinom und malignem Mesotheliom /29/.

Weiterhin wurden früher die monoklonalen Antikörper B72.3 bzw CC49 nach Markierung mit 125J, 131J und 111In zur Radioimmunszintigraphie /30/ und sogar zur intraoperativen Antikörper-geführten Detektion von Tumoren bei Patienten mit Kolon-, Ovarial- und Mammakarzinom angewendet /31/.

Biochemisch ergab die Reinigung von TAG-72 aus einer menschlichen Karzinomzelllinie (LS-174T) ein hochmolekulares Protein mit einer Resistenz gegenüber Chondroitinase und Ähnlichkeit mit Blutgruppen verwandten Oligosacchariden, weshalb es als Mucin-like Molekül angesehen wird /32/. Gegen mittels Immunaffinität gereinigtes TAG-72 wurden monoklonale Antikörper der zweiten Generation hergestellt, wobei 28 verschiedene MAKs gefunden wurden (CC-Reihe für Colon cancer). Von diesen weisen mehrere gegenüber B72.3 mit einer relativ niedrigen Bindungskonstanten höhere Werte auf, insbesondere CC49 /33/. Dieser Antikörper zeigt auch immunhistologisch eine gleiche oder bessere Bindungsfähigkeit gegenüber Tumorgeweben. Nach Reinigung von TAG-72 durch Immunaffinität an dem monoklonalen Antikörper CC49 entstehen ein homogenes hochmolekulares Muzin von 200–400 kDa mit einem Proteinanteil von 40 kD und zwei hochgereinigten hochmolekulare Formen von TAG-72. Das B72.3-Epitop ist ein Sialyl-Tn-Antigen (NeuAcα[2–6]GalNAcα-0-Ser) und das Epitop des zweiten Generations-MAK CC49 ein Core-Sialyl-Oligosaccharid Aldit (Fraktion 2c) /3435/.

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28.11 CA 15-3

Rolf Lamerz

CA 15-3 ist ein guter Parameter zur Verlaufskontrolle bei metastasierendem Mammakarzinom. Als Screening oder zur Primärdiagnostik ist der Test wegen zu geringer diagnostischer Sensitivität bei lokalisierter Erkrankung und einem hohen Anteil erhöhter Werte bei gutartigen Erkrankungen der Mamma sowie bei Karzinomen anderer Organe nicht geeignet.

28.11.1 Indikation

Mammakarzinom: Therapie- und Verlaufskontrolle.

28.11.2 Bestimmungsmethode

Es werden unter Verwendung der beiden monoklonalen Antikörper (115D8, DF3) immunometrische Tests und enzymimmunologische Tests angeboten. Eingesetzt wird der an eine feste Phase gebundene Capture Antikörper 115D8 sowie der Detektor/Tracer-Antikörper DF3, der das gebundene CA 15-3 erkennt. Die Nachweisempfindlichkeit ist unter 1 U/ml /1/. Ähnliche Antikörper (Ma 552, Ma 695) wurden auf zwei unterschiedlichen automatischen Plattformen mit sehr guter Übereinstimmung vergleichend geprüft /2/.

28.11.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Liquor cerebrospinalis, Pleuraflüssigkeit, Ascites: 1 ml

28.11.4 Referenzbereich

Serum/Plasma 25–40 U/ml /345/

28.11.5 Bewertung

CA 15-3 kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.11-1 – Diagnostische Sensitivität von CA 15-3 bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.11.5.1 Benigne Erkrankungen

Erhöhtes CA 15-3 im Serum wird gefunden bei Patientinnen mit:

  • Dialysepflichtiger Nierensuffizienz (20 % über 30 U/ml) /6/, HIV-Infektion (Stadien abhängig über 50 % über 18 U/ml) /9/, chronisch entzündlichen Lebererkrankungen (5 %) /7/, Bronchialerkrankungen (15 %) /7/.
  • Verschiedenen benignen Erkrankungen (3,3 % über 40 U/ml), z.B. Leber-, Pankreas-, rheumatische Erkrankungen, Tuberkulose /4/.
  • Benignen Mammaerkrankungen (4 % über 25 U/ml) /8/, Myomastopathie (3–11 % über 28 U/ml) /5/, Fibroadenom (7,7 %) und anderen benignen Thoraxerkrankungen (25 % über 30 U/ml).
  • Einer Häufigkeit von 4,7 % über 50 U/ml; 8,9 % dieser Patientinnen haben Brusterkrankungen und 12,5 % Lungenerkrankungen.

28.11.5.2 Mammakarzinom

Diagnostische Sensitivität in Abhängigkeit vom Tumorstadium

Beim Mammakarzinom beträgt die Sensitivität:

  • 19–22 % (Entscheidungswert 28 U/ml) /58/ für präoperative Fälle.
  • 32 % für Fälle im Stadium M0 (Entscheidungswert 50 U/ml).
  • 16 % (Entscheidungswert 25 U/ml) in nodal negativen und 54 % in nodal positiven Fällen /9/.
  • 54–91 % (Entscheidungswerte 25/28/50 U/ml) für das metastasierende Mammakarzinom /23, 4, 5, 9, 1011/.

Für Patientinnen nach Behandlung liegen pathologische Werte vor:

  • Ohne Anhalt für einen Resttumor nur zu 5,9 %.
  • Mit kompletter/partieller Remission zu 29 %.
  • Bei allen Patientinnen mit stationärer oder progredienter Erkrankung in bis zu 100 % (Entscheidungswert 40 U/ml) /12/.

Korrelation zwischen CA 15-3 und Tumorgröße

Es besteht eine Korrelation zwischen der diagnostischen Sensitivität des CA 15-3 und der Tumormasse: 4–16 % für Stadium I, 13–54 % für Stadium II, 65 % für Stadium III und 54–91 % für Stadium IV /14/ bzw. 14–23 % für Stadium T1/2 /3/, 27–86 % für Stadium T3/4 /39/ bzw. 22 % für nodal-negative und 38 % für nodal-positive Fälle /8/.

Beim loco regionalen Rezidiv ist die diagnostische Sensitivität nur 21 % (Entscheidungswert 35 U/ml; Median 45 U/ml) /13/.

Bei Metastasierung zeigt sich eine Abhängigkeit des CA 15-3 von der Metastasen Lokalisation mit niedrigerer diagnostischer Sensitivität bei Hautmetastasen (Median 25 U/ml /9/ bzw. 36,5 % über 50 U/ml) und 40 % /8/ bzw. 47–83 % /11/ bei Weichteilbefall. Höhere Werte werden bei Knochenmetastasen mit 32–75 % der Werte über 27 U/ml /11/, 61 % über 35 U/ml /13/ ohne signifikanten Unterschied zu Lungenmetastasen bzw. viszeraler Metastasierung gefunden /8/. Höchste Konzentrationen werden bei Lebermetastasen (Median 54 U/ml) /13/ mit 45,4 % der Werte über 50 U/ml /9/ bzw. 64 % über 35 U/ml /13/ und multipler Metastasierung (Median 93 U/ml) /9/ gemessen.

Beziehung zwischen CA 15-3 und klinischem Verlauf

Durch CA 15-3 werden im Zeitraum von 13–40 Monaten die Rezidive mit einer diagnostischen Sensitivität von 45–77 %, einer Spezifität von 94–98 % und positiven prädiktiven Werten von 41–92 % bei einer Vorlaufzeit von 3–18 Monaten angezeigt /14/.

Bei Präsenz von Metastasen schwankt unter Therapie die Wahrscheinlichkeit einer Progression oder Therapieresponse bei einem Anstieg oder Abfall ≥ 25 % um 75–94 % bei der Progression und um 72–93 % bei Response unter Therapie /1415/.

Vergleich von CA 15-3 mit anderen Tumormarkern

Neben CA 15-3 als erstem der Gen MUC 1 Marker ist CEA der historisch erste und noch bedeutsame Marker beim Mammakarzinom, während andere Marker wie Zytokeratine (TPA, TPS, CYFRA 21.1) und lösliche Onkoproteine (c-erbB-2) eine eingeschränkte Bedeutung haben bzw. noch unter Evaluation stehen /15/.

CA 15-3 ist dem CEA beim Karzinom der Mamma überlegen /1015/, führt aber in Kombination mit CEA zu einer signifikanten Erhöhung der diagnostischen Sensitivität. Das ist z.B. der Fall bei Diagnose des Rezidivs mit 41 % für CA 15-3 und 40 % für CEA im Vergleich zu 56 % für die Kombination. In Kombination beträgt die diagnostische Sensitivität beider Marker 40–60 % vor klinischer oder radiologischer Entdeckung bei einer Vorlaufzeit von 2–18 Monaten (Mittel 5,2 Monate).

Für die Erfassung von Metastasen beträgt die diagnostische Sensitivität 60–80 %, mit höherer Sensitivität für Leber- (85–90 %) als für Knochenmetastasen (65–75 %) bei einer diagnostischen Spezifität bis zu 95 % /15/.

CA 15-3 als prognostischer/prädiktiver Marker

CA 15-3 (Entscheidungswert 30 U/ml) ist ein unabhängiger prognostischer Indikator beim Mammakarzinom. Es betragen das 5-Jahres Erkrankungs freie und das Gesamtüberleben 44 % bzw. 67 % bei erhöhter prä-operativer Konzentration und 65 % bzw. 83 % bei niedriger Konzentration /16/.

Ähnliche Raten (5-Jahres Erkrankungs-freies bzw.Gesamtüberleben) von 45 % bei erhöhter präoperativer Konzentration und 86 %, bei normaler (Entscheidungswert 30 U/ml) ergab eine prospektive Studie. Das Stadium und CA 15-3 waren die stärksten prognostischen Faktoren für Überleben /17/.

Eine andere Studie /18/ mit medianer Nachbeobachtung über 69 Monate nach primärer Operation sicherte das präoperative CA 15-3 (Entscheidungswert 31 U/ml) als signifikanten prognostischen Marker für das nodal negative Mammakarzinom statistisch ab. Ferner wurden höheres CA 15-3 bei positivem Östrogen-Rezeptorstatus (Entscheidungswert 35 U/ml: 70 % versus 46 %) beim ersten Rezidiv beim fortgeschrittenen Mammakarzinom gemessen /19/.

Andere Untersucher schätzen mehr den prognostischen Wert der Kinetik von CA 15-3 vor der ersten Metastasierung beim Mammakarzinom /20/.

Eine Untersuchung der Beziehung zwischen CEA und CA 15-3 bezogen auf ein Erkrankungs freies Überleben und Erkrankungstod bei 1.046 Patienten mit Mammakarzinom ohne Metastasen bei Primärdiagnose ergab in der univariaten Analyse eine Korrelation erhöhter präoperativer Markerwerte mit einem frühen Rezidiv (CA 15-3) und Erkrankungstod (CEA, CA 15-3) /21/. Vergleichende prä- und post-operative Werte zeigten einen Markerabfall nach Operation und bei Patientinnen mit einem CEA Markerabfall über 33 % ein signifikant höheres Risiko für Rezidiv und Erkrankungstod in der univariaten Analyse und in der multivariaten Analyse den CEA Markerabfall als einen unabhängigen prognostischen Faktor.

Nach einer Untersuchung des präoperativen CA 15-3 und CEA von 740 Mammakarzinom Patientinnen im Stadium I–III fanden sich erhöhtes präoperatives CA 15-3 und CEA bei 12,4 % und 10,7 % der Fälle. Die Konzentrationen waren höher bei einer Tumorgröße über 5 cm, Lymphknoten-Metastasen (≥ 4), fortgeschrittenem Stadium und die Patientinnen waren im Vergleich zu denjenigen mit normalen prä-operativen Markerwerten mit einem signifikant schlechteren Erkrankungs freien und Gesamtüberleben assoziiert /22/. In der multivariaten Analyse waren Alter unter 35 J., Tumorgröße über 2 cm, Lymphknoten-Metastasen, Östrogenrezeptor Status und präoperativ erhöhte Werte von CA 15-3 und CEA unabhängige prognostische Faktoren für ein Erkrankungs freies Überleben.

Eine prospektive Auswertung von prä-therapeutischem CEA (Grenzwert 5 μg/l) und CA 15-3 (Grenzwert 30 U/ml) bei 2.062 Patientinnen mit primärem lokoregionalen Tumor ergab Markererhöhungen bei 12,7 % bzw. 19,6 % und für den einen oder anderen Marker von 28 % mit Korrelation zu größerer Tumorgröße und nodalem Befall /23/. Tumorgröße, Östrogenrezeptor und CEA waren unabhängige prognostische Faktoren für die Gesamtgruppe, sowohl für Lymphknoten positive als auch Lymphknoten negative Patientinnen. Alle Patientinnen mit einem CEA über 7,5 μg/l zeigten im Verlauf ein Rezidiv. Beide Marker erlaubten eine Unterscheidung von Risikogruppen bei T1-Lymphknoten negative Patientinnen; 56,3 % Rezidive beim Anstieg eines oder beider Marker im Gegensatz zu nur 9,4 % an Rezidiven ohne Markeranstieg.

Rezidiv Entdeckung

Eine Untersuchung bei Mammakarzinom Rezidiven mit dem Endpunkt eines Rezidiv freien Überlebens (RFS) erfolgte bei 3.953 Patientinnen mit seriellen Markerbestimmungen. Die Kriterien waren CA 15-3 über 30 U/ml bzw. ein 50 %iger Anstieg zum Erstwert und ein Anstieg der alkalischen Phosphatase (AP). Während der RFS-Zeit erfolgte bei 720 Fällen (20 %) ein Rezidiv, von dem 274 (35 %) Fälle einen abnormen CA 15-3-Wert und 35 (4 %) eine erhöhte AP aufwiesen /24/. Das Rezidivrisiko nahm bei 30 % der Patientinnen mit abnormen CA 15-3 (Hazard ratio 1,30) und bei 4 % der Fälle mit pathologischer AP zu, mit höchstem Risiko für Patientinnen mit je einem von beiden (Hazard ratio 2,40) oder beiden abnormen Markern (Hazard ratio 4,69). Die AP war Leberrezidivmarker und CA 15-3 der beste Prädiktor eines Mammakarzinom Rezidivs.

CA 15-3 und CEA in der postoperativen Verlaufskontrolle bei 427 Mammakarzinom-Patientinnen nach Mastektomie und nicht eindeutigen konventionellen radiologischen Befunden (Thoraxröntgen, Knochenszintigramm, Leber-Ultraschall) ergaben in 221 Fällen mit 332 fragwürdigen Befunden über 35 Monate positiv prädiktive Werte von 69 % und 83 % und negativ prädiktive Werte von 98 % und 91 % für die Entdeckung einer metastatischen oder benignen Erkrankung ohne Hilfe durch klinische Symptome (diagnostische Sensitivität 60 %, Spezifität 53 %, Richtigkeit 54 %) /25/.

Eine Kombination von CA 15-3 und moderner Bildgebung (18F-FDG-PET/CT) bei 89 Mammakarzinom Patientinnen nach Primärtherapie mit im Verlauf ansteigendem CA 15-3 aber negativer konventioneller Bildgebung entdeckte bei 40 von 89 Patientinnen Tumorablagerungen in der Brustwand und Herde in Brustdrüse, Lunge, Leber und Skelett. Bei 23 von 40 Fällen zeigte sich eine einzelne kleine Läsion, die nach einer radikalen Therapie bei 7 der 23 Patientinnen zu einer kompletten Remission führte, die über ein Jahr anhielt /26/.

Monitoring der Rezidivbehandlung

Eine Chemotherapie von 68 Mammakarzinom Patientinnen mit Fernmetastasen sofort bei signifikantem Markeranstieg von CEA oder CA 15-3 (Tumormarker-geleitete Behandlung) gegenüber einem Therapiebeginn erst bei radiologischer Metastasenbestätigung (konventioneller Behandlungsbeginn) ergab:

  • Eine signifikant längere mittlere Vorlaufzeit der ersten zur zweiten Gruppe (17,3 versus 2,9 Monate).
  • Bessere Überlebenskurven ab Therapiebeginn oder ab Mastektomie (nach 36 Monaten der Therapie: 28 % vs. 9 % Überlebender, bzw. 84 Monate nach Mastektomie: 42 % vs. 19 % Überlebender) /27/.

Die Tumormarker Kinetik von CEA und CA 15-3 wurde zur Erfassung der Therapieresponse bei 77 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom unter Chemotherapie im Vergleich zur Bildgebungskontrolle mit seriellen Markerbestimmungen erhoben. Die Bestimmungen erfolgten zu Therapiebeginn, nach 20–30 Tagen, 40–60 Tagen und zum Zeitpunkt der Therapiewirksamkeit gemäß der Bildgebung unter strikter Definition einer biochemischen Progression oder Response auf Basis eines ≥ 25 %igen Markeranstiegs oder Markerabfalls /28/. Danach zeigten 70 % der Fälle eine Übereinstimmung zwischen Tumormarkerkinetik und Bildgebungsbefund, wobei die Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Chemotherapie mittels Tumormarkerkinetik noch nicht nach einem Monat, aber bei 40 % der Patientinnen nach 2 Monaten und bei 70 % nach ungefähr 3 Monaten korrekt beurteilt werden konnte.

28.11.5.3 Andere maligne Erkrankungen

Erhöhtes CA 15-3 wird bei 39–71 % der Patientinnen mit Ovarialkarzinom /3810/, bei 14–26 % mit Karzinom des Endometriums /38/, bei 9,1 % mit Corpuskarzinom, bei 10–71 % mit Lungenkarzinom /510/ und bei 10–61 % mit Magen-, Pankreas- und Leberkarzinom bestimmt /10/.

28.11.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Bei Verwendung von Tests verschiedener Hersteller ist trotz gleicher Antikörper und ähnlichem Verfahren mit unterschiedlichen CA 15-3 Werten zu rechnen. Bei Verlaufsbestimmungen sollte deshalb immer der gleiche Test und das gleiche Probenmedium (Serum oder Heparin-Plasma) verwandt und mit dem Ergebnis angegeben werden.

Im Vergleich zwischen Tests verschiedener Hersteller bestehen trotz relativ guter Korrelationskoeffizienten (r über 0,93) größere Unterschiede in der Steigung der Regressionsgeraden, vor allem bei CA 15-3 über 50–200 U/ml, mit größerer Variation im Serum als im Heparinplasma /1/.

Referenzbereich

Im Serum Gesunder wurden mit CA 15-3 Tests unabhängig vom Geschlecht im Mittel Konzentrationen um 10–17 U/ml gemessen /34/; die obere Referenzbereichswert wird unterschiedlich bei 25 /89/, 27 /11/, 28 /5/ oder 40 U/ml /412/ angegeben. Bei Stillenden ist CA 15-3 im Serum zu 4–7 % bei über 25 U/ml /3/ und bei Schwangeren zu 8 % über 30 U/ml ohne Erhöhung im Fruchtwasser.

Bei subkutaner Verabreichung von G-CSF zur Behandlung einer Leukopenie nach Chemo-/Strahlentherapie bei Mammakarzinom Patientinnen ist zu beachten, dass dadurch ein falsch hohes CA 15-3 induziert werden kann /29/.

Bei MUC1 568 A/G Genotyp-Polymorphismen ist ansteigendes CA 15-3 von Genotyp AA über AG nach GG bei gesunden Frauen wie Patientinnen mit benignen wie malignen Erkrankungen zu berücksichtigen /30/.

Stabilität

Bei 4 °C für 24 h stabil, nach 72 h Anstieg um 3 %. Bei Lagerung in Entnahmegefäß mit Separatorgel Anstieg bei 4 °C in 24 h um 2 %, nach 72 h um 18 % /31/.

28.11.7 Pathophysiologie

Beim CA 15-3 handelt es sich um ein hochmolekulares Kohlenhydratantigen der Milchfettkügelchen-Mucin-Familie des MG 30 kDa. Es kann durch zwei monoklonale Antikörper, und zwar MAK 115D8 gegen das Milchfettkügelchen-Antigen MAM-6a auf der Festphase und MAK DF3 gegen eine Membranfraktion menschlicher Mammakarzinomzellen als Tracer, gemessen werden.

Antikörper 115D8 wurde aus einem Panel von monoklonalen Antikörpern gegen Differenzierungsantigene der Brustdrüse ausgewählt und ist gegen ein Epitop auf einem Glykoprotein (MAM-6a auf dem MAM-6-Antigen) aus menschlichen Milchfettkügelchen Membranen gerichtet /32/. Das stark glykosilierte Antigen wurde aus der Milch isoliert (MG > 400 kDa); das MAM-6a-Epitop soll auf der Kohlenhydratkette des Antigens liegen /32/.

Immunhistologisch konnte MAM-6 als epithelialer Membranmarker auf dem apikalen Pol epithelialer normaler duktaler und alveolärer Strukturen sowie als ein in Zellen des Mammakarzinoms häufig homogen im Zytoplasma verteiltes Antigen nachgewiesen werden /32/.

MAB DF3 ist ein monoklonaler Antikörper gegen ein als DF3 bezeichnetes Membranantigen auf menschlichen Mammakarzinomzellen mit einem MG von 300–400 kDa /33/. Auch dieses Antigen wird als ein Differenzierungsantigen maligner epithelialer Mammazellen angesehen, das den hochmolekularen Glykoproteinen der Mucinfamilie der Milchfettkügelchen-Membran-Antigene zuzuordnen ist /34/.

Immunhistologisch konnte DF3 auf der Zelloberfläche und im Zytoplasma von menschlichen Mammaläsionen wie Fibroadenomen nachgewiesen werden /35/. Seine Expression in Mammakarzinomen ist mit dem Nuklear-Grad, histologischen Grad und Östrogenrezeptorstatus korreliert /36/. Zusätzlich konnte DF3 immunhistologisch im Ovar bei 95 % von benignen Borderline-Tumoren und malignen Tumoren sowie auf der Oberfläche von Zelllinien des Ovarialkarzinom nachgewiesen werden /37/.

Zahlreiche Untersuchungen haben das Vorkommen und die Bedeutung des MUC 1-Moleküls als hochmolekulares Typ I-Transmembran-Glykoprotein-Produkt des Gens MUC 1 in Chromosom 1q21–24 dokumentiert /38/ (weiterführende Übersicht /39/). Das Molekül enthält einen zytoplasmatischen Teil von 69 Aminosäuren und eine große hochglykosylierte extrazelluläre Domäne aus zahlreichen Peptid-Repeats von hochkonservierten Sequenzen von zwanzig Aminosäuren mit fünf potentiellen Orten für O-gebundene Glykosylierung. Das frei zirkulierende abgelöste MUC 1-Glykoprotein enthält kurze Kohlehydrat-Seitenketten und exponierte repetitive Epitope auf seinem Peptidrückgrat, welche auch mit dem Immunsystem in Kontakt treten und humorale oder zelluläre Immunantworten auslösen können. Anti-MUC-1-Antikörper sind gegen Epitope der repetitiven Domäne, vor allem gegen die Sequenz PDTRP, gerichtet. Inzwischen wurden viele kommerziell und in wissenschaftlichen Labors entwickelte monoklonale Anti-MUC 1-Antikörper hergestellt und in einem internationalen Workshop vergleichend untersucht /40/.

Leitlinien

Nach der Leitlinie European Group on Tumor Markers (EGTM)werden CA 15-3 Bestimmungen beim metastasierenden Mammakarzinom empfohlen vor jedem Chemotherapiekurs und in 3-monatigen Intervallen bei Patientinnen unter Hormontherapie. Dabei ist ein signifikanter Anstieg eine Zunahme von 25 % gegenüber dem Vorwert. Der Anstieg sollte innerhalb eines Monats durch eine weitere Kontrolle bestätigt werden. Ebenso gilt ein bestätigter Markerabfall von über 50 % als vereinbar mit einer Tumorresponse /41/.

Nach den National Academy of Clinical Biochemistry (NACB)-Leitlinie kann CA 15-3 (ähnlich wie CEA) in Kombination mit der Bildgebung und klinischen Untersuchung zur Therapiekontrolle der Chemotherapie bei fortgeschrittenem Mammakarzinom angewendet werden und besonders bei nicht evaluierbarer Erkrankung. In diesem Fall signalisieren zwei aufeinander folgende Anstiege von CA 15-3 über 30 % eine progressive Erkrankung und können für einen Therapieabbruch, Therapiewechsel oder Einschluss der Patientin in eine klinische Studie Anlass geben /42/.

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28.12 Calcitonin (CT)

Lothar Thomas

Calcitonin (CT) ist ein Peptidhormon, das von den parafollikulär gelegenen Zellen der Schilddrüse (C-Zellen) sezerniert wird und ein Marker der sporadischen und familiären Form des medullären Schilddrüsenkarzinoms (Medullary thyroid carcinoma, MTC) ist. Neben Parathormon (PTH) und Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol ) ist CT das dritte Ca2+-regulierende Hormon. Während PTH und Calcitriol den Ca2+-Wert im Serum anheben, wirkt CT senkend.

28.12.1 Indikation

Bestimmung von basalem CT /1/:

  • Kombination der sonomorphischen Befunde eines echoarmen Knotens mit Mikroverkalkungen und einem Halo. Zielsetzung ist die frühzeitige Erkennung eines sporadischen MTC vor dem Eintritt einer lymphogenen Metastasierung.
  • In der Eigenanamnese Erkrankungen, die auf eine multiple endokrine Neoplasie hinweisen, z.B. Phäochromozytom als singulärer Befund oder in Kombination mit einem primären Hyperparathyreoidismus.
  • Positive Familienanamnese für die hereditäre Form des MTC.
  • Verlaufskontrolle bei Patienten mit gesichertem MTC im postoperativen Verlauf und der Nachsorge.

Pentagastrin-Stimulationstest

  • Bei CT-Werten im Graubereich und Verdacht auf sporadisches MTC.
  • Bei Werten im Referenzbereich und Graubereich und Verdacht auf hereditäres MTC.

28.12.2 Bestimmungsmethode

Immunoassays basierend auf enzymatischer oder Lumineszenz-Markierung /2/ und ein Einschritt Sandwich Immunoassay basierend auf der Strepavidin-Biotin-Technology /3/. Alle Tests erkennen humanes CT. Die kommerziellen Tests sind auf den 2nd International WHO calibrator 89/260 kalibriert.

Pentagastrin-Stimulationstest

Prinzip: Patienten mit MTC oder einer C-Zell-Hyperplasie zeigen nach Gabe von Pentagastrin einen deutlich stärkeren CT-Anstieg als Normalpersonen, bei denen es gegenüber basal bis zu einem dreifachen Anstieg des CT kommt /4/.

Durchführung: Verweilkanüle legen, 5 ml Blut entnehmen (Basalwert), 0,5 μg Pentagastrin pro kg Körpergewicht als Bolusinjektion i.v., weitere Blutentnahmen (5 ml) nach 2 und 5 min.

28.12.3 Untersuchungsmaterial

Serum oder Plasma (Heparin oder EDTA): 1 ml

28.12.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.12-1 – Grenzwerte unterhalb derer ein MTC wenig wahrscheinlich ist.

28.12.5 Bewertung

Das MTC ist eine maligne Neoplasie der C-Zellen und hat einen Anteil von 5–10 % an den Schilddrüsentumoren. In 70–80 % der Fälle ist das MTC sporadisch bedingt und hat eine Prävalenz bei den nodulären Schilddrüsenerkrankungen von etwa 0,6 %. Die restlichen 20–30 % verteilen sich auf drei familiäre Formen:

  • Die multiple endokrine Neoplasie Typ 2a (MEN 2a).
  • Die multiple endokrine Neoplasie Typ 2b (MEN 2b).
  • Eine hereditäre, nicht mit MEN assoziierte Form.
  • Auch die fraglich prämaligne C-Zellhyperplasie geht mit erhöhten CT-Werten einher.

Das MTC setzt neben CT auch gelegentlich andere Proteine frei wie CEA, NSE, Serotonin, Chromogranin, Somatostatin, Substanz P, Abkömmlinge vom Proopiomelanocortin und das Gastrin related peptide /4/. CT ist aber erst ab über 100 ng/l ein spezifischer Marker für das MTC, denn erhöhte Serumkonzentrationen werden neben der C-Zellhyperplasie bei endokrinen Tumoren der Lunge und des Pankreas, autoimmuner Schilddrüsenerkrankung, Hypergastrinämie, dem Pseudohypoparathyreoidismus Typ 1A und bei der Niereninsuffizienz beobachtet.

Einflussgrößen spielen ebenfalls eine erhebliche Rolle (Tab. 28.12-2 – Einflussgrößen und Erkrankungen, die eine Calcitonin-Erhöhung bewirken können, ohne Vorliegen eines medulläre Schilddrüsenkarzinoms). Männer haben höhere Werte als Frauen. Die chronische Niereninsuffizienz führt, abhängig vom verwendeten Test, zu unterschiedlichen Anstiegen des CT-Basalwerts /2/, und der Entscheidungswert im Pentagastrin-Stimulationstest, der für das Vorliegen eines MTC spricht, wird von einigen Autoren von 100 ng/l auf 400 ng/l hochgesetzt /8/.

Das Verhalten von CT bei der Diagnostik, postoperativ und im Verlauf ist in Tab. 28.12-3 – Calcitonin (CT) im Serum beim medullären Schilddrüsenkarzinom aufgeführt, ebenfalls Aussagen zur molekulargenetischen Untersuchung.

Endokrin aktive Tumoren des Foregut (Ösophagus, Magen, Duodenum, Pankreas) können ebenfalls CT sezernieren. Bei fünf Patienten betrug der Bereich der CT-Werte 42–7.460 ng/l, alle hatten Lebermetastasen und verstarben im Zeitraum von 1,2–27,2 Monaten /9/.

28.12.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Die analytische Spezifität der CT-Immunoassays verschiedener Hersteller ist unterschiedlich. Ein Teil erfasst auch Procalcitonin bei Patienten mit Infektionen. Auch im Pentagastrin-Test können die Stimulationswerte erheblich differieren /2/.

Referenzbereich

Die konkrete Angabe eines Grenzwertes, der für alle Assays gilt, ist nicht möglich. Es müssen die Hersteller spezifischen Grenzwerte verwendet werden. Ein guter Test gibt Grenzwerte für Männer und Frauen an. Die Grenzwerte für Männer sind höher als die für Frauen.

Stabilität

Im Serum bei 20 °C schon Abfall nach 2–3 h, bei 4–8 °C maximal 6 h, nach 12 h Abnahme um 23 %. Kein Einfluss nach Tagen bei –40 °C /2/.

28.12.7 Pathophysiologie

CT ist ein Polypeptid aus 32 Aminosäuren mit einer Disulfidbrücke zwischen Position 1 und 7, einem carboxyterminalen Prolinamid und einem Molekulargewicht von 3,5 kDa. Es handelt sich um die Aminosäuresequenz 60–91 des Procalcitonins, das in N-ProCT, CT und Katacalcin gespalten wird. Siehe Abb. 19.5-4 – Procalcitonin; Aminosäure 1–116.

Das CT und das Calcitonin gene-related peptide (CGRP) werden vom gleichen Gen kodiert aber Gewebespezifisch exprimiert. Die C-Zelle bildet überwiegend CT, das periphere Nervensystem fast ausschließlich CGRP.

Die physiologische Funktion des CT ist die Kurzzeitregulation von Ca2+. Ein akuter Anstieg von CT im Plasma senkt Ca2+ über eine hemmende Wirkung auf die Osteoklasten. Diese haben CT-spezifische Rezeptoren. Auch gastrointestinale Hormone wie Gastrin und die Katecholamine stimulieren die CT-Sekretion. In allen Fällen sind dies nur Kurzzeiteffekte, eine chronische Erhöhung des Ca2+ im Plasma führt nicht zu einem CT-Anstieg. Erhöhtes CT von Patienten mit MTC haben keinen Einfluss auf das Ca2+ im Plasma und den Knochenstoffwechsel.

Das MTC entwickelt sich aus den von der Randleiste des Neuralrohrs stammenden parafollikulären C-Zellen.

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28.13 CEA (Carcinoembryonales Antigen)

Peter Nollau, Christoph Wagener, Rolf Lamerz

28.13.1 Indikation

  • Erkennung einer Tumorprogredienz im postoperativen Verlauf kolorektaler Karzinome.
  • Differentialdiagnose von Lebertumoren.

28.13.2 Bestimmungsmethode

Enzymimmunoassay, andere Immunoassays.

28.13.3 Untersuchungsmaterial

Serum oder Plasma: 1 ml

28.13.4 Referenzbereich

Serum/Plasma* 1,5–3,0 (5,0) μg/l

* Siehe Angaben der Testhersteller

28.13.5 Bewertung

CEA kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.13-1 – CEA-Serumkonzentration nicht maligner Erkrankungen und maligner Tumoren).

28.13.5.1 Benigne Erkrankungen

Der Median des CEA im Serum liegt bei älteren Menschen höher als bei jüngeren, bei Rauchern höher als bei Nichtrauchern /1/. Unter den nicht malignen Erkrankungen führen vor allem entzündliche Erkrankungen der Leber, insbesondere die alkoholisch bedingte Leberzirrhose, Pankreatitis, entzündliche gastrointestinale Erkrankungen (Colitis ulcerosa und Divertikulitis) und entzündliche Erkrankungen der Lunge zu CEA-Erhöhungen, die nicht durch einen kolorektalen Tumor bedingt sind /23/.

28.13.5.2 CEA bei malignen Tumoren

Im Gegensatz zu benignen Erkrankungen steigt CEA bei malignen Erkrankungen auf Grund des progressiven Tumorwachstums dauerhaft an. Der Definition eines positiven Ergebnisses kann daher neben einer horizontalen Beurteilung durch Definition eines Grenzwerts eine longitudinale Beurteilung des Konzentrationsverlaufs zu Grunde gelegt werden.

Die diagnostische Sensitivität des CEA hängt vom Ausbreitungsgrad der malignen Erkrankung ab. Tumoren im fortgeschrittene Stadium gehen mit einem höheren Prozentsatz an CEA-Erhöhungen und mit höheren CEA-Konzentrationen einher als lokalisierte Tumoren.

Unter den malignen Tumoren ist die diagnostische Sensitivität beim kolorektalen Karzinom und dem medullären Schilddrüsenkarzinomen am höchsten /23/. Für den Prozentsatz an CEA Erhöhungen entsprechend dem Ausbreitungsgrad kolorektaler Karzinome gelten: Dukes A: 0–20 %; Dukes B: 40–60 %; Dukes C: 60–80 %; Dukes D: 80–85 % /4/.

Nur bei 10 % der nicht-metastasierten Mammakarzinome ist CEA erhöht, die Werte überschreiten in der Regel nicht das 5 fache der Grenze des oberen Werts des Referenzbereichs. Bei metastasierten Mammakarzinomen beträgt die diagnostische Sensitivität des CEA 50–60 %, bei 25 % dieser Patientengruppe überschreitet CEA die 5-fache Obergrenze des Referenzbereichs /5/. Bei Magen-, Pankreas-, Bronchial-, Ovarial- und Zervixkarzinomen ist CEA ebenfalls nur in fortgeschrittenen Tumorstadien erhöht, der Anteil an erhöhtem CEA liegt bei 50–70 % /6/. Darüber hinaus werden mit variabler Häufigkeit ein erhöhtes CEA bei Karzinomen der Blase, Leber und Niere sowie bei Melanomen und Lymphomen beobachtet.

28.13.5.3 Differentialdiagnose der malignen Erkrankung

Auf Grund der Überschneidung zwischen falsch positiven und richtig positiven Testergebnissen spielt die CEA Bestimmung im Rahmen der Differentialdiagnose primärer Karzinome des Magen-Darm-Trakts eine untergeordnete Rolle.

Beim Pankreaskarzinom, welches im Allgemeinen erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, ist die Bestimmung des CA 19-9 dem CEA überlegen.

Der CEA Bestimmung kommt ein gewisser Stellenwert im Rahmen der Differentialdiagnose von Lebertumoren zu, insbesondere unter Berücksichtigung des Verlaufs und in Kombination mit bildgebenden Verfahren. CEA-Konzentrationen, die eine 8–10 fache Obergrenze des Referenzbereichs überschreiten, sind bei benignen Erkrankungen der Leber selten und kommen beim hepatozellulären Karzinom nur zu etwa 6 % der Fälle vor. Bei Lebermetastasen von Karzinomen von Magen-,Darm- und Pankreaskarzinomen liegen hingegen 50–60 % der Werte von CEA im 8–10 fachen Bereich der Obergrenze /78/.

Beim Pankreaskarzinom, welches im Allgemeinen erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, ist die Bestimmung des CA 19-9 der CEA-Bestimmung (Sensitivität 33–77 %, Spezifität 64–100 %, Entscheidungswert 2,5–5,0 μg/l) überlegen /9/.

28.13.5.4 Prognose kolorektaler Karzinome

CEA im Serum kann zur Abschätzung der Prognose und zur Diagnose residualer Tumormassen nach Resektion kolorektaler Karzinome durchgeführt werden. Präoperatives CEA besitzt auch innerhalb einzelner Tumorstadien (TNM-Klassifikation) eine prognostische Bedeutung /9/. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass hohes präoperatives CEA ein prognostisch ungünstiges Zeichen darstellt. Auf Grund der derzeitigen Datenlage ist unklar, ob ein hohes präoperatives CEA die Abgrenzung von Patienten mit aggressiven Verlaufsformen (insbesondere im Stadium Dukes B) erlauben, die dann von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren könnten /10/. Somit ist zum jetzigen Zeitpunkt die Durchführung einer Chemotherapie auf der Basis eines hohen präoperativen CEA nicht gerechtfertigt.

Die Frage, ob ein erhöhtes CEA durch den Primärtumor und/oder Fernmetastasen verursacht wurde, lässt sich postoperativ im Verlauf der ersten 6–8 Wochen durch Bestimmung des CEA in einwöchigen Abständen entscheiden. Ein Residualtumor liegt mit Sicherheit vor, wenn sich die Konzentration nicht normalisiert und im weiteren Verlauf ansteigt. Darüber hinaus besitzt die Bestimmung von CEA offenbar prognostische Bedeutung beim metastasierten Colonkarzinom nach Resektion von Lebermetastasen, wobei in unterschiedlichen Studien gezeigt werden konnte, dass hohes präoperatives CEA mit einer schlechten Prognose assoziiert ist /11/.

28.13.5.5 Postoperative Verlaufskontrolle bei kolorektalem Karzinom

Beim kolorektalen Karzinom ist die regelmäßige Bestimmung des CEA im Serum die empfindlichste nicht invasive Methode zum Nachweis von lokalen Rezidiven und/oder Fernmetastasen nach operativer Entfernung des Primärtumors. Als positives Testergebnis gilt der progrediente Anstieg des CEA über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten, der von einer individuellen Basislinie aus beurteilt wird.

Die Kinetik des CEA Anstiegs kann bei der Differenzierung zwischen lokalen Rezidiven und Fernmetastasen hilfreich sein. Bei lokalen Rezidiven betrug der Median des CEA Anstiegs 0,24 μg/l pro 10 Tage, bei Lebermetastasen lag der Wert bei 1,7. Allgemein kann ein CEA Anstieg von über 1 μg/l pro 10 Tage als Hinweis auf eine Fernmetastasierung gewertet werden /12/.

Der positive prädiktive Wert eines CEA Anstiegs im postoperativen Verlauf liegt, je nach Definition des Anstiegs und Literaturzitat, bei 65–84 %. Der negative prädiktive Wert liegt bei 85–95 %; eine gleichbleibende Konzentration von CEA schließt eine Tumorprogredienz mit relativ großer Sicherheit aus /131415/.

Metaanalysen unter Berücksichtigung retrospektiver und prospektiver Studien zeigten, dass eine intensive postoperative Nachsorge nach Resektion des Primärtumors in kurativer Absicht mit einer signifikanten (bis zu 9 %) Steigerung der 5-Jahresüberlebensrate verbunden war. Hierbei stellte die regelmäßige Bestimmung des CEA eine wesentliche diagnostische Komponente dar. Die Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate bei intensiver Nachsorge unter Berücksichtigung des CEA ist möglicherweise auf die frühzeitige Erfassung und verbesserte chirurgische Resektion von Lebermetastasen zurückzuführen.

Lebermetastasen entwickeln sich bei über drei Viertel der Patienten, bei denen der Primärtumor nicht vollständig reseziert werden konnte und sind in etwa einem Viertel der Patienten operabel, wobei nach erfolgreicher Resektion 5-Jahres-Überlebensraten von 21–48 % erzielt werden /11/.

Auf Grund dieser Situation wird von verschiedenen onkologischen Fachgesellschaften beim kolorektalen Karzinom ein postoperatives CEA-Monitoring alle 2–3 Monate für mindestens 3 Jahre nach Diagnosestellung empfohlen. Eine intensive Nachsorge wird insbesondere für Patienten in den Stadien Dukes B und C angeraten, mit dem Ziel, Lebermetastasen und solitäre Lungenmetastasen rechtzeitig zu erkennen und chirurgisch zu resezieren. Hierbei wird ein Anstieg des CEA um 30 % im Vergleich zum Vorwert als signifikant angesehen /1617/. Einschränkend ist aber anzumerken, dass der tatsächliche Nutzen des postoperativen CEA Monitorings nicht eindeutig gesichert ist, so lange dies nicht durch entsprechende randomisierte prospektive Studien überprüft wurde. Eine postoperativen CEA-Verlaufskontrolle bei Patienten mit kolorektalem Karzinom und präoperativem CEA unter 5 μg/l wird kontrovers diskutiert bis abgelehnt.

Eine Studie /18/ an 186 Stadium I–III-Patienten mit 146 präoperativ normalwertigen und 40 erhöhten Werten detektierte im Verlauf 22 Rezidive (16 ohne, 6 mit präoperativer CEA-Erhöhung) in 50 % bzw. 66 % der Fälle. Ebenso konnte bei 272 von 954 Patienten mit Rektumkarzinom ein Rezidiv bei 63 % mit normaler CEA-Konzentration vor Erstoperation entdeckt werden, von denen aber 60 % der CEA Werte bei der letzten Kontrolle innerhalb von 3 Monaten vor Rezidivdiagnose erhöht waren /19/.

Eine retrospektive Untersuchung /20/ an 533-Patienten mit kolorektalem Karzinom nach kurativer Resektion zeigte bei präoperativem CEA über 5 μg/l mit postoperativem CEA Abfall von 60 % eine 5-Jahres-Überlebensrate von 83 % und sicherte diese CEA-Abfallrate (Hazard ratio 3,0) neben Invasionstiefe (Hazard ratio 2,6) und Lymphknoten-Metastasierung (Hazard ratio 2,2) als unabhängigen prognostischen Faktor für schlechtes Überleben.

Ebenso zeigte eine postoperative Nachsorgestudie an frühen (Stadium I und IIA) wie späten (Stadium IIB und III) KRK-Stadien gleiche Erfolgsraten von 36–37 %. Das mediane Überleben nach Rezidivoperation betrug 51,2 versus 35,8 Monate bei gleicher Einfachort Rezidivrate und unterschiedlicher, aber seltener Mehrort Rezidivrate beim Frühstadium (2,6 % versus 28,6). Die Raten der Erstentdeckung der Rezidivmethoden für Früh- und Spätstadium unterschieden sich nicht signifikant aber je nach Methode führend für CEA (29,1/37,4 %) gefolgt von CT (23,6/26,4 %), Röntgenthorax (7,3/12,1 %), und Koloskopie (12,7/8,8 %) /21/.

Patienten mit fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom hatten beim Therapiemonitoring mit CEA, neben einem häufigen CEA Anstieg, in 78 von 670 Fällen ein CEA flare (Aufflackern). Das CEA flare zeigte gegenüber einem CEA-Anstieg eine bessere radiologische Response (11 % vs. 73 %), mediane Rezidiv freie Zeit (3,1 vs. 8,3 Monate) und Überlebenszeit (10,9 vs. 17,7 Monate). Das CEA flare ist ein unabhängiger prädiktiver und prognostischer Faktor für Tumorresponse und Überleben /22/.

Auch für die Entwicklung metachromer Metastasen (20–40 %) bei der Nachsorge von 1.099 Patienten nach kurativer Operation erwies sich ein präoperatives CEA über 5 μg/l (Odds ratio 1,6) neben Tumortiefe (Odds ratio 2,3), Lymphknoten-Metastasierung (Odds ratio 2,0) und vaskulärer Invasion (Odds ratio 1,9) als unabhängiger prognostischer Faktor einer Hochrisikogruppe und Indikator für eine intensive Überwachung /23/.

28.13.5.6 Verlaufskontrolle bei Non small cell lung cancer (NSCLC)

Präoperatives CEA über 5 μg/l und CYFRA 21-1 über 2,8 μg/l bei 193 NSCLC Patienten des Stadiums I mit Adenokarzinom ergaben Positivitätsraten von 27,8 % bzw. 7,8 % bei einer 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 79,3 % und einem medianen Verlauf von 35,5 Monaten /24/. Patienten mit präoperativ erhöhtem CEA hatten ein kürzeres Rezidiv freies Überleben und ein frühes Rezidiv mit Empfehlung für eine adjuvante Chemotherapie.

Eine prospektive Untersuchung zum prädiktiven und zum und prognostischen Wert des Abfalls von CEA (Entscheidungswert 5 μg/l) und CYFRA 21-1 (Entscheidungswert 3,2 μg/l) bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC unter konventioneller Chemotherapie nach zwei Zyklen ergab folgende Resultate:

  • Radiologische objektive Responserate (OR) 44 %.
  • CEA- bzw. CYFRA 21-1-Responserate (über 20 %-Abfall gegenüber dem prätherapeutischen Basiswert) von 38 % bzw. 61 % (bei einem medianen Überleben von 9 Monaten und von 13 bzw. 11 Monaten für Patienten mit Markerresponse im Vergleich zu 8 bzw. 6 Monaten für solche ohne Markerresponse) /25/.
  • In der multivariaten Analyse waren Performance-Status, LDH-Aktivität, CEA- und CYFRA 21-1-Response unabhängige prognostische Faktoren für das Überleben und beide Tumormarker zuverlässige Surrogatmarker für die Wirksamkeit der Chemotherapie.

Bei 105 Patienten mit NSCLC unter Gefitinib-Behandlung mit einer Responserate von 27,8 % und einem medianen Überleben von 9,3 Monaten erwiesen sich Nichtraucher und diejenigen mit prä-therapeutischen CEA über 5 μg/l signifikant empfindlicher gegenüber Gefitinib. Die multivariate Analyse zeigte, dass ein guter Performance Status und ein erhöhtes CEA ein unabhängiger prognostischer und prädiktiver Faktor für eine Gefitinib-Wirksamkeit waren /26/.

28.13.5.7 Verlaufskontrolle beim Mammakarzinom

Für das Mammakarzinom ergab eine prospektive Auswertung von prätherapeutischem CEA (Grenzwert 5 μg/l) und CA 15-3 (Grenzwert 30 U/ml) bei Patientinnen mit primärem lokoregionalen Tumor Markererhöhungen bei 12,7 % bzw. 19,6 % und für den einen oder anderen Marker von 28 % mit Korrelation zu größerer Tumorgröße und nodalem Befall /27/. Tumorgröße, Östrogenrezeptor und CEA waren unabhängige prognostische Faktoren für die Gesamtgruppe. Alle Patientinnen mit einem CEA über 7,5 μg/l zeigten im Verlauf ein Rezidiv. Beide Marker erlaubten eine Unterscheidung von Risikogruppen bei T1-Patientinnen ohne Lymphknotenvergrößerung mit 56,3 % Rezidiven beim Anstieg eines oder beider Marker im Gegensatz zu nur 9,4 % Rezidiven ohne Markeranstieg.

Nach den Tumormarker Empfehlungen der European Group on Tumor Markers (EGTM) für das Mammakarzinom eignen sich CA 15-3 und CEA wegen zu niedriger Sensitivität nicht zum Screening oder zur Frühdiagnose, aber zur Frühdiagnose von Fernmetastasen. Ferner sind präoperative Erhöhungen beider Marker in Kombination mit anderen Prognosefaktoren mit einem schlechten Ausgang beim Mammakarzinom assoziiert /28/.

Serielle Bestimmungen beider Marker werden zur Rezidiv-Frühentdeckung bei Patientinnen mit Mammakarzinom ohne Erkrankungsevidenz empfohlen, wenn die Entdeckung einer Metastasierung therapeutische Konsequenzen hat.

Ferner sollten CEA und CA 15-3 zur Therapiekontrolle vor jedem Chemotherapiezyklus und 3-monatlich gemessen werden, wobei ein Markeranstieg von über 25 % des Vorwerts mit einem zweiten Kontrollwert über dem Referenzintervall als signifikant gilt und innerhalb eines Monats bestätigt werden sollte.

Ein kontinuierlicher bestätigter Marker Anstieg spricht für eine progressive Erkrankung wie ein bestätigter Marker-Abfall von mehr als 50 % für eine Tumorresponse.

28.13.6 Hinweise und Störungen

Probenmaterial

Bei einigen Nachweisverfahren unterscheiden sich die CEA Konzentrationen in Serum und Plasma voneinander. Wahl und Behandlung des Probenmaterials sollten nach Angaben des Testherstellers erfolgen.

Referenzbereich

Die Lage des Medians und die Streuung von CEA im Serum oder Plasma hängen vom Alter und von den Rauchgewohnheiten der Kontrollgruppe ab. Bei Angabe des Referenzbereichs sollte die Kontrollgruppe spezifiziert werden. Es ist oft üblich, den Referenzbereich für gesunde Nichtraucher mit einem Höchstalter von 40 Jahren zur berechnen. Da die Konzentrationen nicht normal verteilt sind, wird gewöhnlich die 95 % Perzentile als Obergrenze des Referenzbereichs gewählt.

Bestimmungsmethode

Es lassen sich auf CEA spezifische und kreuzreagierende antigene Determinanten unterscheiden. Die kreuz reagierenden Determinanten kommen auf Antigenen vor, die u.a. auch im Normalplasma nachweisbar sind /29/. Kreuz reagierende Antigene sollten die CEA Bestimmung nicht beeinflussen. Trotz guter Korrelation verschiedener Tests können in individuellen Serumproben deutlich unterschiedliche CEA Konzentrationen bestimmt werden. Dies muss bei Longitudinaluntersuchungen berücksichtigt werden.

Bei Patienten, denen im Verlauf von Immunszintigraphie oder Immuntherapie Maus-Immunglobuline injiziert wurden, aber auch vereinzelt bei Normalpersonen, können im Serum anti-Maus-Ig-Antikörper vorkommen, die mit Testsystemen interferieren, in denen monoklonale Maus-Antikörper Verwendung finden /30/.

Stabilität

Bei 4 °C mindestens 24 h. Da die Testbedingungen auch von dem Proteinmuster der Probe beeinflusst werden, streuen die Angaben der Testhersteller in Bezug auf die Stabilität der Probe erheblich. Die Angaben der Hersteller sollten daher befolgt werden.

28.13.7 Pathophysiologie

CEA ist ein Glykoprotein mit einem Kohlenhydratanteil von ca. 50 %. Die relative Molmasse von CEA, welches aus Kolonkarzinomen und humanen Kolonkarzinomzellen isoliert wird, beträgt ca. 180 kDa /31/.

Nach der neu entwickelten Nomenklatur für Mitglieder der CEA Familie wird CEA als CEACAM5 (Carcino Embryonic Antigen related Cellular Adhesion Molecules) klassifiziert /32/. CEA besteht aus einer extrazellulären N-terminalen Domäne mit Homologie zu variablen Domänen der Immunglobuline sowie sechs weiteren extrazellulären Domänen, die Homologie zu konstanten Immunglobulindomänen aufweisen.

CEA ist über einen Phosphatidylinositol Anker in der Zellmembran verankert und kann durch Phospholipasen von der Membran gebundenen in lösliche Formen überführt werden. Der Abbau von CEA im Serum erfolgt hauptsächlich in der Leber, was zu erhöhtem CEA im Rahmen nichtmaligner Lebererkrankungen beitragen kann. Die Halbwertszeit von CEA im Serum beträgt 2–8 Tage.

CEA ist ein normaler Bestandteil der kolorektalen Schleimhaut und kommt darüber hinaus in anderen Epithelien, wie z.B. dem Vaginalepithel und verschiedenen Drüsenepithelien, wie den Foveolae des Magens, und in Schweißdrüsen vor /31/. Die höchsten Konzentration von CEA in Geweben finden sich in primären kolorektalen Karzinomen und deren Lebermetastasen, die Konzentration kann bis zu 500 fach höher sein als in der normalen Kolonschleimhaut.

CEA wird auch in anderen Karzinomen, wie in Magen-, Mamma- und Bronchialkarzinomen, nachgewiesen. Die Gewebskonzentrationen sind jedoch deutlich geringer als in kolorektalen Karzinomen /33/.

Das Gen, welches für CEA kodiert, ist Mitglied einer Genfamilie, die mindestens 17 transkriptionell aktive Gene mit hoher struktureller Homologie umfasst /31/. Auf Grund der strukturellen Ähnlichkeit zwischen Produkten verschiedener Gene der CEA Familie können monoklonale und polyklonale Antikörper, die gegen CEA induziert wurden, mit anderen Mitgliedern der CEA Familie kreuz-reagieren. Granulozyten, Makrophagen und Gallenkanälchen enthalten kreuz-reagierende Antigene, nicht jedoch CEA. Monoklonale Antikörper, die für den spezifischen Nachweis von CEA verwendet werden, sollten an diese Zellen bzw. Gewebe nicht binden /34/.

Unter Anwendung transfizierter Zellen, die CEA und andere Mitglieder der CEA Familie exprimieren, wurde nachgewiesen, dass CEA homophile und heterophile Bindungen mit anderen Familienmitgliedern eingeht /31/. Die intermolekulare Bindung von CEA Monomeren wird durch verschiedene Bindungsdomänen vermittelt /35/. Da Mitglieder der CEA Familie im Colon und in anderen Epithelien apikal lokalisiert sind, ist es unwahrscheinlich, dass die Glykoproteine eine Zelladhäsion vermitteln. Möglicherweise sind CEA und andere Mitglieder der CEA Familie an der Struktur der Glykokalix oder der bakteriellen Kolonisation beteiligt und üben Schutzfunktionen gegenüber Mikroorganismen aus /36/.

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28.14 CYFRA 21-1

Lothar Thomas

CYFRA 21-1 ist ein Bruchstück der Zellstruktur des Proteins Cytokeratin-19. CYFRA 21-1 ist das kleinste von 20 Fragmenten der Cytokeratinfamilie. Die Cytokeratine sind nach proteolytischer Degradation der hydrophoben amino- und carboxyterminalen Regionen in den Körperflüssigkeiten löslich. Cytokeratin-19 liegt überall im Organismus vor, ist aber zu einem erheblichen Anteil in der Lunge vorhanden. Die Ausscheidung von CYFRA 21-1 erfolgt vorwiegend über die Nieren. Eine Niereninsuffizienz kann deshalb zu erhöhten Serumwerten führen. CYFRA 21-1 ist ein Marker, der bevorzugt beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (Non-small cell lung cancer, NSCLC) in erhöhter Konzentration im Serum nachweisbar ist /1/.

28.14.1 Indikation

  • Differentialdiagnose, Prognose, postoperative Überwachung, Therapiemonitoring und Rezidiverkennung des Bronchialkarzinoms [Empfehlungen der European group of tumor markers (ETG) und der National Academy of Clinical Biochemistry (NACB)] /2/.
  • Abgrenzung des Bronchialkarzinoms von unklaren Rundherden der Lunge /3/.
  • In Kombination mit anderen Tumormarkern beim Bronchialkarzinom (Tab. 28.14-1 – Einsatz von CYFRA in Kombination mit anderen Markern beim Bronchialkarzinom/3/.
  • Verlaufskontrolle des Harnblasenkarzinoms /4/.

28.14.2 Bestimmungsmethode

Enzymimmunoassay, immunoradiometrischer Assay. In allen CYFRA 21-1-Tests werden die monoklonalen Antikörper BM 21-1 und KS 19-1 eingesetzt, die spezifisch gegen das Fragment 19 gerichtet sind /5/. Trotzdem sind die Resultate verschiedener Hersteller nicht übereinstimmend.

28.14.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Pleuraerguss: 1 ml

28.14.4 Referenzbereich

95 % gesunder Kontrollpersonen: Unter 2,0 μg/l /6/

95 % benigner Lungenerkrankungen: Unter 3,3 μg/l /6/

28.14.5 Bewertung

Cytokeratin-19 ist nicht Organ spezifisch und deshalb kann CYFRA 21-1 nicht nur beim Bronchialkarzinom, sondern auch bei anderen soliden Tumoren erhöht sein (Tab. 28.14-2 – Diagnostische Sensitivität von CYFRA 21-1 bei malignen Tumoren). Auch ist bei benignen Erkrankungen mit positiven Ergebnissen zu rechnen. Aber die Entscheidungswerte, die auf ein Bronchialkarzinom hinweisen, sind höher (Tab. 28.14-3 – Grenzwerte von CYFRA 21-1 bei Gesunden und Patienten mit benignen Erkrankungen).

28.14.5.1 Benigne Erkrankungen

Gesunde haben zu 80 % CYFRA 21-1 Werte im Serum unter 1,5 μg/l. Eine CYFRA 21-1 Konzentration über 10 μg/l wird nur zu unter 1 % bei benignen Erkrankungen beobachtet (Tab. 28.14-4 – CYFRA 21-1 bei benignen Erkrankungen).

28.14.5.2 Bronchialkarzinom

CYFRA 21-1 ist der sensitivste Tumormarker beim NSCLC, insbesondere beim Plattenepihelkarzinom (Squamous cell carcinoma, SCCA) (Tab. 28.14-5 – CYFRA 21-1 beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom). Obwohl keine Metaanalyse existiert, zeigen einzelne Studien die diagnostische Wertigkeit dieses Markers /9/. So wird er zur Diagnostik des NSCLC empfohlen und zur Differentialdiagnostik eines Lungentumors, wenn eine Biopsie nicht möglich ist. Auch hat CYFRA 21-1 eine prognostische Aussage beim NSCLC im Früh- und Spätstadium /10/. Werte über 3,3 μg/l werden bei Patienten mit NSCLC mit einer diagnostischen Sensitivität von 59 % bei einer Spezifität von 94 % bestimmt /11/. Für das kleinzellige Bronchialkarzinom (Small cell lung cancer, SCLC) beträgt die diagnostische Sensitivität 46–61 % bei einer Spezifität von 95 % gegenüber benignen Lungenerkrankungen /12/. Der Vergleich verschiedener Tumormarker zur Abgrenzung des SCLC von benignen Lungenerkrankungen zeigt Abb. 28.14-1 – Vergleich verschiedener Tumormarker zur Abgrenzung des SCLC von benignen Lungenerkrankungen.

28.14.5.3 Harnblasenkarzinom

Der Blasenkrebs ist die zweit häufigste Malignität im Urogenitalbereich, und in nahezu 90 % der Fälle handelt es sich um ein Urothelkarzinom. Bei der klinischen Präsentation sind 70–80 % der Karzinome superfiziell (Ta, T1), während der Rest eine Invasion in die Blasenmuskulatur zeigt (T2–T4) oder metastasiert ist. Die frühzeitige Diagnostik eines Muskel invasiven Tumors oder einer Metastasierung ist bedeutsam für die Prognose.

Die diagnostische Sensitivität von CYFRA 21-1 und anderer Tumormarker ist, sämtliche Stadien des Karzinoms der Harnblase zusammengenommen, nicht zufriedenstellend. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn nur die Muskel invasiven Karzinome berücksichtigt werden. So nimmt für CYFRA 21-1 die diagnostische Sensitivität auf 52–56 % zu (TPA 39–42 %, TPS 31 %). Die Werte und positive Rate einer Studie /15/ zeigt Tab. 28.14-6 – CYFRA 21-1 in der Diagnostik des Blasenkarzinoms.

Die diagnostischen Sensitivitäten von CYFRA 21-1 betragen 4–16 % bei Stadium 0 und 71–73 % bei Stadium IV /16/. Auf Grund der guten diagnostischen Sensitivität ist CYFRA 21-1 ein geeigneter Marker zur Erkennung eines Rezidivs Muskel invasiver Karzinome.

28.14.5.4 CYFRA 21-1 im Pleuraerguss

CYFRA 21-1 ist höher im malignen als im benignen Pleuraerguss. Eine Differenzierung zwischen Bronchialkarzinomen und Lungenmetastasen anderer Primärtumore ist nicht möglich /17/.

Bei einem Entscheidungswert von 20,9 μg/l besteht eine diagnostische Spezifität für ein Bronchialkarzinom von 71 % und ein positiver prädiktiver Wert von 82 %.

28.14.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Obwohl in den Assays die identischen Antikörper (BM 21-1 und KS 19-1) des Erstbeschreibers und Testentwicklers zum Einsatz kommen, kann nicht immer von vergleichbaren CYFRA 21-1 Werten ausgegangen werden.

Einflussgrößen

Die Konzentration von CYFRA 21-1 ist unabhängig von Alter, Geschlecht und Rauchgewohnheiten /18/. Auch besteht keine Abhängigkeit vom Menstruationszyklus /8/.

In der Schwangerschaft liegt bis zur 39. SSW der Median des CYFRA 21-1 um 1,4 μg/l und demnach im Referenzbereich (unter 2,0 μg/l). In der SSW 39–40 kommt es zu einem deutlichen Anstieg des CYFRA 21-1 (Median 3,4 μg/l), der durch Uteruskontraktionen bzw. vorzeitige Wehentätigkeit verursacht sein könnte /19/.

Direkt nach Intubation sowie bei längerfristiger Beatmung mit Überdruck und jeder Schädigung von Cytokeratin reichem Gewebe (massives Trauma, Operation) kommt vorübergehend zu deutlich erhöhtem CYFRA 21-1.

Stabilität

Im Vollblut bis zu 1 Woche bei Raumtemperatur, dennoch ist generell eine frühzeitige Trennung des Serums vom Blutkuchen zu empfehlen. Stabilität im Serum bei –20 °C bzw. –80 °C über mehrere Jahre.

Störfaktoren

Kontamination des Probenmaterials mit Speichel kann zu falsch erhöhtem CYFRA 21-1 führen /8/. Hämolyse, Ikterus und Hyperlipidämie stellen keine Störfaktoren für die Bestimmung von CYFRA 21-1 dar.

Biologische Halbwertszeit

Beträgt 2–5 h. Im Allgemeinen ist eine postoperative Untersuchung zur Kontrolle des Abfalls von CYFRA 21-1 nach 2–3 Tagen sinnvoll.

28.14.7 Pathophysiologie

Cytokeratine sind Stützproteine, die zusammen mit Aktinfilamenten und Mikrotubuli das Zytoskelett der Zelle bilden und charakteristisch für epitheliale Zellen sind /3/. Sie umfassen 20 verschiedene Polypeptide und sind, ebenso wie Vimentin und Desmin, als weitere intermediäre Filamente seit langem in der Histopathologie zur Differenzierung physiologischer und pathologischer Gewebe etabliert /1/.

Im Gegensatz zu den Cytokeratinen sind deren Fragmente löslich und im Serum bestimmbar.

Obwohl auch Cytokeratin-19 weder ein Organ- noch Tumor-spezifisches Protein darstellt, zeichnet es sich im Vergleich zu anderen Cytokeratinen durch ein restriktiveres Verteilungsmuster aus. Sein Vorkommen ist besonders häufig im Lungengewebe und hier speziell bei malignen Lungentumoren. In diesem Sinne ist auch die klinische Relevanz von CYFRA 21-1 und sein hoher Stellenwert als sogenannter Panmarker beim Bronchialkarzinom zu sehen.

Das Auftreten und bestimmte Kombinationen von Cytokeratinen sind Gewebe typisch /20/. Mehrschichtiges Epithel, wie das Plattenepithel, wird durch die Cytokeratine 1–6 und 9–17 charakterisiert, einschichtiges Zylinderepithel durch die Cytokeratine 8 und 18 und Drüsenepithelien zusätzlich durch die Cytokeratine 7, 19 und 20.

Von jeder Epithelzelle wird eine individuelle, von der Differenzierung unabhängige Kombination aus zwei oder mehr Polypeptiden des Cytokeratins exprimiert, wobei die Polypeptide der sauren Typ-I-Keratine (Cytokeratine 9–20) und die basischen Typ-II-Keratine (Cytokeratine 1–8) immer als Dimere in einem Mengenverhältnis 1 : 1 vorkommen.

Zwei Dimere bilden einen Tetramerkomplex; Tetramere polymerisieren zum Protofilament. Acht Protofilamente bilden dann ein intermediäres Filament. Die Sekundärstruktur der Cytokeratine besteht aus einem α-helikalen Mittelstück, der sogenannten Rod-Domain, die einen wichtigen Beitrag zur Heterodimerisation der Typ-I- und Typ-II-Cytokeratine leistet, sowie dem aminoterminalen Kopf und dem carboxyterminalen Ende.

Das Cytokeratin 19 stellt mit 36 kD das kleinste Cytokeratin dar. Bei malignen Erkrankungen und insbesondere beim NSCLC kommt das Cytokeratinfragment 19 in erhöhter Konzentration vor.

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28.15 DCP (PIVKA II)

Rolf Lamerz

Des-gamma carboxy prothrombin (DCP), auch bekannt als Protein, induziert durch Vitamin K-Abwesenheit oder gebildet in Anwesenheit von Vitamin K-Antagonist II (PIVKA II), ist ein abnormes bisher funktionsloses Produkt der Leber, das durch fehlende Carboxylierung während der Bildung von Prothrombin entsteht. Im hepatozellulären Karzinom (HCC) induziert DCP die Proliferation und Migration von Zellen und stimuliert angiogene Faktoren. DCP ist ein Tumormarker bei Patienten mit chronischer Hepatitis und Leberzirrhose mit Verdacht auf HCC oder bei Patienten mit HCC zum therapeutischen Monitoring und in der Nachsorge /123/.

28.15.1 Indikation

Verdacht auf hepatozelluläres Karzinom, z.B. bei Patienten mit Leberzirrhose.

Therapeutisches Monitoring und Nachsorge von Patienten mit primärem Leberzellkarzinom, z.B. postoperativ, vor allem nach kurativer ablativer oder nach transarterieller Chemoembolisation (TACE).

28.15.2 Bestimmungsmethode

Immunoassays wie der Eitest PIVKA-II, Eisai /4/ und der Electrochemiluminiszenz-Immunoassay (Picolumi PIVKA-II, mono Ab MU-3) /5/ und ein Liquid phase binding assay (LiBASys) /6/ wurden vergleichend evaluiert /7/. Einige Tests messen in Arbitrary units (AU), andere die Konzentration in ng/ml. Für den LiBASys gilt folgender Konversionsfaktor: 1 mAU entspricht 0,019 ng. Ein weiterer EIA der DCP in ng/ml misst ist der Asserchrom PIVKA-II (monoAb P1-2-B9).

28.15.3 Untersuchungsmaterial

Plasma, Serum, Pleuraexsudat, Ascites, Liquor: 1 ml

28.15.4 Referenzbereich

Bis 40 mAU/ml (0,8 ng/ml)

Nach kommerziellen Kits (Eitest PIVKA-II, Picolumi PIVKA-II) 40 mAU/ml bzw. (LiBASys) in ng/ml /456/.

28.15.5 Bewertung

Die Bestimmung von DCP ist zum Screening/Surveillance von Risikogruppen (chronische Hepatitis B und C und Leberzirrhose) mit Verdacht auf Entstehung eines primären Leberzellkarzinoms geeignet, ferner nach Operation und vor allem nach ablativer oder TACE-Therapie auf Rezidivrisiko und Prognose /89, 1011/.

Sensitivität und Spezifität von DCP

In einer Übersicht /12/ fand sich nach einer summarischen Zusammenstellung von 11 Publikationen von 1983–1991 unter Verwendung verschiedener Bestimmungsmethoden für DCP an insgesamt 750 Patienten mit HCC eine diagnostische Sensitivität von 66 %. Bei Tumoren unter 3 cm betrug die diagnostische Sensitivität nur 18 %. Der empfindlichste Immunoassay hatte einen Grenzwert von 0,1 AU/ml (100 mAU/ml, entsprechend 100 ng/ml).

Ein Vergleich von DCP bei Patienten mit HCC gegenüber solchen mit Leberzirrhose in 6 Kollektiven von 55–245 HCC-Fällen erbrachte diagnostische Sensitivitäten von 28–89 % bei Spezifitäten von 87–96 % im Vergleich zu AFP mit einer Sensitivität von 47–68 % bei einer Spezifität von 82–97 % /1314, 15, 1617/.

Ferner wurden in 4 Verlaufsstudien mit Zirrhose-Patienten von 78–734 Fällen über einen Verlauf von 13–48 Monaten zwischen 14 und 35 frühe HCC-Fälle mit einer diagnostischen Sensitivität für DCP von 23– 57 % bzw. für AFP von 14–54 % bei einer Spezifität für die größte Studie /18/ von 90 % für DCP bzw. 62 % für AFP beschrieben /181920/.

Histopathologische Bewertung

Eine histopathologische Untersuchung der Resektate von HCC Patienten in Bezug auf AFP-L3 und DCP im Serum bei 111 HCC ergab AFP-L3 positive (Entscheidungswert über 10 %) Befunde bei 38 und DCP positive Befunde bei 63 Patienten.

AFP-L3 positive HCC zeichneten sich durch infiltratives Wachstum und einen schlecht differenzierten Typ gegenüber AFP-L3 negativen HCC aus.

DCPpositive HCC hatten häufig einen infiltrativen Wachstumstyp, vaskuläre Invasion und intrahepatische Metastasierung gegenüber DCP negativen HCC.

In AFP-L3 positiven und DCP positiven HCC war häufiger ein schlecht differenzierterer Wachstumstyp anzutreffen als bei nur einem der beiden Marker positiven wie auch beidseits Marker negativen HCC.

Insgesamt stand AFP-L3 in Beziehung zur Progression von mäßig bis schlecht differenzierten HCC, wohingegen DCP eher ein nützlicherer Indikator für eine vaskuläre Invasion war /21/.

Eine DCP Expression im Gewebe korreliert mit der DCP Konzentration im Serum und der biologischen Aggressivität des HCC und der Prognose eines kleinen HCC /22/. Serum-DCP kann aber auch aus anderen Quellen als dem HCC-Gewebe stammen /23/. Eine Überexpression von DCP tritt nicht nur im HCC-Gewebe auf, sondern auch in dem das HCC umgebenden Gewebe mit Wirkung auf den Serumwert von DCP /24/.

Serumkonzentrationen und Werte des Gewebs-DCP ergaben eine Korrelation zu den Expressionswerten in nicht HCC-Gewebe und HCC-Gewebe /25/. Sowohl eine Gewebs-Überexpression von DCP wie erhöhte Werte von DCP im Serum spiegelten einen schlechten Ausgang wider und wiesen Multivarianz analytisch die DCP Expression im gesamten Lebergewebe zusammen mit der intrahepatischen Metastasierung als signifikante Prognosefaktoren aus.

28.15.5.1 Screening auf hepatozelluläres Karzinom

Viele klinische Studien haben sich mit der Brauchbarkeit von DCP beim HCC Screening befasst /18, 14, 15, 17, 1920/. DCP im Serum zeigte sich bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen gegenüber AFP nicht erhöht und damit für HCC hoch spezifisch, während die diagnostische Sensitivität variierte. Vor allem beim kleinen HCC war die Sensitivität eher niedrig, z.B. beim HCC unter 2 cm oder unter 3 cm bei 35 % und 39,3 %, gegenüber einer Sensitivität für alle HCC von 60 % /26/. Deshalb wurden zusätzlich andere Tumormarker wie AFP und AFP-L3 komplementär eingesetzt /151719/.

Nach einer Studie /27/ erbrachte DCP (Entscheidungswert 150 mAU/ml) mit 74 % eine höhere Sensitivität als AFP (Entscheidungswert 20 ng/ml) mit 59 % und AFP-L3 (Entscheidungswert 10 %) mit 42 % und jeweiligen Spezifitäten von 70 %, 90 % und 97 %. Nach Grenzwert-Optimierung durch ROC Analyse ergab sich aber für AFP mit 70 % ein höherer Wert der diagnostischen Sensitivität als für DCP mit 66 % und AFP-L3 mit 50 %. AFP war der beste Marker für ein frühes HCC (BCLC-Stadium 0 und A) bei einem Entscheidungswert von 10,9 ng/ml.

Eine Studie von AFP (Entscheidungswert 150 ng/ml) und DCP (Entscheidungswert 40 mAU/ml) in einer Fallkontrollstudie aus 1.031 randomisierten Patienten der HALT-C-Studie mit 39 HCC-Fällen (24 im Frühstadium) und 77 Kontrollen mit Markerwerten im Serum bis 12 Monate vor Diagnose HCC (Monat 0) ergab folgende Resultate /28/:

  • Diagnostische Sensitivität von 74 % bei einer Spezifität von 86 % für DCP (Entscheidungswert 40 mAU/ml) im Monat 0.
  • Diagnostische Sensitivität von 43 % bei einer Spezifität von 100 % für DCP (Entscheidungswert 150 mAU/ml) im Monat 0.
  • Diagnostische Sensitivität von 61 % bei einer Spezifität von 81 % für AFP (Entscheidungswert 20 ng/ml) im Monat 0.
  • Diagnostische Sensitivität von 43 % bei einer von 94 % für AFP (Entscheidungswert 200 ng/ml) im Monat 0.
  • Zum Monat –12 lagen Sensitivität und Spezifität beim jeweils niedrigeren Grenzwert für DCP bei 43 % und 94 % und für AFP bei 47 % und 75 %.
  • In der Kombination beider Marker stieg die Sensitivität auf 91 % im Monat 0 und 73 % in Monat –12 an, während die Spezifität auf 74 % und 71 % abfiel.

Wegen der fehlenden Korrelation zwischen den drei Markern werden alle drei in Kombination als Simultantest empfohlen /1519, 2026/. Eine weitere Studie an HCCs unter 2 cm oder unter 3 cm ergab diagnostische Sensitivitäten von 38,5 % bzw. 48,6 % bei alleinigem DCP, aber in Kombination mit AFP Werte von 61,5 % bzw. 82,9 % /20/. Deshalb empfehlen die japanischen Evidenz basierten klinischen Praxismanual-Leitlinien beim HCC-Screening vor allem bei kleinen HCCs die gemeinsame Anwendung von periodischen simultanen DCP- und AFP- (AFP-L3-)-Bestimmungen /29/.

28.15.5.2 DCP bei der Selektion von Lebertransplantat-Empfängern

DCP wird als Kandidat für die erweiterte Empfängerselektion bei der Lebendtransplantatspende (LDLT) vor allem von japanischen Gruppen zusätzlich zu den bekannten Kriterien empfohlen. Dafür spricht das häufigere Auftreten von erhöhtem DCP oder AFP bei vaskulärer Invasion und einem schlechten Tumorgrad als starke unabhängige Faktoren für eine schlechte Prognose nach Transplantation eines HCC-Patienten. So war z.B. das erkrankungsfreie Überleben signifikant besser bei Patienten mit einem DCP Wert ≤ 300 mAU/ml und einem Tumordurchmesser von ≤ 5 cm als bei höheren Werten /30/. Zusätzlich zu den Milankriterien erwiesen sich Werte von DCP über 100 mAU/ml und von AFP über 200 ng/ml als zuverlässige Prädiktoren einer schlechten Prognose nach LDLT /31/. Nach einer anderen multivariaten Analyse war nur eine hohe Konzentration des DCP ein unabhängiger Risikofaktor für ein HCC-Rezidiv nach LDLT /32/.

28.15.5.3 DCP-Bedeutung bei verschiedenen Therapien

Eine prospektive Studie über präoperativ bestimmte Dopplungszeiten von AFP und DCP im Vergleich zu 19 klinischen Faktoren an HCC-Patienten mit hepatischer kurativer Resektion ergab in der multivariaten Analyse für Dopplungszeiten von AFP ≤ 30 Tagen und von DCP ≤ 16 Tagen ein signifikant schlechteres von Erkrankung freies und Gesamtüberleben. AFP und DCP und wiesen sich damit als geeignete Prädiktoren eines frühen postoperativen Rezidivs und einer schlechten Prognose aus /33/.

Bei Patienten mit initialem HCC und kurativer Behandlung mittels Hepatektomie oder locoregionaler thermaler Ablation (LTA) zeigte sich nur bei den LTA therapierten Patienten ein signifikanter Einfluss von erhöhtem AFP-L3 und vor allem DCP auf eine verminderte Überlebensrate /34/.

Eine retrospektive Analyse an im Stadium Child-Pugh A diagnostizierten HCC Patienten mit hepatischer Resektion und HCC Patienten mit Radiofrequenzablation (RFA) bei maximaler Tumorgröße von ≤ 3 cm und ≤ 3 Tumoren ergab für beide Behandlungsmodalitäten 3- und 5-Jahres- Überlebensraten von 90,3 %/79,0 % bzw. 87,4 %/74,8 %. Für die Resektionsgruppe ergaben sich aber höhere 1- und 3-Jahres rezidivfreie Überlebensraten (83,1 %/51,0 %) gegenüber 82,7 %/41,8 % in der RFA-Gruppe.

Multivarianzanalytisch waren in der Resektiongruppe eine Prothrombinzeit ≥ 80 % (Hazard ratio 2,72), in der RFA-Gruppe aber ein DCP-Wert unter 100 AU/ml (Hazard ratio 5,49) und eine Thrombozytenzahl ≥ 100 × 109/l (Hazard ratio 1,26) unabhängige prognostische Faktoren für das Überleben.

Da hohe DCP Werte eine Aggressivität und Progression von HCCs anzeigten, wurde für die Patienten eine Resektion statt RFA empfohlen /35/.

28.15.5.4 Funktion, Korrelation und Prognose

DCP (PIVKA II) ist ein Protein, das durch einen Mangel an Vitamin K-Antagonist (PIVKA II) induziert wird und damit ein abnormes Produkt der Carboxylierung während der Bildung von Prothrombin darstellt. DCP wirkt wie ein autologes Mitogen bei HCC-Zelllinien /36/. Dies führt zur Bildung eines abnormen Prothrombins ohne Carboxylierung der 10 Glutaminsäurereste am N-Terminus und ohne koagulatorische Aktivität.

DCP hat aber beim HCC eine andere biologische Funktion und wirkt als autokriner wie parakriner Wachstumsfaktor /36/, indem es eine Zellproliferation in HCC-Zelllinien durch den Met-Janus-Kinase-1-Signal-Transduktor und Aktivator des Tanskriptions-3-Signalwegs stimuliert. DCP induziert eine Zellproliferation und Zellmigration von humanen Nabelschnurvenen-Endothelzellen (HUVEC), wofür auch die Korrelation zwischen dem Zellproliferationsmarker PCNA und einer DCP Expression im HCC Gewebe spricht /3637/. Deshalb wirkt DCP nicht nur als ein Wachstumsfaktor, sondern es erhöht auch die Genexpression angiogener Faktoren wie EGF-R, VEGF und MMP-2.

DCP gilt als prognostischer Biomarker und Prädiktor der schnellen Tumorprogression und einer schlechten Prognose /838/. Es wird als pathologischer und prognostischer Indikator für HCC-Patienten angewandt und scheint treffender als AFP die invasive Rolle des HCC wiederzugeben. Eine simultane Bestimmung von Serum-DCP und seiner Gewebeexpression ist noch nützlicher für die Prognosevorhersage bei HCC-Patienten als allein die von DPC im Serum.

DCP positive und AFP negative Patienten haben eine höhere Anzahl von HCC-Formen mit scharfem Rand, große Knoten über 3 cm Durchmesser, wenigen Knoten oder eine mäßige bis schlechte Differenzierung /39/.

DCP korreliert besser als AFP mit dem HCC-Stadium.

DCP positive Patienten haben eine höhere Rate an intra hepatischer Metastasierung, Tumorinvasion in die Venen der Pfortader, hepatischer Venenthrombose, Kapselinfiltration /89, 1011/ und ein schlechteres Überleben als DCP negative /40/. Deshalb wird DPC als Marker für eine Invasion der Pfortadervenen und intrahepatische Metastasierung angesehen /41/.

Die simultane Erhöhung von DCP und AFP-L3 ergab häufiger einen infiltrativen Wachstumstyp, eine vaskuläre Invasion und intrahepatische Metastasierung als bei DCP negativen Patienten /42/. Damit erweist sich die Kombination DCP und AFP-L3 diagnostisch und differentialdiagnostisch besonders effektiv als Marker des HCC.

DCP ist der Indikator eines Rezidivs des HCCs nach kurativer Behandlung. Ein positiver Wert des DCP korreliert im Serum signifikant mit dem Nachweis einer vaskulären Invasion, bei intra hepatischer Metastasierung, mit der Tumorgröße und dem TNM-Stadium und häufiger mit einem Rezidiv mit schlechterer Rate des Gesamtüberlebens /24/.

Eine portale Veneninvasion ist häufiger bei erhöhtem DCP im Vergleich zum negativen Befund und erweist sich als stärkster prädisponierender Faktor /10/. Auch bei kleinem HCC < 3 cm kann DCP als prognostischer Indikator angewendet werden, wobei ein hohes DCP mit einem höheren Rezidivrisiko des HCC und einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert ist /43/.

28.15.5.5 Verlaufskontrolle mit DCP und anderen Tumormarkern

Ähnlich wie AFP ist DCP ein guter Marker zum Monitoring der HCC-Clearance nach kurativer Behandlung und zur Entdeckung eines HCC-Rezidivs. Aber es bestehen Unterschiede zwischen DCP und AFP:

  • DCP und AFP korrelieren weder positiv noch negativ miteinander, 30 % der AFPnegativen Patienten sind DCP-positiv.
  • DCP ist im Vergleich zu AFP ein spezifischerer Marker des HCCr, weil andere Lebererkrankungen seltener zu erhöhten Werten führen.
  • Die Halbwertszeit im Plasma von DCP ist mit 40–72 h kürzer als die von AFP mit 5–7 Tagen. Deshalb spiegelt DCP die therapeutische Wirksamkeit beim HCC in kürzerer Zeit wider.

Die Kombination von DCP und AFP zeigte sich der alleinigen DCP Bestimmung nicht überlegen /12/, während eine andere Studie ihre Kombination als besser einstufte /40/. Ferner wurde auch eine Kombination von DCP mit AFP-L3 als wirksamer für eine frühe HCC Erkennung empfohlen /19/.

In einer Studie wurden DCP (Entscheidungswert 84 mAU/ml), AFP (Entscheidungswert 25 ng/ml) und AFP-L3 (Entscheidungswert 10 %) bei 144 Patienten mit HCC, 47 Fällen mit chronischer Hepatitits B und C und 49 mit Leberzirrhose bestimmt. Alle drei Marker zeigten signifikant höhere Werte beim HCC mit diagnostischen Sensitivitäten, Spezifitäten und positiven prädiktiven Werten von:

  • 87 %, 85 % und 86,8 % für DCP.
  • 69 %, 87 % und 69,8 % für AFP.
  • 56 %, 90 % und 56,1 % für AFP-L3.

DCP erwies sich wegen besserer Markerraten, direkter Korrelation mit der Tumorgröße und normalen Werten bei Abwesenheit eines HCC als der beste HCC-Biomarker /43/.

Eine Studie über AFP-L3 (Entscheidungswert 10 %), AFP (Entscheidungswert 20 μg/l) und DCP (Entscheidungswert 7,5 ng/ml) bei Patienten mit aus Leberzirrhose hervorgegangenen HCC-Fällen ergab diagnostische Sensitivitäten, Spezifitäten, positive und negative prädiktive Werte von:

  • 61 %, 71 %, 34 % und 88 % für alleiniges AFP.
  • 37 %, 92 %, 52 % und 85 % für alleiniges AFP-L3.
  • 39 %, 90 %, 48 % und 86 % für alleiniges DCP.
  • 77 %, 59 %, 32 % und 91 % für die Kombination.

Für HCC-Patienten mit AFP-Erhöhungen von 20– 200 μg/l erwiesen sich AFP-L3 und DCP als hochspezifische Biomarker (Spezifität 86,6 % bzw. 90,2 %): Von 29 HCC-Patienten mit AFP-Werten < 20 μg/l zeigten 13 eine AFP-L3- oder DCP-Erhöhung. Ferner traten bei AFP-L3- und DCP-positiven Patienten signifikante Unterschiede mit niedrigeren 1- und 2-Jahres-HCC-freien Raten gegenüber der Gesamtgruppe auf /44/.

Eine prospektive Studie über AFP-L3 (Entscheidungswert 10 %), DCP (Entscheidungswert 200 mAU/ml) und AFP (Entscheidungswert 25 μg/l) bei histologisch gesicherten HCC-Patienten ergab diagnostische Sensitivitäten von 61,6 %, 72,7 %, 67,7 % und für ihre Kombination 85,9 % . Es bestanden signifikante Unterschieden bei Pfortadervenen-Invasion für AFP-L3 und AFP, während DCP signifikant mit einer Metastasierung assoziiert war /45/.

Eine retrospektive Studie an HCC-Patienten mit und ohne mikrovaskuläre Invasion (MVI) und hepatischer Resektion ergab uni- und multivariat folgende Resultate. Ein Alter unter 65 Jahre, ein DCP-Wert ≥ 200 mAU/ml, eine präoperative Tumorgröße ≥ 5 cm und ein schlecht differenziertes Karzinom sind unabhängige Prädiktoren einer MVI. Ein nicht-invasiver kombinierter prät-herapeutischer Index-Score aus Alter, DCP und Tumorgröße ergab eine signifikante Korrelation mit dem Ausmaß der MVI und dem Überleben nach Leberresektion /46/.

28.15.6 Hinweise und Störungen

Die Richtigkeit von DCP-Werten kann durch längere obstruktive Gelbsucht, intrahepatische Cholestase mit Vitamin K-Mangel und durch Warfarin (Dicumarol)- oder Antibiotikagabe beeinträchtigt werden /47/.

28.15.7 Pathophysiologie

Das Prothrombinmolekül wird in der Leber in Abhängigkeit von der Vitamin K abhängigen γ-Glutamyl-Carboxylase synthetisiert. Der Vorläufer von Prothrobin hat 10 Glutaminsäurereste am N-terminalen Ende, die in γ-carboxy-Glutaminsäurereste (Gla), durch die enzymatische Aktivität der γ-Glutamyl-Carboxylase umgewandelt werden. Alle Glutaminsäurereste müssen zu Gla transformiert werden bevor Thrombin seine koagulatorische Aktivität erlangt. Das geschieht posttranslational.

Beim DCP sind nicht alle 10 Reste der Glutaminsäure zu Gla-Resten transformiert. Einige verbleiben als Glutaminsäurereste.

Im Gewebe des HCC sind Vitamin K und die γ-Glutamyl-Carboxylase deutlich vermindert /36/.

Ähnlich wie der Wachstumsfaktor HGF der Hepatozyten bindet DCP an den Zelloberflächenrezeptor Met und kann auch eine Zellproliferation des HCC verursachen /36/. Nach Bindung von DCP an Met stimuliert es vergleichbar dem HGF über Met-Janus Kinase-Signal-Transduktoren und -aktivatoren des Transcription-3-Signalwegs die Induktion der HCC-Zellproliferation.

Auch nehmen die Sekretionswerte von DPC in HCC-Zelllinien nach Zugabe von Vitamin K signifikant ab mit ähnlicher Wirkung auf die Malignität der HCC-Zelllinien, deren Wachstum durch Vitamin K in Dosis abhängiger Weise gehemmt wird /48/.

Ein weitere biologische Wirkung von DCP auf die Malignität von HCC ist seine Fähigkeit zur Verstärkung der Angiogenese um das HCC-Gewebe, welche mittels humaner Umbilikalvenen Endothelzellen (HUVEC) untersucht wurde /37/. Danach stimulierte DCP die DNA-Synthese und Migrationsaktivität von HUVEC, nicht aber normales Prothrombin. DCP band an einen Kinase-Insert-Domänen-Rezeptor (KDR) bekannt als vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor Rezeptor (VEGF-R) und stimulierte den KDR-Phospholipase C-(PLC-γ)-Mitogen-aktivierten Proteinkinase (MAPK) Signalweg mit nachfolgend beschleunigter DNA-Synthese und Zellmigration /44/.

Auch in vitro ließ sich eine Fähigkeit von DCP zur Wachstums- und Invasions-Verstärkung von HUVEC-Zellen und eine induzierte Überexpression und Sekretion von EGFR, VEGF, TGF-α und bFGF in HUVEC-Zellen bzw. HCC-Zellen nachweisen /49/.

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28.16 Humanes Choriongonadotropin (hCG)

Lothar Thomas

hCG ist ein heterodimeres Glykoproteinhormon, das in multiplen Formen existiert. Es besteht aus je einer nicht kovalent gebundenen α- und β-Untereinheit. hCG wird von den Throphoblastzellen der Plazenta gebildet, aber auch von nicht trophoblastischen Geweben wie der Hypophyse und neoplastischen Zellen. Zusätzlich wird hCG in verschiedenen Geweben unterschiedlich glykosyliert, woraus ein Spektrum von hypo- bis hyperglykosylierten molekularen Formen resultiert.

Intaktes hCG, hyperglykosyliertes hCG und die freie β-Untereinheit sind diejenigen Formen, die von Gesunden und in Tumorgeweben gebildet werden (Abb. 28.16-1 – Struktur und Nomenklatur der International Federation of Clinical Chemistry für hCG/1/.

Intaktes hCG

Es handelt sich um die vorwiegende Form im Serum und Plasma in der Schwangerschaft und bei Trophoblasttumoren.

Hyperglykosiliertes hCG

Wird vorwiegend beim Chorionkarzinom und dem Hodenkarzinom gebildet. Die Bestimmung von hyperglykosyliertem hCG hat in der klinischen Routinediagnostik nur eine geringe Bedeutung und wird abhängig vom verwendeten intakten hCG-Test in unterschiedlichem Ausmaß erfasst.

Freie β-Untereinheit

Die Sekretion ist vorwiegend mit nicht Schwangerschafts-bedingter Malignität (Keimzelltumoren) assoziiert.

Proteasen aus Makrophagen im Plasma oder in Tumoren degradieren intaktes hCG und hyperglykosiliertes hCG (Abb. 28.16-1), und es entstehen primär Metaboliten wie nicked (gespaltenes) hCG und nicked hyperglykosiliertes hCG (hCGn). Das nicked intakte hCG dissoziiert rasch in die freie nicked β-Untereinheit (hCGβn) und die freie α-Untereinheit. Der C-terminale Anteil wird von der freien nicked β-Untereinheit abgespalten, und nach weiterer Degradation entsteht das hCGβ-core fragment (hCGβcf). Alle diese Metaboliten können im Serum oder Urin vorhanden sein, und ein hCG-Test ist dann ein idealer Tumormarker, wenn alle diese Formen erfasst werden. Tumoren, die nur die β-Untereinheit von hCG (hCGβ) sezernieren, werden effektiv entdeckt und kontrolliert mit Tests, die nur dieses Protein messen.

In Tab. 28.16-1 – Zustände und Erkrankungen und dabei vorwiegend vorkommende hCG-Formen ist aufgeführt, welche hCG-Form bei den einzelnen Erkrankungen und Zuständen vorwiegend vorkommt /2/.

28.16.1 Indikation

Als Tumormarker werden intaktes hCG und hCGβ zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung eingesetzt.

Absolute Indikation

Keimzelltumoren:

  • Blasenmole und Chorionkarzinom der Frau.
  • Hodentumor des Mannes.
  • Extragonadale Keimzelltumoren.

Relative Indikation

Patienten mit erhöhtem Risiko eines Keimzelltumors:

  • Maldescensus testis.
  • Gesunder eineiiger Zwilling eines Patienten mit Hodentumor.
  • Patienten in Vollremission nach Therapie eines Hodentumors, auch wegen des erhöhten Risikos der Entstehung eines kontralateralen Zweittumors.
  • Nicht trophoblastische solide Tumoren.
  • Nachweis in Ascites und Pleuraflüssigkeit bei unbekanntem Primärtumor.

Indikation in der Schwangerschaft (siehe Beitrag 38.3 – Humanes Choriongonadotropin)

  • Frühdiagnose der Schwangerschaft.
  • Diagnose des Spontanaborts.
  • Diagnose chromosomaler Anomalien (Trisomie 21).

28.16.2 Bestimmungsmethode

Zur Bestimmung verschiedener Formen von hCG stehen prinzipiell drei verschiedene Tests zur Verfügung:

  • Nur das intakte dimere hCG-Molekül, bestehend aus der α- und β-Untereinheit (hCG intakt).
  • Nur die freie β-Untereinheit von hCG (hCGβ).
  • Intaktes hCG plus hCGβ (Gesamt-hCG, in kommerziellen Tests auch als β-hCG bezeichnet). Diese Tests erfassen in zusätzlich im unterschiedlichen Ausmaß nicked hCG, nicked freies hCGβ und β-core fragment. So ist z.B. die Kreuzreaktivität eines häufig verwendeten kommerziellen Assays 96 % für nicked hCG, 120 % für hCGβ, 92 % für nicked hCGβ und 35 % für das β-core fragment /3/.

Quantitative Bestimmung im Serum

Immunoassays nach dem Prinzip des kompetitiven oder des immunometrischen Verfahrens. Kommerziell verfügbar sind Tests zur Bestimmung von /4/:

  • Gesamt-hCG (kommerzieller Test = β-hCG). Bei diesem Test wird ein monoklonaler Antikörper, der gegen Epitope der α-Untereinheit des hCG-Moleküls gerichtet ist, z.B. Antikörper 2119, als Capture-Antikörper eingesetzt. Ein markierter Antikörper, der gegen Epitope der β-Untereinheit gerichtet ist wie Antikörper 4001, dient als Tracer. Gemessen werden intaktes hCG, nicked hCG, hyperglykosiliertes hCG und die freie β-Untereinheit.
  • Freie β-Untereinheit (hCGβ). Bei diesem Test sind Capture- und Tracerantikörper nur gegen Epitope der β-Kette gerichtet.

Zum Einsatz von hCG als Tumormarker müssen hCG und hCGβ erfasst werden, denn bestimmte Hodentumoren wie Seminome, seltener Chorionkarzinome, sezernieren vorwiegend hCGβ und weniger intaktes hCG. Es muss also entweder ein Gesamt-hCG (β-hCG Test) eingesetzt werden, oder wenn der Test nur intaktes hCG erfasst, zwei Teste, einer der sensitiv intaktes hCG erfasst und ein zweiter der sehr empfindlich hCGβ bestimmt. Oft wird zwar hCGβ von den β-hCG Tests erfasst, aber nicht immer empfindlich genug.

28.16.3 Untersuchungsmaterial

28.16.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.16-2 – Referenzbereich für hCG.

28.16.5 Bewertung

Besteht keine Schwangerschaft weisen erhöhte Werte von Gesamt-hCG oder hCGβ auf das Vorliegen eines malignen Tumors hin. Die Sekretion von hCG kann durch trophoblastische und nicht-trophoblastische Tumoren bedingt sein, obwohl letztere in geringerem Ausmaß zur Bildung von intaktem hCG und hCGβ befähigt sind. Die Häufigkeit von hCG Erhöhungen bei malignen Tumoren ist aufgeführt /7/ in Tab. 28.16-3 – Häufigkeit erhöhter hCG- und hCGβ-Serumwerte bei malignen Tumoren.

28.16.5.1 Keimzelltumoren des Hodens

Hodenkarzinome sind die häufigsten malignen Tumoren des Mannes im Alter zwischen 20 und 40 Jahren mit einer Inzidenz von 4–8 Neubildungen auf 100.000 und Jahr. Klinisch sind sie durch eine umschriebene Verhärtung oder derbe Schwellung und durch leichte Schmerzen oder Ziehen in der Leiste auffällig. Etwa 95 % der testikulären Karzinome sind Keimzelltumoren, die histologisch in Seminome, nicht-seminomatöse Karzinome und Mischtumoren eingeteilt werden. Die Mischtumoren bestehen aus Seminomanteilen und nicht seminomatösen Anteilen und werden klinisch auf Grund ihres biologischen Verhaltens zu den nicht seminomatösen Karzinomen zusammengefasst. Diese werden im englischen Sprachgebrauch auch als Non semitomatous testicular germ cell cancer (NSTGC) bezeichnet. Die Häufigkeit des Seminoms und nicht-seminomatöser Karzinome ist in etwa gleich (Tab. 28.16-4 – Häufigkeit der Subtypen von Hodentumoren/9/. Zu den nicht seminomatösen Karzinomen zählen auch die trophoblastischen Neoplasien wie das Chorionkarzinom, das plazentare trophoblastische Karzinom und das epitheloide trophoblastische Karzinom.

28.16.5.2 Extragonadale Keimzelltumoren

Die extragonadalen Keimzelltumoren machen 2–6 % der Keimzelltumoren aus und sind im Mediastinum, den Lungen, in der Sakroileakalregion, dem Retroperitoneum und der Hypophyse lokalisiert. Nach einer Analyse sind 65 % im Mediastinum gelegen /10/.

28.16.5.3 Marker der Keimzelltumoren

Seminome und nicht seminomatösen Karzinome exprimieren spezifische Marker, die im Serum bestimmt werden. Die wichtigsten Marker sind AFP, hCG und LDH. Reine Seminome exprimieren kein AFP. Nicht seminomatöse Karzinome haben zu 50 % eine erhöhte hCG-Konzentration, zu 60 % erhöhte AFP Werte und in 90 % der Fälle zeigt mindestens ein Marker pathologische Werte /6/.

Die Marker haben differentialdiagnostische Bedeutung (Tab. 28.16-5 – Histologische Klassifikation von Keimzelltumoren):

  • hCG wird von Seminomen (20–30 %) und nicht seminomatösen Karzinomen (Chorionkarzinom zu über 90 %) gebildet. Auch gemischte Tumoren mit choriokarzinomatösen Anteilen und synzytiotrophoblastischen Riesenzellen können erhöhte Konzentrationen haben /12/. Trophoblastisch differenzierte Teratome (WHO: Chorionkarzinom, +/– Teratom oder andere nicht somatöse Karzinome) bilden immer, differenzierte Teratome (WHO: Dermoidzyste, Teratom) und Dottersacktumoren aber nie hCG. Nicht trophoblastische Tumoren sezernieren vorwiegend hCGβ.
  • AFP wird nicht von reinen Seminomen exprimiert aber von 90–95 % der Dottersacktumoren, von 20 % der Teratome und von 10 % der embryonalen Karzinome.
  • LDH; sie ist bei der Hälfte der Patienten mit Seminom und nicht seminomatösen Karzinomen erhöht.

Bei rasch wachsenden Tumoren wird eine Verdopplung der Werte von hCG innerhalb weniger Tage beobachtet. Nach der vollständigen Entfernung eines hCG bildenden Tumors fällt die Serumkonzentration mit einer Halbwertszeit von 1–3 Tagen ab.

Leitlinien zum Einsatz von Tumormarkern beim Karzinom des Hodens wurden publiziert von:

Prognose

Die Kriterien zur prognostische Einteilung der Karzinome des Hodens nach der International Germ Cell Consnsus Group, sind beschrieben in Tab. 28.16-8 – Prognostische Einteilung für Keimzelltumoren.

Verlaufsbeurteilung

Postoperativ: Persistierende oder weiter ansteigende hCG- und/oder AFP-Werte nach Orchiektomie zeigen an, dass der Tumor nicht auf den Hoden und nach der retroperitonealen Lymphadenektomie nicht auf das Operationsgebiet beschränkt war.

Chemotherapie: Ein vorübergehender Anstieg von hCG nach Start einer Chemotherapie ist häufig und kann auch durch Tumorlyse mit Markerfreisetzung bedingt sein.

28.16.5.4 Tumoren des plazentaren Trophoblasten

Unterschieden werden komplette Molen von partiellen Molen ohne Embryo, den invasiven Molen und dem Chorionepitheliom. Die Häufigkeit der kompletten Mole ist 1 auf 2.000 Schwangerschaften, die der invasiven Mole 1 auf 200.000 Schwangerschaften. Komplette Molen präsentieren sich im zweiten Trimenon als verzögerte Aborte, partielle Molen als Spontanaborte im ersten Trimenon. Die Wahrscheinlichkeit der malignen Transformation der Blasenmole beträgt 3–15 % /22/. Chorionepitheliome beruhen zu 40–50 % auf Blasenmolen.

Die FIGO-Klassifikation für Trophoblastentumoren ist in Tab. 28.16-9 – FIGO-Klassifikation für Trophoblastentumoren aufgeführt.

28.16.5.5 hCG-Synthese bei trophoblastischen Tumoren

Nahezu alle Trophoblastentumoren bilden hCG /24/. Bei einem Abort durch eine ektope Schwangerschaft, sind die hCG Werte bezugnehmend auf die Schwangerschaftswoche zu niedrig, bei Trophoblastentumoren aber erhöht. Da eine Diskrimination aber schwierig ist, weist erst ein nicht abfallendes hCG nach Abort auf eine Blasenmole oder einen Trophoblastentumor hin /25/. Die hCG Bestimmung in Kombination mit der Ultraschall-Untersuchung ist wichtig /8/.

Das Chorionkarzinom sezerniert einen relativ hohen Anteil von hCGβ /26/, und komplette Blasenmolen zeigen höhere Konzentrationen von gesamten hCG (bis über 1 Mio. IU/l) als partielle Molen. Bei Blasenmolen tritt eine Normalisierung der hCG Werte spätestens nach 12 Wochen ein; die Halbwertszeit ist auf ca. 4 Tage verlängert, z.B. durch verbliebenes Restgewebe im Myometrium, in Uterusgefäßen und Lunge. Bei einer Plateaubildung oder ansteigenden hCG Werten besteht noch proliferierendes Gewebe oder eine maligne Degeneration, wobei diese Entwicklung Wochen bis Monate vor einer klinischen Manifestation signalisiert werden kann /27/.

Postoperativ muss bis 3 Wochen nach der Normalisierung wöchentlich hCG bestimmt werden, im weiteren Verlauf 6 Monate lang monatlich. Nach dieser Zeit sind ca. 80 % der Patientinnen frei von Krankheit. Bei den restlichen 20 %, davon 16 % lokaler Residualtumor, 4 % Metastasen wird eine Chemotherapie erforderlich. Unter Chemotherapie wird häufig ein kurzfristiger Anstieg von hCG beobachtet /28/. Bei Vollremission sollen hCG Kontrollen über 5 Jahre in 3–6 monatlichen Abständen erfolgen.

28.16.6 Hinweise und Störungen

Standardisierung von hCG

Seit mehr als 25 Jahren besteht eine internationale Standardisierung für /29/:

  • hCG [3rd WHO International Standard (IS) 75/537 und 4th WHO IS 75/589].
  • hCGβ [1st International Reference Preparation (IRP) 75/537].
  • hCGα [1st IRP 75/569].

Die Angabe erfolgt in biologischen Einheiten (IU/l).

Die neuen WHO Referenzreagenzien /1/ bestehen aus 6 Ampullen für jeweils intaktes hCG, hCGn, hCGα, hCGβ, hCGβn und hCGβcf. Die Angabe erfolgt in Konzentrationseinheiten (nmol/l). Die Umrechnung von IU in pmol und μg zeigt Tab. 28.16-10 – Umrechnung von hCG. Zwölf kommerzielle hCG-Tests (β-hCG), die auch hCGβ erfassten, wurden mit den WHO Referenzreagenzien getestet. Der höchste VK (37 %) ergab sich bei hCGβ /30/. Die meisten Tests bestimmten hCGβ zu hoch.

Bestimmung von hCG bei Keimzelltumoren

Bei Vorliegen von Keimzelltumoren sollte die Bestimmung von hCG nicht allein mit einem β-hCG-Test erfolgen der nur intaktes hCG oder nur Gesamt-hCG bestimmt, sondern es sollte auch ein Test verwendet werden der empfindlich hCGβ bestimmt. Wird einzig ein der β-hCG-Test verwendet und das Ergebnis in IU/l gemessen, so beträgt der obere Referenzbereichswert 5,05 IU/l (17 pmol/l). Wird aber, wie das in frühen Stadien des Seminoms der Fall ist, vorwiegend hCGβ vom Karzinom exprimiert, werden bei diesem Grenzwert viele Karzinome nicht erfasst. Theoretisch wären nach einer Studie /17/ 42 % der Marker positiven Seminome und 8 % der nicht seminomatösen Hodenkarzinome übersehen worden.

Referenzbereich

Vergleichbar dem LH zeigt hCG einen Anstieg in der Menopause:

High-dose hook effect

Kann zu falsch-niedrigen hCG Werten führen. Die von den Herstellern angegebenen Grenzwerte, ab dem ein High-dose hook effect auftritt, liegen bei 400 Tausend bis 2 Mio. IU/l. Nach einer Studie /31/ können die Grenzwerte nahezu verdoppelt werden und liegen bei 800 Tausend bis 3,6 Mio. IU/l.

Niereninsuffizienz

Im Endstadium der chronischen Niereninsuffizienz können bei postmenopausalen Frauen die hCG-Werte 10 fach im Serum erhöht sein, ohne dass ein Tumor vorliegt /32/.

Stabilität

Intaktes hCG im Serum bei 21 °C oder 40 °C, Wiederfindung nach 6 Tagen jeweils 94 ± 3,1 % bzw. 94 ± 8,3 % /33/.

28.16.7 Pathophysiologie

hCG besteht wie die Glykoproteinhormone LH, FSH und TSH aus einer α- und einer β-Kette. Die α-Untereinheiten von LH, FSH, TSH und hCG sind nahezu identisch, die β-Ketten aber nur in Teilsequenzen. Die in Abb. 28.16-1 – Struktur und Nomenklatur der International Federation of Clinical Chemistry für hCG gezeigten hCG-Metabolite haben keine biologische Aktivität. Im Bereich der ersten 115 aminoterminalen Aminosäuren der β-Kette haben hCG und LH eine Strukturhomologie von nahezu 80 %, was ähnliche biologische Eigenschaften erklärt. Etwa 30 % des Molekulargewichts von hCG beruht auf dem Kohlenhydratanteil.

Die α-Untereinheit des hCG-Moleküls wird von einem Gen kodiert, die β-Untereinheit von sechs Genen. Trophoblastzellen der Plazenta und Tumorgewebe bei Blasenmolen, Chorionkarzinomen und nicht seminomatösen Hodentumoren sezernieren überwiegend intaktes hCG und nur einen geringen Anteil hCGβ. Zahlreiche nicht trophoblastische maligne Tumoren bilden auf Grund der weiten Verbreitung der hCG-Gene häufiger hCGβ und seltener das intakte hCG /34/.

Veränderungen im Kohlenhydratanteil von hCG und seinen Metaboliten beeinflussen den hepatischen Abbau und damit die Halbwertszeit. Auch beeinflusst die Glykosilierung die biologische Wirkung von hCG. Desialinisiertes hCG hat am TSH-Rezeptor eine antagonistische Wirkung /35/.

Testikuläre Keimzelltumoren (Testicular germ cell tumors, TGCT) entstehen wahrscheinlich aus Zellen der Keimbahn, deren Reifung blockiert wurde /9/. Die TGCT bei Erwachsenen entstehen wahrscheinlich während der fetalen Entwicklung durch die Änderung primordialer Keimzellen, entweder auf der Wanderung zu den embryonalen genitalen Leisten oder nachdem die Gonaden erreicht wurden. Ursache ist wahrscheinlich eine Mutation im KIT-Gen, die sich vor der weiteren Teilung einer Zelle einstellt und bevor diese die Gonaden erreicht. Das KIT-Gen kodiert einen Tyrosinkinaserezeptor. Alle TGCT durchlaufen ein nicht invasives Stadium, auch als Intratubular germ-cell neoplasia unclassified (IGCNU) oder Carcinoma in situ bezeichnet. Die IGCNU können sich in der Pubertät dann zum Seminom oder nicht seminomatösen Karzinom weiterentwickeln.

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28.17 HER-2/neu

Lothar Thomas

Das humane epidermale Wachstumsfaktor Rezeptor-2-Protoonkogen ist ein transmembraner Glykoproteinrezeptor mit intrazellulärer Tyrosinkinaseaktivität. Der Rezeptor wir überexprimiert in 20–25 % der primären invasiven Mammakarzinome und beim Magenkarzinom. Das Gen HER-2 ist im Gewebe nachweisbar das korrespondierede Protein in gelöster Form mit dem Test HER-2 neu im Serum.

Das ERBB2-Gen [v-erb-b2 erythroblastic leukemia viral oncogene homolog 2, neuro/glioblastoma derived oncogene homolog (avian)], gemeinhin als HER-2 bezeichnet, kodiert das Protein humanen Epidermal growth factor receptor 2 (HER-2). HER-2 ist auf Chromosom 17q21 gelegen. Das Genprodukt ist ein transmembranes Glykoprotein, der Tyrosinkinaserezeptor Familie zugehörend und spielt eine wichtige Rolle im Wachstum, der Differenzierung und dem Überleben von Zellen. Tumorzellen bestimmter solider Karzinome (Mamma, Magen) exprimieren mehr Rezeptoren auf der Zelloberfläche als normal oder andere Tumoren. Die Überproduktion von HER-2/neu spielt eine wichtige Rolle in der Therapie und Prognose des Mamma- und Magenkarzinoms. Die Untersuchung auf eine Überexpression des Gens HER-2 erfolgt primär im Gewebe, die des korrespondierenden Proteins im Gewebe und im Serum. Die HER-2/neu-Positivität allein, ein positiver Lymphknotenstatus, ein expansiver Tumor oder die Präsenz von Metastasen sind beim Mammakarzinom mit einer höheren Rezidivrate und Mortalität assoziiert.

Untersuchungen auf HER-2/neu im Tumorgewebe

Die Untersuchungen erfolgen /1/:

  • Primär durch Immunhistochemie (IHC). Bestimmt wird das HER-2-Protein in der Zellmembran mit Hilfe von Antikörpern. Je nach Färbegrad kennzeichnet 0/1+ einen negativen und die Bewertung 3+ einen positiven Status.
  • Ist der Status intermediär (2+) wird eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) im Gewebe nach Amplifikation durchgeführt. Mit Hilfe von markierten DNA-Sonden wird eine Überexprimierung oder der Normzustand des HER-2 Gens festgestellt. Das Gen gilt als überexprimiert, wenn pro Tumorzelle die Ratio der Anzahl der Kopien von HER-2 im Tumogewebe ≥ 2 im Vergleich zum Chromosom 17 ist.

Untersuchung von HER-2/neu im Serum

Die extrazelluläre Domäne (ECD) des Proteins HER-2/neu wird von der Zellmembran physiologisch abgeworfen (Shedding) und erscheint in der Zirkulation. Die lösliche ECD, auch als HER-2/neu shed antigen bezeichnet, ist im Serum messbar und ist im Unterschied zur Gewebeuntersuchung, die ein Einmalereignis ist, im Verlaufe der Tumorerkrankung bei Erfordernis jederzeit messbar. Obwohl nur die ECD gemessen wird, lautet die labordiagnostische Bezeichnung des Parameters HER-2/neu.

Analog dem Mammakarzinom besteht auch beim Karzinom des Magens eine Überexpression des Rezeptors HER-2/neu. Häufig wird hier im Unterschied zum Mammakarzinom der HER-2-Rezeptor nur fokal exprimiert. Die Konzentrationen von HER-2/neu im Serum sind beim metastasierten Magenkarzinom niedriger als beim Mammakarzinom. Die Bestimmung von HER-2/neu im Serum hat bei diesem Karzinom bisher keine Bedeutung erlangt.

In diesem Beitrag wird nur HER-2/neu im Serum abgehandelt.

28.17.1 Indikation

Die Bestimmung von HER-2/neu im Serum ist indiziert bei Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom.

28.17.2 Bestimmungsmethode

Immunoassay

Prinzip: Zweischritt Sandwich-Immunoassay nach einem direkten Chemilumineszenz-Verfahren. Eingesetzt werden der mit Acridiniumester markierte Mausantikörper TA-1 und der mit Fluoreszein markierte monoklonale Mausantikörper NB-3. Beide Antikörper reagieren mit korrespondierenden Epitopen auf der extrazellulären Domäne des HER-2/neu. An paramagnetische Partikel gebunden sind die anti-Fluoreszein capture Antikörper. Es besteht ein proportionales Verhältnis zwischen der Menge an HER-2/neu der Probe und den gemessenen relativen Lichteinheiten.

28.17.3 Untersuchungsmaterial

Serum: 1 ml

28.17.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.17-1 – HER-2/neu Wertelage eines gesunden Kontrollkollektives in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht.

28.17.5 Bewertung

HER-2/neu ist weder ein Organ spezifisches noch ein Tumor spezifisches Protein. Im Gegensatz zu Tumormarkern wie CEA ist die stark erhöhte Konzentration im Serum aber ein Indikator für das invasive und das metastasierte Mammakarzinom.

28.17.5.1 HER-2/neu bei Gesunden

Bei beiden Geschlechtern ist HER-2/neu physiologisch in gut messbarer Konzentration nachweisbar. Die Konzentration steigt mit dem Alter leicht an (Tab. 28.17-1), und postmenopausale Frauen (Median 12,4 μg/l) haben leicht höhere Werte als prämenopausal (Median 10,9 μg/l) /2/.

28.17.5.2 HER-2/neu bei nicht metastasierten Karzinomen

Bei den meisten Patienten mit kolorektalen Karzinomen und Karzinomen von Magen, Leber, Pankreas, Ovar, Blase, Niere und Lunge entspricht die HER-2/neu Konzentration derjenigen von Gesunden. Jedoch beim Mammakarzinom und dem Magenkarzinom liegt die 95. Perzentile bei 30 μg/l /3/.

28.17.5.3 HER-2/neu bei Patientinnen mit Mammakarzinom 

Wurde ein Mammakarzinom diagnostiziert, so ist präoperativ neben CA 15-3 und CEA ebenfalls die Bestimmung von HER-2/neu im Serum wichtig, da ab einer Konzentration über 30 μg/l /2/:

  • Bei Patientinnen mit negativem HER-2/neu die Überprüfung des Gewebestatus mit sensitiver Bildgebung nach Fernmetastasen erfolgen sollte.
  • Bei Patientinnen mit positivem HER-2/neu der Status des Gewebes mit sensitiven bildgebenden Verfahren nach Fernmetastasen zu untersuchen ist.

Etwa 3–4 Wochen nach Beendigung der Primärtherapie (postoperativ oder nach adjuvanter Chemotherapie) wird HER-2/neu neben CA 15-3 und CEA bestimmt:

  • Als relevanter Basisparameter für die Nachsorge. Zeigen CA 15-3 und CEA einen Anstieg im Verlauf der Nachsorge, so ist das ein Hinweis auf eine Metastasierung, seltener ein Zweitkarzinom. Bestätigen bildgebende Verfahren eine Metastasierung und ist HER-2/neu im Serum gegenüber dem Basiswert nach der Primärbehandlung um mehr als 50 % angestiegen, sollte eine Untersuchung des HER-2/neu-Status im Metastasengewebe angestrebt werden, wenn der HER-2/neu-Status im Primärtumor negativ war.
  • Zur Indikation einer Behandlung mit Trastuzumab bei negativem HER-2/neu Primärtumor. Ergibt die Evaluierung des Metastasengewebes einen HER-2/neu positiven Status, ist eine Therapie mit Trastuzumab möglich. Vor Beginn der Therapie sollten im Serum CA 15-3, CEA und HER-2/neu bestimmt werden und der Verlauf alle drei Wochen kontrolliert werden.

Bei einem unbekannte Primärtumor weist eine HER-2/neu-Konzentration ≥ 50 μg/l mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Mammakarzinom hin.

28.17.5.4 Primärtumor

Bei Patientinnen mit Primärtumor zeigt HER-2/neu wie CA 15-3 und CEA eine Beziehung zur Tumorgröße mit höchsten Werten in pT 3/4 /24/, aber keine Relation zum Lymphknotenstatus. Zwischen dem histologischen Tumorgrading und der HER-2/neu Konzentration besteht keine Beziehung, auch nicht zum Status des Hormonrezeptors. Die Konzentration von HER-2/neu korreliert jedoch mit der Höhe der Werte von CA 15-3 und CEA.

Patientinnen mit invasivem Mammakarzinom sind zu 20–25 % immunhistochemisch HER-2/neu positiv und diejenigen mit metastasiertem Karzinom zu 30–70 % /56/. Auch besteht eine positive Korrelation zwischen dem HER-2/neu Gewebestatus und der Serumkonzentration von HER-2/neu, insbesondere beim Immunhistochemie-Score 3+. So haben Patientinnen mit HER-2/neu 3+Tumoren zu 50 % und diejenigen mit HER-2/neu 0–2+Tumoren zu 42 % Serumkonzentrationen an HER-2/neu über 40 μg/l /3/. Bei einem HER-2/neu Wert über 15 μg/l kann etwa ein Drittel der Patientinnen mit HER-2/positivem Gewebe identifiziert werden, aber auch 15 % sind fälschlicherweise positiv. Nahezu alle Patientinnen mit einer Serumkonzentration über 30 μg/l haben einen positiven HER-2/neu Gewebestatus /7/ und Werte über 40 μg/l weisen auf ein metastasierendes Mammakarzinom hin /23/. Die Wertelagen von Patientinnen ohne Fernmetastasen unterscheiden sich nicht von denen gesunder Personen.

Rezidiv-freies Überleben

Rezidivfreie Patientinnen mit Mammakarzinom haben vergleichbare HER-2/neu-Konzentrationen wie Frauen ohne aktive Tumorerkrankung /2/.

Der Gewebestatus von HER-2/neuhat aber einen Einfluss auf das Rezidiv freie Überleben nach 3 Jahren. Nach einer Studie /2/ betrug dies bei einem immunhistochemischen Score von 0, 1+ und 2+ 87,1–96 % und nur 71,2 % bei einem Score 3+.

Die Serumwerte von HER-2/neu haben auch eine prognostische Aussagekraft. So überlebten Rezidiv frei über 3 Jahre 88,1 % der Patientinnen mit Werten unter 15 μg/l, aber nur 71,4 % derjenigen mit einem Wert darüber.

Verlaufsbeobachtung und Therapiekontrolle /8/

Patientinnen mit negativen HER-2/neu Gewebestatus können erhöhte HER-2/neu Serumkonzentrationen entwickeln. Das war in einer Studie bei 29 von 69 Patientinnen mit negativem HER-2/neu-Gewebestatus des Primärtumors der Fall. Während Patientinnen mit primär positivem Status Mittelwerte von 225 μg/l (Maximalwert 14.000 μg/l) hatten, betrug der Mittelwert bei denjenigen mit negativem Gewebestatus des Primärtumors 27,3 μg/l (Maximalwert von 200 μg/l).

Behandlung mit Trastuzumab

Ansteigende Konzentrationen von HER-2/neu sind mit einer progressiven metastatischen Erkrankung und einer schlechten Response auf eine Chemotherapie assoziiert /9/. Auch weisen erhöhte Konzentrationen von HER-2/neu auf eine schlechte hormonelle Therapieantwort hin /10/.

Trastuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen HER-2/neu ECD gerichtet ist. Abhängig vom HER-2/neu Status führt die singuläre Behandlung von Trastuzumab zu einer Response von 12–30 %. Trastuzumab wirkt synergistisch mit Chemotherapeutika wie Paclitaxel, Docetaxel, Vinorelbin und Platinsalzen. Es resultiert eine Verbesserung der Responserate, Verminderung der Progression und Verlängerung der Überlebenszeit. Nach einer Studie /11/ ist der Abfall der HER-2/neu Konzentration im Serum ein Indikator für die Response, die Dauer der Response und die Zeit bis zur Progression (Tab. 28.17-2 – Abfall von HER-2/neu nach Trastuzumab-Therapie bei 3+HER-2/neu Patientinnen mit Mammakarzinom).

28.17.6 Hinweise und Störungen

Es wird angenommen, dass bei Inflammation, Infektion und Lebererkrankung, insbesondere bei Vorliegen von Lebermetastasen leichte Erhöhungen von HER-2/neu im Serum auftreten können.

28.17.7 Pathophysiologie

Das humane Epidermale growth factor receptor 2 Protoonkogen (HER-2, Erb-2) kodiert einen membranen Rezeptor, der auf Grund seiner intrazellulären Tyrosinkinaseaktivität eine Funktion in der Transduktion von Signalen in die Zelle hat. Der Rezeptor HER-2 vermittelt Signale von Wachstumsfaktoren für die Proliferation, Differenzierung und das Überleben der Zelle.

Der Rezeptor ist ein 185 kDa-Glykoprotein und besteht aus einer extrazellulären Domäne (ECD), der Bindungsstelle, einem transmembranen Segment und dem die Tyrosinkinase tragenden intrazellulären Anteil. Nach Bindung eines Wachstumsfaktors an die ECD resultiert eine Heterodimerisierung zwischen zwei Rezeptoren, eine Signalkaskade wird ausgelöst und der intrazelluläre Anteil wird phosphoryliert.

Die Tumorzellen bei 20–30 % der Mammakarzinom-Patientinnen zeigen eine Vermehrung von ERBB2 mit der Folge, dass vermehrt HER-2 Rezeptoren auf der Zellmembran exprimiert werden. Somit werden auch verstärkt ECD abgeworfen. Die Abspaltung von ECD soll zu einer vermehrten Phosphorylierung der intrazellulären Tyrosinkinase und damit zur verstärkten Signalgebung an die Zelle führen /12/. Die biologischen Effekte der HER-2-Überexpression sind eine gesteigerte Synthese von DNA, eine erhöhte Zellteilungsrate und ein verstärktes Metastasierungspotential.

Der Vascular endothelial growth factor (VEGF) ist eines der potentesten Endothelzell-spezifischen Mitogene und spielt eine wichtige Rolle in der Angiogenese. Die Synthese von VEGF wird durch Hypoxie und Transforming growth factors stimuliert, auch durch die Inaktivierung von Tumorsuppressor Genen wie ras oder src. Auch die Überexpression von HER-2 in Mammakarzinomzellen ist mit einer verstärkten Expression von VEGF auf Ebene der RNA und des korrespondierenden Proteins assoziiert.

Die Exposition von Zellen des Mammakarzinoms mit HER-2/neu-Antikörpern oder Trastuzumab reduziert die verstärkte Bildung von VEGF, insbesondere bei Zellen, die HER-2/neu überexprimieren. Somit ist die Synthese des VEGF von HER-2/neu abhängig und kann durch Trastuzumab gehemmt werden. Das rechtfertigt die Behandlung von Mammakarzinomen mit HER-2/neu-Überexpression in Kombination mit Chemotherapeutika /13/.

Literatur

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28.18 NSE (Neuronen-spezifische Enolase), γ-Enolase

Rolf Lamerz

NSE ist ein guter Parameter für die Therapie- und Verlaufskontrolle bei Patienten mit neuroendokrinen Tumoren, dem kleinzelligen Bronchialkarzinom und dem Neuroblastom.

Zum Screening oder zur Primärdiagnostik ist NSE wegen zu geringer diagnostischer Sensitivität und Spezifität nicht geeignet.

28.18.1 Indikation

Therapie- und Verlaufskontrolle von neuroendokrinen Tumoren und APUDOMen.

Absolut: Kleinzelliges Bronchialkarzinom, Neuroblastom.

Relativ: Medulläres Schilddrüsenkarzinom.

28.18.2 Bestimmungsmethode

Kommerziell angeboten werden:

  • Ein kompetitiver Doppelantikörper-Test. NSE der Probe und markiertes NSE konkurrieren um den Festphase-gebundenen Fängerantikörper (häufig polyklonaler Antikörper gegen NSE). Durch Inkubation mit einem zweiten, Enzym-markierten Antikörper wird der Immunkomplex markiert und gemessen. Nachweisempfindlichkeit des Tests 2 μg/l.
  • Ein immunometrischer Assay, in dem eine mit monoklonalen Antikörpern gegen NSE besetzte Kugel zusammen mit der Probe und einem markierten monoklonalen Antikörper gegen NSE inkubiert wird. Die an die Kugel gebundene, mit markiertem Antikörper besetzte Menge NSE wird gemessen. Die Nachweisempfindlichkeit des Tests beträgt 0,5 μg/l.

28.18.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Liquor cerebrospinalis, Pleuraflüssigkeit: 1 ml

28.18.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.18-1 – Referenzintervalle für NSE

28.18.5 Bewertung

NSE kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.18-2 – Diagnostische Sensitivität von NSE bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.18.5.1 Benigne Erkrankungen

Erhöhte Konzentrationen von NSE im Serum werden gefunden bei Patienten mit:

  • Gutartigen Lungenerkrankungen (5 % > 12 μg/l) /37/.
  • Cerebralen Erkrankungen, hier vorwiegend auch im Liquor bei cerebrovaskulärer Meningitis, Encephalitis disseminata, spinocerebellarer Degeneration, Hirnischämie, Hirninfarkt, intracerebralen Hämatomen, Subarachnoidal-Blutung, Kopfverletzung, entzündlichen Hirnerkrankungen, organischen Epilepsien, Guillain-Barré-Syndrom, Schizophrenie, Jakob-Creutzfeldt-Erkrankung /56/.

Eine prospektive Studie über eine NSE-Differenzierung bei 59 Patienten mit persistierendem Koma nach Herzstillstand und 118 Fällen mit Wiedererlangung des Bewusstseins ergab bei einem Entscheidungswert von 80 μg/l eine diagnostische Sensitivität von 63 %, Spezifität von 100 %, einen positiven prädiktiven Wert von 100 %, einen negativen prädiktiven Wert von 84 % und negative Likelyhood-Ratio von 37 %. NSE wurde als wichtige Zusatzuntersuchung im Kontext mit anderen Patientencharakteristika und neurologischen Befunden empfohlen /8/.

Die Differenzierung zwischen einem Krampfanfall und einer Synkope im Vergleich zu Normalpersonen ergab ein signifikant erhöhtes NSE im Serum nur bei Krampfanfallpatienten (14,97 ± 7,57 μg/l) bei einem Entscheidungswert von 11,5 μg/l, aber normale Werte für die beiden anderen Gruppen /9/.

Eine Untersuchung über Speichel- und Serum-NSE als Indikatoren für einen Neuronenschaden wurde bei 50 Patienten mit ischämischen Schlaganfall und 75 geschlechts- und alters-gematchten Risikopatienten (Hypertonus, Diabetes mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit) sowie 25 gematchten gesunden Kontrollen durchgeführt. Speichel- und Serum-NSE waren signifikant höher bei Schlaganfallpatienten als bei den anderen beiden Gruppen mit einem optimalen Entscheidungswert von 3,7 μg/l für Speichel-NSE (80 % Richtigkeit) /10/.

Erhöhungen über 12,5 μg/l wurden zu 11–14 % bei nicht-malignen Erkrankungen gefunden, davon Werte über 25 μg/l in 2 % der Fälle, ferner bei Urämie sowie bei 50 % der Schwangerschaften mit fetalen Neuralrohrdefekten /1/.

28.18.5.2 Bronchialkarzinom

Häufigkeit erhöhter Werte

Bei malignen Lungenerkrankungen betragen die diagnostische Sensitivitäten /12, 3, 7, 1112/:

  • 7–25 % (4 % über 25 μg/l) beim nicht kleinzelligen Karzinom.
  • 30–38 % beim großzelligen Karzinom (9 % über 25 μg/l).
  • 18–30 % beim Adenokarzinom (2 % über 25 μg/l).
  • 13–30 % beim Plattenepithelkarzinom (3 % über 25 μg/l).

Beim kleinzelligen Karzinom wurden, abhängig vom oberen Referenzwert, Erhöhungen von NSE bei 60–81 % (über 11 μg/l) /311/ bzw. 69–77 % (über 12,5 μg/l) /12/ gefunden. Davon lagen die Konzentrations-abhängigen Häufigkeiten von Patienten mit Limited disease bei 39–67 % (über 12,5 μg/l) und mit Extensive disease bei 86–88 % /713/.

Mit dem gleichen kommerziellen Test lagen beim kleinzelligen Bronchialkarzinom Erhöhungen > 12,5 μg/l bei 73 % der Patienten vor (42 % über 25 μg/l), davon 35 % mit limited und 65 % mit extensive disease /3/. Bei Erhöhung des Entscheidungswerts auf 25 μg/l lagen bei anderen Erkrankungen, z.B. dem APUDOM und dem großzelligen Karzinom, nur maximal 10 % der Werte darüber. Der Entscheidungswert von 25 μg/l erlaubte eine bessere Abgrenzung des Bronchialkarzinoms von nicht malignen Lungenläsionen und des kleinzelligen vom nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom /1/.

28.18.5.2.1 Vergleich zu anderen Tumormarkern

Vergleichende Bestimmungen von NSE (Entscheidungswert über 11,0–12,5 μg/l) und CEA (Entscheidungswert über 5,5–10 μg/l) bei benignen und malignen Lungenerkrankungen zeigten beim kleinzelligen Bronchialkarzinom für NSE eine diagnostische Sensitivität von 60–93 % und für CEA von 29–69 %. Die diagnostische Spezifität gegenüber benignen Erkrankungen war vergleichbar (NSE 91–95 %, CEA 82–93 %), aber deutlich höher von NSE gegenüber dem nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (58–93 %, CEA 25–68 %) /14/. Nach einer Multicenter-Studie /15/ war NSE beim kleinzelligen Bronchialkarzinom der führende Tumormarker (diagnostische Sensitivitäten: NSE 77 %, CYFRA 21-1 36 %, SCCA 32 %, CEA 28 %).

Neben NSE sind beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (Entscheidungswert 17 μg/l) mit einer diagnostische Sensitivität von 75 % bei einer Spezifität von 93 % gegenüber benignen Lungenerkrankungen folgende Marker zur Diagnostik des kleinzelligen Bronchialkarzinoms verfügbar:

  • Chromogranin A (CgA); bei einem Entscheidungswert von 65 μg/l beträgt die diagnostische Sensitivität 66 % bei einer Spezifität von 62 %.
  • ProGRP; bei einem Entscheidungswert von 53 ng/l beträgt die diagnostische Sensitivität 80 % bei einer d Spezifität von 96 % /16/. ProGRP erweist sich als ein zum NSE additiver, aber für kleinzellige Karzinome spezifischerer Marker.

Im Vergleich zwischen NSE (Entscheidungswert 7,5 μg/l) und ProGRP (Entscheidungswert 49 ng/l) beim kleinzelligen (SCLC) versus nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) bzw. benignen Lungenerkrankungen sind die Daten für die diagnostische Sensitivität und Spezifität sowie die positiven und negativen prädiktiven Werte für ProGRP teilweise besser als für NSE. So sind die Daten von diagnostischer Sensitivität und Spezifität, positivem und negativem prädiktivem Wert wie folgt /17/:

  • Beim SCLC gegenüber dem NSCLC (64,9 %/96,5 %/ 93,7 %/77,4 %).
  • Beim SCLC gegenüber benignen Lungenerkrankungen (64,9 %/93,2 %/91,4 %/79,6 %).

Insgesamt sind die Daten für ProGRP teilweise besser als für NSE. Aber zwischen begrenzter und ausgedehnter Erkrankung differenziert NSE (20,3 versus 77,8 %) besser als ProGRP (56,5 versus 77,8 %) /17/.

Nach einer prospektiven Studie über die Tumormarker ProGRP, CEA, SCCA, CA 125, CYFRA 21-1 und NSE bei 155 Patienten mit nicht bestätigtem Verdacht auf Lungenkarzinom und 647 Patienten mit Lungenkarzinom, (182 Plattenepithelkarzinome, 205 Adenokarzinome, 19 großzellige Karzinome, 175 SCLC und 66 NSCLC) fanden sich erhöhte Konzentrationen bei 5,3 % benigner Erkrankungen, abgesehen von CA 125 (21,3 %) /18/. Bezugnehmend auf Histologietypen und Tumorausdehnung traten signifikant höhere Konzentrationen von CEA und CA 125 bei Adenokarzinomen, von SCCA und CYFRA 21-1 bei Plattenepithelkarzinomen und von ProGRP und NSE beim SCLC auf. Patienten mit SCCA-Werten über 2 μg/l hatten immer ein NSCLC, solche mit SCCA unter 2 μg/l und ProGRP über 100 ng/l und NSE über 35 μg/l immer ein SCLC. Für die Differenzierung zwischen NSCLC und SCLC betrugen die Daten: Diagnostische Sensitivität 76,7 % und 79,5 %, Spezifität 97,2 % und 99,6 %, positiver prädiktiver Wert für beide 98,6 % und negativer prädiktiver Wert 60,7 % und 92,9 % /18/.

Die diagnostische Sensitivität und Spezifität von NSE bei Erkrankungen ist aufgeführt in Tab. 28.18-2 – Diagnostische Sensitivität von NSE bei benignen und malignen Erkrankungen.

28.18.5.2.2 NSE und Ausbreitung der Erkrankung

Für NSE besteht keine Korrelation zum Metastasenort bzw. zu Hirnmetastasen /1115/, aber eine Korrelation zum klinischen Stadium, also dem Ausmaß der Erkrankung /1115/.

28.18.5.2.3 Verhalten von NSE unter Chemotherapie

Im Verlauf einer Chemotherapie kommt es bei Ansprechen in Folge Zytolyse der Tumorzellen zu einem temporären NSE-Anstieg 24–72 h nach dem ersten Therapiestoß (Tumorlyse-Syndrom) /1114/. Danach erfolgt ein rasches Absinken prä-therapeutisch erhöhter Serumwerte innerhalb einer Woche bzw. am Ende des ersten Therapiezyklus /71112/. Dagegen weisen Therapieversager konstant erhöhte oder nur intermittierende, nicht in den Referenzbereich abfallende Konzentrationen auf.

In der Remission finden sich in 80–96 % normale und beim Rezidiv ansteigende NSE Werte /7111214/. Der Anstieg erfolgt bei einem Teil der Fälle mit einer Vorlaufzeit von 1–4 Monaten, oft exponentiell, mit einer Verdopplungszeit von 10–94 Tagen und einer Korrelation zur Überlebensdauer.

NSE ist in der Allgemeinpraxis als alleiniger prognostischer und Aktivitätsmarker während der Behandlung und des Verlaufs beim SCLC brauchbar und der LDH eindeutig überlegen; diagnostische Sensitivität 93 %, positiver prädiktiver Wert 92 % /141519/.

28.18.5.2.4 NSE als Prognosemarker und prädiktive Marker

Prätherapeutisches NSE und die Behandlungs-induzierte minimale Verlaufskonzentration der NSE unter Platin-haltiger Chemotherapie des SCLC (71 ausgedehnte, 50 limitierte Erkrankung) sind neben dem Stadium unabhängige Prädiktoren von Zeit zur Progression und Gesamtüberleben /20/. Prä-therapeutisches NSE (Entscheidungswert 7,5 μg/l) ist beim SCLC bezüglich der Vorhersage einer Erkrankungsausdehnung der LDH und dem ProGRP (Entscheidungswert 49 ng/l) eindeutig überlegen /17/.

Beim NSCLC hat das prä-therapeutische CYFRA 21-1 (Entscheidungswert 3,6 μg/l) einen hohen prognostischen Wert. Zusätzliche Bedeutung für eine schlechte Prognose hat aber auch ein erhöhtes prä-therapeutisches NSE (Entscheidungswert 12,5 μg/l). Zurückgeführt wird dies auf eine bestehende Tumorheterogenität und unterschätzte neuroendokrine Differenzierung beim NSCLC /21/.

28.18.5.3 Neuroblastom

NSE im Serum über 30 μg/l wurde bei 62 % der erkrankten Kinder gefunden /23/. Die Medianwerte stiegen Stadien abhängig an von 13 μg/l (Stadium I), 23 μg/l (II), 40 μg/l (III) nach 214 μg/l (IV) und 40 μg/l (IVs) /4/.

Niedriger lagen die Erhöhungen bei Kindern mit Wilms-Tumoren (20 % über 30 μg/l), mit Stadium abhängig steigenden Medianwerten von 16,6 μg/l (Stadium I), 18 μg/l (II), 29 μg/l (III) nach 47 μg/l (IV). Etwa 64 % der Patienten hatten Werte über 25 μg/l. Eine bessere Abgrenzung gegen das Neuroblastom waren erst bei Werten ab 100 μg/l möglich, höhere Werte hatten aber nur noch 50 % der Neuroblastom-Patienten /2223/.

Für das Neuroblastom besteht eine signifikante Korrelation zwischen der Höhe und Häufigkeit pathologischer NSE Werte und dem Stadium sowie umgekehrt zum Krankheits freien Überleben /4/.

In einer Untersuchung an 196 Neuroblastom Patienten mit den Markern Vanillinmandelsäure (VMA), Homovanillinsäure (HVA), NSE und LDH ergab sich bei Diagnosesicherung eine diagnostische Sensitivität von 75 % für VMA/HVA, 90 % für NSE und 81 % für LDH. Die Raten waren niedriger bei Rezidiv oder Progression (40 % für VMA/HVA im Serum oder 54 % für VMA/HVA im Urin, 61 % für NSE und 48 % für LDH im Serum). Die Raten waren höher bei metastatischem als bei lokalem Rezidiv mit NSE als bestem Marker (42 % bei lokalem, 77 % bei kombiniert lokalem/metastatischem und 69 % bei metastatischem Rezidiv) /24/. Einschränkend wurde die Entdeckung von Rezidiv- und Progression weniger durch Tumormarker-Bestimmung als nur im Verbund mit klinischer Untersuchung und Bildgebung (Ultraschall, CT, MRT, MIBG-Szintigraphie) empfohlen.

28.18.5.4 APUDOME

APUDome sind von APUD (Amine Precursor Uptake and Decarboxylation)-Zellen gebildete neuroendokrine Tumoren, z.B. Gastrinom, Vipom, Insulinom und Karzinoid. APUD Zellen haben die Fähigkeit, Amine bzw. deren Vorstufen aufzunehmen und zu decarboxylieren. Bei insgesamt 34 % der Fälle wurden erhöhtes NSE im Serum (über 12,5 μg/l) gemessen /325/, davon beim medullären Schilddrüsenkarzinom nur zu 11–15 % /27/ ohne klinischen Bezug zur Turmorausdehnung, im Gegensatz zum Calcitonin. Ferner ist NSE erhöht bei 39 % der gastrointestinalen Karzinoide und bei 56 % der gastrointestinalen nicht-karzinoiden neuroendokrinen Tumoren /26/.

28.18.5.5 Seminom

Beim metastasierenden Seminom haben 68–73 % der Patienten eine NSE Erhöhung mit einer mittleren Serumkonzentration von 40,3 μg/l /2728/.

Bei metastasierenden nicht seminomatösen Keimzelltumoren des Hodens werden nur in 15 % der Fälle pathologische Konzentrationen gemessen. Es besteht eine brauchbare Korrelation zum klinischen Verlauf.

28.18.5.6 Andere Tumoren

Nicht pulmonale maligne Erkrankungen zeigen in folgender Häufigkeit ein erhöhtes NSE:

  • Karzinome aller Stadien 22 % (5 % über 25 μg/l), davon 11 % ohne und 41 % mit Fernmetastasen (14 % über 25 μg/l.
  • Lymphome oder Leukämien 8 % (1 % über 25 μg/l), insbesondere T-Zellleukämien /29/.
  • Primäre Gehirntumoren (4 % über 25 μg/l) /3/.

Gehirntumoren wie Gliome, Meningiome, Neurofibrome, Neurinome gehen nur gelegentlich mit erhöhten Serumwerten einher. Im Liquor cerebrospinalis können erhöhte NSE Werte bei primären Hirntumoren oder Hirnmetastasen /5/, beim malignen Melanom /30/ und Phäochromozytom auftreten /31/.

Erhöhtes NSE ist beschrieben bei 14 % Organ-begrenzter und 46 % metastasierender Nierenkarzinome mit Korrelation zum Grading als unabhängiger Prognosefaktor /32/.

Berichtet wird auch über Erhöhungen von NSE beim Mammakarzinom (29 % über 10 μg/l) /2/ sowie epithelialen Tumoren (38 %) und nicht epithelialen Tumoren (5 %) /3/.

28.18.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Bei Verwendung von Kits verschiedener Hersteller ist mit unterschiedlichen NSE Werten zu rechnen. Bei Verlaufbestimmungen sollte deshalb immer der gleiche Test verwendet und dieser mit dem Ergebnis angegeben werden.

Referenzbereich

Im Serum gesunder Probanden wurden mit verschiedenen NSE Tests obere Referenzwerte von 6–17 μg/l ermittelt /23, 4, 7, 26, 2832/.

Für Liquor cerebrospinalis sind Referenzbereiche von 0–6,8 μg/l /6/ bzw. 10,8 ± 4,5 μg/l /5/ ohne Abhängigkeit vom Geschlecht oder Alter angegeben /6/. Der Quotient Liquor/Serum beträgt 1,04 ± 0,8, so dass sich eine Berücksichtigung der Blut-Liquor-Schranke erübrigt /56/.

Störfaktoren

Hämolytische Seren führen wegen Freisetzung größerer Mengen NSE aus Erythrozyten zu höheren Werten /3334/. Auch im nicht sachgemäß zentrifugierten Blutplasma können wegen einer möglichen Freisetzung von NSE aus Thrombozyten die Werte erhöht sein /33/. Lipämische oder ikterische Seren beeinflussen die Bestimmung nicht.

Stabilität

Aufbewahrung von Serum/Plasma-Proben bei 2–8 °C bis zu 72 h, längerfristig bei mindestens –18 °C.

28.18.7 Pathophysiologie

Die Enolase (EC 4.2.1.11) ist eines von elf Enzymen der Glykolyse und katalysiert die Umwandlung von 2-Phosphoglycerat zu Phosphoenolpyruvat /3536/. Das Enzym besteht als Dimer aus zwei von drei möglichen nicht Spezies spezifischen Untereinheiten (α, β, γ) mit einem MG von 39 kDa. Die Untereinheiten haben unterschiedliche immunologische, biochemische und Organ spezifische Eigenschaften.

Es gibt 5 mögliche Kombinationen (αα, ββ, γγ, αγ, αβ), von denen gebildet werden:

  • Die γ-Untereinheit in Nervenzellen und neuroendokrinen Zellen (APUD-Zellen), z.B. in Darm, Lunge und endokrinen Organen wie Schilddrüse, Pankreas, Hypophyse.
  • Die αα-Enolase in Gliazellen und anderen Zellen ubiquitär im Körper. Die αα-Enolase wird auch Nicht-neuronale Enolase genannt.
  • Die ββ-Enolase in Muskelzellen; Herz αβ, quergestreifte Muskulatur ββ /37/.

Die γ-Enolase kommt in einer homologen und heterologen hybriden dimeren Form im Gehirn vor /35/. Die NSE sollte wegen ihres nur begrenzt spezifischen Vorkommens in Neuronen und neuroektodermalen Geweben einschließlich maligner Tumoren unverfänglicher als γ-Enolase (meist für γγ und αγ-Dimer) bezeichnet werden.

Durch Verwendung verschiedener poly- und monoklonaler Antiseren mit unterschiedlicher Spezifität wurde NSE auch in nicht-neuronalen und nicht-neuroektodermalen Geweben nachgewiesen /2/.

Inzwischen wurden in einem internationalen Workshop 12 monoklonale Anti-NSE-Antikörper von vier Arbeitsgruppen sorgfältig untereinander vergleichend untersucht und die Ergebnisse publiziert /38/.

Literatur

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28.19 PSA Prostata-spezifisches Antigen (PSA)

Axel Semjonow, Lothar Thomas

Das Screening auf Prostatakrebs ist eines der am meisten kontrovers diskutierten Themen im öffentlichen Gesundheitswesen, insbesonders der USA /1/. Obwohl PSA (Enzymnomenklatur 3.4.21.77) häufig in der klinischen Praxis bestimmt wird, ist das Screening auf ein frühes Prostatakarzinom allein auf der Basis der PSA Bestimmung eine kontrovers diskutierte Thematik. In Kombination mit der digital rektalen Untersuchung und der Historie des Patienten ist PSA jedoch ein wichtiger Biomarker zur Indikation einer Prostatabiopsie /2/.

Gesamt-PSA (t-PSA) ist die Summe aus freiem PSA (f-PSA) und komplexiertem PSA (Abb. 28.19-1 – Gesamt-PSA besteht aus komplexiertem und freiem PSA).

Das fPSA besteht aus den Unterformen benign prostatic hyperplasia associated PSA (BPSA), inaktives PSA (iPSA) und Proenzym PSA (proPSA). BPSA und iPSA sind mit der Präsenz von benignem Gewebe verknüpft während proPSA ein möglicher Tumormarker ist. Im Serum sind in Abhängigkeit von der Länge der Leitsequenz vier verschiedene Isoformen von proPSA vorhanden: [-2] proPSA, [-4] proPSA, [-5] proPSA und [-7] proPSA. Die differenzierte Bestimmung einzelner PSA Formen kann zu einer Erhöhung der diagnostischen Spezifität von PSA für die Erkennung von Prostatakarzinomen führen /3/. So soll die Bestimmung von [-2] proPSA besser als t-PSA und f-PSA zur Unterscheidung der benignen Prostatahyperplasie vom Prostatakarzinom sein /34/.

28.19.1 Indikation

Total-PSA (t-PSA)

  • Screening Beschwerde freier Männern mit unauffälliger digitaler rektaler Untersuchung, nach Information über Vorteile und Risiken einer PSA gestützten Früherkennung des Prostatakarzinoms.
  • Bei Prostata bezogenen Symptomen.
  • Monitoring von Patienten mit low risk Prostatakarzinom zur Überwachung
  • Bei Prostatitis zur Erfolgskontrolle der antibiotischen Therapie.

Freies PSA/t-PSA

Bei Männern mit unauffälliger digital rektalen Untersuchung auf ein frühes Prostatakarzinom und einer Konzentration von t-PSA-Konzentration von 2–10 μg/l, zur Abschätzung des Risikos eine Prostatakarzinoms.

[-2] proPSA

Beabsichtigt, die Zahl unnötiger Prostatabiopsien zu reduzieren.

Komplexietes PSA

Indikation wie beim t-PSA.

28.19.2 Bestimmungsmethode

Das WHO Expert Committee on Biological Standards erstellte den First International Standard für Gesamt-PSA (tPSA code 96/670) und freies PSA (fPSA code 96/688) zur Kalibration der unterschiedlichen Tests für PSA /5/. Die Rekalibration der tPSA Immunoassays auf 96/670 erbrachte jedoch um 25–30 % niedrigere Werte und verschob den Entscheidungswert auf 3,1 μg/l um die gleiche diagnostische Sensitivität zu erhalten als die bisherige traditionelle Grenzwert von 4,0 μg/l /6/.

Totales PSA (t-PSA)

Sandwich Immunoassay, Immunenzymometrischer Assay. Kalibration: WHO 96/670 Referenzpräparation (First International Standard). Die Referenzpräparation enthält 500 μg/l t-PSA nach Rekonstitution in einem Verhältnis f-PSA/t-PSA von 0,10.

Freies PSA (f-PSA)

Immunoassay, z.B. Sandwich-Immunoassay, unter Anwendung eines monoklonalen Antikörpers mit hoher Spezifität für f-PSA und einem zweiten monoklonalen Antikörper der freies und gebundenes PSA erfasst.

Komplexiertes PSA

Die Bestimmung erfolgt ähnlich wie für t-PSA aber mit einem zusätzlichen Vorinkubationsschritt mit einem spezifischen Antikörper gegen f-PSA. Das f-PSA wird blockiert, so dass es nicht mitgemessen wird.

[-2] proPSA

Immunenzymometrischer Assay mit einem monoklonalen Antikörper, der nur dieses Isoenzym erfasst.

28.19.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Test abhängig, Herstellerhinweise beachten), in Ausnahmefällen Liquor cerebrospinalis, Pleura- oder Ascitesflüssigkeit: 1 ml

28.19.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.19-1 – PSA Referenzintervalle

28.19.5 Bewertung

Ein erhöhtes t-PSA tritt bei benigner Prostatavergrößerung, Prostatakarzinom oder der akuten Prostatitis auf /7576/. Vergleichend zum Prostatakarzinom hat die benigne Prostatahyperplasie bei Männern eine höhere Prävalenz.

Populations bezogene Reihenuntersuchungen (Screening) unter Verwendung von t-PSA werden kontrovers diskutiert:

  • Untersuchungen des Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial (PLCO) der US Preventive Services Task Force (USPSTF) sprechen dagegen /7/
  • Die Ergebnisse der European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) sprechen dafür /8/.
  • Uneinheitlich sind auch die Empfehlungen für optimale Screening Intervalle und für die PSA Grenzwerte zur t-PSA basierten Früherkennung /9/
  • Die Kontroverse des Screenings auf Prostatakarzinom durch t-PSA wurde deutlich durch die Tatsache, dass mehr Männer mit einem Prostatakarzinom als an einem Prostatakarzinom sterben /10/. Jedoch berücksichtigt diese Tatsache nicht, dass das metastasierte Prostatakarzinom nicht in Monaten zum Tode führt. Die meisten Patienten leiden noch Jahre am Prostatakarzinom bevor sie versterben /11/.

Es sollte beachtet werden, dass die PSA-Ergebnisse oft mehrdeutig sind und obwohl die PSA für das Gewebe der Prostata spezifisch ist, so ist der Nachweis eines erhöhten PSA-Werts nicht krebsspezifisch. Neben der benignen Prostatahyperplasie wird der Wert auch durch Infektionen, Medikationen und das Alter beeinflusst. Nach einer Untersuchung in den USA hatten 50 % der Männer mit PSA-Erhöhungen über dem Grenzwert bei nachfolgender Prostatabiopsie kein Karzinom, 30 % hatten eine niedriggradige Prostataerkrankung, und nur 20 % hatten eine Erkrankung die einer Behandlung bedurfte /7576/.

28.19.5.1 Screening auf Prostatakrebs

Die Deutsche Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms von 2018 gibt folgende Empfehlungen zum Screening /2/:

  • Männer ab dem Alter von 45 Jahren mit einer erwarteten Lebensdauer von über 10 Jahren sollten über die Vor- und Nachteile eines Prostatascreenings aufgeklärt werden.
  • Denjenigen, die nach der Aufklärung eine Untersuchung zur Früherkennung wünschen, sollte die t-PSA Untersuchung angeboten werden. Zusätzlich sollte eine digital rektale Untersuchung (DRU) empfohlen werden (Abb. 28.19-2 –Vergleich von DRU, TRUS und PSA).
  • Für Männer, die weiterhin eine Untersuchung zur Früherkennung wünschen, sollte sich das Intervall der Nachfolgeuntersuchung am aktuellen t-PSA Wert und dem Alter des Patienten orientieren. Altersgruppe ab 45 Jahre und einer Lebenserwartung über 10 Jahre: t-PSA < 1 μg/l (Intervall alle 4 Jahre); t-PSA 1–2 μg/l (Intervall alle 2 Jahre); t-PSA > 2 μg/l (Intervall jedes Jahr). Für Männer über 70 Jahre und einem t-PSA Wert < 1 μg/l wird eine weitere PSA gestützte Früherkennung nicht empfohlen.
28.19.5.1.1 Screening und Prostatakrebs bedingte Mortalität

Die Mehrzahl der Männer mit Prostatakarzinom, die vermittels des t-PSA Screenings diagnostiziert wurden, haben eine lokalisierte Erkrankung und keinen Hinweis auf Metastasierung. Jedoch besteht bei einem kleinen Teil das Risiko einer drohenden Tumorausbreitung /13/. Zwei große randomisierte Studien haben untersucht, ob ein regelmäßiges Screening vermittels t-PSA die Mortalität des Prostatakarzinoms senkt /9/. Während die US Studie (PLCO) /7/ keinen Vorteil zeigt, ist das bei der Europäischen Studie (ERSPC) der Fall /8/. Diese zeigt einen signifikanten Abfall der Mortalität.

Das t-PSA Screening auf Prostatakarzinom ist mit Unsicherheiten verknüpft, z.B. der Überdiagnose von Krebs, der Folge von Behandlungskomplikationen und der Progression der Erkrankung. Die aktive Überwachung hat das Potential die Nachteile der Überdiagnose und der unnötigen Therapie zu verringern, trotzdem aber den Vorteil einer frühen Diagnose /13/.

Die Überdiagnose von indolenten nicht-tödlichen Prostatakarzinomen birgt das Risiko von Überbehandlungs-bedingten Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen resultieren aus einer Operation oder Bestrahlung des Karzinoms (Harninkontinenz, sexuelle und gastrointestinale Beschwerden) und erhöhen die medizinischen Ausgaben. Nach dem U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) Review ist z.B. eine radikale Prostatektomie mit dem 20 % Risiko einer Harninkontinenz und dem 30 % Risiko einer erektilen Dysfunktion nach 1–10 Jahren assoziiert /14/.

Die Vorteile des t-PSA Screenings auf Ausbildung eines Prostatakarzinom in den nachfolgenden 13 Jahren (mittlere Überwachungszeit 8,8 Jahre) wurden in der ERSPC Studie ermittelt. Männer mit einem t-PSA Wert von ≥ 3,0 μg/l unterzogen sich einer Prostatabiopsie (Männer mit einem Wert unter 3,0 μg/l haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs, da z.B. Kaukasier, keine Familienanamnese oder weniger häufig einen positiven digital rektalen Befund /9/, und insgesamt ist das Risiko eines Karzinoms mit hohem Grading geringer). In der Studie wurde bei Männer im Alter von 55–69 Jahren im 2-jährigen Intervall ein t-PSA Test durchgeführt.

Das Screening erbrachte folgende Ergebnisse /8/:

  • Screening Vorteile: Absolute Reduktion der Todesfälle durch Prostatkrebs auf 0,71 bezogen auf 1.000 Männer nach einer mittleren Überwachungszeit von 8,8 Jahren.
  • Screening-Nachteile: Zur Verhinderung eines Todesfalles durch ein Prostatakarzinom müssen 1.410 Männer sich dem Screening unterziehen und zusätzlich müssten 48 behandelt werden.

28.19.5.2 Früherkennung des Prostatakarzinoms

Im Rahmen der Früherkennung soll eine Prostatabiopsie bei Vorliegen von mindestens einem der folgenden Kriterien empfohlen werden /2/:

  • Kontrollierter PSA-Wert ab 4 μg/l bei der erstmaligen Früherkennungskonsultation unter der Berücksichtigung von Einflussfaktoren
  • Karzinom verdächtiges Ergebnis bei der digital-rektalen Untersuchung
  • Auffälliger PSA-Anstieg (ohne Wechsel des Bestimmungsverfahrens).

Für Männer, die weiterhin eine PSA-Früherkennungsuntersuchung wünschen, sollte sich das Intervall der Nachfolgeuntersuchung am aktuellen PSA-Wert und am Alter der Patienten orientieren, sofern keine Indikation zur Biopsie gegeben ist:

Untersuchungsintervalle

Altersgruppe ab 45 Jahren und einer Lebenserwartung über 10 Jahre:

  • PSA < 1 μg/l: Intervall alle 4 Jahre
  • PSA 1–2 μg/l: Intervall alle 2 Jahre
  • PSA > 2 μg/l: Intervall jedes Jahr.

Für Männer über 70 Jahre und einem PSA-Wert unter 1 μg/l wird eine weitere PSA-gestützte Früherkennung nicht empfohlen.

Die Diagnostik des Prostatakarzinoms umfasst /2/:

  • Digital rektale Untersuchung (DRU): Goldstandard zur Diagnostik des Prostatakarzinoms in der prä-PSA Ära, heutzutage werden weniger als 20 % der klinische Prostatkarzinome mittels DRU erfasst (Abb. 28.19-2 – Vergleich von digital rektaler Untersuchung und t-PSA). st sowohl die t-PSA erhöht, als auch die DRU auffällig, liegt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Prostatakarzinom vor. Die DRU erfordert Übung und ist damit vom Untersucher abhängig. Auch bei geübten Untersuchern ist die diagnostische Sensitivität der DRU niedriger als die eines erhöhten PSA Werts. Ist die DRU aber Karzinom suspekt, ist eine Prostatabiopsie unabhängig vom Wert der t-PSA-erforderlich.
  • Ultraschall und/oder andere bildgebende Verfahren /2/.

28.19.5.3 Primäre Diagnose des Prostatakarzinoms

Die Diagnose des Prostatakarzinoms basiert auf dem histologischen Befund der Prostatabiopsie /2/.

28.19.5.4 Stadieneinteilung des Prostatakarzinoms

Die Stadieneinteilung des Prostatakarzinoms basiert histologisch auf den anatomischen Kriterien der UICC TNM Systems. Die Klassifikation beschreibt den Primärtumor und den regionalen Lymphknotenbefall.

Das Gleason-Grading System (Gleason score) ist der stärkste prognostische Faktor zur Beurteilung des klinischen Verhaltens und der Therapie des Prostatakarzinoms.

Das lokal begrenzte Prostatakarzinom wird bezüglich der Entwicklung eines Rezidivs in Risikogruppen eingeteilt /2/:

  • Niedriges Risiko: PSA bis zu 10 μg/l und Gleason-Score ≤ 6.
  • Mittleres Risiko: PSA > 10–20 μg/l oder Gleason-Score ≥ 7.
  • Hohes Risiko: PSA > 20 μg/l oder Gleason-Score ≥ 8.

Die meisten Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass sich die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Organ begrenzten Prostatakarzinoms bei PSA Werten über 10–20 μg/l deutlich verschlechtert /1516/, bei PSA Werten über 50 μg/l sind Organ begrenzte Tumoren die Ausnahme.

Auf Grund einer großen Überlappung zwischen dem PSA Wert der verschiedenen Tumorstadien ist jedoch die Vorhersage des Tumorstadiums anhand des PSA Werts allein schlecht möglich. Durch die Kombination mit anderen Befunden, wie dem rektalen Tastbefund und dem Differenzierungsgrad multipler Prostatabiopsien, steigt der Vorhersagewert des PSA für das Tumorstadium deutlich an /17/.

28.19.5.5 Verhalten von t-PSA bei Therapie des Prostatakarzinoms

Das Verhalten von t-PSA bei den kurativen Therapien für Patienten mit Prostatakarzinom sind aufgeführt in (Tab. 28.19-2 – T-PSA bei kurativer Standardtherapie des Prostatakarzinoms).

Bei Männern mit der Primärdiagnose eines metastasierten Prostatakarzinoms ist der Androgenentzug (Kastration) die Standardtherapie. Die Signalgebung des Andogenrezeptors ist beim Kastrations resisten Prostatakarzinom verändert.

Die Ursachen sind:

Das Prostatakarzinom ist eine Androgen abhängige Erkrankung. Auch Tumoren mit Kastrationsresistenz sind Androgen abhängig. Rearrangements der Gene des Androgenrezeptors und die Therapie mit anti Androgenen führen zur bevorzugten Bildung von Splicevarianten, die häufigste ist AR-V7 /18/. Bei Patienten mit AR-V7 ist die Therapie mit anti Androgenen unwirksam. Aber eine Androgen Entzugstherapie mit Taxanen zeigte einen deutlichen Überlebensvorteil für die Patienten. Taxane hemmen die Mitose und die Signalgebung des Androgenrezeptors durch Unterbrechung des nuklearen Transports des Androgenrezeptors. Die prätherapeutische Bestimmung der AR-V7 Proteinexpression ist ein Behandlungs spezifisches Kriterium zur Beurteilung der Antwort des Androgenrezeptors auf die Therapie mit Taxan /19/.

28.19.5.6 Prinzipien des PSA Monitoring bei Verdacht auf Prostatakarzinom

Siehe Tab. 28.19-5 – Prinzipien des t-PSA Montoring bei Verdacht auf Prostatakarzinom.

28.19.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Es gibt viele kommerzielle Tests für t-PSA. Hinzu kommen verschiedene Tests für die Bestimmung des f-PSA und derzeit ein Test zur Bestimmung des komplexierten PSA, sowie ein weiterer zur Bestimmung des [-2]pro-PSA. Durch die Vielzahl der Tests treten für den Kliniker Probleme in der Interpretation des PSA auf, da die Konzentration von PSA in Abhängigkeit vom angewendeten Testverfahren in einer Serumprobe klinisch relevant variieren kann. Es ist für den beurteilenden Arzt dringend erforderlich, die Methode und den zugehörigen Referenzbereich zu kennen. Die Laboratorien sollen deshalb auf dem Befundbericht das angewendete Testverfahrens und den dafür ermittelten Referenzbereich mitteilen /20/. Ohne diese Informationen verliert PSA seine diagnostische und prognostische Aussagekraft, übersehene Prostatakarzinome oder unnötige Prostatabiopsien sind die Folge.

In den vergangenen Jahren wurden einige kommerzielle t-PSA Tests mit einem PSA-Standard der WHO rekalibriert um eine bessere Vergleichbarkeit der Tests zu erreichen was zu einer gewissen Angleichung führte.

Siehe:

Der Mangel an diagnostischer Spezifität und die quantitativen Unterschiede der verschiedenen tPSA assays beruhen auf Unterschieden in der molekularen Form des t-PSA /21/.

Untere Nachweisgrenze: Es besteht kein allgemein anerkanntes Verfahren zur Ermittlung der biologisch relevanten unteren Nachweisgrenze für t-PSA in der Verlaufskontrolle nach radikaler Prostatektomie /22/. In Ermangelung einer allgemein akzeptierten Methode wird von den Herstellern der meisten t-PSA-Testverfahren die untere analytische Nachweisgrenze ermittelt.

High-dose hook effect: Er ist von der Methode abhängig. Bei Sandwich-Assays und sehr hohen PSA Konzentrationen kann es zu falsch niedrigen Messwerten (bis in den Normalbereich) kommen. Bis zu welcher Konzentration kein High-dose hook-Effekt beobachtet wurde, kann der Packungsbeilage des Herstellers entnommen werden.

Ultrasensitive t-PSA-Bestimmung: Eine allgemein akzeptierte Definition ultrasensitiver t-PSA-Tests existiert nicht. Während frühere Tests mit einer unteren Nachweisgrenze von 0,2 μg/l als hypersensitiv bezeichnet wurden, werden die Begriffe ultra-, super- oder hypersensitiv heute auf Methoden angewandt, deren untere Nachweisgrenze < 0,1 μg/l liegt. Viele kommerzielle Tests erreichen diese Konzentration oder sie unterschreiten sie.

Die klinische Relevanz sehr niedriger Konzentration von PSA nach operativer Entfernung der Prostata ist ungeklärt /22/. Eine unnötige Beunruhigung des Patienten nach radikaler Prostatektomie durch Übermittlung von ultra sensitiven Werten des PSA nahe der unteren funktionellen Nachweisgrenze (CV über 20 %) sollte vermieden werden /23/.

PSA-Streifentests: Semiquantitative Teststreifenuntersuchungen zur Bestimmung von t-PSA in Serum oder Vollblut werden angeboten. Bislang existiert kein Test mit ausreichender diagnostischer Sensitivität und Spezifität und einer vom Untersucher unabhängigen Ablesegenauigkeit /24/.

Bestimmung von f-PSA: Die Funktion des f-PSA im Serum ist nicht geklärt. Man nimmt aber an, dass es sich um enzymatisch inaktives f-PSA handelt, während aktives PSA im Serum überwiegend an Proteaseinhibitoren gebunden vorliegt. Die meisten Methoden enthalten Antikörper, die gegen aktives f-PSA aus Seminalplasma produziert wurden. Antikörper gegen f-PSA haben in der Regel eine geringere Affinität gegenüber komplexiertem PSA.

Referenzbereich

Der Referenzbereich ist abhängig vom kommerziellen Test und muss für jeden Test individuell ermittelt und auf dem Befundbericht genannt werden: Empfehlungen der interdisziplinären S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie /2/, der European Group on Tumour Markers /25/, der amerikanischen National Academy of Clinical Biochemistry /26/ und der Weltgesundheits-Organisation /20/ betonen die Notwendigkeit dieser Information. Die unkritische Übertragung des oberen Referenzbereichswerts von ≤ 4,0 μg/l auf beliebige Methoden führt zu unnötigen Prostatabiopsien oder übersehenen Prostatakarzinomen.

Der ursprünglich für die Methode von Hybritech (Tandem-R) erstellte obere Grenzwert ist 4,0 μg/l. Er wurde definiert als die Konzentration, unterhalb derer die t-PSA-Konzentration bei 97 % von 207 klinisch Prostata-gesunden Männern über 40 Jahren lag. Im Rahmen von Untersuchungsserien wurde die Zweckmäßigkeit dieses Referenzbereichs für die Hybritech-Methode bestätigt. Aktuelle Ergebnisse Populations bezogener Reihenuntersuchungen und anderer Studien zeigen aber, dass auch bei niedrigerer PSA Konzentrationen noch relativ viele Prostatakarzinome gefunden werden /27/.

Obwohl ein Teil der kommerziellen PSA-Tests auf den WHO-Standard kalibriert sind, messen einige Tests bedeutend höhere Werte als andere. Die Differenz des freien PSA zwischen den einzelnen Tests ist sogar noch größer. Liegt der obere Grenzwert des PSA, wie von der WHO empfohlen, bei 3,1 μg/l bei WHO kalibrierten Tests, so führen höher kalibrierte Tests zu unnötigen Prostatabiopsien. Wird demgegenüber der historische obere Grenzwet von 4,0 μg/l für WHO kalibrierte Tests angewendet, führt dies dazu, dass Prostatabiopsien nicht durchgeführt werden /28/.

Altersabhängigkeit des PSA-Referenzbereichs

Mit zunehmendem Alter steigt die PSA-Konzentration an. In einer prospektiven Studie an 2.119 gesunden Probanden wurde gefunden, dass t-PSA mit dem Alter und dem Prostatavolumen positiv korreliert /15/. Es wurde die Verwendung altersspezifischer PSA-Referenzbereiche empfohlen, mit dem Ziel einer verbesserten diagnostischen Sensitivität in der Karzinomdiagnostik bei jüngeren und einer gesteigerten diagnostischen Spezifität bei älteren Männern. Die mit dem Tandem-R-Test ermittelten Alters spezifischen Referenzbereiche liegen bis zum 50. Lj. bei 0–2,5 μg/l und steigen auf 0–6,5 μg/l für Männer > 70 J. an. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden von anderen Arbeitsgruppen bestätigt, allerdings wurden abweichende Referenzbereiche gefunden.

Einflussgrößen

Biologische und analytische Variation: Die intraindividuelle Variation beträgt für t-PSA etwa 20 %. Bei modernen Immunoassays liegt die analytische Variation unter 5 % /29/.

Zirkadiane Rhythmik: Liegt nicht vor.

Manipulationen an der Prostata: Manipulationen verursachen eine Erhöhung insbesondere des f-PSA, die t-PSA Konzentration wird in geringerem Ausmaß erhöht /30/. Ein Anstieg des t-PSA durch digitale rektale Untersuchung (DRU) erreicht nur selten ein klinisch relevantes Ausmaß. Sicherheitshalber sollte aber Blut für die t-PSA Bestimmung vor oder erst einige Tage nach einer DRU entnommen werden. Die Blutentnahme direkt nach einer DRU führt zu falsch-hoher f-PSA, hierdurch kann ein Prostatakarzinom übersehen werden. Nach akutem Harnverhalt, Prostatabiopsie oder anderen Manipulationen an der Prostata können über mehrere Wochen erhöhte t-PSA-Werte vorkommen, eine Kontrolle sollte erst nach 1–2 Monaten erfolgen.

Leberfunktionsstörung: Offenbar können akute, nicht aber chronische Leberfunktionsstörungen zu t-PSA-Erhöhungen führen.

Nierenfunktionsstörung: Niereninsuffizienz oder Dialyse führen nicht zu einer Veränderung der t-PSA-Konzentration im Serum.

Medikamente: Eine Erhöhung des t-PSA durch Medikamente ist nicht erwiesen. GnRH-Analoga oder Antiandrogene senken t-PSA erheblich, 5α-Reduktase-Hemmer führen zu einer mittleren Absenkung der t-PSA-Konzentration um ca. 50 %, allerdings mit großer Schwankungsbreite in Abhängigkeit vom Einnahmezeitraum. Auch Statine /31/ sollen t-PSA um bis zu 15–20 % senken können.

Humane Anti-Maus-Antikörper (HAMA): Sie können zu Interferenzen mit der Bestimmungsmethode führen. Sowohl falsch-hohe als auch falsch-niedrige Konzentrationen können ermittelt werden. HAMA im Serum eines Patienten können mit spezifischen Immunoassays bestimmt werden.

Stabilität

T-PSA und komplexiertes PSA können im Vollblut bei Zimmertemperatur mindestens 8 h ohne Verlust gelagert werden, die f-PSA-Konzentration sinkt unter diesen Bedingungen um etwa 1 % pro Stunde. Das bedeutet beispielsweise in einer Vollblutprobe mit 7 μg/l t-PSA und 2 μg/l f-PSA, dass der Quotient f/t-PSA von 29 % nach 12 h auf 26 % sinkt. Wird diese Probe als Serum bei 23 °C oder 4 °C aufbewahrt, sinkt der Quotient nach 24 h nur auf 28 %. Proben für die Messung von f-PSA sollen daher möglichst als Serum gelagert und innerhalb vor 24 h gemessen oder eingefroren werden. [-2]pro-PSA steigt nach Blutentnahme im Vollblut relativ schnell an und sollte daher innerhalb von 3 Stunden zentrifugiert werden /32/.

28.19.7 Pathophysiologie

Die meisten Prostatakarzinome haben ihren Ursprung in der peripheren Zone der Prostata, nur selten findet man Karzinome ausschließlich in der Übergangszone. Daher sind gezielte transrektal sonografisch gesteuerte Biopsien der peripheren Zone für die Diagnose eines Prostatakarzinoms sinnvoll (Abb. 28.19-5 – Krebslokalisation in der Prostata).

PSA wird in den Epithelzellen entlang der Acini und im Gangepithel der Prostatadrüse gebildet und in das-Gangsystem der Prostata sezerniert (Abb. 28.19-6 – Bildung von PSA in der Prostata). Das Molekulargewicht des f-PSA beträgt ca. 33 kD, es ist ein einkettiges Glykoprotein.

PSA ist eine Kallikrein ähnliche Serinprotease in der menschlichen Prostataflüssigkeit, ihr formaler Name ist humanes Kallikrein 3 (hK3). Die sezernierte Präkursorform des PSA wird extrazellulär durch das humane Kallikrein 2 (hK2) aktiviert. Das hK2 spaltet dabei in trypsinartiger Weise einen kurzen Anteil der 244 Aminosäuren der Präkursorform des PSA ab, so dass das reife aktive PSA-Molekül mit 237 Aminosäuren entsteht.

PSA spaltet die Gel formenden Proteine aus den Samenblasen, wodurch die Verflüssigung des Ejakulats eingeleitet wird und die Spermienmotilität erhöht werden soll.

Normalerweise kommt PSA in niedriger Konzentration im Serum vor, nur beim Prostatakarzinom, bei benigner Prostatahyperplasie, akuter Prostatitis oder nach Prostatabiopsie treten im Plasma erhöhte Konzentrationen auf.

Die Entwicklung ultrasensitiver PSA Tests sowie empfindlicher immunhistologischer Verfahren haben die alleinige prostatische Organspezifität von PSA widerlegt. So konnten Spuren von PSA immunhistologisch auch in männlichen und weiblichen periurethralen und perianalen Drüsen, im normalen Endometrium, in der Mamma und in verschiedenen Tumorgeweben beiderlei Geschlechts nachgewiesen werden.

PSA wird in niedriger Konzentration auch im Serum von Frauen und im Mammakarzinom-Zytosol gefunden. Es liegt überwiegend als fPSA vor und ist beim Mammakarzinom assoziiert mit dem Progesteronrezeptor Status, nicht aber dem des Östrogenrezeptors, und wird als günstiger prognostischer Faktor beschrieben.

Es wird angenommen, dass alle Gewebe mit Rezeptoren für Steroidhormone in der Lage sind, PSA zu bilden und PSA in der enzymatisch aktiven Form in die Wachstumsregulation von Geweben involviert ist /33/.

Vermutungen über Funktionen des PSA beinhalten die Inhibition des Zellwachstums, Antikarzinogenese oder Antiangiogenese, auch die Induktion von Apoptose durch PSA wird angenommen. Diese Hypothesen werden durch die Beobachtung gestützt, dass in malignem Prostatagewebe weniger PSA produziert wird als in benignem Gewebe. Eine Konsequenz für die Interpretation von PSA Werten über 0,1 μg/l ergibt sich durch diese Erkenntnisse im klinischen Alltag nicht.

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28.20 S100-β Protein (S100B)

Lothar Thomas

S100 ist ein dimeres niedermolekulares Protein mit dem Molekulargewicht von etwa 10,5 kDa (Monomer) und gehört zur multigenen Familie der Ca2+-bindenden Proteine. Die S100-Proteine haben ihren Namen auf Grund ihrer Löslichkeit in 100 % Ammoniumsulfat erhalten. Verschiedene Kombinationen der α- und β-Untereinheiten bestimmen die Heterogenität der Familie, die aus den Isoformen S100B (ββ), S100A (αα) und S100A1 (αβ) besteht. Die β Isoform S100B wird in der höchsten Konzentration in den Astrozyten, Oligodendrozyten und peripheren Schwann’schen Zellen des Zentralnervensystems gefunden. Extra neuronal erfolgt die Synthese in Melanozyten, Adipozyten und Chondrozyten. S100B wird von diesen Zellen aktiv sezerniert und bei ihrer Schädigung freigesetzt.

28.20.1 Indikation

  • Malignes Melanom: Differentialdiagnose, Prognose, Therapiemonitoring.
  • Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, neurodegenerative Erkrankungen.

28.20.2 Bestimmungsmethode

Bei der Bestimmung von S100 werden S100A1B (αβ) und S100B (ββ) erfasst. Bei vielen Tests sind monoklonale oder polyklonale Antikörper gegen die β-Untereinheit des S100 gerichtet. Die Bestimmung erfolgt häufig mit einem Elektrochemilumineszenz-Assay (ECLIA) oder einem immunoluminometrischen Assay (ILMA) /1/.

ECLIA

Nach dem Sandwich Prinzip bindet in einem ersten Schritt das S100 der Probe an einen biotinylierten Antikörper und einen Ruthenium markierten Antikörper unter Bildung eines Immunkomplexes. In einem zweiten Schritt bindet der Immunkomplex an zum Ansatz gegebene Streptavidin überzogene Mikropartikel. Der Mikropartikel fixierte Immunkomplex wird über eine Interaktion mit Biotin an eine feste Phase gebunden, eine Elektrochemilumineszenz generiert und die Lichtemission von einem Photomultiplier gemessen.

ILMA

Es handelt sich um einen immunometrischen Assay, bei dem zwei monoklonale Antikörper gegen S100 an paramagnetische Partikel gebunden sind. Ein Tracer-Antikörper ist mit einem Derivt des Isolumins markiert.

28.20.3 Untersuchungsmaterial

Serum: 1 ml

28.20.4 Referenzbereich

Serum

Erwachsene:

≤ 0,100 μg/l /2/

Kinder 3–18 J.:

≤ 0,16 μg/l /3/

Kinder < 3 J.:

≤ 0,20 μg/l

95 % der gesunden Kontrollpersonen liegen unter dem genannten Wert, wenn die Messung mit kommerziellen Assays am LIA-mat® oder Elecsys® erfolgt. Der Wert kann bei anderen Methoden variieren.

28.20.5 Bewertung

Gesunde Personen haben eine mediane Konzentration von S100 im Serum von 0,041 μg/l, die 95. Perzentile beträgt 0,096 μg/l und die 100. Perzentile 0,144 μg/l. Geschlechts- oder Altersunterschiede bestehen nicht /4/. Diagnostisch bedeutsam ist S100B, das bei Bestimmung von S100 den wesentlichen Anteil hat.

Ausgenommen dem malignen Melanom hatten in einer Studie /2/ nur 2 % der Patienten mit benignen Erkrankungen und nur 1 % mit malignen Tumoren ein leicht erhöhtes S100, in den meisten Fällen bis 0,5 μg/l (Tab. 28.20-1 – S100-Werte bei Gesunden und Patienten/2/. Bei vielen benignen Erkrankungen liegt die Konzentration von S100 im Bereich Gesunder /5/. Bei Leberzirrhosen und Niereninsuffizienz wurden Werte bis 0,7 μg/l berichtet.

Hohe S100 Konzentrationen werden bei akuter traumatischer Schädigung des Gehirns, bei Neurodegeneration und bei intra- und extrakraniellen Gefäßschäden (ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfall) diagnostiziert /6/:

Ausgenommen von Schädigungen des Gehirns zeichnen sich hohe Konzentrationen von S100 (> 0,5 μg/l) durch eine hohe Spezifität für das maligne Melanom aus (Tab. 28.20-2– Erkrankungen, die mit einer Erhöhung von S100 im Serum einhergehen können).

Hohe S100B Konzentrationen im Urin kurz nach der Entbindung sprechen bei Neugeborenen für eine Hirnschädigung /26/. In einer Studie hatte ein S100B Grenzwert von über 2,72 μg/dl eine diagnostische Sensitivität von 84,6 % im Vergleich zur MRI.

28.20.6 Hinweise und Störungen

Untersuchungsmaterial

Verwendet werden sollte Serum, es sei denn, der Hersteller des Tests macht andere Angaben.

Bestimmungsmethode

Die kommerziellen Tests haben eine differente Nachweisempfindlichkeit und sind nicht austauschbar ohne Änderung der Grenzwerte. Die intraindividuelle Variation beträgt 18,9 % /26/.

Stabilität

Bis zu 8 h bei 15–25 °C, zwei Tage bei 4–8 °C, 3 Monate bei –20 °C.

28.20.7 Pathophysiologie

Die Proteine S100 gehören zur S100/Calmodulin/Parvalbumin/Troponin C-Superfamilie mit einem MG von etwa 13 kDa. Diese Proteine sind Ca2+-sensorische Moleküle, die biologische Aktivitäten über Ca2+ regulieren und modulieren. Ein Teil dieser Proteine bindet Ca2+ und Zn2+. Zur Familie S100 gehören mindestens 25 Proteine. Die Bindung von Ca2+ an S100B führt zur Konformationsänderung, bei der ein hydrophober Rest exponiert wird, der mit anderen Proteinen interagiert und somit eine biologische Funktion vermittelt. S100B ist mit den anderen Mitgliedern seiner Familie im Zytoplasma und Nukleus von Astrozyten lokalisiert und ist in die Regulation der zytoskelettalen Struktur und Zellproliferation involviert /7/.

Die Effekte von S100B sind abhängig von der Konzentration. In nanomolarer Konzentration hat es einen neurotropen Effekt auf neuronale Zellen und während deren Reifung auf die Proliferation von Gliazellen. In mikromolarer Konzentration hat S100B eine schädigende Wirkung, da es die Bildung inflammatorischer Zytokine stimuliert und die Apoptose von Neuronen induziert. Auch reagiert S100B mit dem Rezeptor für Advanced Glycation End products (RAGE) und bewirkt die Bildung reaktiver Sauerstoffradikale, die Freisetzung von Cytochrom C und aktiviert die Caspase Kaskade. Caspasen sind Cysteinproteasen mit einer physiologischen Funktion in der programmierten Apoptose.

S100B kann mit dem Protein der Tumorsuppression p53 interagieren und dessen Phosphorylierung durch Proteinkinase C blockieren. Dadurch verliert p53 die Fähigkeit zur Oligomerisierung und kann seine Funktion bei der Regulierung des Zellzyklus, der DNA-Reparatur und der Apoptoseinduktion nicht mehr ausüben.

S100B ist in hohen Konzentrationen in astroglialen Zellen des ZNS lokalisiert; in geringerem Ausmaß wird es von Schwann Zellen des peripheren Nervensystems, Chondrozyten, Adipozyten und Langerhans Zellen produziert.

S100A wird von malignen Melanomzellen exprimiert, wobei der Gehalt von S100A mit der Invasionstiefe und Tumordicke korreliert.

Die Halbwertszeit von S100 beträgt etwa 30 min.

Literatur

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28.21 SCCA (Squamous cell carcinoma antigen)

Rolf Lamerz

SCCA ist kein spezifischer Marker des Plattenepithelkarzinoms (Squamous cell carcinoma). SCCA ist aber zu empfehlen beim Plattenepithelkarzinom in der Primärtherapie, zur Therapiekontrolle, zur Verlaufsbeurteilung, in der Rezidivbehandlung und in Kombination mit anderen Tumormarkern.

28.21.1 Indikation

Therapiekontrolle und Verlaufskontrolle bei Plattenepithelkarzinomen von:

Zervix, Lunge, Ösophagus, des Analkanals und von Kopf-Nacken-Karzinomen.

28.21.2 Bestimmungsmethode

Immunometrischer Assay (IMA) /123/

Sandwich-Festphasen-Assay mit zwei monoklonalen murinen Antikörpern gegen unterschiedliche Epitope von SCCA. Nachweisempfindlichkeit von 0,3 μg/l /2/.

Radioimmunoassay (RIA)

Wird kaum noch durchgeführt.

28.21.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma, Liquor cerebrospinalis Pleuraflüssigkeit, Ascites: 1 ml

28.21.4 Referenzbereich

RIA ≤ 3,0 μg/l /4567/

IMA ≤ 2,0 μg/l /2/

28.21.5 Bewertung

SCCA kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.21-1 – Diagnostische Sensitivität von SSCA bei benignen und malignen Erkrankungen).

28.21.5.1 Benigne Erkrankungen

Erhöhungen > 2–3 μg/l werden gesehen: Zu 6–10 % bei Leberzirrhose /15/, bei Pankreatitis zu 30–64 % /1/, bei Niereninsuffizienz und Nierenversagen zu 78 % bzw. ohne Hämodialyse (44 %) in Korrelation zur Höhe des Creatininwertes /158/.

Bei benignen Lungenerkrankungen (chronische Bronchitis, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Tbc) liegt die Häufigkeit bei 0–40 % /35, 7, 89/. Bei Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose wird SCCA in vielen metaplastischen alveolären Epithelzellen gebildet und induziert die Rxpression von TGFβ mit einem profibrotischen Effekt /10/.

SCCA steht auch in Beziehung zu allergischen Erkrankungen wie einer allergischen Rhinitis, wo es sich als prädiktiver Faktor der Schwere, z.B. aufgrund von Dermatophagoides farinae erwies /11/.

Bei benignen gynäkologischen Erkrankungen finden sich erhöhte Werte bei 3–37 % /812/ und zu 3–8 % bei Uterus myomatosus /1/.

Bei HNO-Erkrankungen liegt die Häufigkeit bei 21 % und ist höher bei benignen Tumoren (46 %) als bei anderen Erkrankungen (5 %) /8/.

Bei benignen Hauterkrankungen wie Psoriasis ist SCCA im Serum mit einer Häufigkeit von 83 % erhöht. Es besteht eine Korrelation zur Größe der befallenen Hautfläche, bei Ekzemen (80 %) sowie anderen Fällen mit entzündlicher Komponente und auch beim Pemphigus /13/. Bei der Psoriasis (T-Lymphozyten-mediierte Autoimmunerkrankung) treten humorale autoimmune Antworten gegen die SCCA-Proteinfamilie (SCCA, arginase 1, enolase 1 und Keratin 10) auf /14/.

28.21.5.2 Zervixkarzinom

28.21.5.2.1 Inzidenz erhöhter Werte

Die höchsten Inzidenzraten von 45–83 % finden sich beim primären Plattenepithelkarzinom der Zervix (PEKZ) sowie zu 66–84 % beim rezidivierenden PEKZ /16, 8, 1516/. In der Remission bzw. bei der No Evidence of Disease (NED) ist die Rate 0–33 % /1615/ und im Mittel 7 % /12/.

Die genannten Werte gelten nur für das PEKZ (70–80 %), weniger für das adeno-squamöse Karzinom (56 %) /1/ und das Adenokarzinom der Zervix (0–23 %) /16/. Dabei beträgt die diagnostische Spezifität 96 % im Vergleich zu Blutspenderinnen, 97 % gegenüber benignen Veränderungen des Genitals, 97 % gegenüber einer Vollremission und 93 % gegenüber Cervical intraepithelial neoplasia (CIN) I–III /6/.

28.21.5.2.2 SCCA und Ausbreitung der Erkrankung

Beim PEKZ besteht eine Korrelation zwischen der SCCA Konzentration und dem Ausmaß der Erkrankung. So steigt die Häufigkeit erhöhter SCCA Werte nach dem FIGO Stadium von 0–25 % (Stadium 0, CIN I–III) über 9 % (Stadium Ia), 27–60 % (Ib), 44–83 % (II), 55–84 % (III) auf 67–100 % (IV) an /16, 1516/.

Auch besteht eine Korrelation zum Lymphknotenstatus und zum klinischen Bild /61015/, jedoch nicht zum Alter, Differenzierungsgrad und zu anderen Laborparametern /12/. Erhöhte SCCA Konzentrationen werden bei verhornenden Karzinomen gemessen (100 %), bei nicht verhornenden großzelligen Karzinomen (83 %) häufiger als bei kleinzelligen (73 %).

Eine immunhistochemische Untersuchung von SCCA-2 und E-cadherin in primären PEKZ-Läsionen und Lymphknoten-Metastasen zeigte ein heterogenes Muster in Primärläsionen. Es bestand eine starke Assoziation zur Inzidenz von Lymphknoten-Metastasen mit prädiktiver Bedeutung /17/.

28.21.5.2.3 SCCA und klinischer Verlauf

Es besteht eine gute Korrelation zwischen dem Verhalten von SCCA im Serum und dem klinischen Verlauf /115, 1618/. Nach kurativer Operation bzw. Radiotherapie erfolgt eine Normalisierung des SCCA innerhalb von 2–7 Tagen bei einer Halbwertszeit von < 24 h /6/.

Zu einem deutlichen Wiederanstieg des normalisierten oder nur vorübergehend abgefallenen Werts kommt es bei lokaler oder disseminierter Progression, oft mit einer Vorlaufzeit von 1–14 Monaten (im Mittel 2,2–3,3 Monaten) /61618/.

Das routinemäßige SCCA Monitoring nach Primärtherapie, selbst bei Patientinnen im Frühstadium des PEKZ (Stadium IB–IIA), wird trotz früherer Rezidiverkennung in niedrigerem Prozentsatz (14 %) ohne Überlebensverlängerung wegen noch begrenzter Therapiemöglichkeiten beim Rezidiv nicht empfohlen /19/.

28.21.5.2.4 Prognostische Bedeutung von SCCA

Konzentrationen über 30 μg/l sind mit einem schnellen Rezidiv und kurzem Überleben verknüpft. Patientinnen mit 2–6 Wochen nach Therapie noch bestehenden pathologischen SCCA Werten weisen die höchste Rezidivrate (92 %) auf /6/.

Ein erhöhter prätherapeutischer SCCA Wert, die Tumorgröße und Gefäßinvasion sind unabhängige Prädiktoren für die Anwesenheit von Lymphknotenmetastasen /15/. Ferner hatte im Vergleich von fünf verschiedenen Parametern nur die initiale Konzentration von SCCA eine signifikante unabhängige Aussage für das Überleben. Das sogar mit einem dreifach erhöhten Rezidivrisiko bei nodal negativen Patientinnen mit einer SCCA Erhöhung über 1,9 μg/l /15/.

Bei PEKZ-Patientinnen von Stadium IB bis IIB war die Kombination von prä-therapeutischem SCCA (Entscheidungswert 1,5 μg/l) und CA 125 (Entscheidungswert 35 mU/l) der bedeutendste Faktor für die Einschätzung von Lymphknotenbefall und Prognose /20/.

28.21.5.2.5 Vergleich zu anderen Tumormarkern

CEA ist dem SCCA in der diagnostischen Sensitivität beim PEKZ unterlegen mit Häufigkeiten z.B. bei Primärdiagnose SCCA/CEA 60–74 %/31–34 %, im Rezidiv 70–73 %/50–51 %. Anders ist das in der Remission mit Werten von 2,7 %/14 % und bei Fernmetastasierung mit 56 %/89 % /116/. Für CA 125 wurde nur eine diagnostische Sensitivität bis 35 % ermittelt /12/.

28.21.5.3 Andere gynäkologische Erkrankungen

Die diagnostischen Sensitivitäten von SCCA betragen bei folgenden Karzinomen: Mamma 0–10 % /116/, Endometrium 8–30 % /616/, Corpus 30 % /1/, Ovar 4–20 % /1616/, Vulva 19–42 % /6/ und Vagina 17 % /12/.

Ein immunhistochemischer Nachweis von SCCA in 1.360 Tissue Microarray-Proben von Mammakarzinom ergab eine signikant ansteigende Expression von 0,3 %, 2,5 % und 9,4 % in Grad I–III und von 2,5 %, 3,1 %, 8,6 % in TNM-Stadien I–III mit Korrelation zur Östrogenrezeptor/Progesteronrezeptor-Negativität und schlechtem Gesamt- und Rezidiv-freiem Überleben /21/.

28.21.5.4 Bronchialkarzinom

28.21.5.4.1 Häufigkeit erhöhter Werte

Die höchste Prävalenz von SCCA besteht beim Plattenepithelkarzinom des Bronchus mit 39–78 % /23, 5, 7, 89/ und einer diagnostischen Sensitivität beim Bronchialkarzinom insgesamt von 27 % /1/. Diese beträgt für das nicht kleinzellige Karzinom (NSCLC) 33–61 % /89/, für das großzellige 18 %, für das kleinzellige Karzinom (SCLC) 4–18 % und für das Adenokarzinom 15–42 % /379/.

28.21.5.4.2 SCCA-Wert und Ausbreitung der Erkrankung

Es besteht eine Korrelation zwischen der Konzentration von SCCA und Ausbreitung der Erkrankung mit einem Stadium abhängigen Anstieg der diagnostischen Sensitivität von 27–53 % (I), 31–72 % (II), 60–88 % (III) und 71–100 % (IV) /237/ bzw. von 22 % bei limited und 73 % bei extensive disease /379/. Zusätzlich besteht eine Korrelation zum T- (T1–3: 46 %/73 %/94 %), N- (N0–2: 68 %/74 %/89 %) und M-Status (M0–1: 75 %/100 %) /3/.

28.21.5.4.3 SCCA und klinischer Verlauf

Im Verlauf fällt die Konzentration nach radikaler Resektion des Tumors innerhalb von 2 Tagen in den Referenzbereich, bei Residualtumoren aber nur wenig ab und zeigt durch Wiederanstieg mit einer Vorlaufzeit von bis zu 4–5 Monaten ein Rezidiv an /39/.

28.21.5.5 Kombination von SCCA mit anderen Tumormarkern

Nach einer europäischen Multicenter Studie /22/ unter Verwendung der Tumormarker CYFRA 21-1, CEA, SCCA und NSE bei Patienten mit Lungenkarzinom verschiedener Histologie und Stadien, sowie Patienten mit benignen Lungenerkrankungen und gesunden Erwachsenen, erwies sich CYFRA 21-1 als sensitivster Allgemeinmarker. Bei einer diagnostischen Spezifität von 95 % gegenüber benignen Lungenerkrankungen lag die diagnostische Sensitivität von CYFRA 21-1 in der Gesamtgruppe der Lungenkarzinome bei 46 % gegenüber Werten für CEA, SCCA und NSE von 32 %, 25 % und 28 %. Unter Berücksichtigung verschiedener histologischer Typen lagen beim PEKL die Sensitivitäten für CYFRA 21-1, CEA und SCCA bei 58 %, 23 % und 32 %.

Beim Adenokarzinom war die diagnostische Sensitiviät von CYFRA 21-1 und CEA 42 % und 44 %, aber für SCC und NSE bei unter 15 %.

Beim SCLC war NSE mit 77 % der führende Marker, dessen neuere für diesen Tumor noch spezifischere und additive Ergänzung heute das ProGRP darstellt.

28.21.5.6 Kopf-Nacken Karzinom

Beim Kopf-Nacken Karzinom beträgt die diagnostische Sensitivität von SCCA 34–78 % /25, 8, 923/. Im Mittel nimmt die diagnostische Sensitivität mit dem TNM- und klinischen Stadium zu und beträgt für Tumoren des Sinus maxillaris 49 %, der Mundhöhle 34 %, der Zunge 23 %, des Larynx 19 % und des Pharynx 11–33 %. Im Rezidiv werden Raten von 60–75 % gefunden /7/.

Bei einem Entscheidungswert über 1,5 μg/l steigt die diagnostische Sensitivität von SCCA Stadien abhängig (Tis, T1–4) von 50 % auf 85 % an /23/. Der post-therapeutische SCCA Wert stellt den wichtigsten prognostischen Faktor für das erkrankungsfreie und das Gesamtüberleben dar.

28.21.5.7 Ösophaguskarzinom

Beim Ösophaguskarzinom besteht eine diagnostische Sensitivität des SCCA von 30–39 % mit ansteigenden Werten von Stadium I (0–27 %) nach II (20–40 %), III (39–61 %) und IV (45–50 %) /27, 9, 2425/.

Nach erfolgreicher Therapie kommt es zu einem Abfall von SCCA in den Referenzbereich, zu Persistenz und Weiteranstieg bei Residualtumor und zu einem Wiederanstieg beim Rezidiv /9/. Auch sprechen normale SCCA Werte für einen lokalisierten Tumor und eine gute Prognose im Gegensatz zu erhöhten Konzentrationen, die eher eine ausgedehnte Erkrankung und schlechte Prognose anzeigen /24/.

28.21.5.8 Urogenitaltumoren

Erhöhtes SCCA wird beim metastasierenden Plattenepithelkarzinom des Penis (45 %) und der Urethra /26/ gemessen.

28.21.5.9 Andere Tumoren

Erhöhtes SCCA ist beim Colon- und Pankreaskarzinom in einer Häufigkeit von 20 % nachweisbar. Ferner wird erhöhtes SCCA beim seltenen Analkanalkarzinom mit einer diagnostischen Sensitivität von 76 % bei einer diagnostischen Spezifität von 86 % beschrieben /4/. Erhöhtes SCCA ist auch bei Hautkarzinomen beschrieben /27/.

28.21.5.10 Benigne Lebererkrankungen und HCC

Konzentrationen von SCCA bei Patienten mit Leberzirrhose (0.41 μg/l) lagen im Normbereich und niedriger als bei Patienten mit HCC und einfachem Rundherd unter 3 cm (Gruppe 1: 1,6 μg/l) und mit größerem oder multifokalem HCC (Gruppe 2; 2,2 μg/l). Dagegen war SCCA immunhistochemisch am geringsten in Leberzirrhose-Biopsien (264 μm2), am stärksten in HCC Gruppe 1 (1.163 μm2) und geringer in HCC-Gruppe 2 (626 μm2) umgekehrt linear korreliert mit der Knotengröße, aber nicht korrelierend mit der Serumkonzentration exprimiert /28/.

Erhöhte SCCA-IgM-Immunkomplex-Werte (IC) wurden bei Patienten mit benignen chronischen Lebererkrankungen und am höchsten bei HCC-Patienten beschrieben /2829/. Der Nachweis von SCCA-IgM gelang in 63/188 (33 %) von Patienten mit chronischer Hepatitis und nicht in 100 gesunden Kontrollen /30/. Eine signifikante Zunahme von SCCA-IgM konnte bei Patienten mit progressiver Leberfibrose (117 ± 200 U/ml/Jahr), aber nicht in solchen ohne histologische Verschlechterung (8,8 ± 31 U/ml/Jahr) gefunden werden, weshalb die SCCA-IgM-Kontrolle bei chronischer Hepatitis die Patienten mit erhöhtem Risiko einer Zirrhoseprogression anzeigte.

Eine Untersuchung von seriellen SCCA-IgM IC bei Patienten mit HCV-Zirrhose vor, am Ende, 6 und 12 Monate einer PEG-Interferon Therapie und Ribavirin-Therapie nach dem Behandlungserfolg (SVR, sustained virological response versus NR, non-response) ergab folgende Resultate:

  • Keinen signifikanten Unterschied der Basislinienwerte zwischen SVR und NR (451,2 AU/ml; AU, arbitrary units).
  • Für SVR-Patienten einen signifikanten medianen SCCA-IgM Abfall am Ende der Behandlung (186,8 AU/ml) sowie nach 6 (96,8 AU/ml) und 12 Monaten (52,4 AU/ml).
  • Keine signifikanten SCCA-IgM-Wertänderungen in der NR-Gruppe /31/.

Entsprechende Konzentrationen von SCCA-IgM-IC traten niedriger in Patienten mit SCCA-PD als bei solchen mit Wildtyp auf und zeigten signifikant unterschiedliche Werte bei Zirrhotikern (117,45 ± 54,45 U/ml vs. 268,52 ± 341,27 U/ml) /32/.

28.21.6 Hinweise und Störungen

Bestimmungsmethode

Für den RIA wurde eine geringe Störung der SCCA-Messung durch Hyperlipidämie > 1.200 mg/dl Triglyceride und Bilirubin über 50 mg/dl, aber stärkere Störungen durch Hämoglobin ab über 800 mg/l berichtet /1/. Beim monoklonalen immunometrischen Assay sollen Triglyceride ≤ 350 mg/dl (4,0 mmol/l), Bilirubin ≤ 16 mg/dl (274 μmol/l) und Hämoglobin ≤ 1 g/dl nach Angaben des Herstellers nicht interferieren.

Bei Niereninsuffizienz ist mit Erhöhungen von SCCA in Abhängigkeit vom Creatininwert zu rechnen /158/.

Wegen des Vorkommens von SCCA im Schweiß, Speichel und anderen Körperflüssigkeiten ist eine Kontamination bei der Pipettierung unbedingt zu vermeiden (Handschuhe, mundfreies Pipettieren).

Beim immunometrischen Assay ist mit einer Störung der Testergebnisse bei Patienten mit humanen antimurinen Antikörpern zu rechnen.

Referenzbereich

Mit dem polyklonalen SCCA-Test haben 0–13 % der gesunden Frauen Werte über 2,0–2,7 μg/l /12, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 912/. Nach einer Studie /3/ mit Blutspendern lag die 95. Perzentile für Männer bei 3,3 und Frauen bei 5,0 μg/l. Schwangere haben keine höheren Werte /1233/. Im Fruchtwasser stieg die Konzentration von im Mittel 26 ± 11 μg/l (SSW 14–16) über 91 ± 29 (SSW 17–20) auf 670 ± 390 μg/l (SSW 30–40) an /33/. Insgesamt wird die obere Referenzgrenze beim polyklonalen Assay mit 2,0–3,0 μg/l und beim monoklonalen immunometrischen Assay mit 1,4–1,9 μg/l angegeben.

Stabilität

Es liegen keine besonderen Erfahrungen vor. Lagerung bis zu einer Woche bei 4 °C möglich, sonst Einfrieren bei mindestens –25 °C.

28.21.7 Pathophysiologie

Im Jahre 1977 wurde zum ersten Mal über ein Antigen TA-4 berichtet, das aus Plattenepithelkarzinomen der Zervix (PEKZ) isoliert wurde /34/. Mit einem dagegen hergestellten polyklonalen Kaninchen Antiserum ließen sich Tumorzellen vom differenzierten PEKZ zytoplasmatisch anfärben. Das aus Lebermetastasen eines Zervixkarzinoms isolierte SCCA soll eine von 14 Fraktionen des Antigens TA-4 als hochreines Protein (0,6 % Kohlenhydrate) mit einer MG von 42 kDa darstellen.

Immunhistologisch ist TA-4 zu 65 % in großzelligen nicht verhornenden und zu 100 % in großzelligen verhornenden, aber nicht in kleinzelligen nicht verhornenden Zervixkarzinomen nachweisbar /35/. Angefärbt werden hyperkeratotische Läsionen. Subzellulär wird TA-4 im Zytosol gefunden und deshalb als Strukturprotein und Differenzierungsindex des Plattenepithelkarzinoms angesehen.

Zusätzlich wird TA-4 in normalen, dysplastischen und malignen Plattenepithel Geweben des aero-digestiven Trakts mit hoher Expression im Oberflächenlager von normalem Plattenepithel und in gut differenzierten Plattenepithelkarzinomen gefunden. Es ist aber nicht im dysplastischen Mundhöhlenepithel und in schlecht differenzierten Plattenepithelkarzinomen nachweisbar /36/.

TA-4 wurde in den Tonofibrillen normaler buccaler Plattenepithelien und von Plattenepithelkarzinomen lokalisiert. Es ist ein 48 kDa-Protein und als normale zelluläre Komponente mit Beziehung zur Zelldifferenzierung des Plattenepithels einzustufen.

Untersuchungen mit monoklonalen Antikörpern (MAKs) gegen TA-4 zeigen eine positive Anfärbung der größten Teile des Tumornests und des Zwischenlagers des nicht-tumorösen Plattenepithels der Zervix /37/.

Nach Klonierung und Charakterisierung der cDNA des SCCA-Antigens sich eine enge Homologie der Aminosäurensequenz (390 Aminosäuren) mit der Familie der Serinprotease-Inhibitoren (Serpine) /38/. Die Klonierung des Gens SCCA aus normaler genomischer DNA führte zum Nachweis von zwei sehr ähnlichen Genen, SCCA1 und SCCA2, mit anderen Serpinen auf dem Locus des Chromosoms 18q21.3. Diese kodieren für folgende 45 kDa-Proteine mit einer 92 % Übereinstimmung der Aminosäuren /39/:

  • SCCA1 mit neutralem pI und Vorkommen in normalen wie malignen Plattenepithelzellen.
  • SCCA2 mit saurem pI und Vorkommen überwiegend im Zytosol von malignen Epithelzellen und im Serum von Tumorpatienten /39/.

Ferner unterscheiden sich beide Proteine:

  • An der reaktiven Inhibitor Bindungsstelle. So bindet SCCA1 stark an die lysosomalen Cystein-Proteinasen Cathepsin K, L und S, demgegenüber SCCA2 (Leupin) an Chymotrypsin-ähnliche Serinproteasen /40/.
  • SCCA1 inhibiert die Apoptose, ein möglicher Hinweis auf seine biologische Funktion /41/.

Eine Analyse mit Western blotting zur Bindung von SCCA-1 und SCCA-2 an Keratinozyten und Uterus-PEKZ Zelllinien ergab, dass sie an das zytoplasmatische Protein Carbonyl-Reduktase binden /42/.

Für SCCA1 und SCCA2 wurden differenzierende monoklonale Antikörper und nicht kommerzielle ELISA mit einer Nachweisempfindlichkeit von etwa 0,2 μg/l entwickelt. Im Vergleich mit einem bisherigen kommerziellen monoklonalen ELISA werden von diesem beide Proteine erfasst, SCCA2 aber nur schwach /43/.

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28.22 Thyreoglobulin (Tg)

Lothar Thomas

Tg ist ein großes Glykoprotein und im follikulären Kolloid der Schilddrüse gespeichert. Es handelt sich um ein Prohormon im intrathyreoidalen Syntheseweg von Schilddrüsenhormon. Siehe auch Beitrag 30.1 – Physiologische Schilddrüsenfunktion. Tg wird nur von normalen Thyreozyten und gut differenzierten Zellen eines Schilddrüsenkarzinoms synthetisiert. Da Tg nur von der Schilddrüse gebildet wird, hat es einen hohen klinischen Stellenwert als Organ spezifischer Tumormarker beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom (Differentiated thyroid carcinoma, DTC).

Zu den DTC zählen das papilläre und das follikuläre Karzinom, zu den weniger differenzierten das medulläre und das anaplastische Schilddrüsenkarzinom. Von den Schilddrüsenkarzinomen haben die differenzierten Formen einen Anteil von etwa 90 % (papillär 70–80 %, follikulär 10–20 %), der Anteil des medullären Karzinoms beträgt 2–5 %. Siehe auch Beitrag 28.12 – Calcitonin.

Die Inzidenz der Schilddrüsenkarzinome ist in Nordeuropa regional unterschiedlich und beträgt bei Frauen in Großbritannien 2,3 und bei Männern 0,9, in Österreich 10,8 bei Frauen und 4,4 bei Männern auf 100.000 Einwohner und Jahr.

28.22.1 Indikation

  • Verlaufskontrolle des differenzierten Karzinoms der Schilddrüse nach totaler Schilddrüsenablation durch Operation und Radiojodtherapie.
  • Destruierende Thyreoiditis.
  • Thyreotoxicosis factitia.
  • Unklare neonatale Hypothyreose (Verdacht auf fehlende Schilddrüsenanlage).

28.22.2 Bestimmungsmethode

Radioimmunoassay (RIA) /1/, immunometrischer Assay (IMA) /2/, ELISA /3/. Die Kalibration ist an die Standardpräparation CEM 457 angepasst.

Bestimmung von Tg unter Stimulation

Zur Beurteilung, ob nach Behandlung eines DTC noch funktionstüchtiges Tg bildendes Gewebe vorhanden ist, können folgende Prinzipien zur Erhöhung der diagnostischen Sensitivität angewendet werden:

  • Endogene Stimulation: Absetzen der Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormon für 4 Wochen vor der Blutentnahme zur Tg-Bestimmung. Nach Ablation der Schilddrüse werden die Patienten mit Schilddrüsenhormon behandelt, wodurch die Freisetzung von Tg durch eventuell nicht vollständig entferntes Schilddrüsengewebe unterdrückt wird. Durch das Absetzen der Therapie mit Schilddrüsenhormon steigt der supprimierte TSH Wert auf über 30 IU/l an und ist ein Stimulator der Tg-Bildung.
  • Die Verwendung eines hoch sensitiven Tg Tests (funktionelle Sensitivität 0,1 μg/l), der trotz Suppression der Tg Bildung durch Schilddrüsenhormon Therapie noch die Freisetzung kleiner Tg Konzentrationen misst.
  • Exogene Stimulation: Die Stimulation der Tg Bildung durch TSH. Es wird rekombinantes TSH (rTSH) in der Dosierung von 0,9 mg an zwei aufeinander folgenden Tagen intramuskulär verabreicht und Tg am Tag 5 nach der ersten Verabreichung gemessen.

28.22.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma: 1 ml

28.22.4 Referenzbereich

Serum/Plasma: 0,1–1 (2) μg/l /4/

Euthyreote Personen, normales TSH, Nichtraucher, keine palpable oder sichtbare Schilddrüse, keine familiäre Anamnese für Schilddrüsenkarzinom, keine Erhöhung von Thyreoglobulin- und Schilddrüsenperoxidase-Antikörpern.

28.22.5 Bewertung

Das Differentiated thyroid carcinoma (DTC) ist ein eher indolentes Karzinom mit geringer Morbidität und Mortalität. Die häufigste Präsentation ist ein schmerzloser Knoten der Schilddrüse oder ein vergrößerter Nackenlymphknoten. Manchmal ist auch eine entfernte Metastase die erste klinische Erscheinungsform. Histologische Typen des DTC sind:

  • Das follikuläre Karzinom, es tritt vorwiegend in Mangelgebieten von Jod auf und metastasiert bevorzugt hämatogen.
  • Das papilläre Karzinom. Es handelt sich um den häufigsten Typ bei ausreichender Jodversorgung. Die Metastasierung erfolgt vorwiegend lymphogen.

Die 10-Jahres Überlebensrate des papillären Typs beträgt 93 % und für den follikulären Typ 85 % /5/. Entfernte Metastasen treten bei 5–23 % der Patienten auf, sind die häufigste Ursache für Mortalität und die 10-Jahres Überlebensrate reduziert sich auf 25–48 % der Patienten /5/.

Bei Kindern macht das DTC 1,5–3 % aller Karzinome aus und hat eine jährliche Inzidenz von 0,5–1,5 auf 1 Mio. Die meisten Fälle werden in der Pubertät diagnostiziert. Bei Diagnosestellung ist die Malignität fortgeschrittener als bei Erwachsenen. So haben 20–60 % einen ausgedehnten Tumor, 40–80 % zervikale Lymphknoten und 20 % Lungenmetastasen /6/.

28.22.5.1 Tg beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom

Das primär diagnostische Verfahren zur Abklärung eine Schilddrüsenknotens oder eines vergrößerten Nackenlymphknotens ist die Feinnadelbiopsie. Das papilläre Karzinom kann gut zytologisch charakterisiert werden, schwieriger ist die Situation beim follikulären Karzinom, da es oft schwierig ist zwischen benignen follikulären Adenomen und follikulären Karzinomen sicher zu differenzieren. Obligat ist für das follikuläre Karzinom die Diagnose eines Gefäß- und Kapseleinbruchs, was aber nur im histologischen Präparat erkennbar ist /7/.

Da normale und maligne Follikelzellen der Schilddrüse Tg bilden und auch Knotenstrumen erhöhte Konzentrationen von Tg aufweisen, leistet das Tg keinen Beitrag zur Diagnostik der wenigen Karzinome aus der großen Zahl von gutartigen Knoten in Endemiegebieten. Bei noch vorhandener Schilddrüse ist die Bestimmung von Tg für die Tumordiagnostik wertlos. Nach einer Studie /8/ beträgt in der Differenzierung des malignen Knotens vom benignen bei einer Tg-Konzentration von ≥ 400 μg/l die Odds ratio für Malignität 2,36. Bei unklarer Feinnadelbiopsie spricht, wenn ein medulläres Karzinom, ein anaplastisches Karzinom oder ein Lymphom ausgeschlossen werden können eine Konzentration von Tg ≥ 75 μg/l zu 81 % für ein DTC /9/.

Die präoperative Bestimmung von Tg wird vor Operation eines DTC nach den American Thyroid Management Guidelines nicht empfohlen, da es keine Aussagen gibt, dass ein präoperativer Tg Wert für die postoperative Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle von Vorteil ist /10/.

Generell hat das DTC eine gute Prognose und hohe Heilungsrate nach Behandlung. 20–30 % der Patienten mit papillärem Schilddrüsenkarzinom entwickeln ein lokales oder distantes Rezidiv. Patienten mit diesem Karzinom und der BRAFV600E-Mutation haben einen aggressiveren Tumor und geringeren therapeutischen Erfolg /11/. Zum BRAFV600-Mutationsstatus siehe Tab. 28.22-1 – BRAFV600E-Mutationsstatus. Die Kenntnis von der Präsenz der Mutation vor einer Therapie ist deshalb wichtig und hat auch Einfluss zur Einteilung in high-risk and low-risk Patienten.

28.22.5.2 Therapiekontrolle des DCT

Die Konzentration von Tg im Serum reflektiert:

  • Die Masse des Schilddrüsengewebes.
  • Bei Präsenz eines Karzinoms das verbleibende gesunde Gewebe und das Tumorgewebe.
  • Das Ausmaß der Stimulation des TSH-Rezeptors.
  • Die Schädigung des Schilddrüsengewebes.

Die Probennahme zur Bestimmung von Tg sollte deshalb nicht früher als 4–6 Wochen nach einer Verletzung der Schilddrüse (Feinnadelbiopsie, Radiojodtherapie) oder Schilddrüsenablation erfolgen /13/.

Nach alleiniger operativer Therapie können normale Schilddrüsenreste verbleiben und geringe Mengen Tg bilden, die nach Absetzen der Therapie mit Schilddrüsenhormon oder nach Stimulation mit rTSH noch ansteigen /14/. Die höchste diagnostische Spezifität für eine Abwesenheit von Schilddrüsengewebe wird erzielt, wenn nach operativer Thyreoektomie eine Radiojodbehandlung erfolgt, um eventuelle Reste zu entfernen. Nach dieser Behandlung weist jedes detektierbare Tg auf einen neoplatischen Schilddrüsenherd hin. Zur Verbesserung der diagnostischen Sensitivität werden die Ultrasonographie des Nackens, die 131J-Ganzkörper-Szintigraphie und die Tg-Bestimmung unter rTSH-Stimulation oder nach Absetzen der Schilddrüsenhormon Therapie empfohlen. Die Erfolgskontrolle wird 3–6 Monate nach der Radiojodbehandlung durchgeführt.

Therapiekontrolle von Low-risk-Patienten

Diese Patienten haben ein Rezidivrisiko unter 1 % und benötigen keine 131J-Ganzkörper-Szintigraphie wenn folgende Befunde vorliegen /15/:

  • TNM-Klassifikation pT1–2 pn0 M0 und
  •  131J-uptake (nach 24 h) unter 2 % unter der Radiojodbehandlung und keine Jod-Speicherherde von restlichem Schilddrüsengewebe und
  • 3–5 Tage nach Ablation keine verdächtigen Speicherherde außerhalb der Schilddrüsenloge in der 131J-Ganzkörper-Szintigraphie und
  • Eine Tg-Konzentration unter 2 μg/l nach endogener oder exogener Stimulation bei Abwesenheit von Tg-Antikörpern.

Therapiekontrolle von High-risk-Patienten

Die Patienten haben ein geringes Rezidivrisiko und benötigen keine 131J-Ganzkörper-Szintigraphie wenn folgende Befunde vorliegen /14/:

  • Klinisch oder bildgebend kein Hinweis auf ein loco-regionäres Rezidiv oder Metastasen und
  • Tg unter Schilddrüsenhormon Medikation unter 2 μg/l bei Abwesenheit von Tg Antikörpern oder einer ungestörten Tg-Wiederfindung und
  • Tg unter endogener oder exogener Stimulation in der Nachsorge unter 2 μg/l ist.

Beide Patientengruppen machen ≥ 80 % der Gesamtzahl an Patienten mit Schilddrüsenkarzinom aus und können mit der Tg-Bestimmung unter Suppression und Ultraschall des Halses kontrolliert werden.

28.22.5.3 Verlaufsbeurteilung

Im Verlauf sollte die Dosis von Schilddrüsenhormon so reduziert werden, dass der Wert von TSH im Referenbereich liegt. Ein nicht nachweisbarer Tg Wert unter Schilddrüsenhormon Therapie schließt aber eine persistierende Erkrankung oder ein Rezidiv nicht aus. Ein nicht nachweisbarer Tg Wert unter TSH-Stimulation, z.B. zur Zeit eines 131J-Ganzkörper-Szintigramms nach kompletter Schilddrüsenablation weist mit hoher Sicherheit auf eine komplette und persistierende Remission hin /14/. Deshalb sollten eine gute Präzision im unteren Messbereich und eine funktionelle Sensitivität von unter 1 μg/l Voraussetzung der Bestimmung von Tg sein.

Entscheidend für die prognostische Einordnung eines Patienten sind die Tg Werte unter Stimulation mit TSH. Reproduzierbare Tg-Anstiege auch unterhalb 1 μg/l unter L-ThyroxinTherapie sollten Anlass zu einer Tg-Bestimmung unter Stimulation mit TSH sein.

Bis zu 20 % der Patienten, die klinisch frei von ihrer Erkrankung sind, haben ein basales Tg unter 1 μg/l, aber bei endogener oder exogener Stimulation Werte von ≥ 2 μg/l, und bei einem Drittel von diesen wird mit bildgebenden Verfahren eine persistierende oder rekurrende Erkrankung festgestellt, die im weiteren Verlauf einen Anstieg von Tg zeigt. Die restlichen zwei Drittel bleiben rezidivfrei und zeigen im weiteren Verlauf abfallende Tg Werte in den Stimulationstests /14/. Dagegen ist bei Patienten, die unter Stimulation mit TSH einen Anstieg von Tg auf 2–4 μg/l aufweisen, ein Ganzkörperszintigramm mit hoher 131J-Dosis zu diagnostischen und gleichzeitig therapeutischen Zwecken sinnvoll /15/.

In einer Studie /16/ wurde das Überleben von Patienten mit DTC und peripheren Metastasen untersucht. Die 10-Jahres- und 15-Jahres-Überlebensraten betrugen 70,6 % und 64,9 %. Unabhängige Prädiktoren des Überlebens waren jüngeres Alter, die chirurgische Entfernung von Nackenlymphknoten und ein rTSH stimulierter Wert des Tg unter 400 μg/l bei Diagnose der Metastasen.

Sensitive Tg-Bestimmung

Sensitive Tg-Tests mit einer funktionellen Sensitivität von 0,1 μg/l werden eingesetzt, um auch unter Therapie mit Schilddrüsenhormon eine persistierende oder rekurrende Erkrankung zu erkennen. Dabei sollen Tests mit einer funktionellen Sensitivität von 0,2–0,3 μg/l die beste Kombination von Sensitivität und Spezifität erzielen /17/. In einer Studie /18/ wurde Tg 6 Monate nach Schilddrüsenablation (Chirurgie plus Radiojod) mit einem sensitiven Test unter Schilddrüsenhormon-Therapie gemessen. Nicht messbares Tg sagte ein niedriges Risiko für ein Rezidiv voraus. Wurde Tg in der weiteren Verlaufsbeurteilung messbar, erhöhte sich dessen Konzentration in den nächsten 3–6 Monaten und war der Indikator eines rezidivierenden Karzinoms.

TENIS syndrome

Unter diesem Begriff wird das Problem verstanden, wenn DTC-Patienten trotz negativer 131J-Ganzkörper-Szintigraphie erhöhte oder ansteigende Konzentrationen von Tg zeigen. Bei Werten über 2–10 μg/l sollten alle modernen diagnostischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, und wenn keine operablen Metastasen nachweisbar sind, sollte empirisch eine hochdosierte Radiojodtherapie erfolgen /19/. In einer anderen Analyse /20/ wurde bei 44 % der Patienten mit negativer 131J-Ganzkörper-Szintigraphie und erhöhten Tg-Werten ein spontaner Rückgang der Werte beobachtet. Zeigten bei dem Rest bildgebende Verfahren keine Metastasen wurde bei Hochrisiko-Patienten eine Radiojodtherapie empfohlen, wenn unter rTSH-Stimulation die Tg-Werte über 5 μg/l betrugen oder über 10 μg/l nach Absetzen der Therapie mit Schilddrüsenhormon.

Nicht-detektierbares Tg bei sicherem Vorliegen eines DTC, auch unter Anwendung von Stimulationstests

Solche Fälle kommen vor, wenn das differenzierte DTC die Fähigkeit verliert Jod aufzunehmen und Tg zu bilden‚ z.B. wenn der Tumor wenig differenziert ist. Die TSH Werte sind dann sehr hoch.

28.22.5.4 Tg bei nicht karzinomatösen Erkrankungen der Schilddrüse

Das Verhalten von Tg bei nicht karzinomatösen Erkrankungen der Schilddrüse ist aufgeführt in Tab. 28.22-2 – Tg-Serumkonzentration bei nicht-karzinomatöser Schilddrüsenerkrankung.

28.22.6 Hinweise und Störungen

Blutentnahme

Die Blutentnahme etwa 1,5 Std. nach Feinnadelbiopsie der Schilddrüse führte zu einem temporären Anstieg des Tg von 7 μg/l auf 63,6 μg/l /23/.

Bestimmungsmethode

Der IMA und ELISA sind empfindlicher als der RIA und haben kürzere Inkubationszeiten. Die Tests sind auf den internationalen Referenzstandard CRM 457 kalibriert. Trotzdem zeigen internationale kollaborative Studien eine Differenz zwischen den kommerziellen Tests mit maximalen Unterschieden von 40–60 %. Ursache ist eine molekulare Heterogenität des Tg bei DTC Patienten, somit ist die Antikörperspezifität different, was zu einem Bias zwischen den Testen führt /4/.

Der Vergleich der TG-Bestimmung mit Massenspektrometrie, zwei TgRIA und zwei immunometrischen Assays bei Patienten mit Antikörpern gegen Tg ergab folgende Ergebnisse /24/:

  • In Tg-Antikörper negativen Proben war die diagnostische Sensitivität 100 % bei einer Spezifität von 74–100 % bei allen Proben und Methoden.
  • Bei Tg-Antikörper positiven Proben zeigten alle Methoden für Tg zu niedrige Werte (41–86 %) im Vergleich zur Massenspektrometrie (Grenzwert 0,5 μg/l).
  • Schlussfolgerung: Tg Immunoassays sind die Methode der Wahl in Tg-Antikörper negativen Proben. Bei Tg-Antikörper positiven Proben wird massenspektrometrisch in Proben mit im Immunoassay nicht messbarem Tg doch die Präsenz von Tg gemessen.

Analytische Sensitivität: Sie beträgt bei den IMA und ELISA 0,01–0,02 μg/l (definiert als der Mittelwert plus die 2-fache Standardabweichung des Nullkalibrators).

Funktionelle Sensitivität: Sie beträgt bei den IMA und ELISA 0,06–0,10 μg/l (definiert als die niedrigste Tg-Konzentration mit einem Interassay-Variationskoeffizienten von 20 %).

High dose hook effect: Insbesondere bei den IMA kann es bei Tg-Werten über 1.000 μg/l zu falsch niedrigen oder normalen Resultaten kommen. Die Probe sollte deshalb auch in einer Verdünnung 1 plus 9 Teile Verdünnungsmittel analysiert werden.

Störfaktoren

Heterophile Antikörper: Bis zu 3 % der Patientenproben enthalten heterophile Antikörper. Diese können Tg-Konzentration unter 1 μg/l vortäuschen. Sie verursachen falsch negative Ergebnisse im IMA und falsch positive in kompetitiven Tests wie dem RIA. Durch Inkubation der Probe in Heterophile blocking tubes kann die Störung durch heterophile Antikörper zurückgedrängt werden.

Thyreoglobulin (Tg)-Antikörper: Diese Antikörper sind der größte Störfaktor in der Tg-Analytik. Sie werden bei über 10 % der Bevölkerung beobachtet. Gestört wird besonders der IMA, bei dem fälschlicherweise zu niedrige Werte gemessen werden. Deshalb sollte in den Proben die Untersuchung auf Tg-Antikörper vor der Tg-Bestimmung durchgeführt werden. In der Regel verschwinden die Tg-Antikörper in den ersten Jahren nach totaler Schilddrüsenablation. Persistierende Tg-Antikörper sind auf eine persistierende Erkrankung oder ein Tumorrezidiv verdächtig. Es besteht keine Beziehung zwischen der Höhe der Tg-Antikörperkonzentration und dem Ausmaß der Störung der Tests.

Ist der Tg-Antikörpertest positiv, wird eine Messung der Tg-Wiederfindung durchgeführt. Zur Erkennung einer Beeinflussung der Tg-Bestimmung durch Tg-Antikörper der Probe wird folgender Weg beschritten: Zugabe einer definierten Menge von Tg zur Patientenprobe. Verdächtig auf eine Beeinflussung der Tg-Bestimmung sind Ergebnisse außerhalb einer Wiederfindung von 100 ± 30 %. In einem solchen Falle ist das Ergebnis der Tg-Bestimmung nicht verwertbar.

Stabilität

Bei 20 °C 48 h bei 4–8 °C 1 Woche.

28.22.7 Pathophysiologie

Das humane Tg ist ein 670 kDa dimeres Glykoprotein aus zwei identischen Untereinheiten und das Produkt der follikulären Schilddrüsenzellen. Es hat 20 Asparagin-gebundene verzweigte Oligosaccharidketten. Diese wie auch die Peptidreste sind phosphoryliert oder sulfatiert und tragen zur Variabilität des Moleküls bei. Zusätzlich ist noch eine variable Menge Jod an die Tyrosinreste des Proteins gebunden. Der Jodeinbau ist von der Jodversorgung des Organismus, dem Jodtransport in die Follikel und der katalytischen Aktivität der Thyreoperoxidase abhängig. Siehe auch Beitrag 30.1 – Physiologische Schilddrüsenfunktion. Tg dient als Matrix für die Hormonsynthese der Schilddrüse, unterliegt in unterschiedlichem Ausmaß einer posttranslationalen Jodierung und dient als Speicher für Schilddrüsenhormonr in Form des Kolloids in den Follikeln.

Schilddrüsenkarzinome, speziell diejenigen, die sich von den follikulären Zellen ableiten, bilden ein Tg mit zusätzlicher komplexer Antigenität. Die Verzweigung der Oligosaccharidketten ist im Vergleich zum Gesunden unterschiedlich und die Jodierung vermindert. Da die Referenzpräparation von gesunden Follikeln stammt ist es verständlich, dass die verschiedenen kommerziellen Tests bei Patienten mit DTC teils differente Tg-Werte messen.

Da die Transkription des -Gens Tg und die Synthese des Proteins Tg über den TSH Rezeptor gesteuert werden, ist es verständlich, dass eine Tg Restaktivität nach Schilddrüsenablation am sensitivsten unter TSH Stimulation detektiert wird.

Die Bestimmung molekularer Marker (BRAF, RAS, RET-PC, Pax8-PPARg oder Galactin 3) sollte nach den American thyroid guidelines nur in Betracht gezogen werden, wenn die Feinnadelbiopsie ein indifferentes Ergebnis erbringt /10/.

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28.23 Pro Gastrin-releasing Peptide (ProGRP)

Lothar Thomas

Gastrin-releasing peptide (GRP) ist ein Hormon mit ubiquitärer Verbreitung im Gastrointestinaltrakt, dem Zentralnervensystem und den Lungen. Es wird auch von Zellen des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (Small cell lung cancer, SCLC) gebildet. Auf Grund der Instabilität von GRP ist es aber nicht möglich, GRP als Tumormarker für das SCLC in der klinischen Routinediagnostik einzusetzen.

Das -Gen GRP kodiert die Vorstufe des GRP, das ProGRP. Dieses besteht aus dem Signalpeptid, dem nativen GRP (1–27), einem spaltbaren Stück (28–30), einer konstanten Region (31–98) und einer variablen carboxyterminalen Region, die aus alternativem RNA Splicing resultiert. Da die konstante Region nicht homolog mit anderen Proteinen ist, hat sich ihre quantitative Bestimmung als eine wertvolle diagnostische Messgröße zur Diagnostik, Vorhersage der Prognose, in der Verlaufsbeobachtung und Therapiekontrolle des SCLC etabliert /1/.

28.23.1 Indikation

  • Verdacht auf Bronchial-(Lungen-) Karzinom.
  • Differentialdiagnostik des Lungenkarzinoms.
  • Unklarer Rundherd der Lunge.
  • Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle des SCLC.
  • Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle des medullären Schilddrüsenkarzinoms.

28.23.2 Bestimmungsmethode

Kompetitiver ELISA auf Mikrotiterplatte unter Verwendung eines monoklonalen Antikörpers gegen ProGRP 31–98 /2/.

Automatisierte Tests, z.B. ein Zweischritt Sandwich-Assay. ProGRP der Probe wird an paramagnetische Partikel über die beiden monoklonalen Antikörper 3G2 (Aminosäuren 84–88 des ProGRP) und 2B10 (Aminosäuren 71–75 des ProGRP) gebunden. Die Detektion des Partikel gebundenen ProGRP erfolgt über einen Acridiniumester markierten Antikörper, der gegen die Aminosäuren 40–60 des ProGRP gerichtet ist /3/.

28.23.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Heparinplasma, EDTA-Plasma, abhängig von den Angaben des Testkit-Herstellers: 1 ml

28.23.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 28.23-1 – Grenzwerte von ProGRP.

28.23.5 Bewertung

ProGRP kann bei benignen und malignen Erkrankungen erhöht sein (Tab. 28.23-2 – ProGRP-Werte bei Gesunden und Patienten mit malignen Tumoren).

Das SCLC ist eine schnell wachsende aggressive Neoplasie und die Patienten haben bei der Vorstellung schon oft Metastasen in den Lymphknoten oder in peripheren Organen. Der Tumor hat eine gute Sensitivität gegenüber der Chemo- und Strahlentherapie, was wahrscheinlich auf einer neuroendokrinen Differenzierung des SCLC beruht. Gegenüber den nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (Non-small cell lung cancer, NSCLC) hat das SCLC eine differente Prognose und wird anders therapiert. Es ist deshalb wichtig Tumormarker zur Verlaufs- und Therapiekontrolle beim Lungenkarzinom zu haben, die eine Differentialdiagnostik, Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle ermöglichen. Bewährt haben sich für /5/:

  • Das NSCLC die Marker CYFRA 21-1, CEA und SCCA.
  • Das SCLC die Marker NSE und ProGRP.

Ausgenommen dem ProGRP ist der Nachteil der Marker /5/:

  • Ein Mangel an Krebsspezifität, denn pathologische Werte wie beim Lungenkarzinom werden auch bei anderen malignen Tumoren beobachtet.
  • Der Mangel an diagnostischer Sensitivität in der Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle, so dass zwei und mehr Tumormarker eingesetzt werden.
  • Es besteht keine klare Beziehung zwischen dem histologischen Typ des Tumors und dem Tumormarker. So findet man zwar deutlich höhere CEA Werte bei Adenokarzinomen und höhere Konzentrationen von CYFRA-21-1 bei den Plattenepithelkarzinomen, aber auch bei anderen histologischen Typen und dem SCLC können beide erhöht sein.

NSE ist zwar ein wichtiger Tumormarker beim SCLC, sowohl für die Prognose als auch in der Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle, aber nachteilig ist die geringe Sensitivität bei Limited disease (10–20 %).

28.23.5.1 ProGRP bei Gesunden und bei benignen Erkrankungen

Abhängig von der Studie können gesunde Personen ProGRP-Werte, vereinzelt bis 75 ng/l haben /7/, in anderen Untersuchungen wurden keine Werte über 50 ng/l beobachtet /5/.

Etwa 10 % der Patienten mit benignen Erkrankungen haben ein ProGRP über 50 ng/l /5/. Es handelt sich vorwiegend um Patienten mit Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und um Niereninsuffiziente (Tab. 28.23-2 – ProGRP-Werte bei Gesunden und Patienten mit malignen Tumoren).

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion werden Konzentrationen bis 350 ng/l gemessen /8/. Bei benignen gastrointestinalen Erkrankungen, urologischen Erkrankungen und infektiösen Prozessen mit einer deutlichen CRP Erhöhung werden ProGRP-Werte bis zu 140 ng/l beobachtet. Bei benignen Erkrankungen der Brust und der Lunge können Werte bis 80 ng/l auftreten.

28.23.5.2 ProGRP bei malignen Erkrankungen, ausgenommen der Lunge

Bei malignen Erkrankungen, die nicht die Lunge betreffen, werden ein erhöhtes ProGRP ohne Bezug zum Tumostadium bestimmt. Das ist der Fall bei kleinzelligen neuroendokrinen Tumoren wie dem Ösophaguskarzinom oder dem Prostatakarzinom /9/. Besonders stark können die Erhöhungen beim medullären Schilddrüsenkarzinom sein /10/.

28.23.5.3 ProGRP beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC)

Das SCLC is eine schnell wachsende aggressive Neoplasie und in einem Teil der Fälle stellen sich die Patienten schon mit Lymphknotenschwellung und peripheren Metastasen vor. Der Tumor zeigt eine gute Reaktion auf Chemo- und Radiotherapie, was auf einer neuroendokrinen Differenzierung des Tumors beruhen soll. Die Prognose und die Therapie des SCLC unterscheiden sich vom Nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC). Deshalb haben die verfügbaren Tumormarker, die eine Differenzierung und Beurteilung des Verlaufs und der Therapie ermöglichen eine Bedeutung.

Wichtige Tumormarker sind /5/:

  • Cyfra 21-1, CEA und SCCA beim NSCLC.
  • NSE und ProGRP beim SCLC.

Ausgenommen dem ProGRP haben die genannten Marker folgende Nachteile /5/:

  • Mangel an Tumorspezifität, da abnorme Ergebnisse nicht nur beim Bronchialkarzinom, sondern auch bei anderen Tumoren vorkommen.
  • Mangel an diagnostischer Sensitivität in der Verlaufs- und therapeutischen Beurteilung; oft ist mehr als ein Marker erforderlich.
  • Keine klare Korrelation zwischen dem histologischen Tumortyp und dem Tumormarker. So wird eine deutliche Erhöhung des CEA beim Adenokarzinom und von Cyfra 21-1 beim Plattenepithelkarzinom gemessen, aber beide Tumormarker können auch bei anderen histologischen Typen und dem SCLC erhöht sein.
  • NSE ist beim SCLC ein wichtiger Tumormarker bezugnehmend Diagnose, Prognose, Verlaufs- und Therapiebeurteilung, hat aber den Nachteil der niedrigen diagnostischen Sensitivität bei der Limited disease (10–20 %).
28.23.5.3.1 ProGRP in der Primärdiagnostik des SCLC

ProGRP erreicht bei etwa 150 ng/l eine diagnostische Spezifität von 100 %. Nach einer Studie /5/ haben 73 % der Patienten mit SCLC Werte von ProGRP über 50 ng/l, davon 65 % mit Limited disease (LD) und 78 % mit Extended disease (ED). Die Konzentrationen von ProGRP waren bei allen Patienten 598 ± 1.448 ng/l, bei LD 286 ± 423 ng/l und bei ED 799 ± 1.809 ng/l.

In einer anderen Studie /6/ betrug bei LD und einem Grenzwert von 49 ng/l die diagnostische Sensitivität 79,7 % im Vergleich zu 57,8 % für NSE.

Nach einer Metaanalyse /11/ beträgt die diagnostische Sensitivität von ProGRP für das SCLC 72 % (70–75 %; 95 % Konfidenzintervall) bei einer Spezifität von 93 % (92–94 %). Generell zeigt die Freisetzung von ProGRP keine Korrelation zum Tumorstadium, und ProGRP wird bereits im Stadium LD mit ähnlich hoher Empfindlichkeit wie im Stadium ED freigesetzt.

Abb. 28.23-1 – ROC Analyse zur Differenzierung von Patienten mit SCLC von Gesunden durch unterschiedliche Serummarker

28.23.5.3.2 ProGRP in der Differentialdiagnose von Lungenrundherden

Beim NSCLC wird über Erhöhungen von ProGRP in unterschiedlicher Häufigkeit berichtet:

  • 14 % bei einem Grenzwert von 35 ng/l /12/.
  • Etwa 30 % mit Werten über 50 ng/l /5/.

Die Abgrenzung des SCLC vom NSCLC erfolgte mit einer diagnostischen Sensitivität von 78,4 % bei einer Spezifität von 95 %, die diagnostische Sensitivität von NSE betrug nur 48,6 % /13/.

Über einem Grenzwert von 46 ng/l lagen 80 % von 233 Patienten mit SCLC und 8,1 % von 421 Patienten mit NSCLC /13/. Die Patienten mit NSCLC hatten histologisch entweder ein Adenokarzinom, ein Plattenepithelkarzinom oder ein großzelliges Karzinom. Es wurde angenommen, dass die ProGRP Freisetzung dieser Karzinome auf einer neuroendokrinen Differenzierung beruhte.

Lungenmetastasen anderer, nicht kleinzelliger Primärtumore können eine geringe ProGRP Freisetzung mit Konzentrationen unter 100 ng/l bewirken /7/.

28.23.5.3.3 ProGRP in der Verlaufs- und Therapiekontrolle

Unter Chemotherapie kommt es zu einem Abfall von NSE, CYFRA 21-1 und ProGRP. Das ProGRP reagiert empfindlicher als die anderen Marker und zeigt unter Chemotherapie einen kontinuierlichen Abfall, während die anderen Marker Fluktuationen im oder um den Referenzbereich zeigen. Die Patienten mit Remission hatten zu einem größeren Anteil ein erhöhtes ProGRP im Vergleich zum NSE /6/.

Zum Zeitpunkt der Rezidivierung eines SCLC hat ProGRP mit 74 % die höchste diagnostische Sensitivität in der Entdeckung des Rezidivs im Vergleich zu NSE (32 %) und CEA (56 %) /15/. Bemerkenswert ist, dass bei allen Patienten, bei denen ProGRP durch den Primärtumor freigesetzt wird, auch zum Zeitpunkt des Tumorrezidivs wieder eine gesteigerte ProGRP Freisetzung auftritt (12 % falsch negative NSE-Befunde, 6 % für CEA).

Im Krankheitsverlauf bei Patienten mit Lungentumoren kommt es zu einem Markeranstieg /16/:

  • Beim SCLC zu 51 % von ProGRP, aber nur zu 25,5 % von NSE.
  • Beim NSCLC zu 8,6 % von ProGRP, aber zu 55,7 % von CYFRA 21-1.

Ein additiver Effekt liegt mit einer diagnostischen Sensitivität von 79 % vor, wenn ProGRP und NSE bestimmt werden.

28.23.5.4 ProGRP beim medullären Schilddrüsenkarzinom

Beim medullären Karzinom der Schilddrüse (MTC) handelt es sich um einen neuroendokrinen Tumor. Etwa 5–10 % der Schilddrüsenkarzinome beruhen auf einer malignen Transformation der parafollikulären C-Zellen der Schilddrüse. Die hereditären Formen (25 %) beruhen auf einer multiplen endokrinen Neoplasie 2A oder 2B und sind Teil des familiären MTC, basierend auf einer spezifischen Keimzellmutation des RET Proto-Onkogens. Calcitonin ist der wesentliche Tumormarker, sowohl in der Diagnostik als auch der Verlaufs- und therapeutischen Beurteilung des MTC. Etwa 50 % der MTCs bilden auch CEA. In einer Studie /18/ waren die Konzentration von ProGRP im Serum höher bei einer aktiven Erkrankung (Median 880 ng/l) im Vergleich zu Patienten mit ausgeheiltem MTC (Median 74,8 ng/l) und gesunden Kontrolle ohne MTC (Median 46,3 ng/l).

28.23.6 Hinweise und Störungen

Untersuchungsmaterial

Bei einigen Tests bestehen erhebliche Unterschiede in der Wertelage von ProGRP in Abhängigkeit von der Probe. So waren mit dem unter Lit. /3/ beschriebenen Test die Plasmawerte im Mittel um 103 % höher als im Serum und bei Patienten mit SCLC wieder relativ stärker erhöht als bei denjenigen mit benignen Erkrankungen /17/. Deshalb ist es wichtig, die Vorgaben des Herstellers bezugnehmend des Probengutes zu beachten.

Bestimmungsmethode

ProGRP wird mit ng/l in sehr geringen Proteinmengen nachgewiesen, daher ist die intraindividuelle Schwankung der ProGRP Freisetzung bei Werten unter 20 ng/l hoch. Somit sollten Anstiege von ProGRP in Wertlagen unterhalb des Medians bzw. der 95 %-Perzentile gesunder Kontrollpersonen nicht überbewertet werden.

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Tabelle 28.1-1 Altersabhängige Inzidenz häufiger Krebsarten in Großbritannien

Krebs

Inzidenz*

Männer

Frauen

20 J.

40 J.

60 J.

80 J.

20 J.

40 J.

60 J.

80 J.

Prostata

< 0,1

0,2

60

500

Mund/Pharynx

< 0,1

0,2

2

10

< 0,1

< 0,1

0,2

8

Ösophagus

< 0,1

1,0

10

70

< 0,1

1,0

8

50

Magen

< 0,1

4,0

70

200

< 0,1

2,0

15

100

Kolon

0,7

9,0

90

300

0,7

9,0

90

200

Leber

< 0,1

0,6

3

10

< 0,1

0,3

1

6

Pankreas

< 0,1

1,0

20

90

< 0,1

1,0

10

70

Lunge

0,2

10,0

300

600

0,2

7,0

70

70

Haut

0,6

10,0

100

300

0,6

10,0

70

150

Mamma

< 0,1

0,2

1

4

0,5

70,0

100

200

Blase

0,6

8,0

90

150

< 0,1

1,0

10

60

Leukämie

2,0

2,0

10

30

2,0

20

8

20

NHL

1,0

3,0

10

20

0,8

2,0

8

15

Ovar

1,0

10

50

50

Cervix

0,5

20

20

15

* Bezogen auf 1 Million Einwohner und Jahr; NHL, Non Hodgkin-Lymphome

Tabelle 28.1-2 Inzidenz häufiger Krebsarten* /12/

Krebs

West-Europa

Japan

USA

Andere

Gesamt

Magen

113

75

22

471

682

Lunge

169

18

103

300

591

Mamma

142

12

105

282

541

Kolon

143

18

111

228

506

Zervix

28

10

16

400

460

LL

72

10

58

257

397

MP

35

3

26

275

393

Ösophagus

20

6

8

261

296

Leber

18

11

5

225

259

Prostata

335

42

233

969

197

Andere

335

42

233

969

1.600

* Angaben in Tausend pro Jahr.

LL, Leukämien und Lymphome; MP, Mund und Pharynx

Tabelle 28.1-3 Prozentuale Verteilung häufiger Krebsarten in Deutschland /11/

Männer (%)

Frauen (%)

Lunge

19,5

Mamma

20,5

Haut

19,2

Haut

17,1

Prostata

8,1

Kolon

9,2

Magen

5,9

Magen

5,0

Kolon

5,8

Uterus

4,4

Blase

4,9

Rectum

4,2

Rectum

3,9

Lunge

4,0

Pankreas

2,1

Ovar, Tuben

3,6

Harnorgane

2,1

Gallenblase

3,0

Lymphknoten

2,1

Zervix

2,8

Tabelle 28.1-4 Klassifizierung der Tumoren nach dem TNM-System /3/

T

=

Primärtumoren

T1

=

Kleiner Tumor, keine Umgebungsverwachsung

T2

=

Mittelgroßer Tumor, geringe Umgebungsverwachsung

T3

=

Großer Tumor, starke Umgebungsverwachsung

T4

=

Sehr großer Tumor, ausgedehnte Umgebungsverwachsung

N

=

Lymphknotenmetastasen

N0

=

Keine Lymphknotenmetastasen

N1

=

Regionale, nur ganz nahe, unverwachsene Lymphknotenmetastasen

N2

=

Regionale, verwachsene Lymphknotenmetastasen

N3

=

Ausgedehnte, verwachsene Lymphknotenmetastasen

Nx

=

Regionale Lymphknoten nicht beurteilbar

M

=

Fernmetastasen

M0

=

Keine Metastasen nachweisbar

M1

=

Fernmetastasen vorhanden

Mx

=

Vorliegen von Fernmetastasen nicht beurteilbar

Die Bezeichnung T3N2M1 bedeutet: Großer Tumor mit starker Umgebungsverwachsung sowie regional verwachsene Lymphknotenmetastasen und Organmetastasen.

Tabelle 28.2-1 Auswahl an Protoonkogenen, Onkogenen und Tumorsuppressor /7/

Onkogene und Onkogenprodukte

Per definitionem ist das Onkogen ein Gen, dessen abnorme Expression oder dessen Genprodukt zu einer malignen Transformation der Zelle führen. Zell-bezogene Onkogenprodukte sind Wachstumsfaktoren, Rezeptoren und Nicht-Rezeptor Protein-Tyrosinkinasen, zytoplasmatische Protein-Serinkinasen und zytoplasmatische Regulatoren /4/.

HER2
HER2 (Human Epidermal growth factor Receptor 2), wird auch als c-webB2, ERBB2 und CD340 bezeichnet. Das Gen HER2 kodiert den endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor (p185). Eine onkogene Mutation von HER2 kodiert eine verstümmelte Form des endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) mit einer zytoplasmatischen Domäne die fortwährend aktiv ist. Zellen, die das Onkogen exprimieren verhalten sich so, als wenn sie kontinuierlich das Signal zur Proliferation erhalten, obwohl das nicht der Fall ist (kein EGFR ist vorhanden). Etwa 20 % der Frauen mit Mammakarzinom haben eine starke Zunahme von EGFR, wodurch eine Steigerung der Wachstumssignale induziert wird, die ein unkontrolliertes Wachstum der Zellen verursacht /12/. Ein gegen EGFR gerichteter Antikörper hemmt das Wachstum der Tumorzellen und markiert diese so, dass sie vom Immunsystem erkannt werden.

EGFR
Somatische Mutationen in der Kinasedomäne des Gens des Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) werden bei etwa 40 % der Asiaten und 17 % der Kaukasier mit einem Bronchialkarzinom (Adenokarzinom) nachgewiesen. Der EGFR ist ein Tyrosinkinase-Rezeptor der ERBB-Familie und besteht aus vier Mitgliedern: EGFR (auch bekannt als ERBB1/HER1), ERBB2/HER2/NEU, ERBB3/HER3 und ERBB4/HER4. Spezifische Liganden binden an die extrazelluläre Domäne von EGFR, was zur Bildung von Homodimeren und Heterodimeren führt. Eine Dimerisierung stimuliert die intrinsische Tyrosinkinaseaktivität des Rezeptors und triggert die Autophosphorilierung spezifischer Tyrosinreste. Signalüberträger wie MAPK, PL3K-AKT, STAT3 und STAT5 initiieren nach abwärts gerichtete Signale und regulieren die Proliferation oder Apoptose der Zelle /13/.

ERBB2
Das Gen ERBB2 (v-erb-b2 erythroblastic leukemia viral oncogene homolog 2), gewöhnlich auch als HER2 bezeichnet, ist auf Chromosom 17q21 lokalisiert und kodiert den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2, ein transmembranes Glykoprotein. HER2 ist ein Protein der Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren, deren Mitglieder eine Rolle in der Regulation wichtiger Vorgänge wie Zellwachstum, Überleben und Differenzierung von Zellen spielen. Die Überproduktion des Wachstumsfaktor-Rezeptors HER2 spielt eine wichtige Rolle als prognostischer Marker und in der Kombination mit anderen Tumormarkern. Bei 20–30 % der Frauen mit Mammakarzinom wird eine Vermehrung des Gens ERBB2 bestimmt /14/.

FLT3
Das Gen Fms-like tyrosine kinase 3 (FTL3) kodiert den Rezeptor FTL3, der an der Oberfläche der Zellmembran gelegen ist. Der Rezeptor enthält eine Tyrosinkinase, die wichtig für die Funktion myeloischer Zellen ist. Für die Ausbildung der akuten myeloischen Leukämie können Mutationen im Gen FTL3 verantwortlich sein.

BCR-ABL
Die Tyrosinkinase BCR-ABL1 (Abelson murine leukemia viral oncogene homolog 1) ist ein wichtiges Element der Signaltransduktion. ABL1 ist ein Produkt des Gens c-ABL. Durch den Austausch von Fragmenten zwischen dem Chromosom 9 (enthält das Gen c-ABL) und dem Chromosom 22 (enthält das Gen BCR) entsteht das Gen BCR-ABL das auf dem neu entstandenen Philadelphia Chromosom gelegen ist. Das durch Bildung des Philadelphia Chromosoms entstandene neue Onkogen wird bei der Mehrzahl der Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie (CML) diagnostiziert. Das Gen BCR-ABL kodiert das Enzym BCR-ABL-Tyrosinkinase. Inhibitoren gegen dieses Enzym (Imatinib, Dasatinib, Nilotinib) sind effektiv in der Behandlung der CML.

β-CATENIN
WNT ist ein Signalprotein und die Komponente eines Signalwegs, der eine Funktion in der Entwicklung der Zellen, z.B. bei der Embryogenese, hat. Das Protein ist in die Zell-Zelladhäsion und die Aktivierung von Wegen der Signalübermittlung involviert. Das Tumorsuppressor Protein APC wirkt auf einen Proteinkomplex der das β-Catenin abbaut. Bei der familiären adenomatösen Polyposis wird durch Mutation im Gen APC die Degradierung von β-Catenin geblockt, in dem seine Phosphorylierung gehemmt wird. Freies β-Catenin im Plasma translociert in den Zellkern und aktiviert dort die Zellproliferation.

BRAF
Das Protoonkogen B-RAF oder V-RAF murines Sarkoma virale Onkogen Homolog B1 (BRAF) kodiert die Serin/Threonin Kinase B-RAF, die vom Gen BRAF kodiert wird. Das mutierte Protoonkogen kann beim malignen Melanom, dem kolorektalen Karzinom und dem kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) nachweisbar sein. Bei etwa der Hälfte der Patienten mit einem papillären Schilddrüsenkarzinom ist BRAFV600E nachweisbar /15/.

RTKs
Rezeptor Tyrosinkinasen (RTKs) spielen eine wichtige Rolle bei der normalen Entwicklung. Einige RTKs (ALK, NTRKs, RET, EGFR und IGFR) spielen eine gewisse Rolle in der malignen Transformation und Progression beim Neuroblastom /16/.

VEGF, VEGFR
Der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) und sein Rezeptor VEGFR spielen ein wichtige Rolle in der physiologischen und pathologischen Angiogenese (z.B. des Karzinoms). Der VEGF reguliert die Angiogenese und die Permeabilität der Gefäße durch Aktivierung des VEGFR. Beim VEGFR handelt sich um einen typischen Tyrosinkinase Rezeptor (TKR) mit einer extrazellulären Domäne zur Bindung des Liganden, einer transmembranen Domäne und einer zytoplasmatischen Domäne inklusiv der Tyrosinkinase Domäne.

Der VEGF übt eine Hypoxie abhängige Kontrolle der Gentranskription aus. Die Aktivität des VEGF wird durch die TKRs VEGFR1 (FLT1), VEGFR2 (FLK1-KDR) und VEGFR3 (FLT4) vermittelt. VEGF stimuliert die Angiogenese bei vielen Karzinomen.

Die Anwendung von Inhibitoren des Übertragungswegs von VEGF sind ein rationales therapeutisches Mittel. Inhibitoren von VEGF oder des VEGFR haben den gleichen Wirkansatz, die Hemmung der Signalübertragung. VEGF-Inhibitoren binden an das Signalmolekül, Inhibitoren des VEGFR binden direkt an den Rezeptor. Die Inhibitoren gehören zu einer der beiden Gruppen; Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper und alle anderen sind Tyrosinkinase Inhibitoren (TKIs).

Eine Deletionen im Exon 19 wird bei 10–15 % der Patienten mit Non small lung carcinoma (NSCLC), der wesentlichsten Untergruppe (etwa 75 %) der Bronchialkarzinome gefunden. Defekte in der Ligandenbindungsdomäne des EGFR, die auf Deletionen im Gen VEGFR beruhen, führen zu einer kontinuierlichen Stimulierung des Rezeptors, ohne dass ein Ligand gebunden wird. Der aktivierte Rezeptor phosphoryliert das Tyrosin seiner intrazellulären Domäne. Es entstehen Interaktionsstellen für zytopoplasmatische Proteine. Die Interaktionen deregulieren und aktivieren die intrazelluläre Signalgebung auf verschiedene Art. Aktivierende Mutationen erfolgen in den drei anderen Mitgliedern der EGFR-Familie (ERBB2, ERBB3 und ERBB4) und in den Kinase Domänen von HER2- Signalrezeptoren und KIT-Signalrezeptoren /17/.

Myc
Das Protoonkogen Myc vermittelt die Zellproliferation, wird aber durch intrisische Suppressor-Mechanismen, die oft eine Apoptose triggern begrenzt. Deshalb benötigt Myc genetische oder epigenetische Hilfe (Überexpression von BCL2) um die Apoptose zu hemmen und eine Tumorgenese zu induzieren. Signalübermittlungswege, die durch Nahrungsmittel, Wachstumsfaktoren oder mitogene Stimuli aktiviert wurden, leiten ihre Signale aus den Phosphorylierungskaskaden direkt an Myc weiter. Die Deregulation der Myc-Genexpression ist einer der häufigsten Befunde, der bei über 50 % der Karzinomfälle gefunden wird. Wenn der Growth factor receptor complex durch die zytoplasmatische Phosphorylierungskaskade aktiviert wurde, werden im Zellkern frühe und verzögerte Antwortgene induziert. Frühe Antwortgene sind die Myc-Protoonkogene, die im Zellkern ein Gen-regulatorisches Protein kodieren. Erfolgt durch Mutation eine Überexpression, wird verhindert, dass die Zelle in die G0-Ruhephase geht und es erfolgt eine unkontrollierte Proliferation. Nicht selten kooperieren die Onkogene Myc und Bcl-2 und machen eine Zelle kanzerös /18/.

PI3K (phosphoinositide 3-Kinase) and AKT
Zellen antworten über den PI3K-AKT-Signalweg auf auf Zytokine, G-Protein gekoppelte Rezeptorliganden, Wachtumsfaktoren und zellulären Stress. Aktiviert werden Proteine, die in die Zellproliferation und die Verhinderung der Apoptose involviert sind. Die PI3K katalysiert die Phosphorylierung von Phosphatidylinositol-3,4-Bisphosphonat (PIP2) zum Phosphatidylinositol-3,4,5-Triphosphonat (PIP3). PIP3 verankert Mitglieder der AKT-Proteinkinase an der Zellmembran zur Phosphorylierung. PIK3 ist eng mit der Ausbildung von Karzinomen assoziiert und AKT ist ein Onkogen /19/.

KRAS (Kirsten rat sarcoma viral oncogene homologue)
Etwa 30 % humaner Tumoren sind mit KRAS, einem der am häufigsten mutierten Onkogene assoziiert (Pankreas 95 %, kolorektal 50 %, Adenokarzinom der Lunge 32 %). Die Gene KRAS, HRAS und NRAS kodieren die Ras-Proteine, die Signale vom Wachstumshormon-Rezeptoren in den Zellkern weiterleiten. Ras-Proteine sind Mitglieder der Familie der Guaninnukleotid-Bindeproteine. Gebunden an Guanosindiphosphat (GDP) sind Ras-Proteine inaktiv. Die Aktivierung des Wachstumshormon-Rezeptors führt zur Stimulation von Guaninnukleotid-Exchangefaktoren (GEFs) wodurch GDP durch GTP ersetzt wird. Im Zustand Ras-Protein-GTP bindet und aktiviert Ras-Protein viele Aktivatoren inklusive der Raf-Familie der Kinasen und der Phosphatidylinositolkinase, die wiederum Aktionen stimulieren, die zu einer Zellproliferation führen. Die Ras-Protein-GTP-Aktivierung ist nur transient, denn sie hat eine endogene Nukleotidaseaktivität (Guanosintriphosphatase; GTPase), die den Signalweg abschaltet in Form der Umwandlung von Ras-Protein-GTP in Ras-Protein-GDP. Die meisten RAS-Mutationen vermindern die Aktiviät der GTPase was zu einer Erhöhung des Ras-Proteins führt /20/.

Punktmutationen in den Codons 12, 13 oder 61 transformieren die Gene von RAS in RAS-Onkogene und führen zu Aminosäureänderungen im Ras-Protein.

c-SRC
Das Src-Protein ist wie die Ras-Proteine ein zytoplasmatischer Mediator, der eine Rolle in der Karzinogenese kolorektaler Karzinome und des Adenokarzinoms des Oesophagus spielt /20/.

PARP
Keimbahnmutationen kodieren Gene (BRCA1, BRCA2, BLM, FANCA, TP53, RAD51 und MSH2), die wesentliche Schlüsselfiguren in der Anwort auf eine DNA-Schädigung sind. Sie erhöhen die Empfindlichkeit zur Ausbildung von Krebs, teilweise durch das Unvermögen das Genom vor äußeren und inneren Einflüssen, die eine Schädigung der DNA bewirken können, zu schützen. Somit kann es zur Ansammlung onkogener Mutationen in Zellen kommen. Die genomische Instabilität ist deshalb ein wesentliches Kriterium des Karzinoms. Die Krebszellen haben häufig ein vermindertes Repertoir an DNA-Reparaturmechanismen und verminderte DNA-Signalmöglichkeiten im Vergleich zu normalen Zellen. Bei manchen Krebsarten werden die mutagenen Reparaturwege sogar verstärkt und somit die Krebsbildung erhöht /7/.

Das Protein Poly ADP Ribose Polymerase (PARP) ist ein guter Sensor der DNA- Schädigung und spielt eine wichtige Rolle in der Reparatur von DNA-Basenexzisionen und der Reparatur von Strangbrüchen der DNA. Über seine Rolle in der Reparatur von Doppelstrangbrüchen durch alternative nicht homologe Endverbindung gibt es noch nicht genügend Kenntnisse.

ETS
ETS (Erythroblast Transformation Specific) ist eine Familie von Transkriptionsfaktoren. Eine atypische Aktvierung der Familie von ETS-Transkriptoren wird in allen Stadien der Tumorgenese gefunden.Zu einer erhöhten ETS-Aktivität bei soliden Tumoren kann ein Gen-Arrangement, eine Gen-Amplifikation, eine Aktivierung von Signalschleifen, eine Gain-of-function für koregulatorische Komplexe und eine neue cis-aktvierende Mutationen in Promotern der Zielgene von ETS führen. Auch beschleunigt eine erhöhte proonkogene Signalgebung von ETS die Tumorgenese durch ein breites Spektrum von Mitteln wie Spezifizierung, Selbsterneuerung, DNA Schädigung, genomische Instabilität, Epigenetik und metabolische Veränderungen /21/.

Die onkogene Aktivierung des ETS Genes (ERG) aufgrund einer Genfusion liegt bei der Hälfte der Prostatakarzinome in den Westlichen Ländern vor /22/.

Tumorsuppressor Gene

Tumorsuppressor Gene wirken als physiologische Barrieren gegen die clonale Expansion von Zellen und gegen die genetische Mutabilität. Sie verhindern das Wachstum und die Metastasierung von Zellen durch eine unkontrollierte Proliferation verursacht durch Onkogene /4/.

BRCA
BRCA1 (BReast CAncer) and BRCA2 sind Tumorsuppressor Gene und kodieren Proteine wie Poly Adenosin diphosphat Ribose Polymerase (PARP). Karzinome haben häufig eine Genominstabilität und es besteht ein Mangel an einem der sechs DNA-Reparatur- Mechanismen. Meistens liegt bei den Zellen eine homologe Rekombinationsdefizienz (HR) vor. PARP haben eine wichtige Funktion zur Reparatur der DNA und der Stabilität des Genoms. PARP-Inhibitoren hemmen die Reparatur der DNA von Krebszellen, speziell die Reparatur bei HR defizienten Zellen /23/.

Patientinnen mit einer BRCA Mutation haben ein hohes Risiko für ein Mammakazinom und ein Ovarialkarinom und Männer für ein Prostatakarzinom. Ist bei einem Träger mit einer Mutation des BRCA (BRCA1 oder BRCA2), das BRCA inaktiviert kann sich ein Karzinom entwickeln. Tumorzellen mir BRCA1– oder BRCA2-Mutationen haben zahlreiche DNA-Strangbrüche.

p53
p53 ist die Sequenz eines spezifischen DNA-Bindungsproteins des Zellkerns. p53 hemmt die unkontrollierte Mitogenese der Zelle und fördert die Apoptose bei zellulärem Stress. Die Konzentration von p53 nimmt bei DNA-Schädigung zu, auf Grund einer Phosphorylierung am Serin 13. Dadurch wird die Interaktion von p53 mit Mouse double minute homolog (Mdm2) verhindert. Das Protein Mdm2 reguliert p53 herunter durch eine Ubiquinin vermittelte Proteolyse. Im Prinzip wirkt nach DNA-Schädigung die Verminderung von p53 die Unterdrückung der Zellproliferation und fördert die Tumorentwicklung, denn das Wachstum und das Überleben von Zellen mit Mutationen wird ermöglicht. Viren können die Bildung von p53 induzieren und somit zur Apoptose oder vorzeitigen Alterung einer Zelle beitragen. Das ist z.B. beim Adenovirus-Onkogen EIA der Fall.

Abnomalitäten des Tumorsuppressor-Gens TP53 werden in über der Hälfte bei humanen Karzinomen nachgewiesen. Erworbene Mutationen des Gens treten bei einem breiten Karzinomspektrum auf, z.B. beim Mammakarzinom, Bronchialkarzinom und kolorektalem Karzinom /24/.

Tabelle 28.2-2 Einteilung der Onkoproteine in funktionelle Gruppen /13/

Zelluläre Signalübertragung

  • Wachstumsfaktoren (PDGF, Wnt)
  • Rezeptoren von Wachstumsfaktoren (Tyrosinkinaserezeptoren ErbB, Her2/Neu)
  • Rezeptoren membranständiger Liganden (E-Cadherin)

Zytoplasmatische Signalübertragungs-Moleküle

  • Tyrosinkinasen (Abl, Src)
  • Serin-/Threoninkinasen (Bcr, Mos Pim 1)
  • Phosphatasen (PTEN)
  • Adaptorproteine (Bcl1, Crk)
  • Membran-assoziierte G-Proteine (Ras)
  • Regulatoren von kleinen G-Proteinen (Dbl, vav)

Phospholipidderivate, Second messenger (Pl3K, PTEN)

Gentranskription

  • Transkriptionsaktivatoren (Myc, Jun, Myb, Rel)
  • Transkriptionsrepressoren (WT1, Evil, PML-RARα)
  • Kofaktoren (CBP, Bmil, MLL)

Proteinbiosynthese (EF1α)

Zellzyklus (Cyclin D, Cyclin E, CDK4)

Apoptose (Bcl-2)

Tabelle 28.2-3 Onkogene, Onkogenprodukte und Tumorsuppressorgene bei Krebspatienten

Klinische und Laborbefunde

Brustkrebs

Östrogenrezeptor (ER) positiver and HER2 positiver Brustkrebs sind die häufigsten Untergruppen des Brustkrebses mit einem Anteil der Fälle von etwa 65 % bei Frauen im Alter unter 50 Jahren und einem Anteil von 75 % der Frauen, die älter sind. Die Bindung von Östrogen an seinen Rezeptor stimuliert die Rezeptor-regulierte Transkription, die wiederum das Wachstum der Tumorzellen und deren Proliferation fördert. Die hereditär bedingte Form hat einen Anteil von 8–10 % am ER-positiven Brustkrebs. Die Prävalenz hereditärer Mutationen beträgt etwa 15 % bei Patientinnen unter 40 Jahren, etwa 10 % bei denjenigen im Alter von 40–60 Jahren und 5 % bei denjenigen über 70 /2526/.

Ein Risiko des Brustkrebses besteht bei einer Mutation in folgenden Genen:

  • Gene, die mit einem homologen Rekombinationsmangel assoziiert sind (BRCA1 und BRCA2). Sie haben einen Anteil von je etwa 2 %.
  • Partner und Localiser von BRCA2 (PALB 2) mit einem Anteil von 0,5–1 % /27/
  • Ataxia-telangiectatica mutierte (ATM) Gene zu 0,5–1 % /28/
  • Checkpointkinase Gene 2 (CHEK2) zu etwa 1 %. CHEK2 ist ein Tumorsuppressor Gen und kodiert das Enzym Serin-Threoninkinase (CHK2), das als Tumorsuppressor die Zellteilung reguliert.

Etwa 10 % der Patientinnen mit Brustkrebs haben eine für die Krebserkrankung verantwortliche Genmutation. Die Ergebnise der BCAC (Breast Cancer Association Consortium) Studie haben gezeigt, dass ein signifikantes Risiko für Brustkrebs mit folgenden 9 Protein-veränderten Genvarianten verknüpft ist: ATM, BARD1, BRCA1, BRCA2, CHEK2, MSH6, PALB2, RAD51C und RAD51D. Für ATM ist die Assoziation auf das Östrogenrezeptor-positive Karzinom begrenzt, für BARD1, RAD51C und RAD51D begrenzt auf das Östrogenrezeptor-negative Karzinom /38/.

Die Bestimmung der Gene HER-2 wird bei allen Patientinnen mit invasivem Brustkrebs empfohlen. Der primäre Zweck zur Bestimmung von HER-2 ist, Patientinnen zu selektieren, die mit Trastuzumab behandelt werden können.

Mutationen der Gene ESR1 oder epigenetische Änderungen in c-myc, cyclin D und EGFR sind mit Resistenz gegenüber einer endokrinen Therapie assoziiert.

Akute myeloische Leukämie

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist durch eine klonale Expansion undifferenzierter myeloischer Vorläuferzellen charakterisiert. Daraus resultiert eine verminderte Hämatopoese und ein Versagen des Knochenmarks. Die Malignität resultiert aus somatisch erworbenen Driver-Mutationen, die für eine Vielzahl der biologischen und klinischen Probleme der AML verantwortlich sind. In einer Studie /29/ wurden 5234 Driver-Mutationen in 76 Genen oder genomische Regionen mit zwei oder mehr Drivern bei 86% der Patienten diagnostiziert /29/.

Maligne Tumoren des Ovars und der Eileiter

Das Ovar ist ein komplexes und dynamisches Organ. Es ist für die die Freisetzung von Oozyten und die Bildung von Steroiden verantwortlich und spielt eine wesentliche Rolle in der Fortpflanzung. Diese physiologischen Aufgaben werden von unterschiedlichen Geweben, die maligne Tumoren bilden können, durchgeführt /3039/. Es sind folgende Gewebe:

  • Oberflächenepithel des Ovars: Tumoren dieses Gewebes bedingen den Hauptanteil der ovariellen Tumoren.
  • Stromazellen des Ovars: Sie unterstützen die Epithelzellen, sezernieren Hormone oder bilden eine große Menge Stromagewebe.
  • Keimzellen des Ovars: Diese leiten sich von primitiven Keimzellen ab und bilden eine große Anzahl verschiedener maligner und benigner Tumore.
  • Fimbrien der Öffnung des Eileiters; die Zellen dieses Teiles des Eileiters sind die Vorläufer vieler seröser Adenokarzinome. Diese, in den röhrenförmigen Eileitern intraepithelialen Karzinome, machen 38–62 % aller bösartigen serösen Karzinome aus.

Vom Global Cancer Observatory werden jährlich 239.000 neue Fälle an Karzinomen des Ovars und 152,000 Todesfälle weltweit registriert. Die 5-Jahres Überlebensrate des Ovarialkarzinoms beträgt 47,6 % während sie auf 29,2 % bei denjenigen mit Fernmetastasierung absinkt. Die Instabilität des Genoms ist ein wesentliches Kriterium, denn nahezu die Hälfte der Fälle an Ovarialkarzinomen hat Defekte in einem oder mehreren DNA-Reparaturmechanismen und viele davon betreffen den homologen rekombinanten (HR) DNA-Reparaturmechanismus. Die häufige Mutationsrate des Genes HR beim Ovarialkarzinom gestattet die Möglichkeit einer gezielten Therapie. Die Therapie des Ovarialkarzinoms ist die operative Entfernung der Tumormasse, gefolgt von einer Platin-basierten Chemotherapie. Auch wenn die Tumorzellen anfänglich empfindlich für die Chemotherapie sind, so werden z.B. die Platinanaloge mit der Zeit resistent. Deshalb werden alternative Therapien favorisiert wie z.B. die PARP Inhibitoren, von denen Patienten mit Ovarialkarzinom profitieren /31/.

Maligne Tumoren des Ovars und der Eileiter /39/

Granulosazell Tumor (CGT): der Tumor sezerniert Östrogene und bewirkt eine endometriale Hyperplasie oder in etwa 50 % der Fälle ein Karzinom (Labormarker sind Inhibin A oder B, CA 125 und AFP).

Keimzelltumoren /39/

  • Dysgerminom: ist der häufigste Keimzelltumor (Labormarker sind AP, LDH und AFP)
  • Yolk sac tumor (Labormarker sind LDH und AFP)
  • Gemischte Keimzelltumoren (Labormarker sind LDH und AFP)
  • Embryonales Karzinom (Labormarker sind LDH, AFP und hCG)
  • Chorionkarzinom: nicht Schwangerschafts-bedingt (Labormarker sind freies und glykosiliertes hCG).

Epitheliale und stromale Tumoren /39/

  • Adenokarzinom, serös, endometrioid, oder mucinös (Labormarker des endometrioiden Typs sind CA 125 und HE4, Labormarker des mucinösen Typs sind CA 125, CA19-9 und CEA)
  • Clear cell Adenokarzinom, oft mit Endometriose (Labormarker sind CA 125 und HE4)
  • Carcinosarcoma: es handelt sich um einen monoklonalen Tumor (Labormarker ist CA 125)
  • Übergangszell Karzinom (Labormarker ist CA 125).

Laboruntersuchungen: CA 125 ist der vorwiegende Tumormarker bei einer Masse in den Adnexen. Siehe hierzu auch Beitrag 28.9 – CA 125.

Bronchialkarzinom

Fortschritte in der Analytik des Bronchialkarzinoms haben das Verständnis dieser Erkrankung auf molekularer Ebene verändert. Die wichtigsten Gene von Bedeutung für die Entwicklung eines Bronchialkarzinoms sind: EGFR, KRAS, MET, LKB1, BRAF, PIK3CA, ALK, RET and ROS1 /1332/.

NSCLC: EGFR- und RAS-Mutationen tragen zur Entwicklung des Karzinoms bei. BRAF Mutationen wurden in 1–3 % der Fälle gefunden. Weniger häufige Mutationen wie in ROS1 und RET kommen in einer Häufigkeit von 2 % bzw. 1 % vor. Die ROS1-Mutationen treten ausschließlich begleitend zu Mutationen in KRAS, EGFR und ALK auf.

Squamous cell carcinoma: KRAS Mutationen sind selten, werden aber bei 15–25 % der Adenokarzinome nachgewiesen.

SCLC: c-Met spielt eine wichtige Rolle.

Peutz-Jeghers Syndrom: Tritt in Association mit einer Loss-of function Mutation in LKB1 auf.

Tumorprädisposition hereditäres Peutz-Jeghers Syndrom: STK 11

Prostatakarzinom

Chromosomale Rearrangements, die zu einer Verbindung von TMPRSS2, einem Androgen bezogenen Gen und der ETS Familie des Transkriptionsfaktor ERG führen treten bei 60 % der Prostatakarzinome auf. Die Mehrzahl der Fälle zeigt eine TMPRSS2-ERG Bindung /33/. Als ein Mitglied der ETS Transkriptionsfamilie bindet ERG spezifisch an das konservierte ETS-DNA-Bindungsmotif.

Bei Patienten mit metastasierten Kastrations-resistenten Prostatakarzinom mit Progression unter Therapie mit Enzalutamid oder Abirateron und mit genetischen Veränderungen, die eine Rolle in der homologen rekombinanten Reparatur spielen, ist die Therapie mit PARP-Inhibitoren besser. Es kommt zu einem längeren Progressions-freiem Überleben und einer besseren Übereinstimmung mit der Response des Patienten als unter der Therapie mit Enzalutamid oder Abirateron /34/.

Kolorektales Karzinom (CRC)

Das CRC ist weltweit der dritthäufigste Krebs und distale Metastasen sind eine häufige Todesursache. Jeder zweite CRC Patient entwickelt distale Metastasen und etwa 30 % der Metastasen sind im Peritoneum gelegen, was einen noch schlechteren Ausgang aufgrund mangelnder Behandlungsmöglichkeiten bedeutet.Das CRC kann sporadisch oder genetisch determiniert auftreten.

Die Genetik der Keimbahn, das Geschlecht, die Nahrung und weitere Lifestile-Faktoren interagieren mit dem Mikrobiom des Darmes und damit über die Lebenszeit des Patienten, denn sie sind maßgebend für dessen CRC-Risiko /35/. In den Vereinigten Staaten von Amerika stieg die Inzidenz des CRC von 7,9 auf 12,9 auf 100.000 Bevölkerung zwischen 1988 und 2015. Die Häufigkeit des CRC ist bei Männern um etwa 30 % höher als bei Frauen. Bei nahezu 30 % der Patienten mit einem früh auftretenden CRC haben anamnestisch Verwandte ersten Grades ein CRC. Untersuchungen zeigen, dass die Prävalenz des hereditären CRC 10–15 % beträgt /35/. Häufig liegt ein Lynch Syndrom vor. Das Lynch Syndrom ist eine autosomal dominante Erkrankung, bei der Patienten eine von mehreren bekannten genetischen Mutationen haben, die eine DNA Mismatch Reparatur beeinträchtigen, und die ein Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines CRC von 70–80 % aufweisen. Verglichen mit dem sporadischen vorkommenden CRC tritt das Lynch-Syndrom im jüngeren Alter auf. Die Symptome und Beschwerden bei Lynch Syndrom entsprechen denjenigen des sporadischen CRC. Das Lynch Syndrom beruht auf der Mutation eines MMR Gens (MLH 1, MSH 2, MSH, 6PMS 2 oder EPCAM) und führt zu einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), als Folge einer DNA Mismatch Reparatur, die in einer Hypermutation resultiert /35/. Einige Leitlinien empfehlen MMR und MSI zu bestimmen bei einem neu diagnostizierten CRC. Bei einem früh auftretenden CRC kommen Keimzellvarianten bei einem von sechs Patienten vor.

Labordiagnostik: Genetische Untersuchungen wie das next generation sequencing sollten folgendes Muster an Untersuchungen beinhalten: die Gene MMR und auch die sechs Gene, die bei einem kleineren Anteil von Dickdarmtumoren bedeutsam sind (APC, MUTYH, BMPR1A, SMAD4, PTEN und STK1), denn sie sind wichtig zur Erkennung von Personen mit erhöhtem CRC-Risiko. Die 6 Gene verursachen unterschiedliche Formen der Polyposis. Sie sind zwar weniger häufig als das Lynch Syndrom. Zu nennen sind das hereditäre Polyposis Syndrom oder die familiäre adenomatöse Polyposis. Letztere beruht auf einer Mutation des Gens APC. Auch die MUTYH assoziierte Polyposis, verursacht durch biallele MUTYH pathogene Varianten und ist mit dem erhöhten Risiko eines CRC assoziiert /35/.

Pankreaskarzinom

Das Pankeaskarzinom fordert weltweit mehr als 331.000 Todesfälle jährlich und ist die siebthäufigste Ursache von Krebstoten beider Geschlechter. Die höchste Todesrate wird in den entwickelten Ländern registriert. Die 5-Jahresüberlebensrate beträgt etwa 6 %. Die Ursachen des Pankreaskarzinoms sind bisher nicht geklärt /40/. Risikofaktoren sind: Familienanamnese, Rauchen, chronische Pankreatitis, männliches Geschlecht, fortgeschrittenes Alter, Fettleibigkeit, Diabetes mellitus, fettreiche Speisen, Nicht-0-Blutgruppe und Bedingungen am Arbeitsplatz. Etwa 10 % der Patienten haben eine Familienanamnese mit Pankreaskarzinom. Ist das der Fall, so ist das Risiko 9-fach erhöht, sind es mehrere Mitglieder, erhöht sich das Risiko um den Faktor 32 /41/. Für Patienten mit einer Familienanamnese wurde die PancPro-Risikobewertung erstellt /42/. Sie enthält zwei Panels: Panel 1 – Ererbte Empfindlichkeit für das Karzinom des Pankreas; Panel 2 – Nicht-invasive Vorläufer des Pankreaskarzinoms.

Keimzellmutationen in den Genen BRCA2, PALB2, CDKN2A, STK11, PRSS1 und das Lynch-Syndrom sind mit dem erhöhten Risiko eines Pankreaskarzinoms verknüpft. Der häufigste neoplastische Vorläufer eines invasiven Adenokarzinoms des Pankreas ist PanIN (Tumore < 5 mm Durchmesser und nicht klar sichtbar in der Bildgebung des Pankreas). Die Adenokarzinome des Pankreasgangs entwickeln sich aus sogenannten nicht-invasiven Vorläuferschäden. Typischerweise handelt es sich um intraepitheliale Neoplasien mit klonal ausgebildeten genetischen und epigenetischen Veränderungen. Pankreaskarzinome entwickeln sich auch aus intraductalen muzinösen Neubildungen oder muzinös zystischen Neubildungen /41/.

Die häufigsten genetischen Abnormalitäten beim invasiven Adenokarzinom des Pankreas sind eine Mutations-bedingte Aktivierung der KRAS Onkogene, Inaktivierung der Suppressorgene CDKN2A, TP53, SMAD4, BRCA2 (siehe Tab. 28.2-1 – Auswahl an Protoonkogenen, Onkogenen und Tumorsuppressor Genen) weitgehende Chromosomenverluste, Genamplifikationen und Telomerkürzungen /41/. Mutationen in KRAS und Telomerkürzungen sind die frühesten Veränderungen und auch bei niedrigmalignen intraepithelialen Neoplasien vorhanden.

Klinische Befunde /41/: Das Frühstadium des Pankeaskarzinoms ist in der Regel unauffällig. Klinische Beschwerden treten erst dann auf, wenn das Karzinom in die umgebenden Gewebe eindringt oder sich Metastasen in entfernten Geweben ausbilden. Typische Symptome sind abdominelle Schmerzen, Rückenschmerzen, Stauungsikterus und Gewichtsverlust. Manchesmal verursacht der Verschluss des Gallengangs auch akute Attacken wie bei der akuten Pankreatitis.

Laborbefunde /41/: Nach der Klinik werden Patienten mit Pankreaskarzinom eingeteilt in resektabel, lokalfortgeschritten und metastasierend. Perioperative Konzentrationen von CA19-9 von mehr als 100–200 U/ml zeigen eine nicht-operative Resezierbarkeit an. Serielle Bestimmungen von CA19-9 sind wichtig zur Kontrolle des Behandlungserfolgs oder einer Heilung (siehe Beitrag 28.8 – CA 19-9, GICA (Gastrointestinal cancer antigen).

Weitere Tumorprädispositions Syndrome

  • Familiäre adenomatöse Polyposis: APC, MUTYH
  • Familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom: MEN, RET
  • Juvenile Polyposis: BMPR1A, SMAD4
  • Multiple endocrine Neoplasie: MEN, RET
  • Neurofibromatose Typ 2: NF2
  • PTEN-assoziiertes Hamartom-Tumor-Syndrom: PTEN
  • Phäochromozytom: SDHD, SDHAF2, SDHC, SDHB
  • Paragangliom: SDHD, SDHAF2, SDHC, SDHB
  • Retinoblastom: RB1
  • Tuberöse Sklerose: TSC1, TSC2
  • Von-Hippel-Lindau Syndrom: VHL
  • Wilms Tumor: WT1

Tabelle 28.2-4 Onkogenempfindlichkeit gegenüber bestimmten Substanzen /7/

Onkogen/
Protoonkogen

Karzinom

Substanz

Therapie-Regimen

ERBB2

Mamma

Trastuzumab

Kombi

BCR/ABL

CML

Imatinib

Mono

C-Kit

Gastrointestinal stromal

Imatinib

Mono

EGFR

NSCLC

Gefitinib, Erlotinib

Mono

EGFR

Kopf-Nacken, kolorektal

Cetuximab

Kombi

EGFR

Pankreas

Erlotinib

Kombi

VEGF

Mamma, Niere, kolorektal

Bevacizumab

Kombi

VEGFR, PDGFR, FLT3

Nierenzell

Sorafenib

Mono

Mono, Monotherapie; Kombi, Kombination mit einer zytotoxischen Substanz, PDGFR, Platelet derived growth factor

Tabelle 28.2-5 Gezielte Therapie maligner Tumoren

Pharmakologie und Nebenwirkungen

Immun Checkpoint Inhibitoren

Wichtige Aufgaben des Immunsystem sind seine Fähigkeiten zwischen normalen Körperzellen und solchen Zellen zu differenzieren, die als fremd erkannt werden (z.B Keimzellen und Tumor­zellen) /44/. Immun checkpoint Inhibitoren blockieren Proteine, die das Immunsystem daran hindern Tumorzellen zu attackieren. Unter der Therapie mit Checkpoint Inhibitoren werden verschiedene Checkpoint-Proteine wie das zytotoxische T lymphocyte associated protein (CTLA-4), das Programmed cell death protein 1 (PD-1), der Programmed cell death ligand 1 (PD-L1) und LAG-3 (Lymphocyte Activation Gene 3; CD223) gehemmt. CTLA-4 ist auf T Lymphozyten gelegen und wirkt im Typ eines „off switch“. PD-1 ist ein Checkpoint-Protein auf T Lymphozyten. LAG-3 ist ein Checkpoint-Protein auf verschiedenen Immunzellen, die in der Regel im Typ eines „off-switch“ wirken, um die Immunantwort unter Kontrolle zu halten. Checkpoint Inhibitoren werden zur Behandlung folgender Tumoren eingesetzt: Melanom, Hautkrebs und Bronchialkarzinom. Nachteile der Checkpoint Inhibitoren sind: Müdigkeit, Husten, Übelkeit, Hautausschlag, geringer Appetit, Verstopfung, Muskel- und Gelenkbeschwerden und Nierenschädigung, z.B. eine Tubulo interstitielle Nephritis.

Labordiagnostisch ist als Kontrolluntersuchung unter Therapie neben dem Blutbild die Ausscheidung und Differenzierung von Proteinen im Urin wichtig /45/.

TYrosine kinase inhibitoren

Tyrosinkinasen sind Enzyme, die den Transfer der Gamma-Phosphatgruppe von Adenosintriphosphat auf Zielproteine katalysieren. Es handelt sich um Oberflächenproteine, die die Zellmembran durchdringen.

Gehemmt werden die Tyrosinkinasen durch Tyrosinkinase Inhibitoren (monoklonale Antikörper oder niedermolekulare Tyrosinkinase Inhibitoren) wie dieTraBCR-ABL Tyrosinekinase Inhibitoren (Imatinib mesylat), Epidermal growth factor receptor Tyrosinekinase Inhibitoren (Gefitinib, Erlotinib, Lapatinib, Canertinib), Vascular endothelial growth factor Tyrosinekinase Inhibitoren (Semaxinib, Vatalanib, Sutent, Sorafenib) und Platelet-derived growth factor Inhibitoren (Leflunomid). Tyrosinkinase Inhibitoren konkurrieren mit ATP um die Bindungsstelle der katalytischen Domaine von verschiedenen onkogenen Tyrosinkinasen. Zusätzlich wurden sie konfiguriert zur Modulation der Wirkung des Wachstumsfaktors, und so mit einer spezifischen Zielstruktur zu reagieren. In der Regel handelt es sich bei der Zielstruktur um ein Protein, das eine wichtige Rolle in der Entstehung und der Progression des malignen Tumors spielt /43/. So zeigen beispielsweise bestimmte epitheliale Tumoren eine verstärkte Expression des Epidermal growth factor receptor 8 (EGFR 8) mit oder ohne eine Amplifikation des Gens (EGFR), das oft mit einer erhöhten Bildung des EGFR-Liganden verbunden ist. Das ermöglicht die Aktivierung von endogener Tumor-EGFR mittels autogener Mechanismen. Es resultiert eine Zellproliferation und Unterbrechung des Tumorwachstums. Die Unterbrechung der Rezeptorsignalgebung durch Tyrosin Kinase Inhibitoren hat eine Hemmung der EGFR-Tyrosikinase oder der Tumorzellproliferation oder des Überlebens der Tumorzelle zur Folge /46/.

Labordiagnostisch kann es durch glomeruläre Schädigung zu einer Verstärkung einer schon bestehen Proteinurie, z.B. bei vorgeschädigter Niere (Hypertoniker, Diabetiker) kommen.

Poly (ADP-ribose) polymerase (PARP) Family

Die PARP Familie hat viele essentielle Funktionen bei zellulären Vorgängen. Da wären beispielhaft, die Regulation, die Transkription, Apoptose und die Antwort auf eine Schädigung der DNA. Bei den PARP handelt es sich um eine Familie aus 17 Proteinen. PARP1 ist das am besten charakterisierte Mitglied. Es ist wichtig für das Erkennen und die Reparatur von Einzelstrangbrüchen der DNA. PARP Inhibitoren konkurrieren mit NAD+ um die katalytisch aktive Stelle des PARP Moleküls.

PARP Inhibitoren führen eine („homology directed repair“; HDR) durch. Es handelt sich um einen Mechanismus, mit dem Brüche in homologen, also ähnlichen, doppelsträngigen DNA-Molekülen repariert werden können. PARP Inhibitoren werden bei Tumoren mit Mutationen in HR Genen eingesetzt. Homologe Rekombination (HR) ist ein wesentlicher Weg zur Reparatur von Doppelstrangbrüchen in Zellen. Die Tumorsuppressoren Breast Cancer Associated 1 und 2 (BRCA1 und BRCA2), wesentliche Komponenten des HR, sind häufig mutiert bei familiärem Mamma-, Ovar-, und Pankreaskrebs. Unterschiedliche PARP Inhibitoren werden für die Behandlung von BRCA-mutiertem Mamma-, Ovar- und Pankreaskrebs empfohlen /4348/.

Labordiagnostik: Keine Störungen der Nierenfunktion bekannt.

anaplastic lymphoma kinase (ALK) inhibitor

ALK, ist ein Rezeptor der Tyrosinkinase-Familie und wird vom Gen ALK auf dem Chromosom 2p23 kodiert. ALK wurde primär identifiziert als Teil des PM-ALK onkogenischen Fusionsproteins (NPM; nucleophosmin-anaplastic lymphoma kinase). Das Fusionsprotein resultiert aus der Translokation der Chromosomen 2 und 5, und ist assoziiert mit dem anaplastischen großzelligen Lymphom. Eine kleine Inversion innerhalb des Chromosoms 2p resultiert in der Bildung eines Fusionsgens, das Anteile des Echinoderm microtubule-associated protein-like 4 (EML4) Gens und des ALK Gens enthält. Das Produkt wurde in einem resezierten Adenokarzinom entdeckt.

ALK Inhibitoren wie Crizotinib haben als Ziel die Tyrosinkinasen ALK, ROSI und MET und haben die Chemotherapie mit Platin/Permetrex des unbehandelten fortgeschrittenen ALK positiven Non-small cell lung cancer (NSCLC) verbessert /49/.

CAR t-cells

Die chimäre Antigenrezeptoren (CAR)-T-Zelltherapie hat bemerkenswerte und dauerhafte klinische Ergebnisse gezeigt. Zuerst werden Leukozyten (sie enthalten T Zellen) aus dem Blut des Patienten mittels Leukapherese gewonnen. Dann werden die T Zellen separiert und mittels gentechnischer Verfahren mit einem Antigen-bindenden Rezeptor (chimerischer Rezeptor; CAR) behandelt, was sie zu CAR T-Zellen macht. Im Labor werden dann diese Zellen vermehrt und wachsen. Sind genügend CAR-T-Zellen gebildet werden sie dem Patienten reinfundiert. Wenige Tage vor der CAR-T-Zellinfusion kann dem Patienten eine Chemotherapie verordnet werden zur Verminderung der Anzahl der Immunzellen. Die CAR-T-Zelltherapie wird von der US Food and Drug-Administration (FDA) zur Behandlung von Lymphomen, Leukämien und multiplen Myelomen empfohlen /5051/.

Tabelle 28.3-1 Prognostische Aussage zirkulierender Tumorzellen beim Mammakarzinom im Frühstadium und metastasierten Stadium /14/

Survivel (S)

HR, Frühstadium

HR, metast. Ca

Disease-free (DFS)

2,86 (2,19–3,75)

Progression-free (PFS)

1,78 (1,52–2,09)

Overall (OS)

2,78 (2,22–3,48)

2,33 (2,09–2,60)

Ca, Karzinom; HR, Hazard ratio; metast, metastasiert

Tabelle 28.6-1 Diagnostisch wichtige Tumormarker

Marker

Indikation

Biochemie

AFP

Hodentumoren, Leberzellkarzinom

Glykoprotein, 70 kD, Kohlenhydratanteil 4 %

CA 125

Ovarialkarzinom

Glykoprotein, 200 kD, Kohlenhydratanteil 25 %, mab OC125

CA 15-3

Mammakarzinom

Glykoprotein der Milchfettmembran-Mucin-Familie, 300 kD

CA 19-9

Pankreaskarzinom, Gallenwegskarzinom

Glykolipid, 36 kD, Hapten der Lewis-α-Blutgruppendeterminanten

CA 72-4

Magenkarzinom, Ovarialkarzinom

Mucinähnliches Glykoprotein TAG 72, 400 kD

CEA

Kolorektales Karzinom, Mammakarzinom

Glykoprotein, 180 kD, Kohlenhydratanteil 45–60 %

CYFRA 21-1

Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom

Cytokeratin 19-Fragment, 30 kD

hCG

Keimzelltumoren, Trophoblasttumoren

Glykoproteohormon, 2 Untereinheiten, α/β-Kette, 14/24 kD

NSE

SCLC, neuroendokrine Tumoren

Glykolytisches Enzym, Isoform der Enolase, 87 kD

Pro-GRP

SCLC

Propeptid des Gastrins

PSA

Prostatakarzinom

Glykoprotein, 33 kD, Kallikrein-verwandte Serinprotease

SCC

Plattenepithelkarzinom

Glykoprotein, 42 kD, Tumorantigen-4-Isoantigen

S100

Malignes Melanom, Neurodestruktion, Neurodegeneration

Ca-bindendes Protein des ZNS, 21 kD

Tabelle 28.6-2 Indikationen für Tumormarker-Bestimmungen /1/

Marker

Screening

Diagnose

Nachsorge

Prognose

CEA

C-Zelltumore

C-Zelltumore

Kolon, Mamma, Lunge, C-Zell

Kolon, Magen, Mamma

AFP

Risikogruppen

Keimzell, HCC

Keimzell, HCC

Keimzell

CA 19-9

Pankreas

Pankreas, Gallenwege

Magen, Kolon

CA 72-4

Magen, Ovar muzinös

CA 125

Ovar serös

Ovar serös

CA 15-3

Mamma

Mamma

NSE

Lunge kleinzellig

Lunge kleinzellig

Neuroblastisches Apudom

Lunge

ProGRP

Lunge kleinzellig

Lunge kleinzellig

SCC

Cervix, HNO-TU, Oesophagus

CYFRA 21-1

Lunge NSCLC

Lunge NSCLC, Blase

NSCLC

hCG

Risikogruppen

Keimzell

Keimzell

Keimzell

trophoblast. TU

trophoblast. TU

trophoblast. TU

PSA

Prostata

Prostata

Prostata

Calcitonin

C-Zelltumore

C-Zelltumore

C-Zelltumore

C-Zelltumore

hTG

Diff. Schilddrüsen Ca

S100

Malignes Melanom

Malignes Melanom

Tabelle 28.6-3 Biologische Halbwertszeit* und obere Grenzwerte von Tumormarkern

Tumormarker

Halbwertszeit (Tage)

Oberer Grenzwert

AFP

2–8

9 IU/ml

CA 125

5

35 U/ml

CA 19-9

4–8

37 U/ml

CA 15-3

5–7

25 U/ml

CA 72-4

3–7

4 U/ml

CEA

2–8

3 μg/l

CYFRA 21-1

1

2 μg/l

hCG

½–1½

2 IU/l

NSE

1

10 (20) IU/l

PSA

2–3

4 μg/l

SCC

1

1,5 μg/l

* Biliäre oder/und renale Ausscheidung der Tumormarker auf die Hälfte der Ausgangskonzentration

Tabelle 28.6-4 Tumormarker bei Krebserkrankungen /1111213/

Mammakarzinom: Das Mammakarzinom ist, Frauen betreffend, weltweit das häufigste Karzinom mit einer Inzidenz von 1 Mio jährlich weltweit. Auch wenn neue Therapien für die Patientinnen eine Verbesserung darstellen, erfahren doch 25–30 % der Lymphknoten-negativen und 50–60 % der Lymphknoten- positiven Patientinnen eine Metastasierung.

Östrogenrezeptoren (ER) und Progesteronrezeptoren (PR): Empfohlen wird die Bestimmung von ER und PR zur Selektion von Patientinnen, die mit Hormontherapie behandelt werden können. Bei ER-positiven Patientinnen reduziert eine Tamoxifentherapie in einem Zeitraum von 5 Jahren die Mortalitätsrate um 31 %. Patientinnen mit ER-negativen Tumoren haben keinen Benefit von Tamoxifen, sie profitieren durch Chirurgie und Radiotherapie.

HER-2: Das Gen HER-2 sollte gemessen werden bei allen Patientinnen mit invasivem Brustkrebs. Zielsetzung ist die Selektion derjenigen, die mit Trastuzumab behandelt werden können.

BRCA1- und BRCA2: Die Untersuchung auf Mutationen in beiden Genen kann erfolgen zur Identifizierung von Frauen, die ein hohes familäres Risiko zur Entwicklung eines Mamma- oder Ovarialkarzinoms haben. Ein Screening sollte im Alter von 25–30 J. erfolgen.

CEA, CA 15-3: Weitere dem CA 15-3 ähnliche, mit dem MUC-1-Antigen ausgestattete Marker sind CA 549, MCA, TAG 12, CA m26, CA m29, CA 27.29. Alle Marker können im Rahmen eines Mammakarzinoms in das Blut abgegeben werden, haben aber in der Primärdiagnostik keinen Stellenwert. Zum Zeitpunkt der Diagnose des Mammakarzinoms haben 15–35 % der Patientinnen oberhalb des jeweiligen oberen Referenzbereichswerts liegende Werte von CA 15-3 und CEA mit einer Korrelation der Konzentration zum Tumorstadium. Die prä-therapeutischen Werte beider Marker sind unabhängige prognostische Marker für das rezidivfreie Intervall und das Überleben.

Für die Nachsorge relevante Basiswerte werden 4 Wochen nach Beendigung der ersten Therapiephase (Operation/Chemo- oder Strahlentherapie) bestimmt /1/. Auftretende Fernmetastasen werden in 70 % der Fälle an einem Anstieg von CEA bzw. CA 15-3 erkannt, nicht aber lokoregionäre Lymphknotenmetastasen oder Zweitkarzinome. Eine Verdopplung der -Konzentration der Tumormaker gegenüber dem individuellen Basiswert ist nahezu tumorspezifisch /1/.

Ovarialkarzinom (OC): Die Inzidenz des OC beträgt etwa 200.000 Fälle jährlich weltweit mit etwa 120.000 jährlichen Todesfällen. Die hohe Todesrate beruht auf einer mangelhaften Erkennung von Frühstadien. Die Tumoren des Oberflächenepithels werden nach pathologischen Gesichtspunkten in Typ-I-Neoplasien (niedriggradig maligne) und Typ-II-Tumoren (hochgradig maligne) differenziert /14/.

CA 125: Für das epitheliale OC ist CA 125 der beste Marker. Zum Screening wird OC empfohlen:

  • Bei Frauen mit einem Tumor im Becken, insbesondere bei post-menopausalen Frauen, zur Unterscheidung einer malignen von benigner Genese.
  • Gemeinsam mit dem Ultraschall zur Diagnostik eines OC bei Frauen mit hereditären Syndromen.

In beiden Fällen ist bei CA 125-Konzentrationen über 35 U/ml eine weitere Abklärung erforderlich. Frauen mit epithelialem OC haben bei Werten über 35 U/ml in 50–60 % der Fälle eine Erkrankung des Stadiums I, zu 90 % des Stadiums II und zu über 90 % des Stadiums III und IV. CA 125 ist wertvoll zur Beurteilung des Erfolgs einer Chemotherapie. Proben sollen innerhalb von zwei Wochen vor der Therapie und in 2–4-wöchigem Intervall während der Therapie untersucht werden und noch mehrmals 2–3 wöchentlich nach Therapieende. Erwartet wird für eine erfolgreiche Therapie ein Abfall der CA 125-Konzentration um 50 % während der Therapie und um 75 % in der letzten Probe gegenüber einer Probe im Abstand mindestens 28 Tage zuvor. Die CA 125-Konzentration liefert auch prognostische Aussagen. Bei prä-operativen Werten über 65 U/ml ist die Mortalitätsrate in den folgenden 5 Jahren um den Faktor 6,37 höher als bei niedrigeren Werten. Beträgt unter oder nach Chemotherapie die Halbwertszeit des Markers unter 20 Tage, so ist die mittlere Überlebenszeit gegenüber einer Halbwertszeit von über 20 Tagen von 19 Monaten auf 28 Monate verlängert.

Hodentumor: Hodentumoren machen etwa 1 % der malignen Tumoren des männlichen Geschlechts aus, sind aber die häufigsten malignen Tumoren im Alter zwischen 15 und 35 Jahren. Etwa 95 % der malignen Hodentumoren haben ihren Ursprung in den Keimzellen, der Rest sind Lymphome, Leydig- oder Sertolizell-Tumoren und Mesotheliome. Die Keimzelltumoren Heranwachsender und Erwachsener werden in zwei Typen unterschieden, seminöse und nicht-seminomatöse Hodentumoren (Nonseminomatous germ cell cancers of testis, NSGCT). Nach einer kollaborativen Studie /15/ sind 65 % der Tumoren NSGCT und 36 % Seminome.

Tumormarker im Serum spielen eine wichtige Rolle in der Diagnose, Staging, Differenzierung, Prognose, Beurteilung der Therapieantwort und dem Auftreten eines Rezidivs. Etablierte Marker sind AFP, hCG und LDH. Bei NSGCT ist mindestens einer oder mehrere dieser Marker erhöht.

Diagnostik von Hodentumoren: Nach der kollaborativen Studie /15/ haben bei der Vorstellung:

  • 77 % der Patienten mit Seminom eine Stadium-I-Erkrankung und 21 % erhöhte hCG-Werte. Die hCG-Konzentration ist gewöhnlich unter 300 U/l, Werte über 1.000 U/l sind in der Regel mit einem NSGCT assoziiert. Die LDH ist in 40–60 % der Fälle erhöht.
  • 52 % der NSGCT-Patienten haben eine Stadium-I-Erkrankung und haben erhöhte Serummarker (hCG und AFP 44 %, nur AFP 26 % und nur hCG 9 %.) Die LDH ist in 40–60 % der Fälle erhöht.

Prognose: Die Marker ermöglichen die Einteilung in drei Gruppen unterschiedlicher Prognose:

  • Gut: LDH < 1,5 fach des oberen Referenzbereichs (RF), AFP < 1.000 μg/l, hCG < 5.000 U/l.
  • Mittel: LDH 1,5–10 fach des oberen RF, AFP 1–10 Tausend μg/l, hCG 5–50 Tausend U/l.
  • Schlecht: LDH > 10 fach des oberen RF, AFP > 10 Tausend μg/l, hCG > 50 Tausend U/l.

Orchidektomie: Sie führt beim Seminom des Stadiums I in 80–85 % der Fälle zur Heilung, beim NSGCT nur zu 70 %.

Chemotherapie: Die Abklingzeit der Tumormarker nach den ersten beiden Chemotherapiezyklen ist ein prognostischer Faktor. Die Halbwertszeit von hCG ist 1,5 Tage, von AFP 5 Tage. Halbwertszeiten von über 3,5 Tagen für hCG und von über 7 Tagen für AFP sprechen für eine schlechte Prognose.

Nachsorge: Nach kurativer Therapie soll die Bestimmung bei operativ behandelten Patienten mit niedrigem Risiko innerhalb der ersten 6 Monate 1–2 wöchentlich erfolgen. Die Rezidive treten häufig im ersten Jahr nach Behandlung auf, selten nach dem 2. Jahr.

Kolorektales Karzinom (Colorectal carcinoma, CRC): Das CRC ist weltweit der dritt häufigste Krebs mit einer geschätzten Inzidenz von 1 Mio. jährlich weltweit und mit 0,5 Mio. Todesfällen. Trotz einer potentiell kurativen Chirurgie entwickeln 40–50 % der Patienten Metastasen.

Diagnostik: Auf Grund eines Mangels an Sensitivität und Spezifität wird CEA nicht zum Screening Gesunder empfohlen. Zum Zeitpunkt der Primärdiagnostik eines CRC ist CEA erhöht in bis zu 20 % der Fälle im Stadium Dukes A, zu 20–40 % im Stadium Dukes B, zu 40–60 % im Stadium Dukes C, und zu 60–95 % im Stadium Dukes D. Die prä-operative Konzentration von CEA kann in Kombination mit anderen Befunden verwendet werden zur Planung einer operativen Therapie.

Prognose: Bei präoperativen CEA-Werten über 5 μg/l sollten Untersuchungen zur Abklärung von Fernmetastasen erfolgen.

Nachsorge: Postoperativ sollte die Konzentration von CEA alle drei Monate bestimmt werden bei Patienten der Stadien II oder III für mindestens drei Jahre nach Diagnosestellung. In der CRC-Nachsorge gilt ein CEA-Anstieg als eine Zunahme um mindestens 30 % gegenüber dem Vorwert (Aussage ist nicht klinisch validiert). Ein solcher Anstieg muss aber innerhalb eines Monats bestätigt werden. Auch monatliche Anstiege von 15–20 % über mindestens drei Monate bedürfen einer Intervention. Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten CRC unter systemischer Therapie sollte CEA alle 1–3 Monate bestimmt werden und ein Anstieg des CEA um mehr als 30 % gegenüber dem individuellen Basiswert bestätigt eine progressive Erkrankung. Die routinemäßige Bestimmung anderer Tumormarker als CEA wird beim CRC nicht empfohlen. Eine intensive Nachsorge von CRC-Patienten nach kurativer Resektion bringt einen 5-Jahresvorteil für das Überleben.

Pankreaskarzinom: Beim Pankreaskarzinom beträgt die Verdopplungszeit des Tumors 0,5–3,5 Monate. Bei jedem Patienten über 45 J. mit Beschwerden im Oberbauch von 2–3 Wochen wird eine Tumormarker Bestimmung empfohlen. Marker der ersten Wahl ist CA 19-9, dessen diagnostische Sensitivität für das Pankeaskarzinom 70–80 % beträgt, unabhängig vom Differenzierungsgrad. Zwischen der Konzentration des Markers und der Tumormasse besteht keine Korrelation. Werte über 1.000 U/ml weisen bei Vorliegen eines Pankreaskazinoms auf eine Beteiligung der Lymphknoten und Konzentrationen über 10.000 U/ml auf eine hämatogene Aussaat hin.

Patienten mit einem operablen Tumor haben niedrigere CA 19-9 Werte als die nicht operablen. Innerhalb der Patientengruppe mit dem gleichen Tumorstadium ist die mediane Überlebenszeit derjenigen mit niedrigeren Werten deutlich länger. Nach abgeschlossener Ersttherapie beträgt die diagnostische Sensitivität des CA 19-9 zur Erkennung einer Progression 80–90 %.

Hepatozelluläres Karzinom (HCC): Neben den empfindlicheren bildgebenden Verfahren ist von den Tumormarkern das Alpha-Fetoprotein (AFP) der Marker der Wahl. Kleine Herde (unter 1–2 cm Durchmesser) sind meist AFP negativ. Bei der Erstdiagnose eines HCC mit bildgebenden Verfahren haben 60–70 % der Patienten eine pathologische AFP-Konzentration (30 % über 1.000 μg/l, 20 % über 10.000 μg/l).

Bei raumfordernden Prozessen in der Leber hat AFP einen diagnostischen Stellenwert bei Konzentrationen über 1.000 μg/l. Die Bestimmung von AFP zur Früherkennung eines HCC bei Patienten mit Leberfibrose/-zirrhose alle drei Monate wird empfohlen.

Magenkarzinom: Zur Therapie- und Verlaufskontrolle wird CA 72-4 empfohlen, denn es hat eine höhere diagnostische Sensitivität und Spezifität als CEA und CA 19-9. Jedoch durch die additive Bestimmung der beiden Marker besteht eine deutlich höhere Sensitivität. Patienten mit einer CA 72-4 Konzentration über 6 μg/l bei der Primärdiagnose des Magenkarzinoms haben ein 4,2 fach höheres Risiko an der Erkrankung zu versterben als diejenigen mit Werten darunter.

Besteht bei der Primärdiagnose eine Positivität für alle drei Marker, wird ein Rezidiv nach Therapie zu 100 % durch einen der Marker angezeigt.

Bronchialkarzinom: Die Inzidenz der Bronchialkarzinome beträgt weltweit jährlich 1,35 Mio, die Zahl der Todesfälle 1,18 Mio. Die hohe Mortalität beruht darauf, dass die Tumoren in 80 % der Fälle erst diagnostiziert werden, wenn das Karzinom sich lokal oder systemisch ausgebreitet hat. Histologisch werden die Bronchialkarzinome, im englischen Sprachgebrauch auch als Lungenkarzinome bezeichnet, eingeteilt in:

  • Kleinzellige Karzinome (Small cell lung cancer, SCLC), anteilig 20–25 %.
  • Nicht kleinzellige Karzinome (Non small cell lung cancer, NSCLC). Der Begriff umfasst Plattenepithel-, Adeno- und großzellige Karzinome. Sie machen den Rest der Bronchialkarzinome aus. Bei den NSCLC im Stadium IIIb beträgt nur bei 20 % und im Stadium IV nur bei 5 % der Patienten die Überlebenszeit über 1 Jahr.

Diagnostik: Abhängig von der klinischen Fragestellung werden die Tumormarker NSE, CEA, SCCA, CYFRA 21-1 und ProGRP empfohlen. Bei Vorliegen eines Lungenrundherdes unbekannter Genese weisen erhöhte Werte von ProGRP, aber auch von NSE auf ein SCLC hin und sprechen gegen ein NSCLC. Ein hoher Wert von SCCA ist hinweisend auf ein NSCLC (Plattenepithelkarzinom). CYFRA-21-1 und CEA werden bei Bronchialkarzinomen jeglicher Histologie freigesetzt.

Postoperativ: Mit physiologischer Halbwertszeit abfallende Werte sprechen für einen kurativen Eingriff. Langsamer abfallende Werte und keine Normalisierung weisen auf eine nicht-kurative Operation hin /16/.

Nachsorge: Zum Nachweis eines Rezidivs haben eine 70–85 %ige Sensitivität und nahezu 100 %ige Spezifität: Beim NSCLC das CYFRA 21-1, beim SCLC das NSE und ProGRP, beim Plattenepithelkarzinom das SCCA. Die Vorlaufzeiten eines Anstiegs vor bildgebenden Verfahren und Klinik können 2–15 Monate betragen.

Prostatakarzinom: Das Prostatakarzinom ist weltweit der zweithäufigste Krebs bei Männern, macht aber nur 5,85 % der Krebsmortalitätsrate aus. Zum optimalen Management des Prostatakarzinoms ist die Bestimmung des PSA in allen Stadien der Erkrankung erforderlich.

Tabelle 28.7-1 AFP-Erhöhungen im Serum

Physiologisch

  • Kinder unter 1 Jahr: AFP-Konzentration im Mittel bei 70 mg/l bei Geburt, 0,5–4 mg/l um 2.–3. Lebenswoche, < 20 μg/l nach dem 10. Lebensmonat. Abweichende Erhöhungen bei Erkrankungen der Leber- und Gallenwege im Kleinkindalter.
  • Schwangere: AFP-Anstieg ab 10. SSW in Abhängigkeit von der SSW, maximal bei 400–500 μg/l zwischen der 32. und 36. SSW, danach mäßiger Abfall bis zur Geburt (bis maximal 250 μg/l). Nach Geburt AFP-Abfall mit HWZ von ca. 4 Tagen. Abweichende Erhöhungen bei Neuralrohrdefekten des Feten, fetal distress-Syndrom und fetalem intrauterinen Fruchttod.

Benigne Erkrankungen der Leber

  • Akute Virushepatitis, alkoholische Hepatitis, chronische Hepatitis, Leberzirrhose. Bei akuten Erkrankungen transitorische, bei chronischen Erkrankungen oft konstant niedrig-pathologische AFP-Werte meist < 500 μg/l, nur selten darüber (1 %).

Maligne Erkrankungen

  • Gastrointestinale und andere Tumoren: Bis ca. 21 % AFP-Erhöhungen: Magenkarzinom, kolorektale Karzinome, Gallengangs-Karzinom, Pankreaskarzinom, Bronchialkarzinom; oft im Zusammenhang mit Lebermetastasen. AFP-Werte meist < 500 μg/l, nur selten darüber (bis 4 %).
  • HCC: Bei Diagnosestellung zu 40 % normale AFP-Werte, bei 60 % pathologische Erhöhungen, davon in 50 % > 100 μg/l, in 32 % > 1 mg/l und ca. 20 % > 10 mg/l (beim cholangiozellulären Karzinom: normaler AFP-Wert). Maximale AFP-Werte bis 10 g/l sind möglich. Keine Korrelation zwischen AFP-Wert und Tumorgröße, Tumorwachstum, Tumorstadium und Malignitätsgrad. Ein AFP > 2 mg/l ist fast beweisend für HCC.
  • Keimzelltumoren (Hoden, Ovar, extragonadal): Die Häufigkeit pathologischer Werte von AFP ist abhängig von der Zusammensetzung desTumors. Die Erhöhungen sind eher niedriger als beim HCC. Reine Seminome, auch Dysgerminome, Dermoidzysten und reife Teratome sowie reine Chorionkarzinome sind immer AFP-negativ, Dottersacktumoren (entodermale Sinustumoren) immer AFP-positiv. Dazwischen liegen die embryonalen Karzinome, von denen MTU in 70 %, MTI bis 50 % und Kombinationstumoren mit einer Inzidenz dazwischen AFP-positiv sind. Zweiter obligatorischer Marker ist hCG.

Tabelle 28.7-2 AFP-Werte unter Therapie

AFP-Konzentrationsabfall

  • Postoperativ: Bei relativ raschem AFP Abfall mit einer Abklingrate von < 5 Tagen Hinweis auf vollständige Tumorentfernung. Bei langsamerer Abklingrate: Gestörter Katabolismus, Leber, kleiner Residualtumor?
  • Radio-/Chemotherapie: Bei zügigem AFP Abfall bis zur Normalisierung Hinweis auf vollständige Elimination des Marker bildenden Zelltyps, nur bedingt auf Gesamttumor übertragbar. Bei gemischt zelliger Zusammensetzung des Tumors konkordantes oder diskordantes Verhalten der anderen Zelltypen möglich, deshalb andere Tumormarker, z.B. hCG, mit untersuchen. Cave: Verhalten von nicht-Marker-bildenden Zelltypen bzw. Typenwandel unter Therapie. Ein negativer Markerbefund schließt eine Progression nicht aus.

AFP-Persistenz und/oder weiterer AFP-Anstieg

  • Postoperativ oder nach/unter Radio- oder Chemotherapie: Verdacht auf Residualtumor und/oder Metastasierung. Ein progredienter AFP-Anstieg stellt eine Remission in Frage.

AFP-Wiederanstieg nach erfolgter Normalisierung

  • Postoperativ bzw. nach/unter Radio- oder Chemotherapie: Verdacht auf Tumorrezidiv und/oder Metastasierung. Bei erster Feststellung einer noch geringen AFP-Erhöhung sind weitere Verlaufskontrollen notwendig (1. Kontrolle nach mindestens 14 tägigem Intervall). Ein erster AFP Anstieg kann einen Rezidivtumor bzw. eine Metastasierung um Wochen bis Monate vor der Entdeckung mit anderen Methoden anzeigen (Vorlaufzeit 1–6 Monate).

Tabelle 28.8-1 Diagnostische Sensitivität von CA 19-9 bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

Benigne Erkrankungen

Die meisten benignen Erkrankungen beeinflussen die CA 19-9 Konzentration nicht, bis auf akute und aktive Erkrankungen des Leber-Gallen-Pankreas-Systems. Bei diesen kommt es in Abhängigkeit von Aktivität und Ausmaß der Erkrankung in 10–30 % zu einem transitorischen Anstieg meist unter 100 U/ml, selten aber auch sehr hohen Werten (Cholestase) mit einer Normalisierung bei klinischer Besserung. Verlaufskontrollen sind im Mindestabstand von 2 Wochen erforderlich.

Magen-Darm

3–4

Chole(docho)­lithiasis

22

Cholezystitis/ obstruktiver Ikterus

20

Toxische Hepatitis/CAH

14–33

Leberzirrhose

16–19

Leberzellnekrose

60

Pankreatitis, akut

5

  • chronisch-aktiv

15–50

  • chronisch-inaktiv

0–6

Maligne Erkrankungen

Bei tumorbedingten Erhöhungen von CA 19-9 ohne Behandlung oft exponentieller Anstieg bis > 1.000, maximal 100.000 U/ml.

Wichtigste Gruppe sind Patienten mit exkretorischem Pankreaskarzinom; diagnostische Spezifität 72–90 %, Sensitivität abhängig vom Stadium und der Ausdehnung des Tumors; ferner Patienten mit hepatobiliärem Karzinom und Magenkarzinom. Nach vollständiger Tumorentfernung Normalisierung nach 2–4 Wochen; Rezidiv/Metastasierung durch Wieder-/Weiteranstieg oft vorzeitig angezeigt (1–6 Monate). Ein CA 19-9 Anstieg ist mit Remission unvereinbar.

Duktales Pankreas-Karzinom

70–95

Prim. Leberkarzinom

22–49

Gallenwegskarzinom

55–79

Magenkarzinom

26–60

  • Stadium I–IV

30–70

  • Kolorektales Karzinom

18–58

  • Dukes A–D

5–70

Gastrointestinales Karzinom + Lebermetastasen

80

Bronchialkarzinom

7–42

Mammakarzinom

10

Ovarialkarzinom

15–30

  • muzinöser Typ

50

Uteruskarzinom

13

* Entscheidungswert 37–40 U/ml

Tabelle 28.9-1 Diagnostische Sensitivität von CA 125 bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

> 35*

> 65*

Benigne Erkrankungen

CA 125 Erhöhungen nur selten (Adnexe, Leber, Pankreas) leicht erhöht, Normalisierung im Verlauf mit klinischer Besserung. Kontrolle im Abstand von mindestens 2 Wochen.

Allgemein (akute) Adnexitis

2

Endometriose

30

17–25

Peritonitis

59

Akute Pankreatitis

36

  • Cholelithiasis/-cystitis

7–23

  • Akute Hepatitis

2

  • Chronische Lebererkrankung

36–64

  • Nieren­insuffizienz
  • Adnextumoren
  • Leiomyom

Maligne Erkrankungen

CA 125 ist der wichtigste Marker beim Ovarialkarzinom mit einer diagnostischen Spezifität von 99 % gegenüber Normalpersonen, 83 % gegenüber entzündlichen Adnexerkrankungen, 92 % gegenüber benignen Ovarialtumoren. Im Verlauf besteht eine gute Korrelation bei ca. 90 % der Patienten; die Vorwarnzeit beträgt 1–8 Monate. Bei kompletter Tumorentfernung Normalisierung innerhalb von 2–3 Wochen. In Remission haben nur 1–4 % der Patienten erhöhte Werte, bei Progression etwa 80 %. Ein normaler Wert schließt einen kleinen Resttumor (< 1 cm) nicht aus, ein Wert > 65 U/ml spricht für einen Resttumor > 2 cm. Ansteigende Werte sind mit einer Remission nicht vereinbar.

Metastasierendes Ovarialkarzinom

30

Primäres Ovarialkarzinom

82–83

74–78

  • epithelialer Typ

79

  • seröser Typ

81–98

  • entdifferenzierter Typ

57–75

  • endometrioider Typ

60

  • muzinöser Typ

45–67

Mammakarzinom

12

8–13

Collumkarzinom

5

Corpuskarzinom

20

Zervixkarzinom

13

Endometriumkarzinom

9–25

Pankreaskarzinom

59–79

Lebermetastasen

70

Leberzellkarzinom

77

Kolorektales Karzinom

20–40

Magenkarzinom

40

Bronchialkarzinom

30–57

* Entscheidungswert in U/ml

Tabelle 28.10-1 Diagnostische Sensitivität von CA 72-4 bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

Benigne Erkrankungen

Bei benignen Erkrankungen eher niedrig-pathologische oder transitorische Konzentrationserhöhung mit Normalisierung bei Heilung.

Allgemein

2–11

Leberzirrhose

4

Pankreatitis

3

Lunge

17–19

Rheumatische Erkrankungen

21

Gynäkologische Erkrankungen

0–10

Ovarial-Erkrankungen

3–4

Ovarial-Zyste

25

Maligne Erkrankungen

Bei malignen Erkrankungen ohne Behandlung stetig bis exponentiell steigende Werte mit Korrelation zu Tumormasse, -stadium, Metastasen-Lokalisation. Nicht brauchbar zum Screening oder zur Diagnose, aber Therapie- und Verlaufskontrolle beim metastasierenden Magenkarzinom (Erstmarker; Zweitmarker CEA oder CA 19-9).

Ösophagus-Karzinom

4–25

Pankreas-Karzinom

0–35

Gallenwegs-Karzinom

35–52

Magen-Karzinom

28–80

  • Stadium I

0–20

  • Stadium II

13–25

  • Stadium III

41–50

  • Stadium IV

58

Rezidiv

56–70

NED

0–4

Kolon-Karzinom

20–43

  • Dukes A

3–10

  • Dukes B

30–40

  • Dukes C

22–53

  • Dukes D

55–70

  • Rezidiv

78

Mamma-Karzinom

24

Ovarial-Karzinom

47–80

  • serös

36–59

  • muzinös

25–43

Zervix-Karzinom

14

Endometrium-Karzinom

54

* Entscheidungswert > 3–4 U/ml: NED, No evidence of residual disease

Tabelle 28.11-1 Diagnostische Sensitivität von CA 15-3 bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

Benigne Erkrankungen

Bei benignen Erkrankungen eher niedrig-pathologische oder transitorische Erhöhung der Konzentration mit Normalisierung bei Heilung.

Allgemein

3,3

Niereninsuffizienz**

20

Leber

5

Lunge

13–15

Brust

4–25

  • Mastopathie

3–11

  • Fibroadenom

7,7

Maligne Erkrankungen

Bei malignen Erkrankungen ohne Behandlung stetig bis exponentiell ansteigende Werte mit Korrelation zu Tumormasse, -Stadium, Metastasenlokalisation. Nicht brauchbar zum Screening oder zur Diagnose, aber zur Therapie- und Verlaufskontrolle beim metastasierenden Mammakarzinom (Erstmarker) sowie Ovarialkarzinom als Zweitmarker (nach CA 125). Ein ansteigender CA 15-3-Wert ist mit einer Remission nicht vereinbar.

Mammakarzinom

  • Prä-operativ

19–22

  • M0

32

  • Nodal negativ

16–22

  • Nodal positiv

38–54

  • Metastasen

54–91

  • NED

6

  • Progression

bis 100

  • Stadium I

4–16

  • Stadium II

13–54

  • Stadium III

65

  • Stadium IV

54–91

  • T ½

14–23

  • T ¾

27–86

  • Hautmetastasen

37

  • Weichteil­metastasen

47–83

  • Knochen­metastasen

32–75

  • Lebermetastasen

45

Ovarialkarzinom

39–71

Endometriumkarzinom

14–26

Korpuskarzinom

9

Lungenkarzinom

10–71

Magenkarzinom

10–61

Pankreaskarzinom

10–61

Leberkarzinom

10–61

* Entscheidungswert 25–50 U/ml; ** Dialysepflichtig

NED, no evidence of residual tumor

Tabelle 28.12-1 Grenzwerte unterhalb derer ein medulläres Schilddrüsenkarzinom wenig wahrscheinlich ist /256/

Erwachsene CT basal: Unter 15 ng/l in einer Deutschen Gruppe und unter 15 ng/l in einer US Gruppe /3/

Die Test-und Geschlechts-spezifischen Grenzwerte sind wichtig.

Kinder unter 6 Monate CT basal: Unter 40 ng/l /7/

Kinder unter 3 Jahre: Unter 15 ng/l /7/

Pentagastrin-Stimulationstest: Unter 30 ng/l /4/

Tabelle 28.12-2 Einflussgrößen und Erkrankungen, die eine Calcitonin (CT)-Erhöhung bewirken können, ohne Vorliegen eines medulläre Schilddrüsenkarzinoms (MTC) /12/

Chronischer Alkoholismus: Chronische Alkoholiker können auch nach mehrwöchiger Alkoholkarenz Werte im Graubereich haben, ohne dass ein MTC vorliegt.

Rauchen: Gesunde Zigarettenraucher haben häufiger Konzentrationen über 10 ng/l als Nichtraucher /6/.

Orale Zufuhr von Calcium: Bei oraler Calciumzufuhr sind die CT-Werte etwa für 2 h erhöht, bei Patienten mit einer resorptiven Hyperkalziurie stärker als bei Gesunden.

Einnahme von Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI): Bei Patienten die Omeprazol, Pantozol, Lanzoprazol und andere PPI einnehmen kommt es abhängig vom CT-Test zu einer Erhöhung der Werte in 6–32 % der Fälle.

Lachscalcitonin: Die Therapie mit Lachscalcitonin kann abhängig vom Test zu messbaren oder erhöhten Werten führen.

Bakterielle Infektion (Sepsis): Abhängig vom Test differente Erhöhung der CT-Konzentration, da im unterschiedlichen Ausmaß Procalcitonin mit erfasst wird.

Chronische Niereninsuffizienz: Im Stadium 2–4, abhängig vom Test und seinem Grenzwert, Erhöhungen um 9,8–24,4 % der Fälle, im Stadium 5 in bis zu 1,6–71,4 % /2/.

Hashimoto Thyreoiditis: Leichte Erhöhungen, in Abhängigkeit vom Test in 1–3 % der Fälle.

C-Zell-Hyperplasie: Sie tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Nicht selten ist sie mit einer Autoimmunthyreoiditis, einer Hypergastrinämie oder einem Hyperparathyreoidismus kombiniert. Die CT-Konzentration ist im Graubereich oder höher.

Tabelle 28.12-3 Calcitonin (CT) im Serum beim medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC)

Screening: Der negative Vorhersagewert einer CT-Konzentration unterhalb 10 ng/l oder unterhalb des Test- und Geschlechts-spezifischen Grenzwertes der einzelnen Testhersteller ist hoch, und mit großer Wahrscheinlichkeit kann ein MTC ausgeschlossen werden. Bei Mikrokarzinomen (Durchmesser unter 1 cm) und bei einem ausgedehnten MTC wird über unterhalb des Grenzwertes liegende CT-Werte berichtet /10/. Ein Teil der Patienten mit hereditärem MTC hat aber Werte unterhalb des Grenzwertes und ein Teil untersuchter Patienten ohne MTC Werte im Graubereich. Erst wenn andere endokrine Tumoren klinisch Ursachen und Einflussgrößen ausgeschlossen werden, sind bei Werten zwischen 10 und 100 ng/l das MTC und die C-Zellhyperplasie die wesentlichen Differentialdiagnosen /1/. Nach einer Studie /14/ bei Patienten mit nodulärer Schilddrüsenerkrankung ist der positive prädiktive Werte für das Vorliegen einer MTC bei basalen CT-Konzentrationen von 20–50 ng/l 8 %, bei Werten von 51 bis 100 ng/l 25 % und 100 % bei Werten über 100 ng/l. Ab diesen Werten wird bei Vorliegen einer entsprechenden Klinik die operative Entfernung der Schilddrüse empfohlen.

Die frühe Diagnostik des MTC ist wichtig, denn wenn die Neoplasie nur auf die Schilddrüse begrenzt ist, sind die Chancen einer kompletten Heilung durch Entfernung der Schilddrüse und des zentralen Lymphknoten-Kompartiments hoch. Das MTC ist aggressiver und schwieriger zu behandeln als die papillären und medullären Schilddrüsenkarzinome. Einige Länder empfehlen ein Screening auf MTC, andere nicht.

Pentagastrin-Stimulationstest: Zur Abklärung von Konzentrationen im Bereich von 10–100 ng/l wird der Pentagastrin-Stimulationstest empfohlen und bei Stimulationswerten über 100 ng/l die operative Entfernung der Schilddrüse /12/. Hinter Konzentrationen über 100 ng/l verbergen sich aber nicht nur MTC, sondern auch die C-Zell-Hyperplasie, insbesondere im Konzentrationsbereich von 100–200 ng/l besteht eine breite Überlappung /13/. Die Überlappung ist bei Männern deutlich höher als bei Frauen. So fand sich postoperativ bei Patienten mit Werten über 100 ng/l zu 82 % bei Männern eine C-Zellhyperplasie, aber bei 80 % der Frauen ein MTC /14/. Erst bei Werten über 1.000 ng/l liegt stets ein MTC vor /11/.

Postoperatives Verhalten von Calcitonin: Innerhalb von Stunden kommt es zu einem CT-Abfall. Sinkt der Wert unterhalb den Grenzwert oder unter die Nachweisbarkeitsgrenze und ist eine Stimulation durch Pentagastrin negativ, gilt der Patient als geheilt. Neben der 6-monatlichen Kontrolle der basalen Konzentration sollte dann nur alle 2–5 Jahre ein Pentagastrin-Test durchgeführt werden.

Postoperativ persistierend erhöhte CT-Werte sprechen für eine Tumorpersistenz oder das Vorliegen von Metastasen. Zwischen der Höhe der CT-Konzentration und der Tumormasse besteht eine Korrelation. Bei CT-Konzentrationen bis 1.000 ng/l findet man mit den üblichen bildgebenden Verfahren kein sicheres Tumorkorrelat. In diesen Fällen hat sich die selektive Venenkatheterisierung mit Blutentnahme zur CT-Bestimmung bewährt. Mit diesem Verfahren gelingt, anhand eines Konzentrationsgradienten, häufig eine Lokalisation von Tumorgewebe locoregionär im Hals und/oder Mediastinum oder auch der Nachweis von Lebermetastasen /15/.

Molekulargenetische Untersuchung: Die molekulargenetische Untersuchung wird durchgeführt:

  • Primär bei allen Personen mit familiärer Belastung, da ein erheblicher Teil dieser Personen CT-Werte unterhalb des Grenzwertes hat und durch ein Screening nicht erfasst wird. Da bei dem vorliegenden autosomal dominanten Erbgang 50 % der Familienangehörigen genetisch nicht betroffen sind, brauchen diese nach der molekulargenetischen Testung nicht weiter regelmäßig biochemisch untersucht werden. Beim Nachweis einer Genträgerschaft gibt es zwei Optionen: Entweder entscheidet man sich unabhängig vom Ausfall des Pentagastrin-Tests zur prophylaktischen Thyreoidektomie, die um das 6. Lj. durchgeführt werden sollte, oder man führt jährlich Pentagastrin-Tests durch und entscheidet sich zur Operation, wenn diese pathologisch ausfallen /16/.
  • Wenn ein MTC festgestellt wird. Es ist dann wichtig zwischen der sporadischen und der hereditären Form zu unterscheiden. Untersucht wird auf eine von 14 Punktmutationen im RET-Proto-Onkogen. Bekannt sind Mutationen in den Codons 634, 768, 790, 791, 804 und 891. In Europa ist die Mutation in Codon 634 häufig. Sie tritt klinisch im Mittel vor dem 10. Lj., spätestens aber bis zum 20 Lj. auf /17/. Die anderen Mutationen sind mit einem späteren Lebensalter assoziiert.

Die molekulargenetische Untersuchung zeigt auch die Grenzen des Pentagastrin-Tests auf /18/. Sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Tests werden beobachtet. Ein Teil der Kinder, die nur auf Grund des typischen Mutationsnachweises im RET-Proto-Onkogen thyreoidektomiert wurden, hatten ein Mikrokarzinom bei falsch negativem Pentagastrin-Test. Umgekehrt wurden in MEN 2-Familien Angehörige auf Grund eines suspekten Pentagastrin-Tests operiert, die molekulargenetisch keine Mutation aufwiesen (falsch positiver Pentagastrin-Test). Histologisch findet man bei den falsch positiven Pentagastrin-Tests eine C-Zell-Hyperplasie, die nicht Vorstufe eines C-Zell Karzinoms ist. Diese kann z.B. im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis auftreten und fällt dann auf, wenn routinemäßig bei allen kalten Schilddrüsenknoten CT bestimmt und gegebenenfalls ein Pentagastrin-Test durchgeführt wird /19/.

3–5 % aller scheinbar sporadischen MTC werden auf Grund eines RET-Mutationsnachweises in der Keimbahn als familiär eingestuft /16/.

Besteht eine Operationsindikation bei CT-Erhöhung gibt es zwei Indikationen zur Duchführung einer molekulargenetischen Untersuchung vor Operation /1/: Resektionsausmaß (kein Verbleib von C-Zellen in Schilddrüsenresten) und die Feststellung, ob ein C-Zellkarzinom mit Präkanzerose vorliegt.

Tabelle 28.13-1 CEA-Serumkonzentration nicht maligner Erkrankungen und maligner Tumoren

Nichtmaligne Erkrankungen: Falsch positive CEA Erhöhungen finden sich am häufigsten bei entzündlichen Lebererkrankungen. Die diagnostische Spezifität des CEA kann bei aktiver alkoholischer Leberzirrhose auf bis zu 30 % absinken. Pankreatitis, entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, z.B. Colitis ulcerosa, Divertikulitis und der Lunge führen ebenfalls zu falsch positiven CEA Erhöhungen. Die Konzentrationen überschreiten nur vereinzelt die vierfache Obergrenze des Referenzbereichs.

Maligne Tumoren: CEA Konzentrationen, die den vierfachen Wert der Obergrenze des Referenzbereichs übersteigen, machen eine maligne Erkrankung wahrscheinlich. Steigen die Konzentrationen im weiteren Verlauf an oder liegen sie über der 8 fachen Obergrenze des Referenzbereichs, ist eine maligne Erkrankung praktisch gesichert.

Kolorektales Karzinom: Auf Grund der eingeschränkten diagnostischen Sensitivität und Spezifität der CEA Bestimmung und unter Berücksichtigung der Inzidenz kolorektaler Karzinome ist die CEA Bestimmung zum Screening auf kolorektales Karzinom nicht geeignet. Für den Prozentsatz an CEA Erhöhungen entsprechend dem Ausbreitungsgrad kolorektaler Karzinome gelten folgende Werte: Dukes A: 0–20 %; Dukes B: 40–60 %; Dukes C: 60–80 %; Dukes D: 80–85 %. Konzentrationen über dem vierfachen der Obergrenze des Referenzbereichs werden in Dukes A-Stadien nicht, in den Stadien B und C in 15–20 % und in Dukes D-Stadien in 60–70 % gefunden.

Postoperative Verlaufskontrolle: Erreicht CEA im unmittelbaren postoperativen Verlauf nicht ein stabiles Niveau und steigt im weiteren Verlauf an, ist residuales Tumorgewebe vorhanden. Falls die Bestmmung von CEA für die Diagnose von lokalen Rezidiven und/oder Fernmetastasen herangezogen wird, sollten die Bestimmungen unabhängig vom präoperativen Wert in den ersten beiden postoperativen Jahren in 2–3 monatigen Abständen erfolgen. Deutet sich ein Konzentrationsanstieg an, sind engmaschigere Kontrollen angezeigt. Für die Diagnose einer Tumorprogredienz liegt der positive prädiktive Wert eines Konzentrationsanstiegs bei 65–84 %, der negative prädiktive Wert bei 85–90 %.

Tabelle 28.14-1 Einsatz von CYFRA in Kombination mit anderen Markern beim Bronchialkarzinom /3/

Karzinom

Vor Therapie

Verlaufskontrolle

Unbekannt

CYFRA 21-1

Postoperativ: Je nach Histologie

NSE, CEA

Ohne Operation: Je nach Ergebnis der Tumormarker

Adeno

CYFRA 21-1, CEA

CYFRA 21-1 und/oder CEA

Plattenepithel

CYFRA 21-1

CYFRA 21-1

Kleinzellig

NSE,

CYFRA 21-1

NSE und CYFRA 21-1

Großzellig

CYFRA 21-1, CEA

CYFRA 21-1 und/oder CEA

Tabelle 28.14-2 Diagnostische Sensitivität von CYFRA 21-1 bei malignen Tumoren /3/

Maligne Organerkrankung

Diagnostische Sensitivität (%)*

Hals-Nasen-Ohren

17

Kolon

21

Pankreas

34

Magen

22

Leber

16

Mamma

26

Ovarial, serös

33

Ovarial, muzinös

36

Cervix uteri

37, 41

Prostata

16

Blase, oberflächlich

15

Blase, muskelinvasiv

52

Lunge, allgemein

46–61

Lunge, SCLC

16–52

Lunge, NSCLC

40–64

Lunge, Plattenepithelkarzinom

52–79

Lunge, Adenokarzinom

42–54

Lunge, großzellig

44–65

* Entscheidungswert bei 95 % diagnostischer Spezifität gegenüber dem jeweils relevanten Vergleichskollektiv.

Tabelle 28.14-3 Grenzwerte von CYFRA 21-1 bei Gesunden und Patienten mit benignen Erkrankungen /2/

Kollektiv

Entscheidungswert*

Gesunde

1,7

Lungenkranke

3,3

Gastrointestinale Erkrankung

6,9

Gynäkologische Erkrankung

3,1

Urologische Erkrankung

2,4

Niereninsuffizienz

5,2

* Angabe in μg/l; Entscheidungswert bezugnehmend auf eine diagnostische Spezifität von 95 %

Tabelle 28.14-4 CYFRA 21-1 bei benignen Erkrankungen

Lungenerkrankungen: 95 % der Patienten mit benignen Lungentumoren, chronischer Bronchitis, COPD, Asthma bronchiale, Pneumonie, Sarkoidose, Tuberkulose und emphysematischen Erkrankungen haben CYFRA 21-1 Werte unter dem festgesetzten Entscheidungswert von 3,3 μg/l /7/.

Gastrointestinale Erkrankungen: CYFRA 21-1 Konzentrationen unter 3 μg/l haben 80 % der Patienten mit akuten und chronischen Hepatitiden, Leberzirrhose, Pankreatitiden, Cholangitiden, Gastritiden, M. Crohn, Colitis ulcerosa und Polypen des Kolons. Vereinzelt kann der Wert auch höher sein, so dass der Grenzwert bei 6,9 μg/l liegt. Bei cholestatischen Erkrankungen kommt es zu keinen Cholestase bedingten Erhöhungen /7/.

Gynäkologische Erkrankungen: Bei einer diagnostischen Spezifität von 95 % liegt der Grenzwert bei 3,1 μg/l für folgende Erkrankungen: Endometriose, Ovarialzysten, Adnexitis, benigne Ovarialtumore, benigne urologische Erkrankungen wie Harnwegsinfekte, Nierenzysten, Steine der Nieren und der ableitenden Harnwege und für benigne Tumoren der Blase /6/.

Niereninsuffizienz: Unabhängig von der Dialysepflichtigkeit und dem Stadium der Niereninsuffizienz haben diese Patienten im Mittel höhere CYFRA 21-1 Werte. Nur 67 % haben Konzentrationen unter 3 μg/l, vereinzelt kommen Werte bis 10 μg/l vor /8/.

Tabelle 28.14-5 CYFRA 21-1 beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC)

Primäre Diagnostik des NSCLC: Die diagnostische Sensitivität beträgt 40–64 %. Eine gute Korrelation besteht zum Ausmaß der Tumorinfiltration (T1: 15 %, T2: 49 %, T3: 68 %, T4: 55 %) bzw. zum Tumorstadium (I: 29 %, II: 56 %, III: 63 %, IV: 63 %) /6/.

– Unklarer Rundherd in der Lunge /2/: Auf Grund verschiedener Ursachen kann es nicht möglich sein, den histologischen Befund eines unklaren Lungenrundherds zu erstellen. Die kombinierte Bestimmung von CYFRA 21-1 als Marker der ersten Wahl beim NSCLC sowie der NSE als führendem Parameter beim SCLC kann wegweisend sein.

Eine benigne Lungenerkrankung ist bei einem CYFRA 21-1 über 10 μg/l und einer NSE Konzentration über 20 μg/l wenig wahrscheinlich. So gehen Lungenmetastasen anderer Primärtumore, z.B. Karzinome von Colon, Mamma, Magen, Hoden mit relativ niedrigen Konzentrationen von CYFRA 21-1 und NSE einher (beide unter 30 μg/l). Ein unklarer Lungenrundherd und CYFRA 21-1 Werte über 30 μg/l sprechen somit mit großer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms, wobei zwischen NSCLC und SLCLC nicht unterschieden werden kann. Zeigt hingegen die NSE Werte über 70 μg/l, so liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein SCLC vor. Die diagnostische Bedeutung von CYFRA 21-1 im Vergleich zu den anderen Markern zur Abgrenzung des Bronchialkarzinoms von benignen Lungenerkrankungen zeigt Abb. 28.14-1 – Vergleich verschiedener Tumormarker zur Abgrenzung des SCLC von benignen Lungenerkrankungen.

– Plattenepithel-Karzinom: CYFRA 21-1 hat eine diagnostische Sensitivität von 52–79 %, der Marker SCC nur von 30 % und CEA von 20 %. Keiner der möglichen Kombinationen von Tumormarkern erbringt einen signifikanten Zuwachs an diagnostischer Sensitivität ohne erheblichen Verlust an Spezifität.

– Adenokarzinom, großzelliges Karzinom: Die diagnostische Sensitivität beträgt beim Adenokarzinom 42–54 % und beim großzelligen Karzinom 44–65 %. CYFRA 21-1 ist der wichtigste Marker. Durch die Kombination mit CEA kann die diagnostischen Sensitivität um 10 % gesteigert werden.

Prognose des NSCLC: CYFRA 21-1 ist für das Tumorstadium I–IIIA versus IIIB des NSCLC ein guter prognostischer Marker, im Gegensatz zu CEA. Für CYFRA 21-1 Konzentrationen über 3,3 μg/l gegenüber darunter liegenden Werten und für das Stadium IIIB, IV gegenüber I–IIIA betragen die relativen Mortalitätsrisiken 2,1.

Die 2-Jahres Überlebensrate von Patienten mit der besten Prognose (Stadium I–IIIA und CYFRA 21-1 unter 3,3 μg/l) liegt bei 60 %, während sie für Patienten mit Stadium IIIB, IV und CYFRA 21-1 über 3,3 μg/l unter 10 % liegt /13/.

Verlaufsbeurteilung des NSCLC /2/: CYFRA 21-1 ist ein Marker zur Kontrolle von therapeutischer Effizienz und Verlauf. Da die Halbwertszeit kurz ist und der Marker innerhalb eines Tages nach kurativer Therapie abfällt, ist nach der Primärtherapie (Operation) eine schnelle Abschätzung (nach 48 h) zur Effektivität möglich.

In einer Studie zur Nachsorge beim NSCLC haben alle prä-therapeutisch CYFRA 21-1 positiven Patienten zeitgleich oder bis zu 15 Monate vorzeitig zum Zeitpunkt der Rezidivierung wieder eine CYFRA 21-1 Expression aufgewiesen /14/. Von den primär CYFRA 21-1 negativen Patienten sind zum Zeitpunkt der Rezidivierung 50 % CYFRA 21-1 positiv geworden.

Nach kurativer Operation (R0-Resektion) eines Tumors, der primär Cytokeratin-19 Fragmente exprimiert hat, könnte demnach im weiteren Verlauf so lange auf invasive und mit hohen Kosten verbundene Diagnostik verzichtet werden, bis ein CYFRA 21-1 Anstieg Hinweise auf eine Progression des Grundleidens erbringt.

Tabelle 28.14-6 CYFRA 21-1 in der Diagnostik des Blasenkarzinoms (Angabe von x ± s;) /15/

Stadium

CYFRA-21-1 (μg/l)

Positivrate (%)

Nicht- oder frühinvasiv

1,43 ± 0,75

2,4

Muskel invasiv

2,14 ± 2,57

12,9

Lymphknoten positiv oder Metastasen

18,6 ± 17,7

100

Tabelle 28.16-1 Zustände und Erkrankungen und dabei vorwiegend vorkommende hCG-Formen /2/

Zustand/Erkrankung

hCG-Formen

Schwangerschaft

Intaktes hCG in unterschiedlicher Glykosilierung. In den ersten Wochen der Schwangerschaft ist aber das β-core fragment (hCGβcf) die dominierende Form und erscheint im Urin, deshalb müssen Urintests das hCGβcf nachweisen können.

Schwangerschafts-assoziierte trophoplastische Erkrankungen

Intaktes hCG, hCGβ, nicked hCG und nicked hCGβ, hyperglykosiliertes hCG.

Keimzellkarzinome des Hodens

Vorwiegend hCGβ und intaktes hCG. Ein Drittel der Patienten mit nicht-trophoblastischen Neoplasien bildet nur hCGβ.

Trisomie 21

hCGβ

Tabelle 28.16-2 Referenzbereich für hCG /56/

Frauen

Männer

Gesamt-hCG

  • Prämenopausal < 5 IU/l (15 pmol/l)
  • Postmenopausal < 10 IU/l (30 pmol/l)

Intaktes hCG < 5 IU/l (15 pmol/l)

hCG+hCGβ < 5,05 IU/l (17 pmol/l)

Tabelle 28.16-3 Häufigkeit (%) erhöhter hCG- und hCGβ-Serumwerte (β-hCG-Test) bei malignen Tumoren /8/

Nicht-seminatöse Keimzelltumoren des Hodens

48–86

Seminom

10–22

Testikuläres oder plazentares Chorionkarzinom

100

Blasenmole

97

Dünndarmtumoren

13

Kolonkarzinom

0–37

Hepatom

17–21

Bronchialkarzinom

0–36

Pankreaskarzinom

  • Adeno-Karzinom

11–80

  • Inselzell-Karzinom

22–50

Magenkarzinom

0–52

Ovarialkarzinom epithelial

18–41

Mammakarzinom

7–25

Nierenkarzinom

10

Tabelle 28.16-4 Häufigkeit der Subtypen von Hodentumoren (British testicular tumor panel) /9/

Karzinom

Häufigkeit (%)

Seminom

55,4

Embryonales Karzinom

13,5

Teratokarzinom

11,5

Chorionkarzinom

12

Dottersack

1,2

Teratom

3,7

Embryonales Ca +Seminom

8,9

Teratokarzinom + Seminom

2,6

Chorionkarzinom+ Seminom

0,2

Gemischtes Teratom + Seminom

1,2

Tabelle 28.16-5 Histologische Klassifikation von Keimzelltumoren nach Lit. /11/

Tumortyp

β-hCG test

AFP

Prämaligne Läsion

Carcinoma in situ

Seminome*

±

Nichtseminome

  • Embryon. Karzinom (40 %)

+

+

  • Dottersacktumor (5 %)

+

  • Polyembryom (30 %)

+

+

  • Trophoblastische Tumoren (Chorionkarzinom, trophobl.Plazentatumor)

+

+

Teratome (5 %)

  • Reifes Teratom

  • Demoidzyste

  • Unreifes Teratom

  • Teratom, maligne Transfor.

+

+

Mischformen**

+

+

* Seminome: klass. Seminom, Seminom mit hohem Mitoseindex, Seminom mit Synzithiotrophoblasten, spermatozytisches Seminom

** Teratokarzinom (Embryonalkarzinom und Teratom), Chorionkarzinom kombiniert mit anderen Keimzelltumoren, andere Kombinationen, z.B. germinaler Mischtumor, Germinom (Keimzelltumor)

Tabelle 28.16-6 American Society of Clinical Oncology Clinical Practice Guidelines zur Anwendung der Tumormarker hCG, AFP und LDH bei erwachsenen Männern mit Keimzelltumoren /15/

Erkrankung

Empfehlung

Screening

Das Screening asymptomatischer Männer ist nicht empfehlenswert, da keine Daten über einen Nutzen vorliegen.

Entscheidungsfindung zur Orchiektomie

Bei Patienten mit Verdacht auf Hodenkarzinom wird die Bestimmung von AFP und hCG empfohlen zur Hilfe für die Erstellung der Diagnose und als Basiswert für die postoperative Verlaufsbeurteilung. Beide Marker werden aber nicht empfohlen zur Entscheidungsfindung, ob eine Orchiektomie durchgeführt oder unterlassen werden sollte, denn die Kenntnis der Markerkonzentrationen ist nicht prädiktiv für den Folgezustand. Auch bei negativen Markerwerten kann ein Keimzelltumor vorliegen.

Unbekannter Primärtumor

Beim unbekannten Primärtumor und indifferenter Histologie wird nicht empfohlen therapeutische Entscheidungen von den AFP- und hCG-Resultaten abhängig zu machen.

Therapie nicht seminomatöser Keimzelltumoren (NSGCT)

Die Bestimmung von AFP, hCG und LDH wird nach Orchiektomie und vor jeder weiteren Behandlung empfohlen bei Patienten mit testikulärem NSGCT. Die Höhe der Markerwerte hat Einfluss auf die Risikostratifizierung und die weiteren therapeutischen Entscheidungen. Aufmerksamkeit sollte möglichen falsch positiven Resultaten gewidmet werden.

Vor Beginn einer Chemotherapie sollten AFP und hCG zur Risikostratifizierung bestimmt werden bei Patienten mit mediastinalen oder retroperitonealen NSGCT.

Vor einer retroperitonealen Lymphknotendissektion (RPLND) sollte bei Patienten des Stadiums I und II NSGCT das AFP und hCG bestimmt werden. Patienten mit persistierend erhöhten AFP- oder hCG-Werten sind jenseits der Stadien IA und IB und benötigen eine systemische Therapie wie Patienten des Stadiums III.

Am Anfang und Ende jedes Chemotherapiezyklus sollten AFP und hCG bestimmt werden. Ansteigende Werte von AFP oder hCG unter Chemotherapie zeigen eine progressive Erkrankung oder ein Therapieversagen an und erfordern einen Wechsel der Therapie. Beachtet werden muss aber das Tumorlyse Syndrom unter Chemotherapie, insbesondere dem ersten Zyklus. Es kann zu einem transienten Markeranstieg kommen, der aber kein Therapieversagen anzeigt.

Überwachung des NSGCT-Patienten

AFP und hCG sollten bestimmt werden im ersten Jahr alle 1–2 Monate, im zweiten Jahr alle 2–4 Monate, im dritten Jahr alle 3–6 Monate, im vierten und fünften Jahr halbjährlich und danach jährlich einmal.

Therapie des Seminoms

Bei Vorliegen eines reinen Seminoms wird vor Orchiektomie die Bestimmung von hCG und LDH empfohlen. Ebenfalls nach Orchiektomie ist die Bestimmung durchzuführen, da persistierende Erhöhungen oder ansteigende Konzentrationen auf eine metastatische Erkrankung hinweisen. Die Werte nach Orchiektomie können aber nicht zur Stadienenteilung oder für eine prognostische Aussage angewendet werden.

Die hCG- und LDH-Werte sind kein Kriterium für therapeutische Entscheidungen. Während der Behandlung wird die Messung des Behandlungserfolgs anhand von hCG und LDH nicht empfohlen, wohl aber am Ende der Behandlung.

Überwachung des Patienten mit Seminom

hCG und LDH sollten bestimmt werden im ersten Jahr alle 2–4 Monate, im zweiten Jahr alle 3–4 Monate, im dritten und vierten Jahr alle 4–6 Monate und danach jährlich einmal.

Tabelle 28.16-7 Verhalten der Serummarker bei Hodenkarzinomen /8/

Seminom: Die Seminome haben einen Anteil von 30–50 % an den Keimzelltumoren des Hodens. 10–20 % der Patienten haben erhöhte Konzentrationen von hCG und oder hCGβ. Die hCG-Konzentrationen sind in der Regel unter 2.000 IU/l. Etwa ein Drittel der Marker positiven Seminome hat erhöhte Konzentrationen von hCGβ /16/. In einer anderen Studie /17/ erhöhte die spezifische Bestimmung von hCGβ die Häufigkeit Marker positiver Seminome von 17 % auf 57 % und die Erkennung eines Rezidivs von 32 % auf 59 %.

hCG- und hCGβ-Werte über 5.000 IU/l sind für das Vorliegen eines Kombinationstumors verdächtig und sprechen, unabhängig von der histologischen Klassifikation, gegen das Vorliegen eines reinen Seminoms. Das kann für die therapeutische Entscheidung bezugnehmend Orchiektomie und Strahlentherapie bzw. retroperitonealer Lymphadenektomie und/oder Chemotherapie bedeutsam sein.

Spermatozytische Seminome machen unter 1 % der testikulären Karzinome aus, haben eine geringere Tendenz zur Metastasierung, treten erst in einem Alter von im Median 48 Jahren auf und sind immunhistochemisch negativ bezugnehmend der humanen plazentaren alkalischen Phosphatase (PLAP) /18/. Beim klassischen Seminom ist die PLAP in 58,5 % der Fälle im Serum erhöht /19/.

Nicht-seminomatöse Karzinome: Beim nicht-seminomatösen Karzinomen wie dem undifferenzierten Teratom (WHO: Embryonales Karzinom) ist hCG zu 60 %, beim intermediären Typ (WHO: Embryonales Karzinom mit Teratom, Teratokarzinom) zu 57 % positiv. Die Konzentrationen von hCG betragen bis 1.000 IU/l. Bezugnehmend der Häufigkeit erhöhter hCG-Konzentrationen besteht eine Stadienabhängigkeit (Stadium I 45 %, II 55 %, III 84 %) nicht aber in Hinsicht auf die Höhe der Werte /20/. Falsch-negative Markerbefunde werden vor der Orchiektomie mit 10–33 % der Fälle angegeben. Ferner bilden nach immunhistologischen Untersuchungen Metastasen seltener Marker als der Primärtumor. Somit kann eine Normalisierung von hCG und AFP nach Orchiektomie eine komplette Tumorentfernung vortäuschen.

Etwa 6 % der Teratokarzinome führen zu Gehirnmetastasen. Es resultieren hohe hCG-Konzentrationen (über 10.000 IU/l) im Serum, wobei hohe Werte sehr viel häufiger sind als niedrige. Zum Nachweis ist die Bestimmung von hCG im Liquor cerebrospinalis wichtig.

Neurohypophysäre Keimzelltumoren /21/: Neurohypophysäre Keimzelltumoren müssen differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden bei suprasellären Schädigungen bei Kindern und jüngeren Erwachsenen. Nicht selten handelt es sich um neurohypophysäre Keimzelltumoren, die differentialdiagnostisch gegenüber einer tuberofundibulären Hypophysitis abgeklärt werden müssen. Die Bestimmung von hCG im Liquor cerebrospinalis hilft bei der Abklärung. Es ist wichtig einen Test anzuwenden, der möglichst viele hCG-Formen detektiert, insbesondere auch hCGβ. Nach einigen Autoren soll der Grenzwert im Liquor cerebrospinalis ≥ 50 IU/l betragen. Andere empfehlen die Bestimmung im Serum und Liquor cerebrospinalis und schlagen für das Vorliegen eines neurohypophysären Keimzelltumors einen Liquor/Serum-Quotienten ≥ 2 vor. In einer Studie /21/ lag bei drei Patienten ein neurohypophysärer Keimzelltumor vor, bei einer hCG-Konzentration im Liquor cerebrospinalis über 0,7 IU/l, gemessen mit einem β-hCG Test.

Chorionkarzinom /22/: Das Chorionkarzinom des Hodens ist sehr selten und hat einen Anteil unter 1 % an den Hodenkarzinomen. Immunhistochemisch besteht der Tumor aus proliferierenden Synzytiotrophoblasten und Zytotrophoblasten. Es handelt sich um ein hoch malignes Karzinom, das vorwiegend als Komponente eines Mischtumors vorkommt. Die Patienten präsentieren sich häufig (83 %) schon mit multiplen Metastasen, die bevorzugt in der Lunge, dem Gehirn und der Leber lokalisiert sind. Die Prognose des männlichen Chorionkarzinoms ist schlecht. Die Tumormasse korreliert mit den hCG-Serumwerten, die bis zu mehreren Mio. IU/l erhöht sein können. Etwa 106 Tumorzellen bewirken im Plasma eine hCG-Konzentration von 10 IU/l.

Tabelle 28.16-8 Prognostische Einteilung für Keimzelltumoren (International Germ Cell Consensus Group) /13/

Prognose

Nicht seminomatöse Tumoren

Seminome

Gut (92 % Überlebensrate)

Gonadaler oder retroperitonealer Primärtumor, keine extrapulmonalen Filiae

AFP < 1.000 μg/l

hCG < 5.000 IU/l

LDH < 1,5 × oberer Normwert

Primärtumor jeder Lokalisation

Keine extrapulmonalen Metastasen

Normales AFP

Jeder LDH- oder hCG-Serumwert

Intermediär (75 % Überlebensrate)

Gonadaler oder retroperitonealer Primärtumor

Keine extrapulonalen Filiae

AFP 1.000–10.000 μg/l

hCG 5.000–50.000 IU/l

Extrapulmonale Metastasen

LDH (< 1,5–10) × oberer Normwert

Primärtumor jeder Lokalisation

Extrapulmonale Metastasen

Jeder LDH- oder hCG-Serumwert

Schlecht (50 % Überlebensrate)

Mediastinaler Primärtumor

Extrapulmonale Filiae

AFP > 10.000 μg/l

hCG > 50.000 IU/l

LDH > 10 × oberer Normwert

Entfällt

Tabelle 28.16-9 FIGO-Klassifikation für Trophoblastentumoren /23/

  • Stadium I: Tumor beschränkt auf Uterus
  • Stadium II: Tumor überschreitet Uterus, mit Befall der Adnexe oder Vagina
  • Stadium III: Pulmonaler Befall mit oder ohne Genitaltrakt
  • Stadium IV: Andere Fernmetastasen

FIGO-Punkteskala

FIGO-Score

0

1

2–3

4

Alter

≤ 40

> 40

Vorhergehende Schwangerschaft

Hydatidiforme Mole

Abort

Termin-

gerecht

Monate nach Index-Schwangerschaft

< 4

4–6

7–12

> 12

hCG (IU/l) vor Therapie

< 103

103–104

104–105

> 105

Tumorgröße

3–5 cm

≥ 5 cm

Lokalisation der Filiae

Milz, Niere

Gastrointes-tinaltrakt

Gehirn, Leber

Zahl der Filiae

0

1–4

5–8

> 8

Therapieversagen

Monochemo-therapie

Kombinations-Chemotherapie

Tabelle 28.16-10 Umrechnung von hCG /6/

Molekül

MW (kD)

μg/IU

pmol/IU

hCG intakt

37,5

0,11

2,9

hCGβ

23,5

1,0

43

hCGα

12,0

1,0

83

Tabelle 28.16-11 Altersabhängige Referenzbereiche für hCG bei Männern in IU/l (pmol/l) /6/

Molekül

< 60 J.

≥ 60 J.

hCG intakt

0,7 (2,0)

2,1 (6,1)

hCGβ

0,04 (2,0)

0,05 (2,1)

Tabelle 28.17-1 HER-2/neu Wertelage eines gesunden Kontrollkollektives in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht /2/. Angabe in μg/l.

Geschlecht

Alter (J)

Median

5. Perzent.

95. Perzent.

Frauen

< 35

9,1

5,9

12,5

35–45

10,0

6,1

15,0

45–55

11,1

8,4

15,1

≥ 55

11,4

7,6

15,7

Männer

< 35

12,9

9,6

16,0

35–45

13,1

8,9

18,2

45–55

12,6

9,1

19,2

≥ 55

13,1

9,4

16,8

Tabelle 28.17-2 Abfall von HER-2/neu nach Trastuzumab-Therapie bei 3+HER/2neu Patientinnen mit Mammakazinom /11/

Abfall gegenüber Basiswert

Rate der Gesamt-Response (%)

Dauer der Response (Tage)

Zeitraum bis zur Progression (Tage)

Gesamt-überleben (Tage)

Über 20 %

58,3

403

334

1023

≤ 20 %

25,0

245

173

519

Tabelle 28.18-1 Referenzintervalle für NSE

Erwachsene:

Serum

≤ 10 bzw. ≤ 20 /1234/

Liquor

0–3,7 /5/

Kinder /1/:

Serum

≤ 1 J.

≤ 25

1–8 J.

≤ 20

Liquor

1–8 J.

≤ 4,8 /6/

Angaben in μg/l

Tabelle 28.18-2 Diagnostische Sensitivität von NSE bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

Benigne Erkrankungen

Bei benignen Erkrankungen eher niedrig-pathologische oder transitorische Erhöhung der Konzentration mit Normalisierung bei Heilung.

Lunge

5–14

Extrapulmonal

11

Neuralrohrdefekte

50

Urämie

?

Maligne Erkrankungen

Bei malignen Erkrankungen ohne Behandlung stetig bis exponentiell ansteigende Werte mit Korrelation zur Tumor-masse, Stadium,Metastasen-Lokalisation. Nicht brauchbar zum Screening oder zur Diagnosestellung, aber zur Therapie- und Verlaufskontrolle beim kleinzelligen Bronchial-karzinom (Erstmarker) sowie Neuroblastom und APUDOM.

Lungen-Karzinom

  • kleinzellig

60–87

  • dto. limited

39–59

  • dto. extensive

83–87

  • nicht-kleinzellig

7–25

  • großzellig

30–38

  • Adeno-Karzinom

18–30

  • Plattenepithel-Karzinom

13–30

Nicht-Lungen-Karzinom

22

  • nicht metastasiert

11

  • metastasiert

41

ZNS primär

14

APUDOME

34

Schilddrüsen Karzinom

15

Neuroblastom

62

Metast. Seminom

73

Nicht metast. Sem.

15

Lymphom/Leukämie

8

Mamma-Karzinom

29

Nieren-Karzinom

50

* Entscheidungswert > 10–20 μg/l;

Tabelle 28.19-1 Referenzintervalle von PSA

PSA

Cutoff point*

Totales PSA (t-PSA)

3,1 μg/L

Komplexiertes PSA

≤ 4 μg/L

Freies PSA/totales PSA

0.15–0.25 (%)

Prostate Health index

< 25 (%)

* In Abhängigkeit vom Diagnostikahersteller

Tabelle 28.19-2 T-PSA bei kurativer Standardtherapie des Prostatakarzinoms

t-PSA nach radikaler Prostatektomie: Die Eliminationshalbwertzeit von t-PSA nach operativer Entfernung der Prostata beträgt 1,5–2 Tage, diejenige von f-PSA wenige Stunden. Einige Wochen nach radikaler Prostatektomie sollten t-PSA-Werte unterhalb der Nachweisgrenze im Blut erreicht werden /34/. Der Nachweis höherer t-PSA-Konzentrationen im Serum von Männern nach radikaler Prostatektomie spricht für den Fortbestand von Prostatagewebe, steigende t-PSA-Werte nach radikaler Prostatektomie gelten als sicherer Nachweis für ein Restkarzinom. Ein Rezidiv eines Prostatakarzinoms ohne messbare t-PSA-Konzentration wird nicht beobachtet oder ist eine Rarität. Daher spielt der Einsatz bildgebender Verfahren in Nachsorgeuntersuchungen nach radikaler Prostatektomie bei nicht messbar niedriger t-PSA-Konzentration eine untergeordnete Rolle.

Frühere Erkennung von Residualkarzinom durch ultrasensitive Messverfahren

Eine allgemein akzeptierte Definition ultrasensitiver t-PSA-Methoden existiert nicht. Während früher Methoden mit der unteren Nachweisgrenze von 0,2 μg/l als hypersensitiv bezeichnet wurden /53/, werden die Begriffe wie ultra-, super- oder hypersensitiv meist auf Methoden angewandt, deren untere Nachweisgrenze < 0,1 μg/l liegt.

Ultrasensitive Tests erlauben die Diagnose eines PSA-Rezidivs deutlich früher, als dies mit konventionellen Tests möglich ist. Die meisten Studien ergeben einen Zeitvorsprung von etwa 1 Jahr gegenüber herkömmlichen Messverfahren /35/. Wie häufig sich ein ultrasensitiver t-PSA-Nachweis in der weiteren Verlaufsbeobachtung jedoch nicht durch steigende Werte in konventionellen Tests bestätigt, bleibt in den meisten Untersuchungen unklar. Studien, die den Anteil solcher falsch-positiven t-PSA-Anstiege in ultrasensitiven Tests beschreiben, lassen jedoch vermuten, dass dies bei einer unteren Nachweisgrenze unter 0,1 μg/l relativ häufig vorkommt. So werden bei einer unteren Nachweisgrenze von 0,06 μg/l bei 20 % der Patienten t-PSA-Anstiege gemessen, die sich im weiteren Verlauf in der Kontrolle durch konventionelle Tests nicht bestätigten. Werden t-PSA-Konzentrationen von < 0,1 μg/l nachgewiesen, besteht die Gefahr, auch t-PSA, das aus extraprostatischem Gewebe stammen könnte, zu messen. Der Nachweis solcher niedrigen t-PSA-Konzentrationen im Serum von Männern nach radikaler Prostatektomie führt zu Interpretationsproblemen, da nur wenig verbliebenes benignes Prostatagewebe oder periurethrale Drüsen zu messbaren t-PSA-Konzentrationen führen können, ohne dass ein Residualtumor vorliegen muss /22/. Ebenso können PSA ähnliche Moleküle aus der Gruppe der Kallikreine durch Kreuzreaktion möglicherweise zu falsch-hohen Ergebnissen führen /33/.

Klinische Konsequenzen sehr niedriger t-PSA- Konzentrationen nach radikaler Prostatektomie

Es ist unklar, ob die ultrasensitive Erkennung von Residualtumor durch den früheren Einsatz adjuvanter Therapieverfahren, z.B. postoperativer Radiatio oder Androgenentzug, zu einer Verbesserung der Lebensqualität oder sogar einer Lebensverlängerung für den Betroffenen führen kann, da hierzu keine Studienergebnisse vorliegen. Sicher ist jedoch, dass steigende t-PSA Werte nach radikaler Prostatektomie eine erhebliche psychische Belastung des Patienten bedeuten.

Es kann derzeit nicht beantwortet werden, ob eine frühere Beunruhigung des Patienten durch den Einsatz ultrasensitiver PSA-Testverfahren mit dem potenziellen Nutzen der zur Verfügung stehenden adjuvanten Therapieverfahren gerechtfertigt werden kann.

Der Anteil falsch positiver Testergebnisse im ultrasensitiven Konzentrationsbereich ist relativ groß. Vor der Übermittlung einer ultrasensitiv (hochempfindlich) gemessenen PSA-Konzentration an den Betroffenen sollte daher eine eingehende Aufklärung des Patienten stattfinden, oder aber auf Übermittlung niedrigster messbarer PSA-Konzentrationen verzichtet werden /2236/.

t-PSA nach Bestrahlung: Während und kurz nach der Bestrahlung der Prostata wird häufig ein t-PSA-Anstieg beobachtet. Die t-PSA-Konzentration, die als Hinweis auf vollständige Remission nach Bestrahlung gewertet wird, ist uneinheitlich von unter 0,5 μg/l bis über 4 μg/l.

Ein Konsensuspapier der American Society of Therapeutic Radiation Oncology (ASTRO) aus dem Jahr 1999 verlässt das Konzept des Nadirs und definiert ein Therapieversagen nach Bestrahlung als drei aufeinander folgende t-PSA-Anstiege über den Nadir /37/. Aktuell gelten die Empfehlungen der ASTRO aus dem Jahr 2006, die ein Therapieversagen als t-PSA-Anstieg um 2 μg/l über dem posttherapeutisch erreichten Nadir definieren /38/.

Ein ungeklärtes Phänomen ist, dass bei etwa jedem dritten Patienten 2–5 Jahre nach Bestrahlung ein vorübergehender t-PSA-Anstieg um über 0,4 μg/l auftritt (PSA-Bounce), ohne dass dies ein Hinweis auf eine Progression der Erkrankung zu sein scheint /39/.

t-PSA unter Androgen entzugsbehandlung: Die t-PSA-Konzentration vor Beginn einer Androgen-Entzugsbehandlung erlaubt wahrscheinlich keine sichere Vorhersage einer Progression. Nach Androgenentzug spiegelt PSA nicht immer den Krankheitsstatus wider, da die PSA-Produktion unter direkter hormoneller Kontrolle steht, die möglicherweise unabhängig vom Effekt des Androgenentzugs auf das Prostatakarzinom ist. Das mittlere Intervall zwischen PSA-Wiederanstieg und klinisch fortschreitender Erkrankung beträgt etwa 7 ± 5 Monate.

Diese Änderungen der t-PSA Konzentration unter Androgen-Entzugsbehandlung korrelieren mit einer günstigen Prognose:

  • Abfall über 80 % innerhalb 1 Monat.
  • Abfall über 90 % innerhalb 3–6 Monaten.
  • Abfall auf normal innerhalb 6 Monate.
  • Abfall auf normal, zeitunabhängig.
  • Abfall auf unter 1 μg/l, zeitunabhängig.

Die mediane t-PSA-Verdopplungszeit bei Patienten unter Androgen-Entzugsbehandlung, die Fernmetastasen entwickelten (2,5 Monate), ist signifikant kürzer als bei Patienten, die keine Metastasen entwickelten (7,5 Monate) /40/. Zusammenfassend gibt t-PSA Hinweise darauf, welche Patienten gut auf eine Androgen-Entzugsbehandlung ansprechen, erlaubt Rückschlüsse auf die Dauer des Ansprechens und identifiziert eine Progression der Erkrankung, bevor sie klinisch manifest wird.

Tabelle 28.19-3 Genaberrationen bei Patienten mit metastatisiertem Prostatakarzinom /184142/

Gen

Aberrantes Gen (%)

Wirkung

Gewöhnliche Abweichungen

AR Gen

62,7

Androgen Signalisierung

Amplifikation, Splice Varianten, Mutationen

TP 53

53,3

Zellzyklus, Tumorsuppressor

Mutation, Kopieverlust

PTEN

40,7

PI3K-AKT Regulator

Kopieverlust, Mutation

ETS

56,7

Transkriptions-Regulator

Genfusionen

BRCA2

13,3

DNA Reparatur

Kopieverlust, Mutation

KMT2C

12,7

Chromatin Veränderung

Mutation

FOXA1

12,0

AR assoziiert

Mutation

ZBTB16

10,0

AR assoziiert

Kopieverlust

RB1

9,3

Zellzyklus

Kopieverlust

APC

8,7

Wnt Signalweg

Kopieverlust, Mutation

CHD1

8,0

Chromatin Veränderung

Kopieverlust, Mutation

SPOP

8,0

Androgen Signalgebung

Mutation

ATM

7,3

DNA Reparatur

Kopieverlust, Mutation

AR, Androgen Rezeptor

Tabelle 28.19-4 Gewöhnliche Keimbahn-Mutationen bei Patienten mit metastatsiertem Prostatakarzinom /1843/

Gene

Patienten mit Mutationen (%)

Relatives Risiko der Metastasierung

BRCA2

5,35

18,6

CHEK2

1,87

3,1

ATM

1,59

6,3

BRCA1

0,87

3,9

Gen1

0,46

5,8

RAD51D

0,43

5,7

PALB2

0,43

3,5

Relatives Risiko im Vergleich zu Männern ohne Prostatakarzinom

Tabelle 28.19-5 Prinzipien des PSA Monitoring bei Verdacht auf Prostatakarzinom

Verhältnis von t-PSA zum Prostatavolumen: Die Dichte der t-PSA ist definiert als das Verhältnis des Serum t-PSA in μg/l zum Volumen der Prostata in cm3, bestimmt mittels transrektalem Ultraschall. Im Vergleich zu einem identischen Volumen gesunden Gewebes hat malignes Prostatagewebe eine höhere Konzentration an t-PSA. Idealerweise sollte dieses Verhältnis die Unterscheidung von Patienten mit benigner Prostatahyperplasie von denjenigen mit Prostatakarzinom unterscheiden, obwohl ein Teil der Patienten mit erhöhtem Volumen kein Karzinom hat /1112/.

Die Bestimmung des Prostatavolumens mittels transrektalem Ultraschall ist vom Untersucher abhängig und zeigt eine erhebliche Variation. Auch kleine Abweichungen im Durchmesser der Prostata können zu einer deutlichen Abweichung des Prostatavolumens führen /13/.

T-PSA-Anstieg über die Zeit:

PSA-Anstiegsgeschwindigkeit: Das Konzept basiert auf der Messung von drei t-PSA-Konzentrationen innerhalb einer Zwei-Jahres-Periode.

Die Formel für die Berechnung der t-PSA-Anstiegsgeschwindigkeit lautet:

½ [(2. PSA-Wert – 1. PSA-Wert = Zeitintervall zwischen Bestimmung 1 und 2) + (3. PSA-Wert – 2. PSA-Wert = Zeitintervall zwischen Bestimmung 2 und 3)]

In einer Studie /47/, die im Rahmen der Baltimore Longitudinal Study of Aging über 17 Jahre kontrolliert wurden, konnte gezeigt werden, dass Unterschiede in der t-PSA Anstiegsgeschwindigkeit zwischen Männern mit und ohne Prostatakarzinom bis zu 9 Jahre vor der Diagnosesicherung des Prostatakarzinoms erkennbar waren. Bei einem Grenzwert von 0,75 μg/l und Jahr erwies sich die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit mit einer diagnostischen Sensitivität von 72 % bei einer Spezifität von 95 % für die Prostatakarzinom Früherkennung hilfreicher als die alleinige t-PSA-Konzentration /48/.

Empfohlen werden drei konsekutive Proben über einen Zeitraum von 2 Jahren an Stelle einer kurzfristigen Kontrolle (3 bis 6 Monate). Eine mittels drei Serumproben berechnete PSA-Anstiegsgeschwindigkeit ist einem aus lediglich zwei Proben bestimmten Anstiegswert überlegen. In einer Studie /48/ wurde gezeigt, dass 12,5 % der untersuchten 265 Männer ohne Nachweis eines Prostatakarzinoms innerhalb eines 2-Jahres-Intervalls eine t-PSA-Anstiegsgeschwindigkeit von > 0,75 μg/l und Jahr hatten. Unterschiede zwischen Messverfahren können dazu führen, dass die methodische Variabilität größer ist als die Veränderungen der t-PSA-Anstiegsgeschwindigkeit /49/. Die Empfehlung noch niedrigerer Grenzwerte für die t-PSA-Anstiegsgeschwindigkeit, wie z.B. 0,3 μg/l pro Jahr /50/ dürfte dieses Problem noch vergrößern. Da die Resultate verschiedener Methoden in identischen Proben deutlich voneinander abweichen können, darf kein Wechsel der Methode im Zeitintervall der Berechnung serieller PSA-Konzentrationen stattfinden /51/.

T-PSA Verdopplungszeit: Das Konzept unterscheidet sich von der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit, indem es den Zeitraum angibt, in dem sich die t-PSA Konzentration verdoppelt /52/:

Verdopplungszeit = log 2 × Zeit / log 2. PSA-Konzentration – log 1. PSA-Konzentration

Der theoretische Vorteil der PSA-Verdopplungszeit gegenüber der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit besteht darin, dass die Verdopplungszeit von der Höhe des Ausgangs-PSA-Werts unabhängig ist und unabhängig von der PSA-Messmethode ist. Diese sollte jedoch nicht gewechselt werden.

Zusammenfassend ergeben serielle PSA-Bestimmungen zusätzliche Informationen für die Erkennung eines Prostatakarzinoms. Trotzdem sollten sie vorsichtig interpretiert werden. Eine Auswertung von 1.689 Teilnehmern der europäischen Screeningstudie, die sich einer Prostatabiopsie unterzogen, war die mittlere PSA-Verdopplungszeit bei Männern mit Prostatakarzinomnachweis mit 5,1 Jahren nur wenig kürzer als die mittlere Verdopplungszeit von 6,1 Jahren bei Männern mit benignem Biopsieergebnis /53/. Auch eine Folgestudie an 2.742 Männern /54/ kommt zu dem Schluss, dass es wenig Berechtigung dafür gibt, eine formale Berechnung der PSA Dynamik für die Biopsie-Indikation heranzuziehen. Vielmehr sollte die klinische Beurteilung einer auffälligen PSA-Dynamik im Zweifelsfall vor einer Biopsie zur Abklärung einer evtl. vorliegenden Prostatitis führen.

[-2]pro-PSA(p2PSA) und Prostate Health index (PHi): Der klinische Wert der Bestimmung von t-PSA zur Frühdiagnostik des Prostatakarzinoms wurde aufgrund der ungenügenden diagnostischen Spezifität in Frage gestellt. Die Bestimmung der PSA Isoform [-2]pro-PSA (p2PSA) bietet eine Verbesserung der Diagnostik des Prostatakarzinoms bei Männer mit einer t-PSA Konzentration von 2–10 μg/L. Die Bestimmung des Verhältnisses [-2]pro-PSA zu freiem PSA, auch als %[-2]pro-PSA bezeichnet, und des PHi können besser Patienten mit Prostatakarzinom von denjenigen ohne Karzinom unterscheiden als t-PSA und als das Verhältnis fPSA/tPSA (%fPSA) /33/. Der PHi wird wie folgt kalkuliert:

PHi = p[–2]pro-PSA/fPSA × √t-PSA

Die Grenzwerte für %[-2]pro-PSA und PHi bei einer diagnostischen Sensitivität von 90 % waren 2.5 % /56/ und 1.06 % /57/. Ähnlicher waren die Grenzwerte für PHi mit 24,9 % and 21,1 % in Lit. /57/ and Lit. /58/ bei einer diagnostischen Sensitivität von 90 %. In zwei Metaanalysen waren die Daten zur Diagnostik des Prostatakarzinoms folgendermaßen: Diagnostische Sensitivität 90 % für %[-2]pro-PSA and PHi, bei einer gepoolten Spezifität von 32,5 % (95 % CI 30,6–34,5) and 31,6 % (95 % CI 29,2–34,0 % for %[-2]pro-PSA and PHi /59/. Die diagnostische Sensitivität war 86 % (95 % CI 84–87) für %[-2]pro-PSA and 85 % (95 % CI 83–86) für PHi, bei einer Spezifität von 45 % (95 % CI 44–47) for %[-2]pro-PSA and PHi /55/.

Schlussfolgerungen /60/:

  • Der PHi Test wurde von der US Food and Drug Administration empfohlen bei t-PSA Werten von 4–10 μg/L.
  • Der PHi übertrifft seine individuellen Komponenten zur Vorhersage des Prostatakarzinoms generell und ist hinweisend zur Durchführung einer Biopsie.
  • Der PHi oder die Bestimmung von %[-2]pro-PSA reduzieren die Zahl nicht erforderlicher Biopsien um 15 % bei einer diagnostischen Spezifität von 90 %.
  • Nach einer Therapie sagen der Basiswert des PHi und die Werte der Verlaufsbeurteilung welcher Patient zu einem höheren Risiko reklassifiziert werden sollte. Das zeigten Untersuchungen nach einer Velaufsbeurteilung von bis zu 4,3 Jahren nach Diagnose /61/.
  • Höhere PHi and %[-2]pro-PSA Werte sind mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs des Gleason scores ≥ 7 und damit einem aggressiveren Karzinom assoziiert.
  • PHi Werte sind nicht abhängig von Alter und Rasse.
  • Bei Interpretation der Ergebnisse muss die Heterogenität, die durch die unterschiedlichen Grenzwerte verursacht wird, beachtet werden.
  • Der PHi-Wert bestimmt die Nachweisrate für das Prostatakarzinom. Ist der PHi < 25, 25–34,9, 35–54,.9 und ≥ 55, sind die Detektionsraten für ein Karzinom 11 %, 18,1 %, 32,7 % und 52,1 %.

Freies PSA (f-PSA): PSA zirkuliert im Plasma an Proteaseinhibitoren gebunden sowie als freies, nicht gebundenes Molekül (f-PSA) /62/. F-PSA bildet mit 10–30 % des t-PSA die kleinere Fraktion des PSA im Serum. 70–90 % des PSA sind an α1-Antichymotrypsin (ACT-PSA) gebunden. Das an α2-Makroglobulin /63/ gebundene PSA kann, bedingt durch eine komplette Umschließung der Epitope des kleineren PSA-Moleküls, mit kommerziell erhältlichen PSA-Tests nicht erfasst werden. F-PSA steigt bei benigner Prostatahyperplasie relativ stärker an als t-PSA.

Die alleinige Bestimmung des f-PSA erbringt keinen diagnostischen Gewinn. Erst der Quotient f-PSA/ t-PSA (f/t-PSA) steigert die Trennschärfe zwischen benigner Prostata und Prostatakarzinom /1627/.

Wichtig ist, dass f/t-PSA bei sehr niedriger und sehr hoher t-PSA Konzentration irreführende Werte ergeben kann. Seine Bestimmung ist nur im Bereich der größten Überlappung der t-PSA Konzentrationen zwischen benigner Prostata und Organ begrenztem Prostatakarzinom sinnvoll. Abhängig vom t-PSA-Test reicht dieser Bereich von 2–4 μg/l bis 10–20 μg/l.

In retrospektiven Untersuchungen wurde gezeigt, dass 20–60 % der negativen Prostatabiopsien durch die Bestimmung des f/t-PSA unter Wahl eines geeigneten Grenzwerts hätten vermieden werden können. In einer Studie /16/ an Männern mit einer t-PSA-Konzentration von 4–10 μg/l (Hybritech) wurden 95 % der Prostatakarzinome bei gleichzeitiger Reduzierung der Biopsien um 20 % unter Verwendung eines f/t-PSA-Grenzwerts von 25 % erkannt. In diesem t-PSA Bereich zeigten auch andere Untersucher eine verbesserte Erfassung des Prostatakarzinoms bei Vermeidung von 29 % unnötiger Biopsien, bei einem f/t-PSA-Grenzwert von 0,20 (Hybritech). Ähnliche Ergebnisse zeigte auch der Test eines anderen Herstellers /64/.

Die diagnostische Sensitivität und Spezifität des f/t-PSA ist vom Prostatavolumen abhängig /65/. Die Diskriminierung zwischen Prostatakarzinom und benigner Prostatavergrößerung ist ab einem Prostatavolumen > 40–60 cm schlechter. F/T-PSA erlaubt nicht den Ausschluss eines Prostatakarzinoms, hilft aber, Männer mit erhöhtem Karzinomrisiko zu erkennen.

Für die Interpretation ist es wichtig, dass auch Prostatitis zu einem Karzinom verdächtig niedrigen f/t-PSA Ergebnis führen kann.

F/T-PSA bei T-PSA-Konzentrationen < 4 μg/l: Innerhalb von 3–5 Jahren entwickeln bis zu 20 % der Männer mit einer normalen t-PSA Konzentration von 2,6–4 μg/l ein klinisch erfassbares Prostatakarzinom /66/. In einer europäischen Screening-Studie wurde bei 10.523 Männern gezeigt, dass die Hälfte aller Prostatakarzinome mit einer t-PSA-Konzentration < 4 μg/l einher gehen und, obwohl noch Organ begrenzt, einen höheren Malignitätsgrad aufwiesen /67/. Für diesen niedrigen t-PSA Bereich wurden Studien an Männern mit unauffälliger digital rektaler Untersuchung durchgeführt /27/. Auch im t-PSA-Bereich von 2,5 μg/l und 2,6–4 μg/l (Hybritech) verbessert der Quotient f/t-PSA die Diagnostik des Prostatakarzinoms. Bei einem Grenzwert von 0,27 wurden 90 % der Patienten mit einem Prostatakarzinom identifiziert, von diesen hatten 81 % einen Organ begrenzten Tumor. In einer ähnlichen Studie /64/, aber mit einem anderen PSA-Test (Abbott), wurden bei einem f/t-PSA-Grenzwert von 0,19 und einem t-PSA Bereich von 3–4 μg/l 90 % der Prostatakarzinome erkannt.

Wie bei den Testverfahren für t-PSA unterscheiden sich die Grenzwerte für f/t-PSA abhängig von den Testverfahren. Voraussetzung für die Ermittlung valider f/t-PSA-Referenzbereiche ist die histopathologische Sicherung der Prostatadiagnose aller untersuchten Probanden. Aufgabe des Labors ist es, den Quotienten aus f- und t-PSA nur mit einer Kombination aus Tests zu ermitteln, für die ein solcher Referenzbereich ermittelt wurde.

Präanalytik

Für t-PSA und f-PSA sollte die Probe innerhalb von 3 h zur Gewinnung von Serum zentrifugiert werden /68/.

Komplexiertes PSA (c-PSA): T-PSA liegt in verschiedenen Formen, als freies PSA und komplexiertes PSA vor. Etwa 70–80 % des PSA sind an α1-Chymotrypsin gebunden. Zusätzlich liegt ein kleiner Anteil noch in Bindung an α2-Makroglobulin vor. Etwa 10–30 % des PSA sind nicht an Proteine gebunden und werden als freies PSA (f-PSA) bezeichnet. Das kalkulierte f-PSA ist die Differenz zwischen t-PSA und c-PSA und entspricht dem gemessenen f-PSA /69/. Da bei den meisten Prostatakarzinomen relativ mehr c-PSA als f-PSA im Serum ist, sollte die Bestimmung des c-PSA einen höheren Vorhersagewert für das Prostatakarzinom haben /62/.

Die Ergebnisse von Studien zeigen in engen t-PSA Bereichen (2,5–6,0 μg/l /70/, 2,0–10 μg/l /71/ und für 2,5–4 μg/l /72/) eine Überlegenheit von cPSA gegenüber t-PSA, nicht aber gegenüber dem Quotienten aus f/t-PSA oder c/t-PSA. Im weiten t-PSA-Bereich von 2–20 μg/l wurde kein Unterschied zwischen cPSA und t-PSA gefunden, aber auch in dieser Studie war die Bildung von Quotienten aus den verschiedenen PSA-Formen den Einzelparametern überlegen. Ähnliche Ergebnisse zeigen Untersuchungen für t-PSA in den Bereichen von 2,5–10 μg/l und 4,0–10 μg/l.

In den beiden Studien war die Bildung von Quotienten den Einzelparametern cPSA und t-PSA überlegen /7073/.

Tabelle 28.20-1 S100-Werte bei Gesunden und Patienten [Median (μg/l) Bereich und 95 %-Perzentile] /5/

Gruppe

Median

Bereich

95-Perz.

Gesunde Personen

0,041

0,001–0,144

0,096

Benigne Erkrankungen

  • Gastrointestinal

0,051

0,015–0223

0,161

  • Gynäkologisch

0,057

0,028–0,105

0,100

  • Pulmonal

0,050

0,016–0,186

0,147

  • Brust

0,037

0,010–0,084

0,072

  • Urologisch

0,036

0,001–0,115

0,088

  • Prostatahyperplasie

0,045

0,011–0,110

0,102

  • Autoimmun

0,030

0,001–0,388

0,373

  • Infektion

0,052

0,018–1,960

1,069

Karzinome

  • Bronchial

0,020

0,001–0,301

0,062

  • Kolon

0,022

0,001–0,534

0,064

  • Mamma

0,049

0,003–0,193

0,163

  • Ovar

0,042

0,006–0,106

0,091

  • Cervix-Uterus

0,032

0,002–0,236

0,187

  • Magen

0,035

0,001–0,373

0,350

  • Hepatozellulär

0,059

0,022–0,462

0,320

  • Prostata

0,044

0,013–0,256

0,184

  • Pankreas

0,046

0,001–0,171

0,129

  • Blase

0,036

0,001–0,156

0,156

Tabelle 28.20-2 Erkrankungen, die mit einer Erhöhung von S100 im Serum einhergehen können

Benigne Erkrankungen: Benigne internistische Erkrankungen des Gastrointestinal- und Urogenitaltraktes, der Lunge, Autoimmunerkrankungen, Leberzirrhose und Niereninsuffizienz sowie Erkrankungen in der Gynäkologie können geringe Anstiege der S100 Konzentration > 0,1 μg/l verursachen /2/. Die Werte erreichen selten Konzentrationen von 0,5 μg/l. Schwere bakterielle Infektionen wie die Sepsis und Ischämien mit Gefäßschäden (Herzinfarkt, cerebrale Ischämie) können zu Erhöhungen bis 2,0 μg/l führen.

Maligne Tumoren: Solide Tumoren führen, ausgenommen dem malignen Melanom, selten zu einer Erhöhung von S100 /8/. Nur in Einzelfällen werden maximale Werte bis 0,6 μg/l beobachtet. Bei Patienten mit lymphoproliferativen Erkrankungen, Bronchial-, und Magenkarzinom werden vereinzelt Konzentrationen über 1,0 μg/l gemessen /8/.

Malignes Melanom: Diagnose: S100 ist beim malignen Melanom Stadien abhängig im Serum erhöht. So unterscheidet sich im Stadium I/II die mediane Konzentration nicht von der gesunder Kontrollen und nur bis zu 10 % der Patienten haben Konzentrationen über dem Grenzwert von 0,100 μg/l. Demgegenüber ist der Prozentsatz erhöhter Werte im Stadium III 4–20 % und im Stadium IV bei Vorliegen von Fernmetastasen 30–90 % /9/. In den Stadien III und IV beträgt der Median 6,25 μg/l und höchste Werte von > 90 μg/l werden beobachtet /6/. Das ist insbesondere der Fall, wenn Leber- und/oder Skelettmetastasen vorliegen, weniger bei Hautmetastasen, bei denen generell keine Werte in dieser Höhe auftreten /1011/. Auch korreliert S100 mit der Erkrankungsaktivität, d.h. mit dem Vorhandensein von Krankheitssymptomen /1112/. Im Stadium I und II ist eine präoperative S100-Bestimmung indiziert.

Prognose: S100 ist ein unabhängiger prognostischer Faktor in den Stadien II und III bezugnehmend des progressionsfreien Intervalls und des Überlebens /13/. Je höher der Basiswert, desto geringer ist die Überlebenswahrscheinlichkeit. So ist die Hazard-Ratio um den Faktor 5 erhöht bei einer S100-Konzentration > 0,6 μg/l, unabhängig vom Stadium /14/. Im Stadium IV korreliert S100 mit der LDH-Aktivität. Die klinische Relevanz von S100 ist unabhängig vom TNM-Stadium.

Verlaufskontrolle: Untersuchungen zur Erkennung einer progredienten Erkrankung zeigen, dass insbesondere im Stadium III, ansteigendes S100 mit dem Auftreten von Fernmetastasen korreliert und dieses mit einer Leadtime von 5–23 Wochen vorausgeht /1516/. Die Schweizerischen und die Deutschen Leitlinien empfehlen die Bestimmung von S100 alle 3–6 Monate bei Melanomläsionen mit Breslow über 1 mm.

Therapiekontrolle: Bei Patienten im Stadium IV ist eine Therapie assoziierte Bestimmung, z.B. vor und nach systemischer Therapie, zur Beurteilung der Tumoraktivität indiziert. Im metastasierten Stadium IV kommt es zu S100 Anstiegen bei unzureichendem Ansprechen der Therapie. Der Verlauf kann sägeblattartig sein, mit einem kurzfristigen Abfall und dann erneutem Anstieg von S100 einhergehen. Bei erfolgreicher Therapie resultiert ein Rückgang oder gar ein Abfall von S100 auf Werte bis zur funktionellen Sensitivität /1718/.

Schädel-Hirn Trauma (SHT) /17/: Das SHT ist die häufigste Unfall bedingte Todesursache bei Personen < 45 J. Zwei von drei Polytraumatisierten haben ein schweres SHT. In Deutschland erleiden jährlich 270.000 Verletzte ein SHT, aber davon haben 9 von 10 primär nur ein leichtes SHT. In der chirurgischen Notfallaufnahme ist es wichtig, Patienten mit einer initial leichten intrakraniellen Verletzungsfolge zu erkennen, da deren Nichterkennung schwere Folgen haben kann. Die Bestimmung von S100 nach der Aufnahme ist hilfreich, denn nach einer Literaturrecherche /19/ werden ab einer S100-Konzentration von über 0,10 μg/l leichte SHT mit einer diagnostischen Sensitivität von 94 % (88–98 %) bei einer Spezifität von 44 % (30–58 %) erkannt. In einer Studie /20/ bestand eine gute Korrelation beim SHT zwischen der S100-Konzentration bei der Aufnahme, dem Glasgow coma scale (GCS) und dem Glasgow outcome scale (GOS) nach 6 Monaten.

Auch bei pädiatrischen Patienten ist S100 ein guter Marker zur Erkennung eines milden traumatischen Hirnschadens. Wurden S100 Werte > 0,16 μg/l mit einem GCS von 15–13 korreliert, so lag der Mittelwert bei Kindern mit einem abnormalen Computertomogramm (CT) bei 0,64 μg/l (Bereich 0,164–3,22 μg/l) und mit normalem CT bei 0,50 μg/l (Bereich 0,06–6,66 μg/l) /21/. S100 ist ein empfindlicherer Parameter zur Diagnostik eines leichten traumatischen Hirnschadens ist als die CT.

Schlaganfall /22/: Der Schlaganfall wird in einen hämorrhagischen und ischämischen Typ eingeteilt:

  • Der ischämische Typ macht etwa 85 % aus und ist durch eine intrakranielle Thrombose oder extrakranielle Embolie verursacht. Die intrakranielle Thrombose ist vorwiegend mit der Atherosklerose assoziiert, während die extrakranielle Thrombose auf Ursachen wie Herzinfarkt, Mitralstenose, Endokarditis, Vorhofflimmern, dilatative Kardiomyopathie oder eine Stauungsinsuffizienz des Herzens zurückzuführen ist.
  • Der hämorrhagische Schlaganfall ist entweder mit einer intrakraniellen oder subarachnoidalen Blutung assoziiert. Die intrakranielle Blutung beruht auf einer Schwäche der Hirngefäße und resultiert meistens aus einer Hypertonie. Die subarachnoidale Blutung erfolgt in den Liquor cerebrospinalis. Die Ursachen sind wie bei der intrakraniellen Blutung neben der Hypertonie, Gefäßanomalien, Drogenabusus und Trauma.
  • Abzugrenzen sind fokale neurologische Defizite, die maximal 24 h dauern und der Mini-Schlaganfall, der auch als Transient ischemic attack (TIA) bezeichnet wird.

Nach einem Schlaganfall kommt es innerhalb der ersten 48 h zu einer Erhöhung der Konzentration von S100 im Serum mit Maximalwerten nach 24–72 h. Wie bei einem akuten Trauma besteht auch beim ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfall eine Korrelation zwischen der S100-Konzentration und der Schwere des nach dem National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) im CT objektivierbaren Hirnschadens, dem klinischen Status und der Prognose für die kurz- und mittelfristige Rehabilitierbarkeit /232425/. Bei der TIA kommt es nur bei einem Teil der Patienten zu einer Erhöhung von S100. In einer Studie /20/ hatten TIA-Patienten S100-Konzentrationen von 0,01–0,73 μg/l und Patienten mit Schlaganfall 0,08–6,73 μg/l. Bei einem Schlaganfall nach Herzchirurgie ist die S100-Konzentration im Serum ein Indikator für die Größe des infarzierten Hirngewebes und für die Prognose. So hatten Patienten mit Schlaganfall 48 h nach Herzchirurgie und S100-Werten über 0,5 μg/l eine 2-Jahresmortalität von 78 %, die mit einer Konzentration ≤ 0,5 μg/l nur von 18 % /25/.

Neurodegenerative Erkrankungen: Bei neurodegenerativen und autoimmunen Erkrankungen und auch bei psychiatrischen Erkrankungen sind S100-Werte im Serum vergleichbar mit Gesunden. Über erhöhte Konzentrationen von S100 im Liquor cerebrospinalis wird aber beim M. Alzheimer, der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung, bei exazerbierter multipler Sklerose, dem Guillain-Barre-Syndrom, bei bakteriell-entzündlichen cerebralen Erkrankungen und verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen berichtet. In diesen Fällen ist die Bestimmung von S100 im Liquor und Serum und die Beurteilung des Liquor/Serum-Quotienten wichtig, denn schon physiologischerweise ist die S100 Konzentration im Liquor cerebrospinalis 20 fach höher als im Serum.

Tabelle 28.21-1 Diagnostische Sensitivität von SSCA bei benignen und malignen Erkrankungen

Erkrankung

Diagnostische Sensitivität %*

Beurteilung

Benigne Erkrankungen

Bei benignen Erkrankungen eher leichte Erhöhung oder transitorische Anstiege mit Normalisierung bei Heilung. Cave Niereninsuffizienz und Hautkrankheiten.

  • Allgemein

3,3

  • Niereninsuffizienz

20–70

  • Leber

6–10

  • Pankreas

10

  • Lunge

0–40

  • Gynäkologische Erkr.

3–37

  • Uterus myomatosus

8

  • Psoriasis

83

  • Ekzem

80

Maligne Erkrankungen

SCCA ist der beste Marker bei Plattenepithel-karzinomen von Zervix, Lunge, HNO-Tumoren, Ösophagus- und Analkarzinom mit Korrelation zu Stadium, Klinik und Rezidiv.

Für Screening und Diagnosestellung ungeeignet, aber gut geeignet zur Therapie-, Verlaufs- und Rezidivkontrolle.

Zervix-Karzinom

  • primär

45–85

  • rezidivierend

66–84

  • Remission/NED

0–33

  • Plattenepithel

70–80

  • adeno-squamös

56

  • Adeno-Karzinom

0–23

  • CIN I–III

0–25

  • Stadium 0

0–18

  • Stadium Ia

9

  • Stadium Ib

27–60

  • Stadium II

44–83

  • Stadium III

55–83

  • Stadium IV

67–100

Endometrium-Karzinom

8–36

Corpus-Karzinom

30

Ovarial-Karzinom

4–25

Vulva-Karzinom

19–42

Vaginal-Karzinom

17

Mamma-Karzinom

0–19

Bronchial-Karzinom

18–27

Plattenepithel-Karzinom

39–78

  • T1

46

  • T2

73

  • T3

94

  • N0

68

  • N1

74

  • N2

89

  • M0

75

  • M1

100

  • Stadium I

27–53

  • Stadium II

31–72

  • Stadium III

60–88

  • Stadium IV

71–100

  • limited

22

  • extensive

73

  • nicht-kleinzellig

33–61

  • kleinzellig

4–18

  • großzellig

18

Adeno-Karzinom

15–42

Kopf-Nacken-Karzinom

34–78

Ösophagus-Karzinom

30–39

  • Stadium I

27

  • Stadium II

40

  • Stadium III

61

Analkanal-Karzinom

76

Kolon-Karzinom

20

Pankreas-Karzinom

20

* Entscheidungswert > 2,0–3,0 μg/l; NED, no evidence of disease

Tabelle 28.22-1 BRAFV600E-Mutationsstatus /12/

Das BRAF-Gen (Proto-Onkogen B-RAF) kodiert das Protein B-Raf eine Serin-Threonin Proteinkinase.

B-Raf spielt eine Rolle in der Regulation des MAPK/ERK-Signalweges. Dieser kommuniziert Signale von einem Rezeptor auf der Zelloberfläche zur DNA im Zellkern. Als Folge wird ein Protein synthetisiert, das eine Veränderung bewirkt, z.B. Zellteilung oder metabolischer Wechsel.

Der MAPK/ERK-Signalweg beinhaltet Proteine wie MAPK (Mitogen-activated Proteinkinases) ursprünglich als ERK (Extracellular signal-regulated kinases) bezeichnet. Die Signalübermittlung erfolgt durch Anhängen einer Phosphatgruppe an das benachbarte Protein der Signalkette.

Mehr als 30 Mutanten des BRAF Gens sind mit humanen Karzinomen assoziiert. In 90 % der Fälle ist Thymin durch Adenin im Nukleotid 1796 ersetzt. Das führt im Codon 600 zum Ersatz von Valin durch Glutamin (E) (V600E). Durch den Aminosäurentausch im Aktivierungssegment der Proteinkinase wird diese konstitutiv in eine Daueraktivierung überführt. Beim papillären Schilddrüsenkarzinom kommen BRAF-Mutationen mit einer Prävalenz von etwa 35 % vor.

Tabelle 28.22-2 Tg-Serumkonzentration bei nicht-karzinomatöser Schilddrüsenerkrankung /21/

Euthyreote Struma: Bei der euthyreoten Struma sind die Tg-Werte in unterschiedlichem Ausmaß erhöht. Bei diffusen Strumen ist das Tg durch Schilddrüsenhormone in der Regel mehr oder weniger supprimierbar, während knotige Strumen eine solche Supprimierbarkeit häufig vermissen lassen. Da diffuse Strumen häufig bei einer Hormontherapie mit einer Verkleinerung reagieren, während Knotenstrumen nur schlecht ansprechen, wird von verschiedenen Autoren propagiert, die Entscheidung für eine Hormonbehandlung von der Supprimierbarkeit des Tg abhängig zu machen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese statistisch richtige Aussage im Einzelfall wenig zuverlässig ist. Diese Indikation für die Tg-Bestimmung kann deshalb nicht empfohlen werden.

Struma nodosa: Es bestehen wie bei den diffusen Strumen sehr stark schwankende Tg-Werte, die in den meisten Fällen durch Thyroxingabe nur schlecht supprimierbar sind. Sowohl heiße wie auch kalte Knoten können mit erhöhten Tg-Werten einhergehen; eine Tumordiagnose ist durch die Tg-Messung nicht möglich.

Morbus Basedow: Beim floriden Morbus Basedow werden in unterschiedlichem Ausmaß zum Teil stark erhöhte Tg-Konzentrationen vorgefunden, die sich im Laufe der Therapie in der Regel normalisieren. Es wurde vorgeschlagen, Tg als prognostischen Parameter zu verwenden zur Abschätzung der Aktivität des Immunprozesses vor Absetzen der thyreostatischen Therapie. In kleineren Studien konnte eine niedrige Tg-Konzentration auch das Vorhandensein einer Remission voraussagen /22/. Zwei Tatsachen schränken die Verwendung von Tg für diese Indikation ein:

  • Das häufige Vorliegen von Tg-Autoantikörpern bei dieser Erkrankung.
  • Nicht alle Patienten haben hohe Tg-Werte in der aktiven Phase, und ein augenblicklich normaler Tg-Wert schließt ein Rezidiv auch in naher Zukunft nicht aus.

Knotige Anteile der Schilddrüse beim Morbus Basedow können unabhängig vom Immunprozess erhöhte Tg-Konzentrationen verursachen.

Autonomes Adenom: Man findet sehr variable, zum Teil erhöhte Tg-Werte; der diagnostische Wert des Tg ist in dieser Situation gering.

Athyreose: Bei der Differentialdiagnose der angeborenen Hypothyreose hat das Tg einen gewissen Wert. Eine Hypothyreose mit niedrigem oder negativem Tg im Serum spricht für eine fehlende Schilddrüsenanlage; dies muss allerdings später durch eine Szintigraphie bewiesen werden.

Thyreotoxicosis factitia: Bei der willentlichen oder unwillentlichen Einnahme überhöhter Schilddrüsenhormonmengen kann die Tg-Bestimmung eine wichtige Zusatzinformation liefern. Man findet stark erhöhte T3- und/oder T4-Werte bei niedrigen oder nicht messbaren Tg-Werten. Im Gegensatz dazu würde man bei der Hyperthyreose eher erhöhte Tg-Konzentrationen erwarten.

Thyreoiditis de Quervain (Riesenzell-Thyreoiditis, granulomatöse Thyreoiditis): Dieser Prototyp einer destruierenden Thyreoiditis verursacht in der Regel neben einer leichten Hyperthyreose eine erhöhte Tg-Konzentration; Ursache ist die Diffusion des Tg aus den Entzündungs geschädigten Follikeln und Thyreozyten. Für die klinische Praxis ist dieser Befund jedoch nur von geringer Bedeutung, da die Diagnose durch andere Parameter und den klassischen klinischen Befund etabliert werden kann. Im Einzelfall, bei untypischer Symptomatik, kann jedoch die Tg-Bestimmung von diagnostischem Wert sein.

Tabelle 28.23-1 Grenzwerte von ProGRP

Test

Grenzwerte (ng/l)

Kompetitiver ELISA (ALSI, Japan) /2/

  • Gesunde (95 %-Perzentile)

≤ 22 /4/

  • Benigne Lungenerkrankungen

≤ 45 (50)

  • SCLC

> 45 (50) /256/

Automatisierter Test (Abbott) /3/

  • Gesunde (95 %-Perzentile)

≤ 35

  • Benigne Lungenerkrankungen

≤ 45

  • Benigne gastrointestinale Erkrankungen

≤ 95

  • Benigne urologische Erkrankungen

≤ 103

  • Lungentumor-spezifisch (100 %)

≥ 150

Tabelle 28.23-2 ProGRP-Werte bei Gesunden und Patienten mit malignen Tumoren /6/

Kollektiv

Median (ng/l)

95 %

Perzentile

Bereich

(ng/l)

Gesunde Personen

10,3

22

1,0–30

Benigne Lungenerkrankungen

18,0

54

1,0–81

Benigne urologische Erkrankungen

31,5

103

1,0–139

Niereninsuffizienz

68,0

313

2,0–340

Benigne Prostatahyperplasie

36,3

88

3,7–96

Benigne gynäkologische Erkrankungen

10,6

23

1,0–33

Benigne gastrointestinale Erkrankungen

20,4

52

2,7–130

Benigne Erkrankungen der Brust

23,9

39

8,2–45

Autoimmunerkrankungen

22,3

52

7,4–57

Infekte

31,3

119

9,4–119

Kolorektales Karzinom

12,9

54

1,0–101

Pankreaskarzinom

11,7

26

1,0–55

Magenkarzinom

12,3

38

1,0–58

Leberzellkarzinom

12,2

48

1,7–82

Mammakarzinom

15,2

47

1,4–64

Ovarialkarzinom

12,5

35

1,0–240

Prostatakarzinom

29,0

58

5,7–93

Harnblasenkarzinom

29,1

44

4,1–48

Nierenzellkarzinom

27,5

52

2,3–72

Schilddrüsenkarzinom

27,7

17.939

Bis 21.655

NSCLC

19,0

53

Bis 14.400

SCLC

182,0

7.519

Bis 3.100

NSCLC, nicht kleinzelliges Lungenkarzinom; SCLC, kleinzelliges Lungenkarzinom

Marker Tumor CEA AFP CA 19-9 CA 72-4 CA 125 CA 15-3 NSE Pro GRP SCC CYFRA 21-1 hCG PSA Calci - tonin hTG S100 Kolon Pankreas Magen Ösophagus Leber (HCC) Gallenwege Mamma Ovar Zervix Chorion Lunge SCLC Lunge NSCLC Keimzell Prostata Blase Schilddrüse C-Zell HNO-TU Mal. Melanom

Abbildung 28.6-1 Einsatz von Tumormarker­kombi­nationen /5/. Die Position des Rechtecks gibt den Stellenwert des Markers bei den jeweiligen Tumoren an. Schwarz umrandete Rechtecke kennzeichnen den Marker der ersten Wahl. hTG, humanes Thyreoglobulin; HCC, hepatozelluläres Karzinom; SCLC, Small cell lung cancer; NSCLC, Non small cell lung cancer.

Keimzelle Pluripotente Zellen Dottersack Trophoblast Embryonale Karzinome Dysgerminom Seminom hCG +, AFP – hCG –, AFP – Teratom Chorion- Entodermaler karzinom Sinustumor Extraembryonale Strukturen hCG +, AFP – hCG –, AFP + hCG –, AFP –

Abbildung 28.7-1 Differenzierung von Keimzelltumoren durch die Bestimmung von AFP und hCG. Kombinationstumoren wie z.B. Teratom + Seminom oder Seminom mit anderen embryonalen Karzinomen sind nicht berücksichtigt.

100 100806040200 Spezifität (%) 80 60 40 20 0 Sensitivität (%) CYFRA 21-1CEANSEProGRP

Abbildung 28.14-1 Vergleich verschiedener Tumormarker zur Abgrenzung des SCLC von benignen Lungenerkrankungen vermittels Receiver-Operator Characteristic (ROC). Modifiziert nach Lit. /9/.

hCG 121 127 132 138 52 78 92 S S 13 30 113 hCGα hCGβ CTP 1 1 145 S S hCGβ hCGα hCGn hCGβn hCGβcf 121 127 132 138 13 30 113 CTP 1 145 S S 52 78 92 1 S S 121 127 132 138 13 30 113 CTP 1 145 S S 44 48 121 127 132 138 52 78 92 S S 13 30 113 CTP 1 1 145 S S 44 48 n S–S 13 30 9 40 55 92 Core Fragment N-gebundene KH O-gebundene KH hCGβ hCGα hCGα hCGβ

Abbildung 28.16-1 Struktur und Nomenklatur der International Federation of Clinical Chemistry für hCG, modifiziert nach Lit. /1/. hCGβ, β-Kette des hCG; hCGα, α-Kette des hCG; hCGn, nicked hCG; hCGβn, nicked hCGβ; hCGβcf, hCG-βcore fragment; KH, Kohlenhydratketten.

komplexiertes PSA ≈ 85 % freies PSA ≈ 15 % intaktesnicht-aktivesPSA ≈ 29 % [-4]pro PSA ≈ 10 % [-2]pro PSA ≈ 6 % BPSA ≈ 31 % [-5/7]pro PSA ≈ 17 %

Abb. 28.19-1 Gesamt-PSA besteht aus komplexiertem und freien PSA. Freies PSA setzt sich aus mehreren Unterfraktionen zusammen.

PSA ³4361 (6) TRUS +210 (15) DRU +149 (12) 65 (1) 105 (7) 42 (2) 44 (2) 18 PSA ³460 TRUS +14 DRU +12 53 15 18 A) Biopsierte Männern = 967 B) Prostatakarzinomen = 190

Abbildung 28.19-2 Vergleich von DRU, TRUS und PSA.

A: Venn-Diagramm zur Verteilung der Biopsieindikationen bei 967 von 4.800 untersuchten Männern, die im Rahmen einer randomisierten Früherkennungsstudie biopsiert wurden. Anzahl der durch digitale rektale Untersuchung (DRU), transrektalen Ultraschall (TRUS) oder PSA ≥ 4 μg/l (Hybritech) initiierten Prostatabiopsien. In Klammern ist die mittlere Anzahl der Männer, die einer Biopsie unterzogen wurden, um einen Patienten mit einem Prostatakarzinom zu identifizieren angegeben.

B: Verteilung auffälliger Untersuchungsparameter bei 190 Männern mit gesichertem Prostatakarzinom. Modifiziert, mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /47/.

Interpretationsbeispiel

A) 44 der 967 Männer hatten sowohl eine PSA-Konzentration > 4 μg/l als auch eine auffällige DRU.

B) Bei 18 dieser 44 Männer wurde ein Prostatakarzinom histologisch gesichert, d.h. im Mittel mussten zwei Männer biopsiert werden, um einen mit Prostatakarzinom zu finden.

3,1 3,0 3,0 3,8 3,7 3,7 4,1 3,7 3,5 3,7 2,9 2,7 2,6 3,1 2,9 3,4 4,4 3,6 3,6 3,5 4,0 3,6 3,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 Wallac Delfia EQM Wallac Delfia Dual Label Roche Cobas Core II Hybritech Tandem-R Hybritech Tandem-E Hybritech/Beckman Access Eurogenetics/Tosoh AIA DPC Immulite standard DPC Immulite 3. Generation DPC Coat-A-Count IRMA Chiron ACS PSA 2*** Byk-Sangtec Liaison Byk-Sangtec IRMA-Mat Brahms Kryptor Boehringer Enzymun ES 700 Boehringer Elecsys bioMérieux Vidas PSA** bioMérieux Vidas TPSA Bayer Immuno 1 Bayer/Chiron ACS PSA Baxter/Dade Stratus II Abbott AxSym PSA Abbott AxSym Total PSA* 95 %-Perzentile PSA (μg/l)

Abbildung 28.19-3 T-PSA Assay Vergleich aus dem Jahr 1999: PSA-Konzentration in Serumproben von 589 Probanden (37–80 Jahre) ohne klinischen Hinweis auf ein Prostatakarzinom. In aliquotierten Proben wurde die T-PSA-Konzentration mit 23 verschiedenen Methoden gemessen. Balken: Konzentrationsbereich, in dem die T-PSA-Konzentrationen von 95 % der Probanden liegen; Linien: 95 %-Konfidenzintervalle für die 95 %-Perzentile.

* Abbott AxSym Total PSA ist eine äquimolar messende Modifikation des nicht-äquimolaren Abbott AxSym PSA-Testverfahrens (nicht mehr auf dem Markt).

** bioMérieux Vidas PSA (nicht-äquimolar, nicht mehr auf dem Markt) wurde modifiziert und wird als äquimolar messendes Testverfahren unter dem Namen bioMérieux Vidas TPSA angeboten.

*** Chiron ACS PSA 2 ist eine Modifikation des nicht-äquimolaren Chiron ACS PSA-Testverfahrens, die kein äquimolares Erkennen der PSA-Formen erreichte. Mit freundlicher Genehmigung aus Lit. /74/.

5,1 4,6 4,6 5,7 5,5 6,56,05,55,04,54,0 Oberes 95 % KI Unteres 95 % KI – Median Access AxSym Centaur Immulite Elecsys 5,71 5,10 5,48 6,06 5,40 5,7 4,84 4,30 4,61 4,89 4,26 4,6 5,54 4,88 5,14 WHO WHO Hybritech DPC WHO PSA (μg/l)

Abbildung 28.19-4 T-PSA Assay-Vergleich aus dem Jahr 2006: PSA-Konzentration in Serumproben von 596 Patienten. Messverfahren, die nach Herstellerangaben mit der Standardsubstanz der Weltgesundheitsorganisation rekalibriert wurden, sind mit „WHO“ gekennzeichnet. Beckman Coulter Access wird neuerdings wahlweise auch WHO-standardisiert angeboten. Waagerechte Linien, Median; senkrechte Linien, 95 %-Konfidenzintervall (KI).

Abbildung 28.19-5 Krebslokalisation in der Prostata. Die meisten Prostatakarzinome haben ihren Ursprung in der peripheren Zone der Prostata (grau), nur selten findet man Karzinome ausschließlich in der Übergangszone (weiß). Transrektal-sonografisch gesteuerte Biopsien der peripheren Zone erhöhen die Treffsicherheit für die Diagnose eines Prostatakarzinoms.

PSA PSA PSA PSA PSA PSA ACT PSA PSA Blut Ejakulat [g/l] [μg/l] PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA ACT PSA ACT PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA ACT PSA ACT PSA PSA PSA PSA Blut [g/l] [μg/l] PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA ACT PSA PSA ProstataDrüsenzellen Ejakulat

Abbildung 28.19-6 Bildung von PSA in der Prostata. PSA wird in den Epithelzellen der Prostatadrüse gebildet und in das Ejakulat abgegeben, wo es in hoher Konzentration (über 1 g/l) vorkommt. Nur geringe Konzentrationen des PSA sind im peripheren Blut nachweisbar (μg/l) und meist an α1-Antichymotrypsin (ACT) gebunden.

2 3 4 5–6 8–9 S100 (μg/l) 2,52,01,51,00,50 Schlaganfall Schädel-Hirntrauma TIA 1 Zeit nach akutem Ereignis (Tage)

Abbildung 28.20-1 Zeitlicher Verlauf von S100 nach transienter ischämischer Attacke (TIA), Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Modifiziert nach Lit. /1/.

ProGRPNSECYFRA 21-1LDH 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1-Spezifität Sensitivität 1,00,80,60,40,20

Abbildung 28.23-1 ROC Analyse zur Differenzierung von Patienten mit SCLC (Limited disease) von Gesunden durch unterschiedliche Serummarker /6/.

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