08

Elektrolyt- und Wasser­haushalt

08

Elektrolyt- und Wasser­haushalt

08

Elektrolyt- und Wasser­haushalt

08

Elektrolyt- und Wasser­haushalt

8.1 Wasserbalance und Flüssigkeitsräume

Lothar Thomas

8.1.1 Wasser- und Elektrolytbalance

Der Wasserstoffwechsel beschreibt die Balance zwischen der Aufnahme und der Ausscheidung von Wasser. Die Zellmembran trennt die Kompartimente Intrazellulärraum (IZR) und Extrazellulärraum (EZR) und ist frei permeabel für Wasser, nicht aber für Elektrolyte. Auf Grund der freien Bewegung von Wasser zwischen IZR und EZR wird die Osmolalität, definiert als das Verhältnis von Elektrolyten zu freiem Wasser, gleich und konstant gehalten.

Änderungen der Homöostase von Wasser des Organismus werden in hypo- und hyperosmolare Störungen eingeteilt, je nach dem, ob ein Überschuss oder ein Mangel von Wasser in Relation zu den gelösten Stoffen (Soluta) besteht. Abhängig von Geschlecht, Alter und Körperfett beträgt der Wasseranteil 55–65 % des Körpergewichts und die Verteilung zwischen IZR und EZR ist 2 : 1. Im EZR sind 80 % des Wassers im interstitiellen Raum und 20 % intravaskulär (zirkulierendes Blutvolumen).

Im EZR ist Na+ das dominante Kation und seine Konzentration im Plasma reflektiert die Osmolalität. Im IZR ist K+ das wichtigste Kation. Das unterschiedliche Verteilungsmuster der Kationen wird durch die Energie- und Sauerstoff-abhängige Na+-K+-Pumpe der Zellmembran aufrecht erhalten. Bei Energie- oder Sauerstoffmangel wird die Na+-K+-Pumpe insuffizient, die Ionengradienten brechen zusammen, primär nach intrazellulär, die Folge ist ein zelluläres Ödem /1/.

Zum Erhalt des osmotischen Gleichgewichts (Isotonie) und der Homöostase des Volumens (Isovolämie) der Flüssigkeitsräume hält der Organismus eine ausgeglichene Bilanz von Ein- und Ausfuhr an Wasser und Elektrolyten aufrecht. Sie wird geregelt wird durch:

  • Die Nieren, die eine Plasmaosmolalität im engen Bereich von 275–290 mmol/kg durch Ausscheidung oder Reabsorption von an Soluta freiem Wasser konstant halten. Das regulierende Hormon ist Arginin-Vasopressin.
  • Den Durstmechanismus, der durch intravaskuläre Hypovolämie und Hyperosmolalität stimuliert wird. Durst ist der primäre Abwehrmechanismus gegen starken Flüssigkeitsverlust.

Die Wasser- und Elektrolythomöostase wird über Sensoren und neurohumorale Mechanismen mit Effektorhormonen reguliert, die über eine negative Rückkopplung funktionieren (Tab. 8.1-1 – Neurohormonale Mechanismen mit regulativer Wirkung auf die Volumenhomöostase).

8.1.2 Diagnostik von Störungen des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Den Störungen im Elektrolyt- und Wasserhaushalt liegen komplexe Vorgänge zu Grunde. Eine integrative Analyse ist deshalb erforderlich. Sie besteht aus der Historie, ärztlicher Untersuchung und Laborbefunden.

Wichtige Laboruntersuchungen und ihre Aussagekraft sind dargestellt in Tab. 8.1-2 – Laboruntersuchungen bei Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts.

Untersuchungen und Befunde bei zwei klinischen Fragestellungen zeigt beispielhaft Tab. 8.1-3 – Beurteilung pathologischer Laborbefunde des Elektrolyt- und Wasserhaushalts.

8.1.3 Osmotisches Gleichgewicht

Das Gesamtkörperwasser ist die Determinante der Osmolalität der Füssigkeitskompartimente des Organismus.

Die Aufrechterhaltung der osmotischen Homöostase wird durch eine Änderung der renalen Ausscheidung von freiem, also osmotisch nicht gebundenen Wasser reguliert /2/. Eine zentrale Rolle in der Regulation von freiem Wasser spielt das antidiuretische Hormon (ADH) Arginin-Vasopressin. Wichtige Stimuli der Freisetzung von ADH sind:

  • Anstieg der Plasmaosmolalität; schon Schwankungen unter 2 % werden von den im anterolateralen Hypothalamus gelegenen Osmorezeptoren registriert und führen zur Änderung der Konzentration von ADH im Plasma. Die Stimulierung der ADH-Freisetzung beginnt ab einer Plasmaosmolalität von ≥ 280 mmol/kg und ist maximal bei 290 mmol/kg. ADH bewirkt an der Niere eine verstärkte Reabsorption von Wasser (Antidiurese). Ein Anstieg der Plasmaosmolalität auf ≥ 295 mmol/kg führt über die Vermittlung der Osmorezeptoren zur Auslösung von Durstgefühl.
  • Änderungen des effektiven arteriellen Blutvolumens, die von Barorezeptoren im rechten Herzvorhof und der Lunge an den anterolateralen Hypothalamus gemeldet werden.

8.1.3.1 Gesamtkörperwasser

Das Gesamtkörperwasser resultiert aus dem Trinken von Flüssigkeit, der Nahrung, besonders dem Fett-, Kohlenhydrat- und Eiweißmetabolismus und wird von den Nieren zurück gehalten. Die meiste Aufnahme von Körperwasser erfolgt durch Trinken, dessen Anteil evolutionär vom Durstmechanismus bestimmt wird. Die Wasserausscheidung mit dem Urin variiert und ist auf das getrunkene und durch den Metabolismus generierte Wasser abgestimmt. Das durch Metabolismus gewonnene Wasser ist direkt proportional dem Energieverbrauch und beträgt 250–350 mL täglich, kann sich aber durch Arbeit erhöhen /3/. Der tägliche Flüssigkeitsbedarf des erwachsenen Europäers beträgt etwa 3 Liter, auch wenn die Aufnahme von Kochsalz gering ist.

Der Anteil des Gesamtkörperwassers beträgt beim Fetus bis zu 94 %, beim Neugeborenen 75 % und beim Einjährigen 60 %. Zwischen dem 1. und 2. Lj. und in der Pubertät zeigt der Anteil des Körperwassers nochmals zwei kurzfristige Anstiege und pendelt sich dann beim erwachsenen Mann bei 60 % und bei der Frau bei 50 % ein /2/.

Die Homöostase von Wasser wird in gemäßigten Klimazonen durch Trinken von 1,5 l Wasser täglich aufrecht erhalten. Dazu kommen etwa 600 ml aus der Metabolisierung der Nahrung und 300 ml Oxidationswasser. Der kontrollierte Wasserverlust von etwa 1 l/Tag erfolgt über die Nieren, der unkontrollierte (insensible) Wasserverlust geschieht über die Atemwege (0,3 l), den Stuhl (0,1 l) und den Schweiß (0,1 l). Die renale Wasserausscheidung wird von den Nieren so reguliert, dass die Osmolalität des Plasmas in engen Grenzen konstant bleibt.

8.1.4 Flüssigkeitsräume

Das Gesamtkörperwasser verteilt sich auf den EZR und den IZR.

Tonizität

Die Tonizität, auch als effektive Osmolalität bezeichnet, ist diejenige Konzentration gelöster Substanzen, die auf die Zellmembran eine osmotische Kraft ausübt, so dass es, abhängig vom Gradienten, zu einer Verschiebung von Wasser aus oder in die Zelle kommt. Dabei handelt es sich um nicht frei permeable Substanzen wie Na+, K+ oder Glucose. Niedermolekulare organische Substanzen wie Harnstoff, Äthanol, Methanol oder Äthylenglykol permeieren wie Wasser ungehindert die Zellmembran und üben somit keine osmotischen Kräfte und Wasserverschiebungen aus.

8.1.4.1 Extrazellulärraum (EZR)

Der EZR umfasst alles Wasser außerhalb der Zellen, das sind etwa 45 % des Gesamtkörperwassers. Gezählt werden zum EZR das Plasma, die interstitielle Flüssigkeit, die Lymphe, das Wasser der dichten Gewebe, z.B. Bindegewebe und Knochen und die transzelluläre Flüssigkeit /2/.

Plasma

Blutplasma enthält 93 % Wasser und 7 % feste Bestandteile, vorwiegend Proteine und Lipide. Das wesentliche Kation ist Na+, die wesentlichen Anionen sind Cl und HCO3. Da die Plasmaproteine intaktes Endothel nicht permeieren, sind sie für den osmotischen Druck an der Kapillarmembran maßgebend. Der kolloidosmotische Druck im Plasma, für den zu 80 % Albumin verantwortlich ist, beträgt 28 mmHg. Plasma macht 7,5 % des Gesamtkörperwassers aus.

Interstitielle Flüssigkeit

Die interstitielle Flüssigkeit entsteht durch Filtration von Plasma durch die Gefäßwand. Diese ist für Wasser, Elektrolyte und niedermolekulare Substanzen gut permeabel. 25–50 % der zirkulierenden Proteine werden täglich ins Interstitium abfiltriert, Fibrinogen ist zu etwa 80 % intravaskulär. Die Höhe und Richtung des Plasmastroms durch die Kapillaren wird von den Starling’schen Kräften bestimmt. Bei gewissen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, können Änderungen der Starling’schen Kräfte zur Ödembildung führen. Die interstitielle Flüssigkeit macht 20 % des Gesamtkörperwassers aus.

Transzelluläre Flüssigkeit

Es sind dies die von Organen sezernierten Flüssigkeiten wie Speichel, Pankreassaft, Gallenflüssigkeit und Darmsekret, deren Anteil 2,5 % am Gesamtkörperwasser beträgt.

Wasser in Bindegewebe und Knochen

Es handelt sich um Wasser, das in kollagener Matrix gebunden ist. Der Anteil am Gesamtkörperwasser beträgt 15 %.

8.1.4.2 Intrazellulärraum (IZR)

Der IZR enthält 55 % des Körperwassers des Erwachsenen. Die Na+-K+-Pumpe, die intrazelluläre Na+ nach extrazellulär und extrazelluläre K+ nach intrazellulär im Verhältnis 3 : 2 pumpt, hält ein Gleichgewicht der Ionen aufrecht. Die intrazelluläre Na+-Konzentration ist 10 mmol/l und die extrazelluläre 140 mmol/l. Die Konzentration von Mg2+ ist intrazellulär etwa 13 mmol/l und extrazellulär nur 1,5 mmol/l. Intrazellulär sind Cl und HCO3 niedriger als extrazellulär, die Phosphat- und Sulfatkonzentration ist intrazellulär aber höher /2/.

Der Tendenz der Zelle, bei Anstieg des kolloidosmotischen Drucks zu schwellen durch im Stoffwechsel ständig anfallende anionische Makromoleküle, wird durch Ionenpumpen der Plasmamembran entgegengewirkt, die äquivalente Mengen von Anionen nach außen transportieren.

8.1.4.3 Veränderungen der Flüssigkeitsvolumina

Für das Verständnis von Störungen der Na+- und Wasserbalance ist die Kenntnis nachfolgend aufgeführter Zusammenhänge wichtig /3/.

Extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen (EZFV)

Das EZFV ist direkt vom Gesamtkörper-Na+ abhängig, da Na+ und seine Anionen auf die extrazelluläre Flüssigkeit beschränkt und dort die wesentlichen osmotisch aktiven Substanzen sind. Expansion oder Kontraktion des EZFV aktivieren regulatorische Systeme mit der Zielsetzung, eine ausgeglichene Balance zwischen exogener Aufnahme und Ausscheidung von Na+ herzustellen. Effektor ist die Niere, die über die Na+- und Wasserausscheidung eine Neueinstellung des EZFV gemäß den Stimuli der regulatorischen Systeme vornimmt.

Änderungen der Na+-Konzentration des EZFV

Die Na+-Konzentration und damit die Osmolalität des EZFV wird über das zirkulierende Blutvolumen reguliert. Volumensensoren, die im Karotissinus, den Herzvorhöfen und den afferenten Arteriolen der Nieren lokalisiert sind, melden über eine negative Rückkopplung (Abb. 8.1-1 – Physiologie der Wasser und Volumenhomöostase bei Dehydratation).

Das Resultat jeglicher Änderung des Blutvolumens ist eine Änderung der renalen Ausscheidung von Na+durch:

  • Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems.
  • Eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems.
  • Eine Steigerung oder Hemmung der Freisetzung von natriuretischen Peptiden.
  • Die Beeinflussung des Arginin-Vasopressin Systems.

Messgröße der konzertiert arbeitenden Systeme ist die Osmolalität im Plasma. Zur Aufrechterhaltung einer normalen Osmolalität passen die genannten Mechanismen das intra- und extrazelluläre Wasservolumen den osmotisch aktiven Substanzen an. Damit die Osmolalität des EZFV und somit die Tonizität in engen Grenzen konstant gehalten wird, kann der Organismus bei Durst eine unbegrenzte Menge Wasser aufnehmen oder bei Wasserbelastung 15–20 l/24 h freies Wasser ausscheiden.

Änderung der Osmolalität des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens

Die Konzentration von Na+ und somit die Osmolalität des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV) wird von den Nieren und dem zirkulierenden Blutvolumen bestimmt. Volumensensoren, die im Carotissinus, den Herzvorhöfen und den afferenten renalen Arteriolen lokalisiert sind, antworten durch negative Rückkopplung (Abb. 8.1-1 – Physiologie der Wasser und Volumenhomöostase bei Dehydratation). Die Nieren verhindern massive Störungen der Elektrolytbilanz des ECFV und des Blutdrucks. Kleine Änderungen des ECFV, die direkt mit der Kochsalzaufnahme korrelieren, signalisieren den Nieren die Ausscheidung von Na+ der Kochsalzaufnahme anzupassen. Etwa 80 % der austauschbaren Na+ sind im Bindegewebe und dem interstitiellen Gewebe vorhanden, aber nur 15 % im Plasma  /3/.

Die Konzentration von Na+ unterscheidet sich in den Flüssigkeitsräumen /3/:

  • Der Durstreflex, Vasopressin und die Nieren halten die Konzentration von Na+ im Plasma konstant.
  • Extrazelluläre Flüssigkeitskompartimente (Knorpel) mit einer hohen Konzentration an negativ geladenen Glykosaminoglycanen binden Na+, generieren einen lokalen osmotischen Druck und begünstigen eine Schwellung.

Änderung des gesamten Na+ im Körper

Das EZFV wird von der Menge an Na+ im Körper bestimmt, nicht von dessen Konzentration. So ändert zwar eine Erhöhung oder Verminderung des Gesamtkörperwassers die Na+-Konzentration, diese sagt aber nichts über das EZFV aus, da die Wasserbalance zwischen intra- und extrazellulärem Raum sich unabhängig von der Größe des EZFV ändert. Demzufolge treten Hypo- oder Hypernatriämien bei einem verminderten, normalen oder vermehrten EZFV auf.

Kochsalz Sensitivität

Eine nützliche Definition der Kochsalzsensitivität ist ein Unterschied im arteriellen Blutdruck von 10 mmHg oder mehr, wenn das Salzgleichgewicht durch die Nahrung oder durch Schleifendiuretika verändert wird /3/.

8.1.4.3.1 Verminderung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV)

Eine Reduzierung des EZVF über 5  % bewirkt die reversible Verminderung des renalen Blutflusses und die Ausscheidung von Na+.

Das verursacht /3/:

  • Den Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR).
  • Den Anstieg von Angiotensin II, Aldosteron, Norepinephrin und Epinephrin. Die Neurohormone tragen zur Retention von Na+ bei.
  • Die Neurohormone verbinden das EZFV mit kardiovaskulären und sympathischen Effekten.

Eine Verminderung der GFR bewirkt den Anstieg der renalen Filtrationsfraktion. Daraus resultieren:

  • Ein vermindertes Urinvolumen und eine hohe Osmolalität im Urin.
  • Eine Na+-Konzentration über 20 mmol/l und eine K+-Wert über 40 mmol/l im Urin.
  • Ein disproportionaler Anstieg von Harnstoff im Serum in Relation zum Creatinin. Normalerweise ist das Verhältnis Harnstoff-N (mg/dl)/Creatinin (mg/dl) = 10, bei Volumenverminderung über 20 (Umrechnung: Harnstoff × 0,357 = Harnstoff-N).
  • Eine Zunahme von HCO3 im Harn auf über 20 mmol/l auf Grund des Austauschs von H+ gegen Na+.
  • Ein Anstieg der Harnsäure im Serum bedingt durch eine verminderte Ausscheidung im Urin.
  • Ein Anstieg des Calciums im Serum, wenn z.B. ein Hyperparathyreoidismus oder Knochenmetastasen vorliegen.
  • Die Verstärkung der Hyperkaliämie eines schlecht eingestellten Diabetikers, da weniger Glucose renal eliminiert wird.
8.1.4.3.2 Vergrößerung des EZFV

Wenn die nahrungsbedingte Aufnahme von Na+ zunimmt, erhöht sich dessen renale Ausscheidung. Aber ein Gleichgewicht stellt sich nicht sofort ein und deshalb bildet sich eine positive Bilanz von Na+ aus, wodurch sich das Gesamtkörperwasser erhöht. Volumenüberladung von über 5 % manifestiert sich in Ödemen, Anasarka, Pleuraexsudat und Ascites und ist häufig bei kritisch Kranken. Sie führt zu einer Zunahme des Körpergewichts, der Herzfrequenz und des arteriellen Blutdrucks.

Die gegen regulatorischen Mechanismen bewirken:

  • Eine Erhöhung des Urinvolumens und der Konzentration von Na+ (über 20 mmol/l).
  • Den Anstieg der renalen K+-Ausscheidung (über 40 mmol/l) und eine Hypokaliämie trotz Suppression des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems, bedingt durch eine Volumenexpansion.
  • Eine Hypourikämie; weniger Harnsäure wird im proximalen Tubulus reabsorbiert und mehr distal sezerniert.

Bei chronischer Niereninsuffizienz wird nach diätetischer Aufnahme von Kochsalz ein Gleichgewicht erst verzögert erreicht, wodurch der Blutdruck mehr Kochsalz sensitiv wird.

8.1.5 Volumenhomöostase

Die Homöostase des Volumens wird wesentlich von der Füllung der arteriellen Zirkulation bestimmt. Das effektive arterielle Blutvolumen wird von Barorezeptoren im rechten Vorhof des Herzens, in der Lunge und im Aortenbogen registriert. Es ist abhängig von der Balance zwischen Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren (Tab. 8.1-1 – Neurohormonale Mechanismen mit regulativer Wirkung auf die Volumenhomöostase).

Ist die Balance gestört, kommt es zur Änderung der Verteilung von Wasser und Elektrolyten. So resultiert /2/:

  • Aus einer mangelnden Füllung der arteriellen Zirkulation durch Vasodilatation oder kardialen Insuffizienz, eine kompensatorische Vasokonstriktion mit Retention von Na+ und Wasser auf Grund einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems, des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems und einer verstärkten Freisetzung von ADH.
  • Aus einer zu starken Füllung der arteriellen Gefäßsystems, auf Grund einer Volumenexpansion oder Tachykardie, eine Vasodilatation mit verstärkter Ausscheidung von Wasser und Na+. Sie wird induziert durch atriale natriuretische Peptide, das Kallikrein-Kinin System und endotheliale Faktoren wie Prostaglandine und NO.

8.1.5.1 Regulatoren der Homöostase von Elektrolyten und Wasser

Wesentliche Regulatoren der Homöostase von Elektrolyten und Wasser sind:

  • Das Renin-Angiotensin-Aldosteron System.
  • Die atrialen natriuretischen Peptide.
  • Der ADH-Durstmechanismus.

Renin-Angiotensin-Aldosteron System (RAAS)

Eine Änderung der Sekretion von Renin erfolgt in Abhängigkeit von der Wasser- und Na+-Aufnahme. Die Sekretion von Renin wird bei der Aufnahme von NaCl gehemmt und bei der Wasseraufnahme stimuliert und bewahrt so das Blutvolumen bei Salz- und Wasserverlust, das durch Schwitzen, Durchfall oder Erbrechen verändert werden kann. Die Konzentration des Effektors Aldosteron steigt rasch in Folge einer Verminderung des Blutvolumens oder einer verminderten renalen Perfusion an.

Ein ebenfalls starker Stimulator der Synthese von Aldosteron ist ein K+-Anstieg im Plasma, die Folge ist eine verstärkte Aldosteron-induzierte renale K+-Ausscheidung. Somit verhindert das RAAS eine Hyperkaliämie bei verstärkter K+-Aufnahme mit der Nahrung oder nach K+-Freisetzung durch starke Muskeltätigkeit.

Bei chronischer Herzinsuffizienz und Leberzirrhose kommt es zu einem Hyperaldosteronismus mit der Retention von Na+und Wasser und einer Volumenexpansion. Der Hyperaldosteronismus beruht bei der chronischen Herzinsuffizienz auf einer verminderten renalen Perfusion und bei der Leberzirrhose auf einer reduzierten hepatogenen Metabolisierung von Aldosteron. Siehe auch Kapitel 31 – Mineralokortikoid-Hypertonie.

Natriuretische Peptide

Diese Familie besteht aus drei strukturell ähnlichen Peptiden, dem atrialen natriuretischen Peptid (ANP), dem Brain Typ (BNP) und dem C-Typ der natriuretischen Peptide. ANP und BNP werden bei der Dehnung von Herzmuskelzellen freigesetzt, CNP wird von vielen Organen gebildet. Die primäre Funktion von ANP und BNP ist die Regulation des Blutvolumens und des Blutdrucks. Bei hohem Volumen oder erhöhtem Druck werden sie in die Zirkulation freigesetzt. In ihren Zielorganen, den Nieren und peripheren Arterien, aktivieren sie den natriuretischen Peptid Rezeptor A (NPR-A) wodurch die intrazelluläre Konzentration an cyclischem Guanosinmonophosphat erhöht wird. Die Folgen sind Natriurese, Diurese, Vasodilatation und Blutdrucksenkung. Die Wirkung an den Nieren ist folgende: An den Glomerula bewirken ANP und BNP an den afferenten Arteriolen eine Dilatation und an den efferenten eine Vasokonstriktion. Somit wird die GFR erhöht. In den Sammelrohren führen ANP und BNP zu einer verminderten Reabsorption von Na+ und somit wird die Na+-Ausscheidung gesteigert. Der natriuretische Effekt von ANP und BNP ist zweistufig.

Die Na+-Ausscheidung wird gesteigert durch:

  • Eine kurzzeitige Erhöhung der GFR, gekoppelt mit einer antagonistischen Wirkung gegen die RAAS-vermittelte Na+-Reabsorption im proximalen Tubulus.
  • Eine längerfristige Hemmung der Reabsorption von Na+ im aufsteigenden Teil der Henle’schen Schleife und den Sammelrohren.

Auch unterdrücken ANP und BNP die Freisetzung von Renin und Endothelin, ein zusätzlicher Effekt zur Regulierung des Gefäßtonus.

ADH-Durstmechanismus

Durst wird durch intravaskuläre Hypovolämie und niedrigen Blutdruck zur Erhaltung der Homöostase von Wasser getriggert und ist nicht osmotisch bedingt. So führt die vermehrte Sekretion von Arginin-Vasopressin bei chronischer Herzinsuffienz bei einer Na+-Retention zur verstärkten Retention von Wasser und Hyponatriämie.

Nur selten beruht die Hyponatriämie auf einer Polydipsie, bedingt durch ein verstärktes Durstgefühl. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und Hyponatriämie sollte die Hypoosmolalität des Plasmas die Arginin-Vasopressin Sekretion hemmen. Das ist jedoch nicht der Fall, es werden im Gegenteil persistierend erhöhte Konzentrationen von Arginin-Vasopressin gemessen. Siehe auch Beitrag 8.5 – Osmolalität.

Flüssigkeitsbedarf

Molekulare Mechanismen des Flüssigkeitsbedarfs sind:

  • Durstsensoren im Gehirn: Neurone der Lamina terminalis centrumventricular Organe, die nicht durch die Blut-Hirn- Schranke geschützt sind. Diese exzitatorischen Hormone steuern den Flüssigkeitsbedarf rasch in korrektiver Weise.
  • Extrazellulärer Volumenverlust (Salzverlusts) stimuliert Neurone, die mit Angiotensin II und Aldosteron in Beziehung stehen. Aldosteron-sensitive Neurone bilden 11β-hydroxysteroid dehydrogenase type 2 (11βHSD2), mit Aldosteronselektivität. Der neuronale Mangel von 11βHSD2 verursacht eine dauerhafte Aktivierung von Mineralokortikoid-Rezeptoren durch Glucokortikoide, wodurch der Salzappetit zunimmt /3/.

8.1.6 Renale Regulation der Wasser- und Natriumausscheidung

Die Niere filtert etwa 150 Liter isotones Glomerulumfiltrat (GFR) täglich. Zur Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts kann die Niere sowohl einen maximal verdünnten als auch einen maximal konzentrierten Urin bilden.

Konzeptionell wird die renale Wasserregulation in folgende Schritte unterteilt /5/:

  • Im proximalen Tubulus werden zwei Drittel des GFR isoton reabsorbiert. Bei einer arteriellen Volumendepletion ist eine Steigerung auf 80 % möglich.
  • Im absteigenden Teil der Henle’schen Schleife wird Wasser reabsorbiert, während Salze im Tubulus verbleiben und die Osmolalität kann bis auf 1.200 mmol/kg ansteigen.
  • Der aufsteigende Teil der Henle’schen Schleife und der distale Tubulus sind relativ wasserdicht. Es werden nur Salze reabsorbiert, weshalb diese Nephronabschnitte auch Verdünnungssegmente genannt werden. Die Osmolalität der tubulären Flüssigkeit kann bis unter 50 mmol/kg abfallen.
  • Im Sammelrohr wird die Reabsorption von Wasser vom antidiuretischen Hormon Arginin-Vasopressin moduliert. Bei zu niedriger Tonizität im EZR wird die Sekretion von Vasopressin gehemmt und ein verdünnter Urin wird ausgeschieden. Bei erhöhter Tonizität ist die Sekretion von Vasopressin gesteigert, die Wasserpermeabilität des Sammelrohrs wird erhöht und ein konzentrierter Urin wird ausgeschieden. Da die Wasserrücknahme eine Funktion der Arginin-Vasopressin Sekretion ist, kann die Osmolalität im Urin von weniger als 100 bis zu 1.200 mmol/kg schwanken.

Siehe auch Abb. 8.1-2 – Renal-tubuläre Behandlung von Wasser und Elektrolyten.

8.1.6.1 Determinanten maximaler Urinkonzentrierung und Urinverdünnung

Die Anlieferung von GFR an die Verdünnungssegmente ist vom Volumen, der Zusammensetzung der GFR und der proximalen Tubulusfunktion abhängig. So resultiert eine verminderte Bildung von freiem Wasser aus:

  • Einer Reduzierung der GFR durch Volumendepletion, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose und nephrotisches Syndrom.
  • Der Verminderung des Salztransports in den Verdünnungssegmenten. Somit wird eine minimale Osmolalität nicht erreicht und die Bildung freien Wassers limitiert. Das ist der Fall ist bei interstitieller Nierenerkrankung oder der Behandlung mit Thiaziden und Schleifendiuretika.
  • Der Aufrechterhaltung eines kortikomedullären Konzentrationsgradienten im Interstitium der Nieren. Der Konzentrationsgradient beginnt mit Isotonie an der kortikomedullären Grenze und steigt bis auf 1.200 mmol/kg in der Papillenspitze an. Dieser interstitielle osmotische Gradient ist für die Rückresorption von Wasser aus den Sammelrohren in den großen Kreislauf verantwortlich. Die Ausbildung des Gradienten ist von der Vasopressinwirkung an den Sammelrohren abhängig. Bei interstitieller Nierenerkrankung, der Behandlung mit Schleifendiuretika, bei mangelnder Proteinernährung (verminderter Anfall von Harnstoff), bei osmotischer Diurese und allen Zuständen mit vermehrtem Harnfluss ist der Aufbau eines normalen interstitiellen osmotischen Gradienten gestört.

Die Niere reguliert die Wasserausscheidung in Antwort auf Änderungen der Osmolalität und des effektiven arteriellen Blutvolumens. Auf Grund zuvor geschilderter Regulationsmechnismen kann das Urinvolumen von 0,5–20 l/24 h schwanken. Jedoch wird ein gastrointestinaler oder der insensible Wasserverlust von den Nieren nicht registriert. Auch bei maximaler renaler Wasserrücknahme beträgt der tägliche renale und extrarenale Wasserverlust 1 Liter. Die Niere kann allein eine Dehydratation und Hypertonizität im EZR nicht verhindern. Der ultimative Schutz ist der Durstmechanismus.

Störungen des Säure-Basen Haushalts beeinflussen die Ausscheidung von Na+ und K+. So bewirkt die metabolische Azidose eine Natriurese durch Hemmung der Reabsorption von Na+im proximalen und distalen Tubulus. Die Natriurese induziert eine Volumenrestriktion des EZR, was zu einem sekundären Hyperaldosteronismus führt.

8.1.6.2 Glomerulär tubuläre Balance (GTB)

Die Aufgabe der Nieren in der Aufrechterhaltung der Homöostase von Na+. Diese wird bestimmt von der Menge des gefilterten Na+ und demjenigen Anteil, der von den peritubulären Kapillaren reabsorbiert wird und somit zurück in die Zirkulation gelangt /6/. Für jede Änderung in der GFR erfolgt eine proportionale Anpassung der Rückresorption von Na+ so, dass die fraktionelle Reabsorption von Na+ (GFR × Na+-Konzentration im Serum) in engen Grenzen konstant bleibt. Dies beruht auf der Eigenschaft der Nieren, auch GTB genannt, Änderungen der GFR mit einer gleichgerichteten Änderung der tubulären Reabsorption zu beantworten. Durch diese Kopplung wird die große Variation der Anlieferung von Na+ zum distalen Tubulus in engen Grenzen gehalten /6/.

Eine Störung der GTB mit Änderung der Ausscheidung von Wasser- und Na+ kann bedingt sein durch:

  • Änderung der Hämodynamik der Nieren, z.B. bei Stauungsinsuffizienz des Herzens oder Aortenstenose oberhalb der Nierenarterien.
  • Intraluminale Faktoren, z.B. erhöhte Konzentration osmotisch aktiver Substanzen wie Glucose, Aminosäuren, Bicarbonat und Chlorid.
  • Chronische Niereninsuffizienz mit Verminderung der Anzahl funktionstüchtiger Nephrone. Wenn die GFR abfällt, erhöht sich die Na+-Exkretionsrate des einzelnen Nephrons. Diese Adaptation ist bedingt durch ANP und BNP. Aber trotz der erhöhten Konzentration dieser Peptide nimmt das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen zu und auch die exogene Zufuhr von ANP führt nicht zur vermehrten Ausscheidung von Na+ /7/.

Patienten mit einer GFR unter 20 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] haben nur noch eine geringe Kapazität, Urin zu konzentrieren, aber noch eine ausreichende, um Urin zu verdünnen. Mit Fortschreiten der Niereninsuffizienz entwickelt sich eine deutliche Volumenexpansion des EZR mit den Folgen einer Hypertonie.

8.1.6.3 Freie Wasserclearance

Die Bildung freien Wassers, auch als freie Wasserclearance bezeichnet, ist eine wichtige Größe zum Verständnis der renalen Wasserregulation /5/. Das Urinvolumen zur Ausscheidung von Soluta wird konzeptionell in zwei Kompartimente eingeteilt:

  • Ein Volumen, das notwendig ist, die Soluta isoosmotisch zum Serum auszuscheiden.
  • Ein verbleibendes Volumen, das die Menge des ausgeschiedenen oder resorbierten Elektrolyt-freien Wassers beschreibt.

Da Harnstoff, die an Menge reichste mit dem Urin ausgeschiedene Substanz, nicht zur Tonizität beiträgt, wird als Messgröße der osmotisch aktiven Substanzen im Urin die Summe der Na+- und der K+-Konzentration bestimmt. Das Elektrolyt freie Wasser bzw. der Elektrolyt freie Urin ist das Volumen, welches übrigbleibt, nachdem das notwendige Volumen zur Generation eines dem Plasma isotonen Volumens abgezogen wurde. Ein positiver Wert repräsentiert die Ausscheidung, ein negativer die Resorption von freiem Wasser.

Rechenbeispiel: Ausscheidung von 300 mmol/l Na+ + K+ in 2 Liter Urin. Serumosmolalität 280 mmol/kg. Ausscheidung von 300/280 = 1,07 Liter Serum isotonen Urins und 0,93 Liter elektrolytfreien Urins (freies Wasser). Siehe Abb. 8.1-3 – Bildung von elektrolytfreiem Wasser durch die Nieren.

8.1.6.4 Akutes Nierenversagen

In Abhängigkeit, ob es sich um ein prärenales, renales oder postrenales Versagen handelt, resultieren spezifische Veränderungen.

Prärenales akutes Versagen

Labordiagnostische Untersuchungen:

Renales akutes Versagen

Der Ablauf erfolgt in verschiedenen Phasen, in denen unterschiedliche Störungen der Wasser- und Na+-Balance auftreten:

  • Initiale Phase: Sie hängt vom Ausmaß der Schädigung ab und beträgt z.B. bei akuter Tubulusnekrose durch Antibiotikaschädigung Tage, bei ischämischer Tubulusnekrose nur Stunden. Die GFR ist normal, die Konzentration von Na+ im Urin beträgt wie beim prärenalen Versagen unter 20 mmol/l.
  • Oligurische Phase: Ist auf Grund der Schädigung die Niere nicht mehr fähig, den Harn zu konzentrieren, resultiert eine Na+-Konzentration über 40 mmol/l im Harn und die fraktionelle Na+-Ausscheidung ist über 2 %. Es kommt zu einem Abfall der GFR, und eine Oligurie entwickelt sich. Die Urinosmolalität entspricht der des Plasmas und ist selten über 320 mmol/kg.
  • Polyurische Phase: Es kommt zu einer täglichen Verdopplung des Urinvolumens bis zu einer Menge von 2–3 Litern. Der Harn gleicht dem Plasmafiltrat und hat eine dem Plasma vergleichbare Konzentration von Na+- und Harnstoff. Letztere fällt mit Beginn der polyurischen Phase nicht ab.
  • Regenerationsphase: Mit einem Wiederanstieg der GFR auf etwa 60 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] nach Tagen bis Wochen nimmt die Kapazität der Harnkonzentrierung wieder zu. Die Harnosmolalität steigt auf über 600 mmol/kg an, die Na+-Konzentration im Harn ist unter 20 mmol/l.

Postrenales Nierenversagen

Bei bilateraler Obstruktion der Harnwege kommt es zu hämodynamischen Störungen, die eine Verminderung der tubulären Flussrate mit vermehrter Resorption von Na+ und Wasser bewirken. Es resultiert ein vermindertes Harnvolumen mit hoher Osmolalität und einer Na+-Konzentration im Urin unter 20 mmol/l, also ein dem prärenalen Nierenversagen vergleichbares Bild.

8.1.7 Kaliumhaushalt

Kalium ist das häufigste intrazelluläre Kation. Das Gesamtkörperkalium beträgt 3.500 mmol entsprechend 50 mmol/kg Körpergewicht. 90 % des Kaliums sind im Intrazellulärraum (IZR), 2 % im Extrazellulärraum (EZR) und 8 % in Knochen und Knorpel. Die Konzentration im EZR wird durch den K+-Austausch zwischen EZR und IZR reguliert (interne K-Homöostase). Der Verlust von nur 1 % des Gesamtkörperkaliums bewirkt eine erhebliche Störung der Kalium-Balance mit massiven physiologischen Änderungen.

Der tägliche Kalium-Bedarf beträgt 40–50 mmol (1,6–2,0 g; 1 mmol = 40 mg). Jedoch variiert die tägliche K-Aufnahme erheblich. So nehmen ältere Personen oft zu wenig Kalium auf, während Personen, die viel Obst und Gemüse essen, eine tägliche Zufuhr von 200–250 mmol (8–10 g) haben. Die urbane Bevölkerung nimmt täglich etwa 62,5 mmol (2,5 g) auf, der minimale Bedarf wird auf 40–50 mmol (1,6–2,0 g) geschätzt /9/. Prospektive Bevölkerungsstudien haben gezeigt, dass die Schlaganfall-assoziierte Mortalität bei niedriger Kalium-Zufuhr zunimmt /9/ und dass eine Zunahme der Zufuhr von Kalium einen antihypertensiven Effekt hat. Dieser beruht auf einer verstärkten Natriurese, verbesserten Sensitivität der Barorezeptoren, direkter Vasodilatation und einer verminderten kardialen Reaktion auf Noradrenalin und Angiotensin II /10/.

Die Regulation des mit der Nahrung aufgenommenen Kaliums (externe Kalium-Bilanz) erfolgt zu 80 % durch renale Ausscheidung von K+, zu 15 % über den Gastrointestinaltrakt und zu 5 % über den Schweiß.

8.1.7.1 Renale Kaliumhomöostase

Die renale K+-Ausscheidung ist abhängig von /11/:

  • Der Kalium-Aufnahme mit der Nahrung und der Konzentration der K+ im Serum.
  • Der Anlieferung von Na+ und Wasser zum distalen Tubulus und dem Gehalt an nicht resorbierbaren Anionen.
  • Dem Säure-Basen Status.
  • Der Konzentration von Mineralokortikoiden.

Anlieferung von Na+ und Wasser

Das mit der Nahrung aufgenommene Kalium wird innerhalb der folgenden 2 Tage über den distalen Tubulus und die Sammelrohre wieder ausgeschieden. Die Sekretion erfolgt durch eine direkte Stimulation der Na+-K+-ATPase auf Grund der K+-Belastung. Siehe Abb. 8.1-4 – Renal-tubuläre Behandlung von Kalium.

Einflussgrößen der Ausscheidung von K+ iu Urin sind /12/:

  • Der Na+-Gehalt im distalen Tubulus: Durch eine erhöhte Na+-Anlieferung wird die K+-Sekretion erhöht auf Grund der zunehmenden Elektronegativität des Tubulus, wenn vermehrt Na+ resorbiert werden.
  • Chlorid. Es handelt sich um ein Anion, das Na+ bei der tubulären Reabsorption begleitet. Bicarbonat, Phosphat und Sulfat sind relativ impermeabel für den distalen Tubulus. Eine erhöhte Konzentration dieser Anionen erhöht die tubuläre Elektronegativität und damit die K+-Sekretion.
  • Der tubuläre Wasserfluss /13/: Die verstärkte Anlieferung von Wasser an den distalen Tubulus erhöht die Ausscheidung von K+. Sie ist auch verantwortlich für den K+-Verlust, wenn die renal tubuläre Reabsorption von Kochsalz durch Diuretika wie Thiazide und Furosemid in der Henle’schen Schleife und dem Anfangsteil des distalen Tubulus gehemmt wird (Abb. 8.1-5 – Wirkungsmechanismus der Thiaziddiuretika/14/. Demgegenüber werden Kochsalz- und Bicarbonat bei Zuständen mit verstärkter proximaler Reabsorption nur noch vermindert dem distalen Tubulus angeboten, woraus eine verminderte K+-Sekretion im Austausch gegenüber Na+ resultiert. Daraus folgt eine Tendenz zur Hyperkaliämie bei Zuständen wie prärenaler Niereninsuffizienz, Volumendepletion, Stauungsinsuffizienz des Herzens, die über eine Verminderung der GFR eine verstärkte proximale tubuläre Kochsalzreabsorption bewirken. Medikamenten-bedingte Ursachen, die zur Hyperkaliämie führen, sind dargestellt in:
  • Abb. 8.1-6 – Wirkung von Medikamenten an der Tubuluszelle des distalen Nephrons
  • Abb. 8.1-7 – Mechanismus der Aldosteron abhängigen K+-Sekretion und ihre Hemmung.

Azidose und Alkalose

Bei systemischer Azidose werden intrazellulär entstehende H+ auch dort abgepuffert. Zur Wahrung der Elektroneutralität werden K+ von intra- nach extrazellulär verlagert. Fällt in der distalen Tubuszelle die Konzentration von K+ ab, vermindert sich auch die K+-Sekretion. Die verminderte renale K+-Ausscheidung trägt deshalb zur Ausbildung einer Hyperkaliämie bei systemischer Azidose bei. Bei Alkalose werden K+ vom tubulären Primärharn nach intrazellulär verlagert und damit die K+-Sekretion erhöht. Dieser Effekt, in Kombination mit einer vermehrten Wasserbelastung des distalen Tubulus bei metabolischer Alkalose, erhöht die K+-Ausscheidung und die Tendenz zur Hypokaliämie.

Mineralokortikoide

Aldosteron ist das wesentliche für die Homöostase von K+ verantwortliche Mineralokortikoid. Es wirkt am distalen Tubulus und den Sammelrohren und stimuliert die Reabsorption von Na+ und die Sekretion von K+. Seine Wirkung beruht auf einer Steigerung der Zunahme der Na+-Kanäle in der luminalen Membran der Tubuluszellen und der Na+-K+-ATPase an der basolateralen Membran (Abb. 8.1-7 – Mechanismus der Aldosteron abhängigen Kalium-Sekretion und ihre Hemmung).

Die adrenale Sekretion von Aldosteron wird durch das Renin-Angiotensin System stimuliert. Renin wird vermehrt bei Volumendepletion und Verminderung der Perfusion des renalen iuxtaglomerulären Apparats gebildet. Die Aldosteronsekretion wird auch direkt durch eine Erhöhung der intrazellulären K+ gesteigert und von bestimmten Medikamenten gehemmt /13/.

8.1.7.2 Extrarenale Kaliumhomöostase

Die Konstanthaltung der extrazellulären K+-Konzentration hängt neben der renalen Ausscheidung von folgenden weiteren Faktoren ab /11/:

  • Säure-Basen Haushalt.
  • Insulinsekretion.
  • Mineralokortikoiden.
  • Sympathischen Nervensystem.

Säure-Basen-Haushalt

Die erhöhte Belastung durch anorganische Säuren wie HCl, NH4Cl oder organische Säuren wie Lactat oder Ketonkörper führt zur Verschiebung von K+ von intra- nach extrazellulär und zu einer Hyperkaliämie. Umgekehrt ist die Situation bei der systemischen Alkalose.

Insulin

Insulin fördert die zelluläre Aufnahme von K+ und eine hohe K+-Belastung des Organismus stimuliert die Insulinsekretion. Der Effekt ist aber gering, solange die K+-Belastung nicht gleichzeitig mit einer Glucosebelastung einhergeht. Die Insulinwirkung auf die Na+-K+-ATPase soll auf einem vom cyclischen AMP unabhängigen Mechanismus beruhen.

Die Insulin stimulierte K+-Aufnahme der Zelle ist unabhängig von der Glucoseaufnahme. Diese unabhängige Wirkung muss bei der Behandlung einer Hyperkaliämie mit Glucose und Insulin berücksichtigt werden. Glucose sollte nicht allein verabreicht werden, denn wenn die Insulinsekretion vermindert ist, bewirkt die von der Glucose verursachte Erhöhung der Osmolalität einen K+-Efflux aus der Zelle und die Hyperkaliämie nimmt noch zu.

Mineralokortikoide

Aldosteron wirkt auch an nicht renalen Geweben und kann so die Homöostase von K+ beeinflussen. So wird durch Aktivierung der Na+-K+-ATPase der Schleimhaut des Colons der Gehalt des Stuhls an K+ erhöht und an Na+ vermindert. Auch die K+-Konzentration im Speichel und Schweiß wird erhöht. Diese Mechanismen spielen eine wichtige Rolle für die K+-Ausscheidung bei chronischer Niereninsuffizienz.

Sympathisches Nervensystem

Eine β-adrenerge Stimulation verschiebt K+ vom EZR in den IZR. Somit wird die renale K+-Ausscheidung vermindert. β-Rezeptoren-Blocker haben eine gegensätzliche Wirkung. Der Effekt der β-adrenergen Stimulation ist von Veränderungen der Konzentration an Aldosteron und Insulin unabhängig.

Die Wirkung β-adrenerger Stimulation beruht speziell auf einer Aktivierung der β2-Rezeptoren. β2-Agonisten binden an diese und bewirken über cyclisches AMP die Aktivierung der Na+-K+-Pumpe. So vermitteln α-adrenerge Substanzen einen gegenteiligen Effekt. Auch wird die durch starke körperliche Anstrengung verursachte Hyperkaliämie durch eine β-Blockade mit Propranolol verstärkt und durch eine α-Blockade mit Phentolamin kommt es nur zu einem geringen K+-Anstieg.

Literatur

1. Martin PY, Schrier RW. Renal sodium excretion and edematous disorders. In: Dluhy RG (ed). Clinical disorders of fluid and electrolyte metabolism. Endocr Metab Clin North Am 1995; 24: 459–79.

2. Knepper MA, Kwon T.H. Nielsen S. Molecular physiology of water balance. N Engl J Med 2015; 372: 1349–58.

3. Eknoyan G. Diagnosis of disturbances. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The regulation of sodium and chloride balance. New York: Raven, 1990: 237–59.

4. Khaw KT, Barrett-Konner E. Dietary potassium and stroke associated mortality: a twelve year prospective study. N Engl J Med 1987; 316: 235–40.

5. Fried LF, Palevsky PM. Hyponatriemia and hypernatriemia. Med Clin North Am 1997; 81: 585–609.

6. Méndez RE, Brenner BM. Glomerulotubular balance and the regulation of sodium excretion by intrarenal hemodynamics. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The regulation of sodium and chloride balance. New York: Raven, 1990: 105–31.

7. Shemin D, Dworkin LD. Sodium balance in renal failure. Current Op Nephrol Hypertens 1997; 6: 128–32.

8. Subramanian S, Ziedalski TM. Oliguria, volume overload, Na balance, and diuretics. Crit Care Clin 2005; 21:291–303.

9. Cohn JN, Kowey PR, Whelton PK, Prisant LM. New guidelines for potassium replacement in clinical practice. Arch Intern Med 2000; 160: 2429–36.

10. Krishna GG, Kapoor SC. Potassium depletion exacerbates essential hypertension. Ann Intern Med 1991; 115: 77–83.

11. Clark BA, Brown RS. Potassium homeostasis and hyperkalemic syndromes. Endocrinol Metab North Am 1995; 24: 573–91.

12. Rasteger A, DeFronzo RA. Disorders of potassium metabolism associated with renal disease. In: Schrier RW, Gottschalk CW (eds). Diseases of the kidney. Boston; Little, Brown 1993: 2649.

13. Krapf R. Drei gefährliche Elektrolytentgleisungen: Hyponatriämie, Hyperkaliämie und Hypomagnesiämie. Schweiz Med Wschr 1993; 123: 739–48.

14. Perazella MA. Drug-induced hyperkalemia: old culprits and new offenders. Am J Med 2000; 109: 307–14.

15. Krapf R. Iatrogene Hyperkaliämie. Schweiz Med Wschr 1996; 126: 626–31.

16. Halperin ML, Bohn D. Clinical approach to disorders of salt and water balance. Emphasis on integrative physiology. Crit Care Clin 2002; 18: 249–72.

17. Elijovich F, Weinberger MH, Anderson CH, Appel LJ, Bursztyn M, Cook NR, et al. Salt sensitivity of blood pressure: a scientific statement from the American Heart Association. Hypertension 2016; 68 (3): e7–e46.

8.2 Natrium

Lothar Thomas

Natrium ist das dominante Kation (Na+) der extrazellulären Flüssigkeit. Es ist maßgebend zur Aufrechterhaltung der Tonizität, auch effektive Osmolalität genannt, und somit für die Wasserverteilung zwischen dem Extrazellulärraum (EZR) und dem Intrazellulärraum (IZR). Hypo- und Hypernatriämien entstehen, wenn im EZR das Verhältnis zwischen Wasser und Natrium zugunsten einer der beiden verschoben ist.

Häufige Ursache ist eine Zunahme oder Abnahme des Gesamtkörperwassers ohne Änderung der Elektrolyte. Da Natriumsalze den Hauptanteil der osmotisch aktiven Substanzen im EZR stellen, sind Hypo- und Hypernatriämien oft mit einer Hypo- oder Hyperosmolalität assoziiert. Dysnatriämien sind auch bei den nicht kritisch kranken Patienten häufige Befunde. So beträgt die Prävalenz der Hypernatriämie bis zu 1 % und die der Hyponatriämie bis zu 6 %. Letztere ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert.

8.2.1 Indikation

  • Störung der Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz.
  • Kritisch Kranke.
  • Intra- und postoperativ.
  • Anhaltende Diarrhoe oder Erbrechen.
  • Diuretika Therapie.
  • Abweichungen anderer Elektrolyte im Serum vom Referenzbereich.
  • Polyurisch polydiptische Syndrome und Störungen des Durstgefühls.
  • Störungen des Säure-Basen Haushalts.
  • Nierenerkrankung, Hypertonie, Ödeme.
  • Einige endokrine Erkrankungen, z.B. Hypothyreose, Exzess oder Mangel von Mineralokortikoiden.
  • Hohe Kochsalzzufuhr.

8.2.2 Bestimmungsmethode

Zur Bestimmung von Elektrolyten werden direkte und indirekte potentiometrische Methoden und die Flammenphotometrie eingesetzt. Bei der direkten potentiometrischen Methode erfolgt die Messung mit Ionen-selektiver Elektrode direkt im unverdünnten Blut, Plasma oder Serum, während bei der indirekten potentiometrischen Methode (ISE) die Probe vor der Messung verdünnt wird. Die ISE wird an klinisch-chemischen Analyzern gemessen die direkte Potentiometrie an Blutgasanalyzern.

Flammenphotometer messen die Substanzkonzentration, potentiometrische Methoden die Ionenaktivität.

Flammenphotometrie

Prinzip: Gemessen wird die emittierte Lichtintensität, wenn Natrium- oder Kalium-Atome in der Flamme angeregt werden. Die Lichtintensität ist direkt proportional der Anzahl der Atome, welche wiederum direkt proportional der Konzentration der entsprechenden Ionen in der Probe ist. Das Flammenphotometer besteht aus Vernebler, Brenner und Photozelle. Im Gerät wird die zuvor verdünnte Probe vernebelt und in den Brenner überführt, dessen Flamme von Propangas oder Azetylengas und Pressluft gespeist wird /1/.

In der heißen nicht leuchtenden Flamme emittiert Natrium ein charakteristisches Spektrum. Über einen Monochromator wird die Natrium typische Messwellenlänge selektiert und auf die Photozelle gesendet. Diese bildet ein elektrisches Signal, das nach Verstärkung die Ableseeinheit steuert. Die angezeigte Lichtemission ist direkt proportional dem Natriumwert.

Ein Teil der Flammenphotometer arbeitet nach dem internen Standardprinzip. Zur Verdünnung von Eichlösungen, Kontrollen und Proben wird eine Lithium haltige Lösung verwendet und die Flammenemission bei den für Lithium und Natrium charakteristischen Messwellenlängen mit getrennten Photozellen bestimmt. Lithium gilt als interner Standard und die Spannung der Lithium Photozelle als Referenzspannung für die Natrium-Photozelle. Ändert sich die konstante Referenzspannung, z.B. durch Geräte bedingte Instabilitäten, so wird kompensatorisch die Spannung der Natrium Photozelle um diesen Betrag und somit der Einfluss der Instabilität auf das Ergebnis der Anylyse korrigiert.

Ionenselektive Elektrode (ISE)

Die ISE-Technologie wird zur Bestimmung von Elektrolyten (Na+, K+, Cl, Ca2+, Li+, Mg2+), des pH und von Metaboliten wie Glucose, Harnstoff, Harnsäure und Lactat eingesetzt /234/.

Prinzip: Die ISE Messung ist eine potentiometrische. Voraussetzung für die Funktion der ISE ist eine Ionen selektive Membran in einer Messzelle, die selektiv das zu messende Ion in die Lösung der Messzelle (Innenelektrolyt) übertreten lässt.

Ist die Ionenaktivität der Probe größer als die des Innenelektrolyts, bildet sich ein positives Membranpotential aus. Dieses wird von einer in das Innenelektrolyt eintauchenden Elektrode (innere Elektrode) registriert und gegen das konstante Potential der äußeren Referenzelektrode gemessen.

Es werden polymere Membranen verwendet, deren Selektion von dem Ionophor abhängt, welches sie enthalten. Ionophoren sind synthetische Moleküle, die als Ionenaustauscher wirken, z.B. für Na+ werden ETH 157, 227 oder 2120 verwendet.

Die Messung findet in einer ISE Zelle statt, die beispielhaft dargestellt ist in Abb. 8.2-1 – Aufbau einer ISE-Einheit zur Bestimmung von z.B. Natrium. Die Zelle enthält die ISE Elektrode, die über die Probe und die Brückenlösung in Kontakt mit der äußeren Referenzelektrode steht.

Ionenselektive Elektrode: Sie besteht aus der Durchflusszelle, in der die durchfließende Probe durch eine Membran vom Innenelektrolyt getrennt wird. In das Innenelektrolyt taucht die innere Elektrode, die z.B. aus Ag/AgCl besteht.

Äußere Referenzelektrode: Sie taucht in die Brückenlösung ein und besteht aus einem inneren Element, gewöhnlich Hg/HgCl2, einer Fülllösung, gewöhnlich konzentrierte KCl und einer Vorrichtung, die eine Flüssigkeitsverbindung herstellt.

Enzymatisch spektrometrische Bestimmung /5/

Prinzip: Na+ aktivieren das Enzym β-Galactosidase (EC 3.2.1.23), das die Umsetzung von o-Nitrophenyl-β-D-galactopyranosid (ONPG) zu Galactose und o-Nitrophenol bewirkt. Das gebildete o-Nitrophenol wird kinetisch bei 405 nm gemessen nach folgender Reaktion:

ONPG Na + o-Nitrophenol + Galactose β-Galactosidase

Da der Km der Na+ für β-Galactosidase 0,1 mol/l beträgt und eine lineare Beziehung zwischen Na+-Konzentration und kinetischer Aktivität nur bei niedriger Konzentration gegeben ist, muss die Probe verdünnt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit einem Kryptanden wie Kryptofix 221 einen konstanten Anteil an Na+ abzufangen und somit ein gutes Messsignal für den klinisch wichtigen Messbereich zu erhalten /5/.

8.2.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma (Lithium- und Ammoniumheparinat): 1 ml

8.2.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 8.2-1 – Referenzbereiche für Natrium.

8.2.5 Bewertung

8.2.5.1 Grundlagen zur Bewertung von Natrium im Serum

Na+ sind das wesentliche Elektrolyt im EZR und K+ im IZR. Diese asymmetrische Verteilung der Elektrolyte durch die Zellmembran erfordert den aktiven Austausch beider Kationen durch die Na+-K+-ATPase. Da die Zellmembran für Wasser frei permeabel ist, sind die Körperflüssigkeiten in einem osmotischen Gleichgewicht.

Das Volumen des EZR wird vom Bestand an Körpernatrium bestimmt. Die Konzentrationen von Na+ im Serum und in der interstitiellen Flüssigkeit sind identisch. Na+ und seine Anionen bewirken mehr als 95 % des osmotischen Drucks des Plasmas. Da Na+ das vorwiegende Elektrolyt des EZR sind, bestimmen sie auf Grund des freien Wasserflusses durch die Zellmembran nicht nur die Osmolalität des EZR, sondern auch die des intrazellulären Raums (IZR).

Normalerweise ist die Wasserverteilung zwischen EZR und IZR konstant und zeigt Schwankungen um lediglich 1–2 %. Akute Änderungen der Plasmakonzentration von Na+, die nicht mit einem gleichsinnigen Verhalten der intrazellulären K+ einhergehen, z.B. eine Hyponatriämie, bewirken die Permeation von Wasser aus dem EZR in den IZR. Die Folge ist ein zelluläres Ödem.

Der Organismus reguliert die Na+-Konzentration im Plasma, in dem er den Wassergehalt des EZR anpasst und das Gesamtkörper-Natrium und die Na+-Konzentration im Plasma in einem engen Bereich konstant hält. Das geschieht durch Trinken und die renale Ausscheidung von freiem Wasser. Die intraindividuelle Variation der Na+-Konzentration im Serum beträgt 0,7 %, also etwa 1 mmol/l. Zur Erkennung einer Störung der freien Wasserausscheidung ist es deshalb wichtig, einen Abfall der Na+-Konzentration im Serum von 3–4 mmol/l zuverlässig zu erkennen.

Änderungen des Gesamtkörpernatriums und des Körperwassers erfolgen oft gemeinsam und sind die häufigste Ursache der isotonen Störungen des Natrium- und Wasserhaushalts /8/.

Das Verhältnis von Na+ im Serum zum Gesamtkörperwasser wird durch die Osmolalität reflektiert. Gewöhnlich gehen Veränderungen der Na+-Konzentration im Plasma mit einer gleichsinnigen Veränderung der Osmolalität einher. Es gibt aber Ausnahmen. Während eine Hypoosmolalität immer mit einer Hyponatriämie einhergeht, kann die Hyponatriämie mit einer erhöhten, normalen oder erniedrigten Osmolalität im Plasma assoziiert sein.

Aussagen zur Wasserverteilung zwischen EZR und IZR ermöglichen die kombinierte Bewertung der Na+-Konzentration und der Osmolalität im Serum /9/:

  • Verhalten sich beide gleichsinnig, liegt keine Vermehrung oder Verminderung weiterer osmotisch aktiver Substanzen außer von Na+ vor. Die Na+-Konzentration gibt Auskunft über die Wasserverteilung.
  • Auch bestimmt die Na+-Konzentration die Wasserverteilung bei der Präsenz frei permeabler Substanzen wie Äthanol, Ethylenglykol und bei Harnstoffanstieg. Diese Substanzen können sich frei im Gesamtkörperwasser verteilen und erhöhen die intra- und extrazelluläre Osmolalität. Es resultiert ein hypotoner Status mit einem relativen Wasserüberschuss. Die Serumosmolalität ist erhöht bei Hyponatriämie.
  • Nur die Osmolalität gibt Auskunft über die Wasserverteilung, wenn osmotisch aktive Substanzen wie Glucose und Mannitol, die sich nur im EZR verteilen, vorliegen. Es erfolgt eine Wasserverschiebung vom IZR in den EZR. Somit resultiert durch die Verdünnung eine Hyponatriämie, obwohl der Gesamtkörpergehalt an Na+, K+ und Wasser unverändert ist. Die Osmolalität im Serum ist erhöht.
  • Weder die Na+-Konzentration noch die Osmolalität geben Auskunft zur Wasserverteilung. Das ist der Fall bei Zuständen mit kombiniertem Überschuss einer Substanz, die sich nur im Gesamtkörperwasser verteilt wie z.B. Harnstoff, und einer weiteren Substanz mit Verteilung nur im EZR, wie z.B. Glucose. Ein solcher Zustand ist bei einem Diabetiker mit Hyperglykämie im Endstadium einer Niereninsuffizienz gegeben.

8.2.5.2 Störungen des Natrium- und Wasserhaushalts mit normalen Serumnatrium

Unter diesen Störungen, auch als isotone Störungen bezeichnet, werden alle Abweichungen des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV) verstanden, die nicht mit einer Veränderung der Serumosmolalität einhergehen. Es kommt zu keiner Flüssigkeitsverschiebung zwischen IZR und EZR und die Na+-Konzentration im Serum bleibt im Referenzbereich. Die Konzentration von Na+ im Serum wird durch den Durstmechanismus und Arginin-Vasopressin eng kontrolliert.

Unterschieden werden /10/:

  • Isoosmolare (isotone) Dehydratation. Das EZFV nimmt auf Grund eines Wasser- und Na+-Verlusts in isotonem Verhältnis ab. Isotone Verluste treten bei Erbrechen, Durchfall, polyurischem Nierenversagen, enteralen Fisteln und Flüssigkeitssequestrierung in den dritten Raum auf (Peritonitis, Pankreatitis) auf. Klinische Zeichen der Dehydratation sind: Orthostatische Hypotension, Tachykardie, Durst, trockene Haut und Schleimhäute, fehlende Füllung der Halsvenen, ein niedriges Harnvolumen und ein hohes Harnstoff/Creatinin-Verhältnis im Urin.
  • Isoosmolare (isotone) Hyperhydratation. Das EZFV ist durch isotonen Überschuss von Na+ und Wasser vergrößert. Es liegt eine isotone Ödemerkrankung vor, da die renale Ausscheidung von Na+ auf Grund von Herzinsuffizienz, Malabsorptions-Syndrom, nephrotischen Syndrom, dekompensierter Leberzirrhose oder Niereninsuffizienz gestört ist. Die Konzentration von Na+ im Serum ist normal. Klinische Symptome sind Gewichtszunahme und Ödeme.

8.2.5.3 Hyponatriämien

Generell ist die Hyponatriämie als eine Na+-Konzentration unter 135 (136) mmol/l definiert. Die Einteilung der Hyponatriämien erfolgt in folgende Kategorien:

  • Mild; 135 (136)–126 mmol/l.
  • Moderat; 125–121 mmol/l.
  • Schwer; unter 121 mmol/l.

Bei hospitalisierten Patienten beträgt die Prävalenz der Hyponatriämie 20 %, wenn der Grenzwert ≤ 136 mmol/l beträgt, 6–10 % bei einem Grenzwert von ≤ 135 mmol/l, 1–4 % bei einem Wert ≤ 130 mmol/l und etwa 3 % bei einer Konzentration ≤ 125 mmol/l /1112/.

Besteht eine Hyponatriämie, ist wichtig festzustellen, ob diese akut oder chronisch ist (siehe auch Tab. 8.1-3 – Beurteilung pathologischer Laborbefunde des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes).

  • Akute Hyponatriämie: Sie entwickelt sich innerhalb von 48 h und ist mit einer neurologischen Symptomatik assoziiert auf Grund einer Hirnschwellung, eines erhöhten intrazellulären Drucks und cerebraler Hypoxie. Die Symptome können mild sein mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder schwer mit Konfusion, Krämpfen und Koma. Die Symptome resultieren aus einer Wasserverschiebung von der hypotonen Flüssigkeit im EZR in die mehr hypertonen Hirnzellen.
  • Chronische Hyponatriämie: Ihre Ausbildung hat sich langsam entwickelt (länger als 48 h). Durch adaptive Mechanismen sind die Auswirkungen auf das Gehirn moderater. Ihre Abklärung ist weniger eilig und bedarf einer gründlichen klinischen und labordiagnostischen Evaluation.

Hyponatriämien treten auf, wenn das normale Verhältnis der Elektrolyte zum Gesamtkörperwasser durch eine parallele Verminderung von Na+-Konzentration und Osmolalität im Plasma erfolgte. Bei Hyponatriämien besteht häufig kein Na+-Mangel des Organismus, sondern vorrangig ist ein relativer Wasserüberschuss resultierend aus einer verminderten renalen Ausscheidung, einer Polydipsie oder der Infusion Na+-armer Lösungen. Normalerweise ist die Kapazität der Nieren zur Wasserausscheidung höher als die mögliche Wasseraufnahme.

Generell ist die Hyponatriämie bedingt durch /13/:

  • Intrarenale Faktoren, die zu einer Verminderung der Verdünnungskapazität in der Henle’schen Schleife führen (siehe Abb. 8.1-2 – Renal-tubuläre Behandlung von Wasser und Elektrolyten), wodurch es zur verstärkten Ausscheidung von freiem Wasser kommt.
  • Durch eine nicht osmotisch bedingte Ausschüttung von Arginin-Vasopressin (AVP). Normalerweise ist die Freisetzung von AVP ab einer Osmolalität unter 280 mmol/kg sehr gering und die Wasserdiurese hört auf. Es liegen demzufolge potente Stimuli vor, die für eine persistierende AVP-Sekretion und Antidiurese sorgen. Obwohl die Serumosmolalität der wesentliche Stimulus der AVP ist, kann diese auch nichtosmotisch über Barorezeptoren erfolgen.

8.2.5.4 Differenzierung der Hyponatriämie

Die verminderte Osmolalität des EZFV ist immer mit einer Hyponatriämie verbunden. Die Hyponatriämie wird aber auch bei Zuständen mit normaler oder erhöhter Osmolalität des EZFV gesehen /14/. Deshalb werden nach pathophysiologischen Gesichtspunkten die Hyponatriämien in Abhängigkeit von der Serumosmolalität in normoosmolare (normotone), hyperosmolare (hypertone) und hypoosmolare (hypotone) Formen eingeteilt. Siehe Abb. 8.2-2 –Differentialdiagnostik der Hyponatriämie.

Nach klinischen Gesichtspunkten erfolgt die Einteilung der Hyponatriämie in:

  • Verdünnungs-Hyponatriämien.
  • Verlust-Hyponatriämien.
8.2.5.4.1 Verdünnungs-Hyponatriämien

Es handelt sich um eine hypotone Hyponatriämie. Sie ist die häufigste Form der Hyponatriämie und durch eine verstärkte Wasserretention verursacht. Das Gesamtkörperwasser ist im Überschuss im Vergleich zum Gesamtkörpergehalt an Na+, der niedrig, normal oder erhöht sein kann. Die exzessive renale Wasserretention ist die wesentliche Ursache der Verdünnungs-Hyponatriämie. Unterschieden werden bei den Verdünnungs-Hyponatriämien hyper- von euvolumämischen Formen. Beide Formen sind hypoton.

Hypervolämische Hyponatriämie

Diese Form tritt auf, wenn freies Wasser und Na+ im Überschuss vorliegen, aber freies Wasser stärker vermehrt ist als Na+ und somit Ödeme resultieren. Die drei wesentlichen Ursachen sind chronische Herzinsuffizienz, Leberzirrhose und Nierenerkrankung. Das akute oligurische Nierenversagen und die chronische Niereninsuffizienz, insbesondere die chronischen Glomerulonephritiden, führen zur hypotonen Hyperhydratation. Die Na+-Konzentration im Spontanurin beträgt über 20 mmol/l.

Euvolämische Hyponatriämie

Die euvolämische Hyponatriämie ist durch einen normalen oder nahezu normalen Gesamtkörpergehalt an Na+ und erhöhtem Gesamkörperwasser ohne Symptome der Volumendepletion oder Hypervolämie (Ödeme, Ascites) charakterisiert. Es besteht oft eine dauerhafte oder intermittierende Erhöhung von AVP als Antwort auf Volumenstimuli oder osmotische Stimuli, die normalerweise die AVP-Sekretion hemmen. Vorliegen kann /1516/:

  • Ein Überschuss von freiem Wasser durch exogene Zufuhr, wie das beim TURP-Syndrom durch Zufuhr hypotoner Spülflüssigkeit bei der transurethralen Prostataresektion der Fall sein kann. Andere Ursachen sind Glukokortikoidmangel, schwere Hypothyreose, durch Thiaziddiurese induzierte Hyponatriämie und Polydipsie. Die Na+-Konzentration im Spontanurin beträgt über 20 mmol/l.
  • Eine erhöhte Sekretion von AVP mit Retention von freiem Wasser. Am häufigsten liegt das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH oder Schwartz-Bartter-Syndrom) vor. Die Urinosmolalität ist höher als die des Serums und die Na+-Konzentration über 20 mmol/l.
8.2.5.4.2 Pseudohyponatriämie

Die Hyponatriämie kann bei normaler Plasmaosmolalität auftreten (Pseudohyponatriämie). Es handelt sich um eine euvolämische Hyponatriämie. Sie beruht nicht auf einer Änderung der Osmolalität im EZR, ist normoton und von der Methode der Messung abhängig.

Potentiometrisch wird die Konzentration von Na+ entweder durch indirekte oder Potentiometrie (ISE) oder direkte Potentiometrie gemessen. Bei der Ersteren wird die Probe verdünnt, die Messung erfolgt an klinisch-chemischen Analyzern. Bei der direkten Potentiometrie wird die Probe nicht verdünnt, die Messung geschieht an Blutgasanalyzern.

An eine Pseudohyponatriämie muss gedacht werden:

  • Bei einer starken Hyperlipidämie (trübes Serum). Für jedes mg Triglyceride/dl fällt die Konzentration von Na+ um 0,002 mmol/l /16/.
  • Bei Hyperproteinämie oder wenn ein multiples Myelom oder ein M. Waldenström bekannt sind. Für jedes Gramm Protein pro dl über 8 g/dl fällt die Konzentration von Na+ um 0,25 mmol/l /17/.
  • Bei Patienten mit hoher Konzentration von osmotisch aktiven Substanzen wie Glucose, Mannitol, Sorbitol, Glycerin, Maltose, Glycin und Kontrastmitteln, die Wasser vom IZR in den EZR verschieben. Das ist der Fall bei der transurethralen Resektion der Prostata (TURP) und der endoskopischen Uterusexstirpation, bei denen 1,5 % Glycin (200 mmol/l) als Spülmittel in Volumina von 3–5 Litern verwendet werden. Teilweise wird dies resorbiert und kann zur Hyponatriämie mit Hirn­ödem bei normaler Osmolalität in der frühen Phase (2 h) nach Operationsbeginn führen. Die Osmolalität ist normal, die osmotische Lücke groß. In einer Studie /45/ wurde gezeigt, dass auch hohe Konzentrationen von Glucose, z.B. 131 mmol/l zu einer Differenz von 2,15 % in der Na+ Konzentration führen. Die Ursache wird kontrovers diskutiert.
8.2.5.4.3 Verlust-Hyponatriämien

Diese Hyponatriämien sind hypovolämisch mit absoluten Mangel an Wasser, aber noch einem relativen Überschuss an Wasser im Vergleich zu Na+ /14/.

Pathophysiologisch können vorliegen /1518/:

  • Extrarenale Wasserverluste, wie sie bei Erbrechen, Verbrennungen, intestinalen Lavagen und Diarrhoen die Regel sind. Auch der Verlust in dritte Räume bei Ascites oder Ileus spielt eine Rolle. Trinken von viel Wasser nach kräftigem Schwitzen und die Gabe von Plasmaexpandern nach Blutungen führen ebenfalls zur hypotonen Dehydratation /16/. Die Na+-Konzentration im Spontanurin beträgt unter 20 mmol/l.
  • Renale Na+- und Wasserverluste über die Nieren. Nach Ausschluss einer Diuretikaeinnahme ist an folgende weniger häufige Erkrankungen zu denken: M. Addison, Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz (Mineralokortikoid-Mangel), chronische Nierenerkrankungen (Salzverlust-Niere), metabolische Alkalose und renal-tubuläre Azidose. Bei Schädel-Hirn-Traumen ist auch an das cerebrale Salzverlust-Syndrom zu denken. Die Na+-Konzentration im Spontanurin beträgt über 20 mmol/l.
8.2.5.4.4 Hyperosmolare (hypertone) Hyponatriämie

Die Anhäufung von osmotisch aktiven Substanzen im EZR verschiebt Wasser von intra- nach extrazellulär und verdünnt dort die Na+-Konzentration. Die häufigste Ursache ist die Hyperglykämie. Für jeden Anstieg der Glucosekonzentration um 100 mg/dl (5,6 mmol/l) fällt die Na+-Konzentration im Serum um 1,6 mmol/l ab. Hohe Harnstoff-Werte bei akuter Niereninsuffizienz verursachen ebenfalls eine Hyponatriämie.

8.2.5.4.5 Im Krankenhaus erworbene Hyponatriämien

Hyponatriämien werden häufig im Krankenhaus erworben und erfolgen durch die Verabreichung hypotoner Lösungen, insbesondere bei Kindern, in speziellen Situationen, z.B. postoperativ oder bei Gastroenteritis. Die Ursache ist eine Wasserretention bedingt durch eine vermehrte Sekretion von AVP. Situationen, die eine enge Abstimmung zwischen Plasmaosmolalität und AVP-Sekretion stören, sind nichtosmotische Stimuli wie Stress, Übelkeit, Schmerz, Erbrechen und die intravaskuläre Volumendepletion. Die Anreicherung von freiem Wasser kann zu einem cerebralen Ödem führen, das oft in der frühen Phase, insbesondere bei Kindern und Patienten, die sich nicht mitteilen können, klinisch nicht erkannt wird.

Die Geschwindigkeit des Na+-Abfalls ist gleich kritisch wie dessen absolute Höhe. So kam es bei einem 8 Wochen alten Kind bei einem Abfall der Na+ im Serum um 6 mmol/l in 9 h zur Ausbildung eines Hirnödems und ebenfalls bei einem 13 Monate alten Kind bei einem Abfall von 137 mmol/l auf 120 mmol/l in 12 h.

8.2.5.4.6 Differentialdiagnostische Untersuchungen bei Hyponatriämie

Ist eine Hyponatriämie festgestellt, so sind für die Differentialdiagnose die Befunde nachfolgender Untersuchungen wichtig.

Na+-Konzentration im Urin

Dient der Unterscheidung von hyper- und euvolumämischer Hyponatriämie.

Bei Euvolämie und einer Na+-Ausscheidung über 20 mmol/l liegt gewöhnlich eine Wasserintoxikation im Rahmen eines SIADH vor.

  • Bestehen Hypervolämie und Hyponatriämie muss eine Niereninsuffizienz (Urin-Na+ über 20 mmol/l) von einer Leberinsuffizienz (Urin-Na+ unter 20 mmol/l) abgegrenzt werden.
  • Liegt eine Hyponatriämie bei einer Hypovolämie (exsikkierter Patient) vor, so besteht entweder ein extrarenaler Na+-Verlust (Urin-Na+ unter 10 mmol/l) oder ein renaler Verlust (Urin-Na+ über 20 mmol/l).

Osmolalität im Serum und Urin

Dient der Feststellung, ob die Ausscheidung von Wasser vermindert oder erhöht ist. Abgegrenzt werden kann die Polydipsie von der Pseudohyponatriämie. Bei ersterer ist die Urinosmolalität niedriger als die Serumosmolalität.

Lipide und Totalprotein

Bestätigung einer Pseudohyponatriämie. An eine klinisch signifikante Pseudohyponatriämie muss erst gedacht werden bei einer Triglyceridkonzentration über 1.500 mg/dl ( 17 mmol/l).

Berechnung der Serumosmolalität

Wenn eine Hyperglykämie vorliegt, um diese als Ursache einer Hyperosmolalität zu bestätigen (siehe Beitrag 8.5 – Osmolalität). Ist die gemessene Serumosmolalität um mehr als 10 mmol/kg höher als die berechnete, sind weitere osmotisch aktive Substanzen wie Harnstoff oder Äthanol im EZR.

Bestimmung der freien Wasserclearance

Die Menge an aktuell überschüssigem, also von osmotisch aktiven Substanzen freiem Wasser wird bestimmt. Siehe auch Beitrag 8.5.5.3 – Osmolalität im Urin.

Weitere Untersuchungen

  • AVP bei Verdacht auf SIADH.
  • Creatinin: Verdacht auf Niereninsuffizienz.
  • Cortisol: Verdacht auf M. Addison.
  • TSH: Verdacht auf Hypothyreose.
  • ALT, Cholinesterase: Verdacht auf Hepatopathie.

Erkrankungen und Störungen mit Hyponatriämie sind aufgeführt in Tab. 8.2-2 – Erkrankungen und Ursachen, die eine Hyponatriämie bewirken können.

8.2.5.5 Hypernatriämien

Hypernatriämien sind hyperosmolare (hypertone) Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts. Sie resultieren nahezu immer aus einem Defizit an Wasser in Relation zum Gesamtkörpernatrium. Der Durstmechanismus ist die ultimative Abwehr zur Verhinderung einer Hypernatriämie, die sich gewöhnlich durch insensiblen Wasserverlust entwickelt. Wenn die Kochsalzaufnahme in der Nahrung ansteigt, erhöht sich auch die renale Ausscheidung von Na+, was aber nicht sofort geschieht. Somit bildet sich eine positive Balance von Na+ aus, bis die Ausscheidung der Aufnahme entspricht /44/.

Bei Personen mit Hypodipsie ist die Wirkung auf den Durstmechanismus, trotz der durch Hyperosmolalität und Verminderung des arteriellen Blutdrucks hervorgerufenen Stimuli, vermindert. Ist der Defekt an freiem Wasser mild und bleibt die Angiotensin-Vasopressin (AVP)-Sekretion bestehen, kann die renale Regulation die zu geringe Wasseraufnahme kompensieren und eine Hypernatriämie bleibt aus /11/.

8.2.5.5.1 Erkrankungen und Ursachen der Hypernatriämie

Der Mangel an Wasser kann resultieren (Abb. 8.2-3 – Differentialdiagnostik der Hypernatriämien):

  • Aus einem Verlust von freiem Wasser. Das ist der Fall bei Konzentrierungsstörungen der Nieren, bedingt durch Diuretika, osmotische Diurese oder einen renalen Wasserverlust durch verminderte AVP Sekretion /20/.
  • Aus dem Verlust von hypotoner Flüssigkeit. Obwohl der insensible Wasserverlust bei kritisch Kranken gleich durch befeuchtete Atemluft ausgeglichen wird, bestehen folgende Möglichkeiten des Verlusts hypotoner Körperflüssigkeit, z.B. durch naso-gastrale Absaugung, Glucosurie, Schleifendiuretika, hohe Ausscheidung von Harnstoff beim katabolen Stoffwechsel, parenterale Ernährung, Therapie mit Kortikosteroiden. Trotz des Mangels an freiem Wasser können die Patienten auf Grund einer Erhöhung von isotoner Flüssigkeit mit Volumen überladen sein /21/.
  • Der akzidentellen Zufuhr von Na+. So erhalten Patienten in Intensiveinheiten oder während Operationen größere Mengen hypertoner Kochsalzlösung zur Aufrechterhaltung eines adäquaten Kreislaufs. Hypertone NaCl- oder NaHCO3-Lösungen werden auch im Rahmen der Reanimation oder zum Ausgleich einer metabolischen Azidose verabreicht. Auch Na+-reiche Penicillinlösungen können verantwortlich sein /10/. Eine Volumenüberladung und Ödeme schließen den Verlust freien Wassers nicht aus /24/.

Die Inzidenz der Hypernatriämie beträgt bei stationären Patienten 0,3–1 %, wobei 20–40 % diese schon bei der Aufnahme zeigen, der größte Teil erwirbt die Hypernatriämie aber beim stationären Aufenthalt. Der typische, mit einer Hypernatriämie aufgenommene Patient ist alt, kommt oft aus einem Altersheim und hat eine Infektionserkrankung, oder es handelt sich um Kleinkinder, die noch keinen Zugang zu Wasser haben /15/.

Bei Patienten, die eine Hypernatriämie stationär erwerben, resultiert diese meist aus iatrogener Ursache durch mangelnde Wasserzufuhr bei z.B. intubierten Patienten, Vorliegen eines reduziertem mentalen Status, mangelnde Infusion von freiem Wasser.

Klinisch relevant sind Na+-Konzentrationen über 150 mmol/l. Sie führen auf Grund der Hyperosmolalität im EZR zur zellulären Dehydratation mit neurologischen Symptomen wie Ruhelosigkeit, Erregbarkeit, Muskelzittern, Hyperreflexie; die Spätsymptome sind Krämpfe und Koma. Das ist besonders der Fall bei Na+-Konzentrationen über 160 mmol/l. Die Mortalität der Hypernatriämie beträgt 40–55 %, aber nicht die Hypernatriämie per se, sondern die vorliegende Grunderkrankung ist häufig die Ursache der hohen Mortalitätsrate /15/.

8.2.5.5.2 Differentialdiagnostische Untersuchungen bei Hypernatriämie

Zur Abklärung der Hypernatriämie sind weiterführend folgende Untersuchungen erforderlich /10/:

  • Urinvolumen; Unterscheidungskriterien sind Volumina unter 1.000 ml/24 h und über 2.500 ml/24 h.
  • Osmolalität im Serum; Entscheidungskriterium ist der Referenzbereich.
  • Osmolalität im Urin; Entscheidungskriterium ist der Wert von 700 mmol/kg.

Schwere Hypernatriämien mit über 155 mmol/l beruhen vorwiegend auf einem extra renalen Flüssigkeitsverlust. Die Na+-Konzentration im Urin ist in diesen Fällen unter 20 mmol/l und die Urinosmolalität über 700 mmol/kg.

Bei Hypernatriämie auftretende Befundkonstellationen sind in Abb. 8.2-3 – Differentialdiagnostik der Hypernatriämien aufgeführt, Erkrankungen und Ursachen die mit einer Hypernatriämie einher gehen in Tab. 8.2-3 – Erkrankungen und Ursachen, die eine Hypernatriämie bewirken können.

8.2.5.5.3 Therapie der Hypernatriämie

Infundiert wird eine 5 %ige isotone Dextroselösung in A. dest. Bei einer 60 kg schweren Person müssen für den Na+ Anstieg von 1 mmol/l (0,7 %) etwa 200 ml freies Wasser (0,7 % von 30 Litern) infundiert werden um die Hypernatriämie auszugleichen /21/.

8.2.6 Hinweise und Störungen

Präanalytische Bedingungen /2/

Die NCCLS empfiehlt folgende Präanalytik zur Bestimmung von Na+ und K+:

  • Bei der Blutentnahme sollte eine Stauung von mehr als 2 min vermieden werden.
  • Das Blut sollte mit Li-Heparinat als Antikoagulanz abgenommen werden.
  • Die Proben sollten bis zur Messung bei Raumtemperatur (20–25 °C) gelagert werden.
  • Die Trennung von Plasma und Blutzellen sollte innerhalb von 60 min nach der Probennahme erfolgen.

Serum, Plasma, Vollblut /2/

Für die Na+-Bestimmung ergeben sich keine signifikanten Differenzen zwischen den drei Specimen, wenn die Bestimmung durch die direkte ISE Messung am gleichen Analysensystem erfolgt. Bestehen Unterschiede zwischen Plasma und einer Vollblutprobe, so beruhen sie vorwiegend auf einem störenden Einfluss von Erythrozyten auf die elektrische Potentialdifferenz an der Grenze Membran/Flüssigkeit.

Bestimmungsmethode /2/

Grundsätzliche Verfahren der Messung von Na+ sind:

  • Die Flammenphotometrie (FP); sie misst die Substanzkonzentration. Die FP ist Referenzmethode entsprechend einer Empfehlung der International Federation of Clinical Chemistry.
  • Die potentiometrische Bestimmung mit der ISE. Gemessen wird die Aktivität des jeweiligen Elektrolytions, bezogen auf das reine Lösungsmittel, z.B. Plasmawasser. Um Konfusionen für den Kliniker zu vermeiden, erfolgt eine Umrechnung der Ionenaktivität in die Substanz Konzentration, also mmol/l. Dazu werden von den Geräteherstellern entweder Kalibratoren eingesetzt, die an flammenphotometrisch geprüfte Werte angepasst sind (Supplementary assigned values), oder die Analysensysteme führen eine Konversion über Algorithmen durch. Die Bestimmung mit ISE erfolgt entweder in der unverdünnten Probe (direkte ISE) oder in einer zuvor verdünnten Probe (indirekte ISE). Bei der indirekten ISE wird die Probe im Analysensystem so verdünnt, dass die Aktivität des zu messenden Ions nahezu derjenigen des Kalibrators entspricht. Unter diesen Bedingungen ist die gemessene Ionenaktivität des Elektrolyts proportional seiner Konzentration.

Unterschiede in den Messwerten zwischen der direkten ISE, der indirekten ISE und der Flammenphotometrie beruhen auf dem Volumenverdrängungseffekt und der Bindung der Elektrolyte an organische oder anorganische Liganden.

Volumenverdrängungseffekt

Dieser wird von Lipiden und Proteinen im Plasma bei Hyperlipidämie und Hyperproteinämie ausgeübt. Die Elektrolyte Na+, K+ und Cl sind im Plasmawasser gelöst. Da die Volumenfraktion des Plasmawassers 93 % der Probe ausmacht, sind die Ergebnisse der indirekten ISE und der Flammenphotometrie 7 % niedriger als der direkten ISE. In einer Studie /22/ zeigten 16 % mehr Proben mit einer Proteinkonzentration über 8 g/dl eine Pseudohyponatriämie bei Messung mit der indirekten ISE, wenn die direkte ISE als Referenz verwendet wurde. Die Differenz der Na+-Konzentration zwischen direkter und indirekter ISE-Messung bei Hyperproteinämie soll nach folgenden Gleichungen berechenbar sein /23/:

Differenz (mmol/l)= 0,0196 × Totalprotein (g/l) – 5,9528

Differenz (%)= [0,0849 Totalprotein (g/l) – 4,1199] × 100

Bindung an Liganden

In unverdünnten Proben wird die lokale Konzentration von Na+ aus dem Potential seiner relativen molalen Aktivität berechnet. Die molale Konzentration von Na+ ist aber um 1,5 % höher als die freie Konzentration von Na+, da Na+ auch an Liganden gebunden sind (Bicarbonat und Proteine).

Angleichung direkter und indirekte Methoden

Die Flammenphotometrie und die direkte und indirekte ISE Messung werden mittels Korrekturfaktoren aufeinander abgeglichen. Nach der NCCLS /2/ erfolgt dies vermittels eines Normalplasmas. Dieses enthält folgende Bestandteile: Massenkonzentration an Plasmawasser 0,93 ± 0,01 kg/l, Gesamt-CO2 24 ± 2 mmol/l, Totalprotein 63–79 g/l, Albumin 35–50 g/l, Cholesterin 150–250 mg/dl (3,9–6,5 mmol/l), Triglyceride 50–150 mg/dl (0,57–1,71 mmol/l), pH 7,35–7,45.

Störfaktoren /2/

Änderungen der Konzentration der Analyte über die zuvor angegebenen Grenzen führen zu einer Differenz der Werte zwischen direkter und indirekter ISE-Messung. Nur die direkte ISE, also die Messung in der unverdünnten Probe, reflektiert den Status der Na+ im Plasmawasser.

Der Vergleich von kapillären mit venösen Blut mittels direkter ISE-Messung zeigt eine gute Korrelation, aber mit einem im Mittel um 1,7 mmol/l niedrigeren Wert für kapilläres Blut.

Eine schlechte Korrelation kann zwischen Kapillarblut, gemessen mittels direkter ISE-Messung an einem Point of care (POCT) Gerät und venösen Plasma, bestimmt im Zentrallabor mit indirekter ISE-Messung vorliegen. So betrug die mittlere Differenz zwar nur 0,6 mmol/l, die Streuung im 95 %-Bereich aller Werte war jedoch 10,6 mmol/l /24/.

Hyperlipidämie, Hyperproteinämie: Flammenphotometrie und indirekte ISE täuschen niedrigere Na+-Werte vor als die direkte ISE.

Hämolyse: Die Na+-Konzentration in den Erythrozyten ist ein Zehntel derjenigen des Plasmas. Eine Hämolyse von 5 g/l verursacht bei einer Na+-Konzentration von 140 mmol/l einen Konzentrationsabfall um 0,4 %, egal ob mit direkter oder indirekter Methode gemessen wird.

Schwere Hypernatriämie: Bei einer Hypernatriämie über 160 mmol/l messen in der gleichen Lithium-Heparin haltigen Probe Blutgasanalyzer (ABL90) im Vollblut einen bis zu 9,6 mmol/l höheren Wert als Plasmaanalyzer (Architect c8000 und Cobas c702) /43/.

Literatur

1. Hermann R, Onkelinx C. Quantities and units in clinical chemistry: nebulizer and flame properties in flame emission and absorption spectrometry. J Clin Chem Clin Biochem 1985; 23: 365–71.

2. NCCLS. Standardization of sodium and potassium ion selective electrode systems to the flame photometric reference method; approved standard. NCCLS Document C29-A, Vol 15 No 1. Villanova: NCCLS, 1995.

3. Burnett RW, Covington AK, Fogh-Andersen N, Külp­mann WR, Lewenstam A, Maas AHJ, et al. Use of ion selective electrodes for blood-electrolyte analysis. Recommendations for nomenclature, definitions and conventions. JIFCC 1997; 9: 16–22.

4. Lewenstam A. Design and pitfalls of ion selective electrodes. Scand J Clin Lab Invest 1994; 54, Suppl 217: 11–19.

5. Berry MN, Mazzachi RD, Peake MJ. Enzymatic determination of sodium in serum. Clin Chem 1988; 34:2295–8.

6. Payne RB, Levell MJ. Redefinition of the normal range for sodium. Clin Chem 1968; 14: 172–8.

7. Soldin SJ, Brugnara C, Wong EC. Pediatric reference ranges. Washington: AACC Press, 2003: 170.

8. Lin M, Liu DJ, Lim IT. Disorders of water imbalance. Emerg Med Clin N Am 2005; 23: 749–70.

9. Kapsner CO, Tzamaloukas AH. Unterstanding serum electrolytes. Postgrad Med 1991; 90: 151–61.

10. Sterns RH. Disorders of plasma sodium–causes, consequences, and correction. N Engl J Med 2015; 55–65.

11. DeLuca L, Klein L, Udelson JE, Orlandi C, Sardella G, Fedele F, et al. Hyponatremia in patients with heart failure. Am J Cardiol 2005; 96, suppl: 19L–23L.

12. Clayton JA, Le Jeune IR, Hall IP. Severe hyponatriaemia in medical patients: aetiology, assessment and outcome. QJM 2006; 99: 505–11.

13. Anderson RJ, Chung HM, Kluge R, et al. Hyponatremia: A prospective analysis of its epidemiology and the pathogenetic role of vasopressin. Ann Intern Med 1985; 102: 164–8.

14. Ellison DH, Felker GM. Diuretic treatment in heart failure. N Engl J Med 201/; 377: 1964–75.

15. Fried LF, Palevsky PM. Hyponatriemia and hypernatriemia. Med Clin North Am 1997; 81: 585–609.

16. Decaux G, Musch W, Soupart A. Hyponatriemia in the intensive care: From diagnosis to treatment. Acta Clinica Belgica 2000; 55: 68–78.

17. Sterns RH, Ocdol H, Schrier RW, Narins RG. Hypo­Natremia: Pathophysiology, diagnosis, and therapy. In: Narins RG (ed). Clinical disorders of fluid and electrolyte metabolism. New York; McGraw Hill 1995: 615–883.

18. Passare G, Viitanen M, Törring O, Winblad B, Fastbom J. Sodium and potassium disturbances in the elderly. Clin Drug Invest 2004; 24: 535–44.

19. Long CA, Marin P, Bayer AJ, Shetty HGM, Pathy MJS. Hypernatremia in an adult in-patient population. Postgrad Med J 1991; 67: 643–5.

20. Androgue H, Madias NE. Hypernatremia. NEJM 2000; 342: 1493–8.

21. Anonymous. Hypernatremia in the intensive care unit: Instant quality – just give water. Crit Care Med 1999; 27: 1041–2.

22. Lang T, Prinsloo P, Broughton AF, Lawson N, Marenah CB. Effect of low protein concentration on serum sodium measurement: pseudohypernatraemia and pseudonormonatraemia. Ann Clin Biochem 2002; 39: 66–7.

23. Jones BJ, Twomey PJ. Relationship of the absolute difference between direct and indirect ion selective electrode measurement of serum sodium and total protein concentration. J Clin Pathol 2008; 61: 645–7.

24. Loughrey CM, Hanna EV, McDonnell M, Archbold GP. Sodium measurement: effects of differing sampling and analytical methods. Ann Clin Biochem 2006; 43: 488–93.

25. Schrier RW, Bertl T. Disorders of water metabolism. In: Schrier RW (ed). Renal and electrolyte disorders, 2nd ed. Boston: Little, Brown, 1980: 1–64.

26. Hsu JL, Chiu JS, Lu KC, Chau T, Lin SH. Biochemical and etiological characteristics of acute hyponatremia in the emergency department. J Emergency Med 2005; 29: 369–74.

27. Klein L, O’Connor CM, Leimberger JD, Gattis-Stough W, Pina IL, Felker M, et al. Lower serum sodium is associated with increased short-term mortality in hospitalized patients with worsening heart failure. Circulation 2005; 111: 2454–60.

28. Lee WH, Packer M. Prognostic importance of serum sodium concentration and its modification by converting enzyme inhibition in patients with severe chronic heart failure. Circulation 1986; 73: 257–67.

29. Rich MW, Beckham V, Wittenberg C, Leven CL, Freedland KE, Caney RM. A multidisciplinary intervention to prevent the readmission of elderly patients with congestive heart failure. N Engl J Med 1995; 333: 1190–5.

30. Gheorgiade M, Adams KF, O’Connor CM. Improvement of hponatremia during hospitalization for worsenening of heart failure is associated with improved outcomes: Insights from the Acute and Therapeutic Impact of Vasopressin Antagonist in Chronic Heart Failure (ACTIV in CHF). J AM Coll Cardiol 2005; 45: suppl 145A.

31. Clayton JA, Rodgers S, Blakely J, Avery A, Hall IP. Thiazide diuretic prescription and electrolyte abnormalities in primary care. Br J Clin Phamacol 2006; 61: 87–95.

32. Ring T, Frische S, Nielsen S. Clinical review: renal tubular acidosis–a physicochemical approach. Crit Care 2005; 9: 573–80.

33. Oliver JA, Verna EC. Afferent mechanisms of sodium retention in cirrhosis and hepatorenal syndrome. Kidney Int 2010; 77: 669–80.

34. Biccins SW, Rodriguez HJ, Bacchetti P, Bass NM, Roberts JP, Terrault NA. Serum sodium predicts mortality in patients listed for liver transplantation. Hepatology 2005; 41: 32–9.

35. Machek P, Jirka T, Moissl U, Chamney P, Wabel P. Guided optimization of fluid status in haemodialysis patients. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 538–44.

36. Wizemann V, Rode C, Chamney PW, et al. Fluid overload and malnutrition assessed with bioimpedance spectroscopy are strong predictors of mortality in hemodialysis patients. Nephrol Dial Transplant Plus 2008; 1, suppl 2: ii16–ii17.

37. Howard RL, Bichet DG, Schrier RW. Pathogenesis of hypernatremic and polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 189–209.

38. Siegel AJ, d’Hemecourt P, Adner MM, Shirey T, Brown JL, Lewandrowski KB. Exertional dysnatremia in collapsed marathon runners. Am J Clin Pathol 2009; 132: 336–40.

39. Darmon M, Timsit JF, Francais A, Nguile-Makao M, Adrie C, Cohen Y, et al. Association between hypernatraemia acquired in the ICU and mortality: a cohort study. Nephrol Dial Transpl 2010; 25: 2510–5.

40. Konetzny G, Bucher HU, Arlettaz R. Prevention of hypernatraemic dehydration in breastfed newborn infants by daily weighing. Eur J Pediatrics 2008; 10.1007/s00431-008-0841-8.

41. Palmer BF,Clegg DJ. Electrolyte disturbances in patients with chronic alcohol-use disorder. N Engl J Med 2017; 377: 1368–77.

42. Berl T. Impact of solute intake on urine flow and water excretion. J Am Soc Nephrol 2008; 19: 1076–8.

43. Karin A, Brinc D, Leung F, Jung BP. Inaccuracy of sodium measurement in patients with severe hypernatremia. JALM 2021; 6 (2): 463–7.

44. Ellison DH, Welling P. Insights into salt-handling and blood pressure. N Engl J Med 2021; 385: 1981–93.

45. Lefevre CR, Gibert C, Maucorps L, Vasse J, Michel M, Chupin M, et al. Pseudohyponatremia: interference of hyperglycemia on indirect potentiometry. doi: 10.1515/cclm-2022-0766.

8.3 Chlorid

Lothar Thomas

Chlorid ist ein wichtiges Anion (Cl) im Extrazellulärraum (EZR) und seine Fraktion hat einen Anteil von zwei Dritteln aller Anionen des EZR, deren Konzentration 154 mmol/l beträgt. Als Gegenion von Na+ ist es wesentlich an der Aufrechterhaltung der Wasserverteilung zwischen EZR und Intrazellulärraum (IZR) beteiligt. Siehe Beitrag 8.1.5 – Volumenhomöostase.

8.3.1 Indikation

  • Störungen des Säure-Basen-Haushalts.
  • Störungen der Na+- und Wasserbilanz.
  • Akute Situation in der internistischen, chirurgischen und pädiatrischen Intensivmedizin.
  • Berechnung der Anionenlücke.
  • Bestimmung der Differenz starker Ionen.

8.3.2 Bestimmungsmethode

Ionenselektive Elektrode

Prinzip: Die Messelektrode enthält einen Silberchlorid-Kristall, der durch eine Membran von der zu analysierenden Probe getrennt wird. Die Cl der Probe wandern durch die Membran und lagern sich in die Kristallgitterstruktur ein. Dabei entsteht ein elektrisches Potential, das gegen das konstante Potential einer Referenzelektrode gemessen wird. Die registrierte Potentialdifferenz ist proportional der Cl-Konzentration der Probe.

Coulometrische Titration am Chloridmeter

Prinzip: Durch Elektrolyse werden in einem sauren Puffer aus metallischem Silber Ag-Ionen freigesetzt. Sie bilden mit den Cl der Probe ein Silberchlorid-Präzipitat. Durch nach genannte Messanordnung wird der Umsatz quantitativ bestimmt. Die Messanordnung besteht aus zwei Generator-Silberelektroden und zwei Messelektroden. Alle vier Elektroden tauchen in einen sauren Puffer.

Zur Messung von Cl wird ein definiertes Probenvolumen zum Puffer gegeben, eine stabilisierte Spannung an die Silberelektroden angelegt und ein Chronometer gestartet. Pro Zeiteinheit wird eine konstante Menge von Silberionen freigesetzt, die Cl als Silberchlorid ausfällen.

Zur Registrierung des Endpunkts der Titration wird die Leitfähigkeit des Puffers fortlaufend durch die beiden Messelektroden kontrolliert. Dieser ist erreicht, wenn freie Silberionen auftreten. Die benötigte Zeit ist proportional der Cl-Konzentration im Ansatz. Bei modernen Geräten ist die Impulsrate des Zeitzählers so gewählt, dass das Ergebnis in mmol/l angezeigt wird.

Mercurimetrische Titration

Prinzip: Cl werden in saurer Lösung mit Quecksilber-II-Nitrat in Anwesenheit des Indikators Diphenylcarbazon titriert. Überschüssiges Quecksilber bildet mit dem Indikator eine violette Farbe und zeigt so den Endpunkt der Titration an.

Photometrische Bestimmung

Reaktion mit Quecksilberchloranilat:

Prinzip: Cl setzen aus dieser Verbindung äquivalente Mengen der violett gefärbten Chloranilsäure frei. Die Farbintensität ist proportional der Cl-Konzentration im Ansatz und wird photometrisch bei 500 nm gemessen.

Reaktion mit Quecksilberthiocyanat:

Prinzip: Cl setzen aus dieser Verbindung äquivalente Mengen Thiocyanat frei, welches mit Eisenionen einen rot gefärbten Farbkomplex bildet. Die Farbintensität ist proportional der Konzentration an Cl im Ansatz und wird photometrisch bei 480 nm gemessen.

Referenzmethode

Isotopenverdünnungs-Massenspektrometrie (ICP-IDMS).

8.3.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Heparinplasma: 1 ml

8.3.4 Referenzbereich

Siehe Lit. /12/ und Tab. 8.3-1 – Referenzbereiche für Chlorid.

8.3.5 Bewertung

Chlorid (Cl) ist das wichtigste Anion von Na+ und mit verantwortlich für die Größe des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV) und die Osmolalität des Plasmas /3/. Cl folgen den Na+ überwiegend passiv, wenn sich die Konzentration von Na+ in den Verteilungsräumen ändert. Cl unterliegen somit auch dem Einfluss durch Mechanismen, die für die Homöostase des Volumens verantwortlich sind. Die Cl-Konzentration im Serum verhält sich häufig parallel der von Na+. Siehe Tab. 8.1-1 – Neurohormonale Mechanismen mit regulativer Wirkung auf die Volumenhomöostase.

Cl und HCO3 im Plasma haben oft eine reziproke Beziehung, das gilt sowohl für die Azidose, als auch die Alkalose und führte zu den Begriffen hyperchlorämische Azidose und hypochlorämische Alkalose. Die HCO3-Konzentration im Plasma wird durch die Differenz starker Ionen reguliert, wobei Cl und Lactat die starken Anionen sind.

8.3.5.1 Differenz starker Ionen (Strong ion difference, SID)

Cl gehört mit Na+, K+, Ca2+ und Mg2+ zu den starken Ionen, im Gegensatz zu Albumin, Phosphaten und HCO3, die schwache Ionen sind /4/. Manche Autoren rechnen neben Cl auch Lactat zu den starken Anionen. Starke Ionen sind im Plasma komplett dissoziiert, schwache nicht. Im Plasma sind die starken Kationen gegenüber den starken Anionen im Übergewicht. Die Differenz zwischen starken Kationen (vorwiegend Na+) und starken Anionen (vorwiegend Cl) beträgt 40–42 mmol/l. Zur Einhaltung des Prinzips der Elektroneutralität kommen die restlichen negativen Ladungen vom CO2 und von schwachen Säuren.

Berechnung der SID ohne Lactat:

SID (mmol/l) = Na+ (mmol/l) +K+ (mmol/l) + Ca++ (mmol/l) + Mg++ (mmol/l) – Cl (mmol/l)

Die SID hat einen starken elektrochemischen Effekt auf die Wasserdissoziation und somit die H+-Konzentration im Plasma:

  • Mit Zunahme der SID nimmt die H+-Konzentration ab, das HCO3 im Plasma und der pH zu.
  • Mit Abnahme der SID nimmt die Azidose zu und HCO3 im Plasma ab.

Starke Anionen und Kationen werden in etwa gleicher Menge mit der Nahrung aufgenommen. Die Regulation ihres Körpergehalts, ihre Ausscheidung und somit auch der Wert der SID wird durch die Nieren bestimmt. Den Anfall von Säuren regeln die Nieren über die Cl-Ausscheidung. Damit Na+ und K+ gespart werden, wird die renale Bildung von Ammoniak in Anspruch genommen und Cl in Form von NH4Cl ausgeschieden.

Bei Erbrechen ist der Cl-Verlust und nicht der Verlust von H+ die Determinante des pH im Plasma. Geht Cl als starkes Anion ohne den gleichzeitigen Verlust eines starken Kations verloren, ist die SID erhöht, die H+-Konzentration im Plasma vermindert und der pH erhöht. Gehen H+ als Wasser verloren, und nicht als HCl, ändern sich weder die SID noch der pH.

8.3.5.2 Chlorid bei metabolischer Azidose

Die metabolische Azidose ist die Folge einer Verminderung der SID durch die Zunahme von Cl (Cl-Verlust schwächer als Na+-Verlust). Auf Grund elektrochemischer Kräfte werden verstärkt H+ aus Wasser freigesetzt und deren Konzentration erhöht; der pH fällt ab. Eine solche Situation tritt auf bei:

  • Zuständen, die mit der Bildung freier Anionen (Ketonkörper, Lactat) einhergehen.
  • Dem Verlust von Kationen (Durchfälle).
  • Renal tubulärer Störung (renal tubuläre Azidose).
  • Iatrogener Azidose (Zufuhr von Säuren und Giften).

Die Abklärung renaler und nicht renaler Ursachen der metabolischen Azidose sind aufgeführt in Tab. 8.3-2 – Differentialdiagnose der metabolischen Azidose durch Bestimmung der SID im Urin. Erkrankungen und Störungen, die mit einer Erhöhung von Cl im Serum und einer Verminderung der SID einhergehen, zeigt Tab. 8.3-3 – Erkrankungen und Störungen, mit einer Erhöhung des Chlorids im Serum.

8.3.5.3 Chlorid bei metabolischer Alkalose

Metabolische Alkalosen resultieren aus einer unangemessen hohen SID und beruhen auf dem stärkeren Verlust von Cl im Vergleich zu Na+. Ursachen sind:

  • Erbrechen, Diuretika.
  • Erhebliche exogene Zufuhr starker Kationen im Vergleich zu starken Anionen (große Anzahl an Erythrozytenkonzentraten).

Siehe Tab. 8.3-4 – Erkrankungen, die mit einer Verminderung des Chlorids im Serum einhergehen.

Bei allen Formen der metabolischen Alkalose mit Anstieg von HCO3 erfolgt ein korrespondierender Abfall anderer Anionen, insbesondere von Cl.

Unterschieden werden zwei Formen der hypochlorämischen metabolischen Alkalose:

  • Cl-sensible Form; sie kann durch Gabe von Kochsalz korrigiert werden und tritt auf bei Erbrechen oder Therapie mit Diuretika auf Grund des Verlusts von H+ und Cl sowie auf Grund des Cl-Verlusts im Stuhl durch villöse Adenome oder konnatal bedingt. Wesentliche Merkmale sind eine Verminderung des EZFV und eine Cl-Konzentration im Urin über 20 mmol/l.
  • Cl-resistente Form; sie ist nicht durch Gabe von Kochsalz korrigierbar und wird beim Hyperaldosteronismus und dem Bartter Syndrom gesehen. Die Cl-Ausscheidung im Urin entspricht der Zufuhr.

8.3.6 Hinweise und Störungen

Methodische Fehlermöglichkeiten

Bromide und Jodide stören die Bestimmung von Cl. Bei der Bestimmung mit dem Chloridmeter ist das Ergebnis lediglich um die Halogenkonzentration erhöht (additiver Effekt). Größere Fehler entstehen bei Messung mit Ionen selektiven Elektroden und den photometrischen Methoden (multiplikativer Effekt) /5/.

Messung mit Ionen-selektiver Elektrode (ISE) /12/

Bei der Bestimmung von Cl durch direkte und indirekte Methoden mangelt es an Harmonisierung. Oft überschreitet die Differenz die wünschenswerte Größe der biologischen Streuung. Die Richtigkeit der Cl Elektroden auf ISE Plattformen zeigt eine Abhängigkeit von der Höhe der Konzentration von HCO3- in den Proben. Es besteht eine Differenz im Vergleich zu der massenspektrometrischen Referenzmethode. Alle Blutgasanalyzer zeigen eine HCO3 abhängige Differenz für Cl von der Referenzmethode. Sie beträgt von –3,8 % für niedrige HCO3 Konzentrationen bis zu +4,85 % für Proben mit hoher HCO3 Konzentration.

Blutgasanalyzer (BGA) bestimmen Cl zu hoch im Vergleich zur Referenzmethode, wenn die HCO3 Konzentration hoch ist. Die mit den BGA gemessenen Konzentration von Cl zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Messgeräten verschiedener Hersteller.

Stabilität

Im Serum und im verschlossenen Gefäß bis zu 1 Woche; Abtrennung des Serums (Plasmas) kurz nach der Blutentnahme erforderlich, da sonst falsch niedrige Konzentrationen bestimmt werden.

Literatur

1. Beeler MF. SI-units and the AJCP. AJCP 1987; 87: 140–51.

2. Soldin SJ, Brugnara C, Wong EC. Pediatric reference ranges. Washington; AACC Press, 2003: 51.

3. Weinstein AM. Sodium and chloride transport. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The kidney: physiology and pathophysiology, 2nd ed. New York; Raven 1992: 1925–2039.

4. Kellum JA. Determinants of plasma acid-base balance. Crit Care Clin 2005; 21: 329–46.

5. Story DA, Morimatsu H, Bellomo R. Hyperchloremic acidosis in the critically ill III: one of the strong acidoses? Anesth Analg 2006; 103: 144–8.

6. Ring T, Frische S, Nielsen S. Clinical review: renal tubular acidosis – a physiochemical approach. Crit Care 2005; 9: 573–80.

7. Stokes JB. Potassium intoxication: pathogenesis and treatment. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The regulation of potassium balance. New York: Raven, 1989: 269–301.

8. Emancipator K, Kroll MH. Bromide interferences: is less really better? Clin Chem 1990; 36: 1470–3.

9. Bhandari S, Turney JH. The molecular basis of hypothalaemic alkalosis: Bartter’s and Gitelman’s syndromes. Nephron 1998; 80: 373–9.

10. Clive DM. Bartter’s syndrome: the unresolved puzzle. Am J Kidney Dis 1995; 6: 813–23.

11. Zimmermann J, Reincke M, Schramm L, Harlos J, Allolio B. Das Gitelman-Syndrom – eine Differentialdiagnose zum Bartter-Syndrom. Med Klin 1994; 89: 40–4.

12. Kootstra-Ros JE, van der Hagen EAE, van Schrojenstein Lantman M, Thelen M, van Berkel M. (In)direct chloride ISE measurements, room for improvement. Clin Chem Lab Med 2022; 60 (7): e168–e171.

8.4 Anionenlücke

Lothar Thomas

Die Anionenlücke im Plasma oder Serum entspricht der Differenz aus den vorwiegend vorhandenen Kationen (Na+) und Anionen (Cl und HCO3). Die Anionenlücke dient der Abschätzung nicht gemessener Anionen. Die physiologische Anionenlücke resultiert aus Anionen wie Phosphat, Sulfat, organischen Säuren und anionischen Proteinen, von denen das Albumin das wichtigste ist.

8.4.1 Indikation

Abklärung einer metabolischen Azidose. z.B.

  • Angeborene Stoffwechselstörung
  • Screening auf Lactatazidose
  • Urämie
  • Als unspezifischer Test zur Untersuchung auf Vergiftung mit z.B. toxischen Alkoholen (Methanol, Äthylenglykol,.Isoporopanol, Diäthylenglykol)
  • Dysproteinämien wie Hypoalbuminämie, multiples Myelom, polyklonale Hypergammaglobulinämie.
  • Bromismus.

8.4.2 Bestimmungsmethode

Meistens wird die Anionenlücke durch Abzug der Konzentrationen von Cl und HCO3 von der Konzentration des Kations Na+ berechnet.

Anionenlücke (mmol/l) = Na+ (mmol/l) – Cl (mmol/l) – HCO3 (mmol/l)

8.4.3 Untersuchungsmaterial

Serum: 1 ml

8.4.4 Referenzbereich

Anionenlücke: 3–11 mmol/l /1/

Die Ermittlung Analysensystem spezifischer Bereiche wird vorgeschlagen /2/.

8.4.5 Bewertung

8.4.5.1 Metabolische Azidose

Gelangen organische Säuren in die extrazelluläre Flüssigkeit, reagieren die dissoziierten H+ mit HCO3und bilden CO2 und H2O. Als Folge nimmt die Konzentration von HCO3ab und die Salzkonzentration der organischen Säure nimmt zu; das ist die Ursache der Bildung einer vergrößerten Anionenlücke. Die Ausscheidung des organischen Salzes im Urin in Form des Natrium- oder Kaliumsalzes (weniger in Form von (Wasserstoff oder Ammonium) führt zu einer Reduzierung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens und stimuliert die Niere vermehrt Kochsalz (NaCl) aus der Nahrung zurückzuhalten /3/.

Azidose sollte nicht mit Azidämie verwechselt werden. Azidämie bedeutet eine Verminderung des Blut-pH unter 7,40 /4/.

Ist die basale Anionenlücke vor dem Übertritt organischer Säuren in die extrazelluläre Flüssigkeit sehr niedrig, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim Eintritt organischer Säuren in die Zirkulation einen Wert erreicht, der oberhalb der oberen Referenzbereichsgrenze liegt, gering. Die Anionenlücke nimmt aber zu wenn die Störung des Metabolismus zunimmt.

Die Anionenlücke wird in zwei Typen der metabolischen Azidose differenziert:

  • Azidose mit normaler Anionenlücke; eine verminderte Konzentration von HCO3 wird kompensiert durch die Erhöhung der Konzentration von Cl.
  • Azidose mit erhöhter Anionenlücke; die Konzentration anderer Anionen als HCO3 und Cl ist erhöht.

8.4.5.2 Azidose (hyperchlorämisch) mit normaler Anionenlücke

Dieser Zustand entsteht unter Beibehaltung der Elektroneutralität bei:

  • Gleichzeitiger Vermehrung von Cl und H+.
  • Dem Verlust von HCO3 bei Retention von Cl.

Patienten mit normaler Anionenlücke und metabolischer Azidose (niedriges HCO3 bei normaler Anionenlücke) können haben /5/:

  • Eine primäre respiratorische Alkalose (mit sekundärer metabolisch bedingter Azidose).
  • Eine primäre metabolische Azidose mit den aufgezeigten Ätiologien in Tab. 8.4-1 – Metabolische Azidosen mit normaler Anionenlücke.
  • Andere Ursachen mit einer Verminderung des HCO3. Die Diarrhoe ist der Prototyp dieser Gruppe. Auf Grund des intestinalen Verlusts von HCO3 kommt es zu einer verstärkten tubulären Reabsorption von Cl, es resultiert eine Hyperchlorämie, wodurch der Verlust von HCO3ausgeglichen wird. Die Anionenlücke bleibt normal.

8.4.5.3 Metabolische Azidose mit vergrößerter Anionenlücke

Dieser Zustand entsteht, wenn eine organische Säure, gepaart mit einem nicht gemessenen Anion (organische Säure, z.B. Lactat, toxischer Alkohol) vorliegt /4/. Zu einer vergrößerten Anionenlücke kommt es nur, wenn elektrisch neutrale Substanzen gebildet werden, wie z.B. Salze organischer Säuren. Eine erhöhte Anionenlücke kann assoziiert sein mit Nierenversagen, Ketoazidose, Lactatazidose und mit Vergiftungen. Zustände der metabolischen Azidose mit vergrößerter Anionenlücke sind aufgeführt in Tab. 8.4-2 – Metabolische Azidosen mit vergrößerter Anionenlücke.

Da die Anionenlücke durch Fehlmessung, Fehlkalkulation und zahlreiche nicht durch Säure-Basen bedingte Störungen auftreten kann, sollte eine normale Anionenlücke nicht dazu verleiten, die vermutete Ursache einer metabolischen Azidose auszuschließen /4/.

Literatur

1. Winter SD, Pearson JR, Gabow PA, et al. The fall of the serum anion gap. Arch Intern Med 1990; 150: 311–3.

2. Roberts WL, Johnson RD. The serum anion gap. Has the reference interval really fallen? Arch Pathol Lab Med 1997; 121: 568–72.

3. Palmer BF,Clegg DJ. Electrolyte disturbances in patients with chronic alcohol-use disorder. N Engl J Med 2017; 377: 1368–77.

4. Judge BS. Metabolic acidosis: differentiating the causes of the poisoned patient. Med Clin N Am 2005; 89: 1107–24.

5. Walmsley RN, White HG. Normal anion gap (hyperchloremic) acidosis. Clin Chem 1985; 31: 309–13.

6. Overlack A, Krück F. Klinische Bedeutung der Anionenlücke. Dtsch Med Wschr 1985; 110: 687–91.

7. Felton D, Ganetsky M, Berg AH. Osmolal gap without anion gap in a 43-year-old man. Clin Chem 2014; 60: 446–50.

8. Adams BD, Bonzani TA, Hunter CJ. The anion gap does not accurately screen for lactic acidosis in emergency department patients. Emerg Med J 2006; 23: 179–82.

9. Kraut JA, Mullins ME. Toxic alcohols. N Engl J Med 2018; 378: 270–80.

8.5 Osmolalität in Serum und Urin

Lothar Thomas

Werden zwei wässrige Lösungen mit einer unterschiedlichen Konzentration an Soluta (gelöste Substanzen) durch eine semipermeable Membran getrennt, wird Wasser durch die Membran fließen von dem Kompartiment mit der niedrigen Konzentration an Soluta in das mit der Höheren. Diese Wanderung von Wasser wird als Osmose bezeichnet und der Druck, der benötigt wird, den Wasserfluss zu stoppen, als osmotischer Druck. Dieser wird von der Partikelzahl bestimmt, unabhängig von der molekularen Struktur der Partikel /1/. Die Partikelzahl ist von der Dissoziation des Partikels in Wasser abhängig. Im Vergleich zu einer Glucoselösung übt eine Lösung von NaCl gleicher Molarität den doppelten osmotischen Druck aus. Die Einheit der Osmolalität ist das Osmol und nach dem SI-System mmol/kg. Die Messungen erfolgen vorwiegend im Serum, Plasma und Urin.

Berechnung der Osmolalität

Eine Formel, akzeptabel für klinische Zwecke, lautet /2/:

mmol/kg = 2 × Na+ (mmol/l) + Harnstoff (mg/dl)/2.8 + Glucose (mg/dl)/18

oder

mmol/kg = 2 × Na+ (mmol/l) + Harnstoff-N (mg/dl) + Glucose (mmol/l)

Tonizität

Im klinischen Sprachgebrauch werden die Begriffe Osmolalität und Tonizität oft synonym gebraucht. Es ist zu beachten, dass die Osmolalität eine physikalische Eigenschaft ist, die sich auf alle Partikel einer Lösung bezieht, während die Tonizität von der Selektivität der biologischen Membran bestimmt wird. So permeieren Harnstoff, Alkohol und Aceton frei durch die Zellmembran, haben also keinen Einfluss auf die Tonizität, erhöhen aber die Osmolalität. Die Tonizität beschreibt die Wasserverteilung zwischen zwei Kompartimenten.

Kolloidosmotischer Druck

Mit dem Begriff Kolloid werden Partikel in Lösung beschrieben, deren Molekulargewicht größer als 30 kD ist. Der kolloidosmotische Druck, auch onkotischer Druck genannt, beschreibt den Druck, der notwendig ist, zwei Lösungen, die durch eine semipermeable Membran getrennt sind und von denen eine ein Kolloid ist, im Gleichgewicht zu halten. Die Messung des kolloidosmotischen Drucks in der Lungenödem Flüssigkeit hat eine prognostische Bedeutung bei kritisch Kranken /3/.

8.5.1 Indikation

Serum

  • Beurteilung der Wasserverteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum (Tonizität) bei Na+-Konzentrationen im Serum außerhalb des Referenzbereichs.
  • Störungen im Wassermetabolismus, z.B. bei Verdacht auf Diabetes insipidus, primäre Polydipsie, Wasserintoxikation oder Hypodipsie.
  • Verdacht auf nicht ionische niedermolekulare Substanzen im Blut, besonders bei Intoxikationen, z.B. mit toxischen Alkoholen.
  • Erkennung einer Pseudohyponatriämie.
  • Ermittlung der osmotischen Lücke und der freien Wasserclearance.

Urin

  • Abklärung einer Polyurie.
  • Beurteilung des renalen Konzentrierungsvermögens.
  • Im Rahmen eines Wasserbelastungstests oder Durstversuchs.
  • Ermittlung der freien Wasserclearance.

8.5.2 Bestimmungsmethode

Angewendet werden Gefrierpunkterniedrigungs-Osmometer, Dampfdruck-Osmometer und Kolloid-osmotische Druckosmometer /4/. Am häufigsten eingesetzt wird das Gefrierpunkterniedrigungs-Osmometer.

Gefrierpunkterniedrigungs-Osmometer

Prinzip: Das Osmometer besteht aus einer Kühleinrichtung und einem elektrischen Thermometer, dessen Widerstand der Temperatur proportional ist. Das Untersuchungsmaterial wird zunächst unterkühlt, dann wird durch einen Vibrator ein Kristallisationsprozess in Gang gesetzt. Während der Kristallisation entsteht Wärme, die Temperatur steigt an und erreicht ein Plateau unterhalb des Gefrierpunkts. Das Temperaturplateau wird mit dem Plateau bekannter Standardlösungen verglichen. Die Messskala des Geräts zeigt dann direkt die Osmolalität an.

8.5.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Heparinplasma, Urin: 1 ml

8.5.4 Referenzbereich

Siehe Lit. /56/ und Tab. 8.5-1 – Referenzbereiche der Osmolalität.

8.5.5 Bewertung

Zur Vergiftung mit toxischen Alkoholen (Methanol, Äthylenglykol, Isopropanol, Diäthylenglykol und Propylenglykol siehe Lit. /15/ und Tab. 8.4-2 – Metabolische Azidosen mit vergrößerter Anionenlücke.

8.5.5.1 Osmolalität im Serum und Plasma

Die Osmolalität des Plasmas und seines wesentlichen Determinanten, der Na+-Konzentration, werden in engen Grenzen konstant gehalten. Trotz einer stark differierenden Aufnahme von Wasser und Kochsalz bzw. anderer osmotisch aktiver Substanzen, kommt es physiologisch nur zu einer Änderung der mittleren Plasmaosmolalität von 287 mmol/kg um ± 2 %. Diese Konstanz wird durch die konzertierte Aktion zweier Rückkopplungssysteme bewirkt, die das Gesamtkörperwasser regulieren und somit einer Änderung der Konzentration von Na+, seiner Anionen und der Osmolalität entgegenwirken /678/.

Zielsetzung ist die Aufrechterhaltung einer normalen Wasserverteilung zwischen Intrazellulärraum (IZR) und Extrazellulärraum (EZR).

Die beiden Rückkopplungssysteme, die den Wasserhaushalt regulieren, sind:

  • Die Sekretion von Arginin-Vasopressin (AVP). Bei einer Plasmaosmolalität unter 280 mmol/kg wird kein AVP sezerniert. Es resultiert eine Wasserdiurese, als Folge steigt die Plasmaosmolalität an und damit auch linear das AVP im Plasma, wodurch die renale Wasserausscheidung gebremst wird. Der Volumenstatus ist für die Sekretion von AVP weniger bedeutsam. Die wichtigste Aufgabe der AVP-Sekretion ist es, den Organismus vor einer Intoxikation mit Wasser zu bewahren.
  • Der Durstmechanismus. Ein Anstieg der Plasmaosmolalität auf über 290 mmol/kg aktiviert den Durstmechanismus. Wird dann Wasser aufgenommen, normalisiert die Plasmaosmolalität, der Durstmechanismus wird vollständig gebremst, die AVP-Ausschüttung vermindert. Die wichtigste Aufgabe des Durstmechanismus ist die Verhinderung einer Dehydratation. Der Durstmechanismus kann allein die Plasmaosmolalität aufrecht erhalten, wenn ausreichend Trinkwasser zur Verfügung steht.

Änderungen der Plasmaosmolalität durch Wasserverlust oder Wasserzunahme haben eine Neueinstellung der Wasserverteilung zwischen EZR und IZR zur Folge. Das bedeutet entweder ein zelluläres Ödem oder eine Dehydratation der Zelle. Volumenänderungen von Nervenzellen können zu einer fatalen neuropsychiatrischen Symptomatik führen.

Die klinischen Symptome bei abnormaler Plasmaosmolalität sind abhängig von der Ätiologie, der Steilheit der Veränderung und der Natur der osmotisch aktiven Substanz /9/. So kann z.B. eine langsame Erniedrigungen der Plasmaosmolalität von 60–80 mmol/kg ohne Todesfolge auftreten.

Anstiege der Plasmaosmolalität, bedingt durch den Verlust von Wasser oder die Zunahme osmotisch aktiver Substanzen, die nicht die Zellmembran permeieren, wie Na+, Glucose, können zu Koma und nachfolgendem Tod führen, wenn die Plasmaosmolalität um 40–60 mmol/kg erhöht ist. Frei diffusible Substanzen wie Harnstoff, Aceton und Äthanol sind demgegenüber harmlos, sie beeinflussen die Wasserverteilung nicht.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten:

  • Die Plasmaosmolalität ist die wichtigste Messgröße zur Beurteilung der internen Wasserbilanz (zwischen IZR und EZR), während die Kontrolle des Körpergewichts der klinisch nützlichste Parameter für die Beurteilung der externen Flüssigkeitsbilanz (Aufnahme und Ausscheidung) ist.
  • Änderungen der Plasmaosmolalität gehen beim euglykämischen Patienten und normaler Nierenfunktion meist der Änderung der Na+-Konzentration parallel.
  • Die Kenntnis des gleichzeitig ermittelten Na+-Werts ist deshalb ein differentialdiagnostisch wichtiges Kriterium zur klinischen Bewertung der gemessenen Osmolalität. Harnstoff und Glucose spielen nur bei pathologisch erhöhter Konzentration eine Rolle.

8.5.5.2 Osmotische Lücke im Serum/Plasma

Die Osmolalität im Plasma wird von den physiologischen Osmolyten Na+, Cl, HCO3, Glucose und Harnstoff bestimmt. Da jedes Na+ von einem Anion begleitet wird, muss zur Berechnung der Osmolalität nur Na+, Harnstoff und Glucose gemessen werden /78/.

Die osmotische Lücke ist die Differenz zwischen der mit dem Osmometer gemessenen Osmolalität und der mittels der Formel im Abschnitt „Berechnung der Osmolalität“ ermittelten Osmolalität.

Osmotische Lücke (mmol/kg ) = Gemessene – berechnete Osmolalität

Eine osmotische Lücke liegt vor, wenn bei erhöhter Plasmaosmolalität die gemessene Osmolalität gegenüber der berechneten um 10 mmol/kg größer ist (diagnostische Sensitivität 100 % bei einer Spezifität von 86 %) /2/.

Zu Erkrankungen und Zuständen mit veränderter Osmolalität im Serum und mit normaler oder vergrößerter osmotischer Lücke siehe Tab. 8.5-2 – Osmolalität im Serum und osmotische Lücke bei Erkrankungen und Zuständen mit Hypo- und Hypernatriämie.

Die Berechnung der osmotischen Lücke ist bedeutsam (siehe auch Beitrag 8.4 – Anionenlücke):

  • In der Toxikologie zur Erkennung und dem Monitoring von exogenen niedrig molekularen Substanzen, die zu einer Erhöhung der Plasmaosmolalität führen wie Äthanol, Methanol, Äthylenglykol, Isopropanol, Dichlormethan.
  • Bei Stoffwechselerkrankungen zum Hinweis auf die vermehrte Bildung endogener Substanzen wie Ketonkörper und organische Säuren.

8.5.5.3 Osmolalität im Urin

Die Messung der Osmolalität im Urin ist eine wichtige Untersuchung zur Beurteilung der freien Wasserbildung durch die Nieren und ist indiziert zur Abklärung eines vermehrten Harnvolumens /712/. Siehe Beitrag 8.1.6 – Renale Regulation der Wasser- und Natriumausscheidung. Abgegrenzt werden müssen Defekte der renalen Konzentrierung mit einem Harnvolumen von gewöhnlich unter 2 Liter/24 h von Polyurien auf Grund osmotischer Diurese oder Wasserdiurese mit einem Harnvolumen über 2,0–3 l/24 h.

8.5.5.3.1 Urinosmolalität bei Normalpersonen

Renale Fähigkeit zur Konzentrierung von Substanzen

Normalpersonen scheiden in 24 h 450–600 mmol osmotisch aktive Substanzen aus, z.B. 150 mmol Na+, 75 mmol K+, 400 mmol Harnstoff und 50 mmol an Nichtelektrolyten. Die Urinmenge in 24 h beträgt 1–1,5 l. Da die Urinosmolalität bei totalem Flüssigkeitsentzug innerhalb von 8–18 h auf 1.000–1.200 mmol/kg ansteigt, benötigt der Organismus pro 24 h ein Urinvolumen von etwa 500 ml, um die osmotisch aktiven Substanzen auszuscheiden. Eine Oligurie liegt vor, wenn bei maximal konzentriertem Urin ein solches Volumen nicht erreicht wird.

Renale Ausscheidung von freiem Wasser

Zur Vermeidung einer Hyponatriämie kann die Niere große Mengen Wasser, bis zu 0,1 Liter/min, ausscheiden. Die Ausscheidung beginnt 30 min nach der überschüssigen Wasseraufnahme. Die Urinosmolalität kann auf unter 50 mmol/kg abfallen. Bei Vorliegen einer Euvolämie (normales Gesamtkörper-Natrium) bestätigt eine Urinosmolalität unter 180 mmol/kg den Überschuss an freiem Wasser durch exogene Zufuhr. Die Na+-Konzentration im Urin ist unter 20 mmol/l. Die Menge an aktuell überschüssigem, also von osmotisch aktiven Substanzen freiem Wasser, kann mittels der freien Wasserclearance (CH2O) Nach folgender Gleichung berechnet werden:

C H20 = V × Na (U) + K (U) Na (P) + K (P) K, K + (mmol/l); Na, Na + (mmol/l); V, Urinvolumen (ml); U, Urin; P, Plasma

Die freie Wasserclearance gibt in ml die Differenz zwischen dem aktuellen Urinvolumen pro Zeiteinheit und dem Volumen an, das erforderlich ist, um einen dem Plasma isotonen Urin auszuscheiden. Sie ist positiv bei Herzinsuffizienz und negativ beim SIADH.

8.5.5.3.2 Urinosmolalität bei renalen Erkrankungen

Zur Aufrechterhaltung der renalen Konzentrierfähigkeit ist Voraussetzung, dass eine Hypertonie im Interstitium der Niere aufrecht erhalten wird, so dass eine Konzentrierung des Urins in der Henle’schen Schleife erfolgen kann. Voraussetzungen dafür sind /13/:

  • Eine genügende Anzahl von Nephronen, damit eine ausreichende GFR vorliegt. Ist das nicht der Fall, kann der Urin nicht konzentriert werden und es liegt dort die gleiche Osmolalität wie im Plasma vor (Isosthenurie). Auf Grund einer niedrigeren GFR haben alte Menschen eine Verminderung der maximalen Konzentrierfähigkeit.
  • Eine ausreichende Freisetzung und Wirksamkeit von Arginin-Vasopressin. Sie kann bei tubulo interstitieller Nephropathie, Hypokaliämie, Hyperkalziämie und durch Medikamente wie Lithium gestört sein.

Gewöhnlich steigt die Urinosmolalität bei den renalen Defekten der Konzentrierung nicht über 400–500 mmol/kg an.

8.5.5.3.3 Urinosmolalität bei Polyurien 

Polyurien gehen bei Erwachsenen mit einem Urinvolumen über 2,0–3,0 l/24 h bzw. einer Ausscheidung von über 2 ml/min einher und beruhen auf einer osmotischen Diurese oder einer Wasserdiurese. Bei der Ursachenabklärung der Diuresen werden angemessene und unangemessene Formen unterschieden /13/.

Osmotische Diurese

Sie beruht auf einer Akkumulation von osmotisch aktiven Substanzen wie Glucose, Mannitol, Kochsalz und Harnstoff im EZR. Es resultieren ein Anstieg der Serumosmolalität, eine osmotische Diurese mit dem Verlust von Na+ und Wasser, die Verminderung des EZR und eine Schrumpfung der Zellen. Schleifendiuretika wie Furosemid hemmen die Na+-Reabsorption in der Henle’schen Schleife und führen über eine Störung der Konzentrierfähigkeit zur osmotischen Diurese.

Wasserdiurese

Es liegt die vermehrte Ausscheidung von freiem Wasser vor. Die Wasserdiurese kann sein:

  • Die normale Antwort auf eine Wasserüberladung.
  • Die Folge einer primären Polydipsie.
  • Die Auswirkung eines Diabetes insipidus.

Angemessene und unangemessene Diuresen

Die angemessene Diurese ist Folge einer Wasserüberladung, die unangemessene wird durch einen Diabetes insipidus verursacht. Eine angemessene osmotische Diurese wird z.B. durch Glucose- und Harnstoffakkumulation oder Mannitolgabe verursacht, die unangemessene resultiert aus einer Volumenexpansion. Unangemessene Diuresen gehen mit einer Na+-Konzentration im Harn von 50–80 mmol/l einher. Sie können diagnostiziert werden durch /13/:

  • Eine Glucosurie, die Ausscheidung ist gewöhnlich über 45 g/l, die Urinosmolalität über 250 mmol/kg.
  • Eine Harnstoff-N Ausscheidung über 0,7 g/dl (117 mmol/l), auf Grund z.B. hoher Proteinzufuhr oder Hyperalimentation. Die Urinosmolalität ist 700–900 mmol/kg. Durch eine Verminderung des EZR kann sich eine Hypernatriämie entwickeln.

Unterscheidung von Wasser- und osmotischer Diurese

Eine Osmolalität über 400 mmol/kg im Spontanurin weist auf eine osmotische Diurese hin. Ein Wert um 300 mmol/kg spricht mit einiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls für eine osmotische Diurese, bedarf aber weiterer Abklärung /13/.

Eine Osmolalität unter 150 mmol/kg weist auf eine Wasserdiurese hin. Zu ihrer ätiologischen Abklärung und zur Unterscheidung einer gemischten Wasser-Elektrolyt Diurese mit einer Osmolalität von 150–300 mmol/kg kann als Provokationstest der Durstversuch durchgeführt werden. Siehe Tab. 8.5-3 – Abklärung einer Wasserdiurese durch Durstversuch und Testung der DDAVP-Sensitivität.

Weitere Befunde, die eine Differenzierung erlauben, sind:

  • Ein abrupter Beginn der Diurese; er weist auf einen zentralen Diabetes insipidus (DI) hin, der nephrogene entwickelt sich langsam.
  • Eine milde Polyurie von 4–5 l/24 h ist hinweisend auf einen erworbenen DI.
  • Das Verlangen von Eiswasser deutet auf einen zentralen DI hin.

Typische Veränderungen von Na+, Osmolalität, und effektiver Osmolalität (Wasserverteilung = Tonizität) im Serum bei verschiedenen klinischen Zuständen sind dargestellt in Tab. 8.5-4 – Natrium und Osmolalität im Serum bei verschiedenen klinischen Zuständen mit Hypo- und Hypernatriämie.

Kalkulation der Osmolalität

Serumosmolalität (mmol/L): Serum Na+ × 2 (Blutglucose/18) + (Harnstoff-N/2,8)

Urinosmolalität (mmol/L): Urin K+ × 2 (Blutglucose/18) + (Harnstoff-N/2,8)

Blutglucose und Harnstoff-N sind in mg/dL gemessen

8.5.6 Hinweise und Störungen

Untersuchungsmaterial

Die im Serum und Plasma ermittelte Osmolalität ist nahezu identisch, da das bei der Gerinnung ausfallende Fibrinogen osmotisch nicht aktiv ist. Die Höhe des Proteingehalts im Plasma und Urin hat nur einen unbedeutenden Einfluss auf die Osmolalität. Das im Heparinplasma vorhandene Heparin führt zu keiner relevanten Veränderung der Osmolalität.

Verdünnung der Probe

Die Beziehung zwischen Osmolalität und Konzentration von Ionen ist nur linear in Lösungen mit monovalenten Ionen wie Na+, Cl, und zwar bis zu 1–2 mmol/kg. In Serum, Urin und Lösungen, die Calciumchlorid, Sucrose, Dextrose, Mannitol, Sorbitol enthalten, erhöht sich bei Verdünnung der Probe die Osmolalität stärker als vorhergesagt. Bei Mangel an Probe zur Messung darf diese deshalb nicht verdünnt werden /4/.

Stabilität

Bei 4 °C mehrere Tage im gut verschlossenen Gefäß können Serum und Urin aufbewahrt werden. Vor der Messung die Probe auf Raumtemperatur erwärmen, um Sedimentationen rückgängig zu machen.

Literatur

1. Gennari FE. Serum osmolality: uses and limitations. N Engl J Med 1984; 310: 102–5.

2. Krahn J, Khajuria A. Osmolality gaps: diagnostic accuracy and long-term variability. Clin Chem 2006; 52: 737–9.

3. Sprung CL, Isikoff SK, Hauser M, Eisler BR. Comparison of measured and calculated colloid osmotic pressure of serum and pulmonary edema fluid in patients with pulmonary edema. Crit Care Med 1980; 8: 613–5.

4. Sweeney TE, Beuchat CA. Limitations of methods of osmometry: measuring the osmolality of biological fluids. Am J Physiol 1993; 33: R 469–80.

5. Davies DP. Plasma osmolality and protein intake in preterm infants. Arch Dis Child 1973; 48: 575–9.

6. Robertson GL. Regulation of vasopressin secretion. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 99–118.

7. Star RA. Pathogenesis of diabetes insipidus and other polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch, G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 211–24.

8. Knepper MA, Kwon TH, Nielsen S. Molecular physiology of water balance. N Engl J Med 2015; 372: 1349–58.

9. Macknight ADC, Grantham J, Leaf A. Physiologic responses to changes in extracellular osmolality. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 31–49.

10. Davidson DF. Excess osmolal gap in diabetic acidosis explained. Clin Chem 1992; 38: 755–7.

11. Demedts P, Theunis L, Wauters A, Franck F, Daelemans R, Neels H. Excess serum osmolality gap after ingestion of methanol: a methodology-associated phenomon? Clin Chem 1994; 40: 1587–90.

12. Howard RL, Bichet DG, Schrier RW. Pathogenesis of hypernatremic and polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 189–209.

13. Oster JR, Singer I, Thatte L, Grant-Taylor I, Diego JM. The polyuria of solute diuresis. Arch Intern Med 1997; 157: 721–9.

14. Oster JR, Singer I. Hyponatremia, hypoosmolality, and hypotonicity. Arch Intern Med 1999; 159: 333–6.

15. Kraut JA, Mullins ME. Toxic alcohols. N Engl J Med 2018; 378: 270–80.

8.6 Arginin-Vasopressin (AVP), Copeptin (CT-proAVP)

Lothar Thomas

Die Osmolalität des Plasmas wird trotz erheblicher Unterschiede in der Wasseraufnahme in engen Grenzen (280–295 mmol/kg) gehalten. Für die Wasserbalance des Organismus ist die konzertierte Aktion von Durstmechanismus, renaler Wasserbehandlung und des neurohypophysealen antidiuretischen Hormons verantwortlich /1/. Das antidiuretische Hormon Arginin-Vasopressin (AVP) entsteht aus dem Prä-Provasopressin, einem Molekül aus 164 Aminosäuren (AS). AS 1–19 sind das Signalpeptid, AS 20–28 das AVP, AS 32–124 das Neurophysin und AS 126–164 das Copeptin, auch als CT-proAVP bezeichnet. Nach proteolytischer Spaltung werden die Peptide in neurosekretorischen Vesikeln gespeichert. Die Funktion von CT-proAVP ist unbekannt, es wird jedoch äquimolar zum AVP sezerniert /2/.

8.6.1 Indikation

Abklärung des Polyurie-Polydipsie Syndroms:

  • Nephrogener Diabetes insipidus.
  • Zentraler Diabetes insipidus.
  • Primäre Polydipsie.
  • Unklare Hyponatriämie.
  • Differenzierung des SIADH vom cerebralen Salzverlust-Syndrom.

8.6.2 Bestimmungsmethode

Arginin-Vasopressin

Radioimmunoassay nach vorheriger Extraktion der Probe, z.B. mit einer Sep-Pak C 18-Säule. Die Assays verwenden Antikörper, die gegen AVP gerichtet sind, das an ein Protein, z.B. Thyreoglobulin, gebunden ist /3/. Kommerzielle Kits sind meist gegen den 1st International Standard für Arginin-Vasopressin 77/501 kalibriert.

cT-proAVP (Copeptin)

Kommerzieller immuno-luminometrischer Sandwich Assay /4/.

8.6.3 Untersuchungsmaterial

AVP: EDTA-Plasma 1 ml; Blutentnahme mit gekühltem Röhrchen, Zentrifugation innerhalb 30 min bei 4 °C, Plasma entfernen und bei –20 °C tief frieren.

cT-proAVP: Serum, Plasma (EDTA, Heparin)

8.6.4 Referenzbereich

Siehe Tab. 8.6-1 – Referenzbereiche für AVP und CT-proAVP in Abhängigkeit von der Osmolalität des Serums

und

Abb. 8.6-1 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP-Konzentration im Plasma und AVP im Plasma und Osmolalität im Urin.

8.6.5 Bewertung

Die Konzentration von AVP wird primär durch osmotische Stimuli reguliert. Erhöhungen der Osmolalität führen zu einer verstärkten Sekretion von AVP. Sekundäre nicht-osmotische Stimuli sind erniedrigter Blutdruck, ein vermindertes Blutvolumen, Stress, Übelkeit, Erbrechen, Schmerz, Hypoxie, Hypoglykämie, Fieber und Medikamente.

Es bestehen jedoch interindividuelle Schwankungen in den Grenzwerten der Osmolalität, ab wann eine Freisetzung von AVP erfolgt. Wahrscheinlich liegt das an der differenten Sensitivität der Osmorezeptoren. Unterhalb des Grenzwertes (280–284 mmol/kg) wird kein AVP ausgeschüttet, oberhalb kommt es zu einem steilen Anstieg von AVP. Die verminderte Osmolalität des Plasmas geht mit einem nicht messbaren AVP und einem maximal verdünnten Urin einher /5/.

Die Messung von AVP bzw. CT-proAVP wird bei Verdacht auf einen AVP Mangel bei einer Urinosmolalität > 100 mmol/kg nicht empfohlen, da ab diesem Wert immer AVP und CT-proAVP nachweisbar sind /6/.

Die physiologische Ausschüttung von AVP liegt im Bereich der Plasmaosmolalität von 280–295 mmol/kg, und es besteht eine lineare Beziehung zwischen Plasmaosmolalität und AVP Konzentration (Abb. 8.6-1 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP-Konzentration im Plasma und AVP im Plasma und Osmolalität im Urin). So führt eine 1 %ige Änderung der Plasmaosmolalität zum Anstieg oder Abfall von AVP um 1 ng/l (0,93 pmol/l). Bei Plasmaosmolalitäten unter 280–284 mmol/kg ist AVP nicht messbar, bei > 295 mmol/kg betragen die Werte über 3–4 ng/l (2,8–3,7 pmol/l). Eine maximale Antidiurese im Urin wird bei etwa 5 ng/l (4,7 pmol/l) erreicht (Abb. 8.6-1/7/.

Die osmotische Regulation der Plasmaosmolalität ist genetisch determiniert und schwankt interindividuell. Empfindliche Personen zeigen schon eine Änderung von AVP bei Schwankungen der Osmolalität um 0,5 mmol/kg, andere erst bei 5 mmol/kg /8/.

Die in Abb. 8.6-1– Referenzbereiche für AVP und CT-proAVP in Abhängigkeit von der Osmolalität des Serums dargestellte Beziehung zwischen Plasmaosmolalität und AVP gilt nur, wenn Hypovolämie, Hypoglykämie, Hyperglykämie, Hyperkalziämie, Erhöhung des Harnstoffs, eine Behandlung mit Lithium oder eine Angiotensin bedingte Vasokonstriktion ausgeschlossen sind. Ist das nicht der Fall, ist die Steigung der Kurve steiler.

Liegt eine Erhöhung von Harnstoff oder Glucose vor, kann die AVP Konzentration auf eine korrigierte Plasmaosmolalität (kPos) umgerechnet werden:

kPos = mPos – (H + G – 7,5)

kPos, korrigierte Plasmaosmolalität; mPos, gemessene Plasmaosmolalität; H, Harnstoff (mmol/l); G, Glucose (mmol/l)

8.6.5.1 Erhöhung des effektiven arteriellen Volumens

Das effektive arterielle Blutvolumen wird von Niederdruck Barorezeptoren im rechten Vorhof des Herzens und der Lunge und den Hochdruck Barorezeptoren im Aortenbogen registriert. Eine Freisetzung von AVP erfolgt aber erst, wenn das effektive arterielle Volumen um etwa 10 % abnimmt. Eine Volumenabnahme über 10 % führt zu einem starken Anstieg von AVP und CT-proAVP im Plasma. So verursachen Verminderungen des effektiven arteriellen Volumens um 20–30 % Erhöhungen des AVP um das 20–30 fache /8/. Die Beziehung von Blutvolumen, Osmolalität und AVP-Konzentration ist aufgezeigt in Abb. 8.6-2 – Beziehung von Blutvolumen, Osmolalität und AVP.

Beurteilung der AVP-Konzentration im Plasma

AVP und CT-proAVP müssen in Relation zur Osmolalität des Plasmas beurteilt werden. Im Bereich von 280–295 mmol/kg besteht eine lineare Beziehung zwischen der Osmolalität und AVP bzw. CT-proAVP. Abweichungen von dieser Beziehung werden gefunden bei systemischen Störungen:

  • Mit einer überschüssigen Sekretion von AVP, auch als SIADH bezeichnet.
  • Mit insuffizienter AVP-Sekretion, auch Diabetes insipidus (DI) genannt. Abgegrenzt wird der zentrale vom renalen DI.
  • Mit cerebralem Salzverlust Syndrom.

Siehe Abb. 8.6-3 – Erkrankungen und Syndrome mit gestörter Beziehung zwischen Osmolalität im Plasma und der AVP-Sekretion.

8.6.5.2 Syndrome of inappropriate antidiuretic hormone (ADH) secretion (SIADH)

Das SIADH beruht auf einer vermehrten Sekretion von AVP. Die Folge ist eine verminderte Ausscheidung freien Wassers und eine Hyponatriämie, die sekundärer Natur ist und auf der Vermehrung des Gesamtkörperwassers beruht. SIADH-Patienten sezernieren AVP, obwohl ihre Serumosmolalität unter dem Grenzwert für die Stimulation der AVP-Sekretion liegt.

Das SIADH ist eine Ausschlussdiagnose /1/, die Patienten müssen die Kriterien in Tab. 8.6-2 – Laborbefunde bei SIADH erfüllen.

Klinisch manifestiert sich das SIADH vorwiegend durch neuropsychiatrische Symptome, da Hyponatriämie und die Intoxikation von Wasser zu einem Hirnödem und metabolischer Enzephalopathie führen. Die Symptome sind Schwäche, Apathie, Kopfschmerz, Nausea, Krämpfe und Konzentrationsstörungen. Bewusstseinsstörungen und Koma treten gewöhnlich erst bei Na+ Werten < 125 mmol/l auf. Auch fokale neurologische Störungen können Folge eines SIADH sein.

Die Ursachen des SIADH sind aufgeführt in Tab. 8.6-3 – Erkrankungen und Zustände mit Assoziation zum SIADH.

Die Abgrenzung des SIADH vom Salzverlust-Syndrom zeigt Tab. 8.6-4 – Differenzierung des cerebralen Salzverlustes vom SIADH.

Die Bestimmung von AVP ist wenig hilfreich, da die meisten Hyponatriämien mit einer Erhöhung von AVP bzw. CT-proAVP einhergehen. Die AVP-Erhöhung ist zwar ein Symptom des SIADH, aber nicht das diagnostische Kriterium. 10–20 % der Patienten zeigen alle Kriterien eines SIADH, haben aber keine messbar erhöhtes AVP oder CT-proAVP /6/. Über 50 % der Fälle von SIADH sind mit einem malignen Tumor assoziiert. Mehrheitlich liegt eine ektope Bildung von AVP beim kleinzelligen Bronchialkarzinom vor. Das klinisch manifeste SIADH mit neuropsychiatrischen Symptomen hat eine Prävalenz von 1,3–9,5 % beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, das labordiagnostische SIADH von 5–40 % /1/.

Ausschluss einer Volumendepletion bei Verdacht auf SIADH

Wichtig ist es vor Diagnostik des SIADH eine Kontraktion des Volumens auszuschließen, da diese mit einer verstärkten Sekretion von AVP einhergeht /6/. Besteht Unsicherheit, kann die Volumenkontraktion durch Kochsalzinfusion ausgeschlossen werden. Eine Korrektur der Hyponatriämie nach Kochsalzinfusion weist auf eine Volumendepletion hin. Infundiert werden 2 Liter physiologische NaCl über 24–48 h.

Differenzierung des SIADH vom cerebralen Salzverlust-Syndrom (CSWS)

Es kann schwierig sein, das SIADH vom CSWS zu trennen (Tab. 8.6-4– Differenzierung des cerebralen Salzverlustes vom SIADH). Bei subarachnoidaler Blutung beruht die Hyponatriämie zu 71 % auf einem SIADH /12/. Klinik und Befunde beim SIADH siehe Tab. 8.6-2 – Laborbefunde bei SIADH.

8.6.5.3 Diabetes insipidus (DI)

Der DI ist durch die vermehrte Ausscheidung eines verdünnten Urins charakterisiert. Die Ausscheidung beträgt > 40 ml/kg KG bei Erwachsenen und > 100 ml/kg KG bei Kindern innerhalb von 24 h. Die Ausscheidung bei Erwachsenen ist > 3 Liter in 24 h /7/. Es besteht ein Unvermögen des Organismus, freies Wasser zu konservieren. Unabhängig vom Wasserhaushalt des Organismus passiert eine große Menge Wasser die Nieren, was zum starken Durstgefühl, einer übermäßigen Wasseraufnahme, Exsikkose und zur Verstopfung führt. Der DI ist durch die Ausscheidung großer Harnvolumina und eine Polydipsie charakterisiert. Einer der folgenden Mechanismen ist verantwortlich:

  • Die partielle oder absolute Reduktion der osmotisch regulierten AVP Sekretion (zentraler, hypothalamischer DI).
  • Die partielle oder totale Resistenz der Nieren auf AVP anti-diuretisch zu reagieren (nephrogener DI).
  • Primäres exzessives Trinken von Wasser bei normaler Produktion und Aktion von AVP.

Die Beziehung zwischen Osmolalität und AVP beim DI zeigt Abb. 8.6-4 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP bei Diabetes indipidus.

Der DI muss von der osmotischen Diurese bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus und der Niereninsuffizienz abgegrenzt werden. Bei beiden ist die Osmolalität im Plasma und Urin hoch (siehe auch Beitrag 8.5 – Osmolalität).

8.6.5.4 Labordiagnostik

Wichtige labordiagnostische Kriterien des DI sind:

  • Polyurie (> 2,5 bis 3 Liter/24 h).
  • Osmolalität des Urins. Ein Wert < 200 mmol/kg ist hinweisend, eine Osmolalität > 300 mmol/kg und eine hohe Glucosekonzentration > 1 g/l weisen auf einen Diabetes mellitus hin, ein erhöhtes Creatinin im Serum auf eine renale Erkrankung.
  • Die Bestimmung von CT-proAVP. Beim nephrogenen DI beträgt die Konzentration > 20 pmol/l, beim kompletten zentralen DI < 2,6 pmol/l /13/.
  • Funktionstests oder der CT-proAVP-Anstieg relativ zum Serumnatrium im Durstversuch. Die Untersuchungen ermöglichen die Differenzierung von partiellem zentralen DI und der primären Polydipsie.

Funktionstests

Folgende Funktionstests werden zur Differenzierung eines DI eingesetzt:

Die Klinik und Befunde bei Erkrankungen mit einer Störung der Wasserbilanz und verändertem AVP und CT-proAVP sind aufgeführt in:

8.6.6 Hinweise und Störungen

Referenzbereich

AVP zeigt eine zirkadiane Rhythmik mit hohen Werten in der Nacht und niedrigeren am Tag /14/.

Stabilität

AVP wird durch Peptidasen des Blutes zerstört, deshalb sind nach der Blutentnahme die weiteren Schritte der Präanalytik bei 4 °C durchzuführen.

CT-proAVP ist bei Raumtemperatur 3 Tage stabil.

Für die Bestimmung von AVP bei Schwangeren sollten in das Röhrchen zur Blutentnahme ein Peptidasehemmer vorgelegt werden, da Schwangere im Plasma eine Lysin-Aminopeptidase haben können, die AVP hydrolysiert.

8.6.7 Pathophysiologie

AVP wird als Prä-Prohormon synthetisiert (Abb. 8.6-5 – Prä-Provasopressin bestehend aus Signalpeptid, AVP, Neurophysin II und Copeptin). Das Prä-Prohormon wird in sekretorische Vesikel gepackt und in die endgültige sekretorische Form umgewandelt, wenn die Vesikel innerhalb der magnozellulären Neurone zu den Nervenendigungen in den Arterien des Hinterlappens der Hypophyse wandern. Dort wird AVP gemeinsam mit Neurophysin II gespeichert und bei einem verstärkten Feuern vasopressinergischer Neurone freigesetzt. Primärer Stimulus ist der Anstieg der Plasmaosmolalität, sekundäre Stimuli sind Abfall des Blutdrucks und Volumendepletion. Die Halbwertszeit von AVP im Kreislauf beträgt 10–20 min.

8.6.7.1 Wirkungen von AVP

Die Wirkung des AVP wird durch die drei Rezeptoren V1–V3 vermittelt, die auf der Plasmamembran lokalisiert sind. Die Rezeptoren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die über den Adenylatcyclase-Weg cyclisches AMP bilden, das als intrazellulärer Messenger wirkt. Siehe Abb. 6.2-4 – Gs-Protein-vermittelte Signalübertragung des Parathormon-sensitiven Rezeptors oder des Calcium-sensitiven Rezeptors).

Die Verteilung der Rezeptoren ist wie folgt:

  • V1 auf glatten Muskelzellen der Gefäße, in der Leber, den Thrombozyten und dem Zentralnervensystem.
  • V2 auf der basolateralen Membran tubulärer Zellen des distalen Nephrons.
  • V3 im kortikotropen Teil des Hypophysenvorderlappens.

8.6.7.2 Renale Wasserbehandlung

Die renale Wasserbehandlung wird osmotisch reguliert und ist unter der direkten Kontrolle von AVP. Ein Anstieg der Osmolalität um 1–2 % bewirkt die Ausschüttung von AVP, welches an V2-Rezeptoren in der basolateralen Membranen des distalen Nephrons bindet. Die Folge ist die Freisetzung von Proteinen zur Bildung von Aquaporin (AQP) Wasserkanälen aus intrazellulären Vesikeln der apikalen Membran der Sammelrohrzellen (Abb. 8.6-6 – Wirkung vom AVP zur Erhöhung der Wasserpermeabilität in den renalen Sammelrohrzellen). Diese werden in die Zellmembran integriert und bewirken eine Wasserabsorption entlang eines osmotischen Gradienten. Von den 11 bekannten AQP des Organismus sind 7 in den Nieren. AQP1 ist in der apikalen und basolateralen Membran von proximalen Tubuluszellen lokalisiert, AQP2 in den Sammelrohren und dort für den AVP-abhängigen Wassertransport verantwortlich. Die Aktivierung der V2-Rezeptoren bewirkt die Genexpression für die AQP2-Wasserkanäle. Es werden AQP2-Proteine synthetisiert, die sich zu Wasserkanälen arrangieren. Als Folge gelangt vermehrt Wasser aus den Sammelrohren ins Interstitium.

Literatur

1. Wong LL, Verbalis JG. Systemic diseases associated with disorders of water hemostasis. Endocrinol Metab Clin N Am 2002; 31: 121–40.

2. Fenske W, Quinkler M, Lorenz D, Zopf K, Haagen U, Papassotiriou J, et al. Copeptin in the differential diagnosis of the polydipsia-polyuria syndrome–revisiting the direct and indirect water deprivation tests. J Clin Endocrin Metab 2011; 96: 1506–15.

3. Robertson GL, Mahr EA, Athar S, et al. The development of clinical application of a new method for the radioimmunoassay of arginine vasopressin in human plasma. J Clin Invest 1973; 52: 2340–52.

4. Morgenthaler NG, Struck J, Alonso C, Bergmann A. Assay for the measurement of copeptin, a stable peptide derived from the precursor of vasopressin. Clin Chem 2006; 52. 112–9.

5. Robertson GL. The use of vasopressin assays in physiology and pathophysiology. Sem Nephrol 1994; 4: 368–83.

6. Ellison DH, Berl T. The syndrome of inappropriate antidiuresis. N Engl J Med 2007; 356: 2064–72.

7. Ball SG. Vasopressin and disorders of water balance: the physiology and pathophysiology of vasopressin. Ann Clin Biochem 2007; 44: 417–31.

8. Robertson GL. Regulation of vasopressin secretion. In: Seldin DE, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 99–118.

9. Robertson GL, Shelton RL, Athar S. The osmoregulation of vasopressin. Kidney Int 1976; 10: 25–37.

10. Howard RL, Bichet DG, Schrier RW. Pathogenesis of hypernatremic and polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G, eds. Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 189–209.

11. Beyersdorf S, Albrecht C, Wallaschofski H. Differentialdiagnostik des Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion gegenüber dem zerebralen Salzverlust-Syndrom. J Lab Med 2008; 32: 19–25.

12. Hannon MJ, Behan LA, O’Brien MM, Tormey W, Ball SG, Javadpur M, et al. Hyponatremia following mild/moderate subarachnoid hemorrhage is due to SIAD and glucocorticoid deficiency and not cerebral salt wasting. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99: 291–8.

13. Fenske W, Christ-Crain M. Stellenwert von CT-proAVP (Copeptin) in der Abklärung des Polyurie-Polydipsie Syndroms. Med Welt 2011; 62: 39–44.

14. Balanescu S, Kopp P, Gaskill MB, Morgenthaler NG, Schindler C, Rutishauser J. Correlation of plasma copeptin and vasopressin concentrations in hypo-, iso-, and hyperosmolar states. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 1046–52.

15. Bichet DG. Nephrogenic diabetes insipidus. Adv Chron Kidney Dis 2006; 13: 96–104.

16. Sorensen JB, Andersen MK, Hansen HH. Syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone (SIADH) in malignant disease. J Intern Med 1995; 238: 97–110.

17. Jochberger S, Mayr VD, Luckner G, Wenzel V, Ulmer H, Schmid S, et al. Serum Vasopressin concentrations in critically ill patients. Crit Care Med 2006; 34: 293–9.

18. Vincent JL. Vasopressin in hypotensive and shock states. Crit Care Clin 2006; 22: 187–97.

19. Landry DW, Levin Hr, Gallant EM, et al. Vasopressin deficiency contributes to the vasodilation in septic shock. Circulation 1997; 95: 122–5.

20. Liu BA, Mittmann N, Knowles SR, Shear NH. Hyponatremia and the syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone associated with the use of selective serotonin reuptake inhibitors: a review of spontaneous reports. Can Med Ass 1996; 155: 519–27.

21. Buonocore CM, Robinson AG. The diagnosis and management of diabetes insipidus during medical emergencies. Endocrinol Metab Clin N A 1993; 22: 411–23.

22. Baylis PH, Phillips EMG. The endocrine investigation of disorders of sodium and water homeostasis. JIFCC 1994; 6: 158–63.

23. Star RA. Pathogenesis of diabetes insipidus and other polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 211–24.

8.7 Kalium

Lothar Thomas

Kalium ist das mengenmäßig bedeutendste intrazelluläre Kation (K+). Es spielt eine wichtige Rolle in der Kontrolle des Zellvolumens, der Aufrechterhaltung des elektrochemischen Potentials über die Zellmembran von erregbaren (Nerv, Muskel) und nicht erregbaren Geweben und in der Balance von Säure-Basen. Auch ist es bedeutsam in vielen Zellfunktionen wie Wachstum, DNA- und Proteinsynthese und der Aktivität verschiedener Enzyme /1/.

Die Regulation der K+-Homöostase von Intrazellulärraum (IZR) und Extrazellulärraum (EZR) erfolgt rasch durch die Na+-K+-Pumpen der Zellmembran und Zeit verzögert durch die gastrointestinale K+-Aufnahme und die renale Ausscheidung. Die K+-Bestimmung im Plasma ist zwar nur ein moderater Indikator des Gesamtkörperkaliums aber physiologisch wichtig zur Beurteilung des transmembranen elektrochemischen Gradienten. Siehe auch Beitrag 8.1 – Wasserbalance und Flüssigkeitsräume).

8.7.1 Indikation

  • Bluthochdruck.
  • Herzrhythmusstörungen.
  • Chronische Einnahme Kalium depletierender Medikamente (Diuretika, Laxantien).
  • Längerfristige Behandlung mit Kortikosteroiden.
  • Akute und chronische Niereninsuffizienz.
  • Durchfälle, Erbrechen.
  • Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt.
  • Störungen des Säure-Basen Haushalts.
  • Überwachung intensivmedizinischer Patienten.
  • Hypermagnesiämie.
  • Verdacht auf renal tubuläre Azidose.
  • Verminderte Nierenfunktion.

8.7.2 Bestimmungsmethode

Flammenphotometrie

Prinzip: Siehe Beitrag 8.2.2 – Bestimmungsmethode. Die Flammenphotometrie, obwohl sie in der Routinediagnostik zur Bestimmung der Elektrolyte nur noch wenig Anwendung findet, ist Referenzmethode entsprechend einer Empfehlung des National Committee for Clinical Laboratory Standards (NCCLS) /2/.

Potentiometrie mit Ionen-selektiver Elektrode (ISE)

Prinzip: Siehe Beitrag 8.2.2 – Bestimmungsmethode. Die Bestimmung mit ISE erfolgt in der Routinediagnostik aus unverdünnten oder verdünnten Proben. Die Ionen-selektive Membran der Messelektrode enthält als Ionophor Valinomycin. Dies hat eine hohe Selektivität für K+, z.B. K+ gegenüber Na+ 5.000 : 1.

Enzymatisch-spektrometrische Bestimmung

Prinzip: K+ aktivieren das Enzym Pyruvatkisase (EC 2.7.1.40). Unter den gewählten Bedingungen ist die Konzentration der K+ Geschwindigkeits-bestimmend für die Enzym-katalysierte Umwandlung von Phosphoenolpyruvat zu Pyruvat. Letzteres wird zu Lactat reduziert, dabei wird NADH2 verbraucht, dessen Abnahme kinetisch bei 340 nm gemessen wird. Um ein gutes Messsignal für den klinisch wichtigen Messbereich zu erhalten, wird die Probe vor Start der enzymatischen Reaktion mit einem Kryptanden versetzt, der einen konstanten Anteil von K+ abfängt /3/.

8.7.3 Untersuchungsmaterial

Serum, Plasma (Lithium-, Ammoniumheparinat): 1 ml

8.7.4 Referenzbereich

Siehe Lit. /456/ und Tab. 8.7-1 – Referenzbereiche für Kalium.

8.7.5 Bewertung

Änderungen der Aufnahme von Kalium werden bei gesunden Personen durch gegenläufige Änderungen der renalen Ausscheidung von K+ ausgeglichen, so dass das Gesamtkörper-Kalium konstant bleibt. Eine hohe Aufnahme von K+ erniedrigt nicht nur den Blutdruck, sondern vermindert auch die Sensitivität für Kochsalz.

8.7.5.1 Grundlagen zur Bewertung des Kaliums

Der Gehalt des Organismus an Kalium ist 50–55 mmol/kg Körpergewicht. Die K+-Konzentration im Plasma wird /7/:

  • Zum einen vom Gesamtkörperkalium reguliert und reflektiert dieses. Beachtet werden muss aber, dass bei einem normalen K+-Wert im Plasma und einem Gesamtkörper-Kalium von 3.500 mmol, davon 10 % extrazellulär, der akute Verlust von 1 % des Gesamtkörper-Kaliums (35 mmol) zu einer erheblichen Störung der K+-Balance zwischen IZR und EZR und einer Erniedrigung der Konzentration im Serum führt. Erniedrigte Werte sind also nicht automatisch der Indikator einer deutlichen Verminderung des Gesamtkörper-Kaliums.
  • Zum anderen steuern Änderungen der K+ im Plasma Mechanismen wie das Renin-Angiotensin-Aldosteron System, das versucht, über eine veränderte renale K+-Ausscheidung das Gesamtkörper-Kalium konstant zu halten.

Erhöhungen oder Erniedrigungen der K+-Konzentration im Plasma sind immer die Folge einer Störung der K+-Verteilung zwischen IZR und EZR.

8.7.5.2 Externe Bilanzstörungen

Die externe Bilanz von Kalium wird durch die K+-Sekretion in den distalen Tubuli und Sammelrohren reguliert, wobei die Adaption an die orale Zufuhr verzögert einsetzt. Modulatoren der renalen K+-Ausscheidung und damit der externen Bilanz sind /8/:

  • Die Menge des mit der Nahrung zugeführten Kaliums.
  • Der Natriumgehalt und die Flussrate im distalen Tubulus.
  • Der aktuelle Säure-Basen Status.
  • Die Aktivität von Mineralokortikoiden bzw. Mineralokortikoid ähnlichen Substanzen.
  • Die Ansprechbarkeit des distalen Tubulus auf Mineralokortikoide.
  • Die Art und Verfügbarkeit von Anionen.

Menge des zugeführten Kaliums

Die Aufnahme von Kalium wird vom Kaliumgehalt der Nahrung bestimmt. Alles in der Nahrung vorhandene Kalium wird im Dünndarm resorbiert. Bei ausgeglichener Bilanz wird das mit der Nahrung aufgenommene Kalium renal eliminiert, etwa 1 mmol/kg Körpergewicht in 24 h.

Natriumgehalt und Flussrate im distalen Tubulus

Die Volumenvermehrung des EZR führt über eine Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate zur vermehrten Anlieferung von Wasser und Na+ in den distalen Tubulus; es resultiert eine erhöhte K+-Ausscheidung. Eine Verminderung des EZR führt über die gleichen Mechanismen zum gegenteiligen Effekt.

8.7.5.3 Säure-Basen Status

Eine extrazelluläre Azidose bewirkt eine Hyperkaliämie durch den Austritt von K+ von intra- nach extrazellulär, während die Alkalose eine Hypokaliämie durch die Verschiebung von K+ von extra- nach intrazellulär verursacht. Bei der metabolischen Azidose erfolgt der K+-Austritt aus der Zelle im Austausch gegen H+.

Akute metabolische Azidose

Sind anorganische Säuren wie NH4Cl oder HCl die Ursache, so kommt es zu einer akuten Hyperkaliämie durch den direkten Efflux von K+ aus der Zelle. Bei der Azidose durch Akkumulation organischer Säuren wie Lactat oder Ketonkörper erfolgt die Hyperkaliämie indirekt, also erst durch die bei diesen Zuständen auftretende verminderte Harnflussrate auf Grund einer Volumendepletion mit konsekutiver Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems.

Chronisch metabolische Azidose

Bei hohem PCO2 und verstärkter renaler Reabsorption von HCO3 entwickelt sich eine hohe K+-Ausscheidung mit Hypokaliämie.

Akute und chronische respiratorische Alkalose

Beide haben eine geringe Auswirkung auf den Haushalt von Kalium und zeigen eine milde Tendenz zur Hypokaliämie.

8.7.5.4 Mineralo- und Glucokortikoide

Beide stimulieren die tubuläre K+-Ausscheidung. Mineralokortikoide bewirken direkt eine K+-Sekretion am distalen Tubulus. Die K+-Sekretion ist von der Na+-Anlieferung zum distalen Tubulus abhängig. Ist diese gering, entwickelt sich keine Hypokaliämie. Glucokortikoide wirken indirekt. Sie erhöhen die GFR, somit den Harnfluss und führen über eine vermehrte Na+-Anlieferung an den distalen Tubulus zur vermehrten K+-Ausscheidung.

Ansprechbarkeit des distalen Tubulus auf Mineralokortikoide

Erkrankungen wie die interstitielle Nephritis können zur Schädigung des distalen Tubulus und der Sammelrohre mit resultierender verminderter Ansprechbarkeit auf Aldosteron führen. Es kommt zu einer Ausscheidungsstörung für K+ mit Entwicklung einer Hyperkaliämie und schweren Azidose. Ausscheidungsstörungen für K+ sind auch beschrieben bei obstruktiver Nephropathie, dem systemischen Lupus erythematodes, der Sichelzellanämie und nach Nierentransplantation.

Kalium-sparende Diuretika wie Triamteren und Amilorid verhindern die renale K+-Sekretion durch Blockierung der Na+-Kanäle der luminalen Zellmembran. Spironolacton blockiert den Aldosteronrezeptor und hemmt somit die renale K+-Sekretion.

8.7.5.5 Art und Verfügbarkeit von Anionen

Normalerweise werden Na+ im distalen Tubulus gemeinsam mit einem resorbierbaren Anion wie Cl zur Wahrung der Elektroneutralität reabsorbiert.

Wird bei metabolischer Azidose der Anteil schwer permeabler Anionen wie HCO3 im distalen Tubulus vermehrt, wird kompensatorisch mehr K+ sezerniert und es resultiert eine Hypokaliämie.

Beim sekundären Hyperaldosteronismus findet am distalen Tubulus die verstärkte Reabsorption von Na + und eine Sekretion von K+ und H+ statt. Es entwickelt sich eine Hypokaliämie.

Ist das Angebot an austauschbarem Na + durch rigorose Einschränkung der Kochsalzzufuhr gering, findet kein Na+-K+-Austausch statt und es bildet sich keine Hypokaliämie aus.

8.7.5.6 Interne Kalium-Bilanzstörung

Interne Bilanzstörungen ändern zwar die Plasmakonzentration von K+, nicht aber das Gesamtkörper-Kalium.

Katecholamine

Der Katecholamineffekt auf die interne K+-Verteilung wird über β2-Rezeptoren vermittelt. Die Stimulation der β2-Rezeptoren führt zur Absenkung der K+-Konzentration im EZR durch Verschiebung von K+ nach intrazellulär. Die Medikation von β2-Blockern erhöht den Plasmawert von K+. Das α-adrenerge System hat eine gegenteilige Wirkung. Postoperativ schützt Katecholamingabe vor der Ausbildung einer potentiellen Hyperkaliämie /7/.

Insulin

Erhöht die K+-Aufnahme nicht-renaler Gewebe und kann dessen Plasmakonzentration rasch senken. Das ist in der Regel der Fall bei Nichtdiabetikern nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit.

Beim Diabetiker hemmt der Insulinmangel die intrazelluläre K+-Aufnahme. Theoretisch sollte sich somit eine Hyperkaliämie ausbilden. Diese entwickelt sich aber auf Grund der bestehenden osmotischen Diurese und der damit verbundenen Hyperkaliurie nicht. Hat der Diabetiker aber eine Niereninsuffizienz oder einen hyporeninämischen Hypoaldosteronismus, bildet sich eine Hyperkaliämie aus /7/.

8.7.5.7 Differentialdiagnostisch wichtige Untersuchungen

Zur Beurteilung eines pathologischen K+-Werts im Plasma können neben anamnestischen und klinischen Daten Blut- und Urinuntersuchungen differentialdiagnostisch wichtige Informationen liefern.

Blut

  • Natrium, Chlorid, Creatinin
  • Magnesium, Calcium, Phosphat
  • Säure-Basen-Status
  • Cortisol, ACTH
  • Renin, Aldosteron
  • Digoxin, Digitoxin

Urin

  • Ausscheidung von Kalium, Chlorid, Natrium
  • Diuretika

8.7.5.8 Hypokaliämie

Mehr als 20 % der Krankenhauspatienten haben eine Hypokaliämie bei einem unteren Grenzwert von 3,6 mmol/l /79/. Bei Patienten, die Diuretika einnehmen, beträgt die Prävalenz der Hypokaliämie bis zu 50 %.

Hypokaliämien bewirken konzentrationsabhängig muskuläre Symptome /10/:

  • Werte von 3,0–3,5 mmol/l können mit einer leichten Muskelschwäche, Myalgie und leichter Ermüdbarkeit einhergehen. Bei Personen mit normaler Herzfunktion bewirkt eine Hypokaliämie von 3,0–3,5 mmol/l gewöhnlich keine kardialen Probleme, in Einzelfällen können aber ventrikuläre Arrhythmien auftreten.
  • Konzentrationen < 3,0 mmol/l werden als schwere Hypokaliämie bezeichnet, denn es besteht das erhöhte Risiko kardialer Arrhythmien. Es sollte deshalb eine sofortige Substitution von Kalium erfolgen.
  • Im Konzentrationsbereich von 2,5–3,0 mmol/l kommt es zur Muskelschwäche, besonders der proximalen Glieder und der Kopfmuskulatur. In einer Studie /11/ hatten von 37.458 Krankenhauseinweisungen 2,6 % eine schwere Hypokaliämie. Davon hatten 0,7 % einen Wert unter 2,0 mmol/l, 8,5 % einen Wert von 2,0–2,4 mmol/l und 91 % Werte von 2,5–2,9 mmol/l. In 75 % der Fälle war die Hypokaliämie mit der Einnahme von Medikamenten assoziiert, im wesentlichen Furosemid, anderen Diuretika sowie Kortikosteroiden und Amphotericin B.
  • Konzentration < 2,5 mmol/l können zu Rhabdomyolysen mit segmentalen Muskelnekrosen, degenerativen Vakuolen der Muskelfasern und einer Myoglobinurie führen. Tetanien treten in Kombination mit einer Alkalose auf. Cerebrale Symptome sind selten.

Nur der rasche Abfall von K+-macht gewöhnlich klinische Symptome, nicht aber der langsame. Auch die Rückverteilung von K+ vom EZR in den IZR bewirken nur eine geringe Symptomatik, z. B:

  • Nach extensiver körperlicher Arbeit.
  • Unter der Infusion von Glucose und/oder Insulin.

Die Ursachen der Hypokaliämie werden klassifiziert in:

  • Renale Verluste.
  • Extrarenale Verluste.
  • Verschiebung von extra- nach intrazellulär.

Erkrankungen und Zustände mit Hypokaliämie sind aufgeführt in Tab. 8.7-2 – Erkrankungen und Zustände, die eine Hypokaliämie verursachen.

8.7.5.8.1 Hypokaliämie und Kaliumausscheidung im Harn

Liegt eine Hypokaliämie vor, so ist die Bestimmung der K+-Ausscheidung im Harn die wichtigste Untersuchung zur Feststellung der Ätiologie /711/. Die Bestimmung im Spontanurin kann nur bewertet werden, wenn anamnestisch von einem normalen Harnvolumen (1–1,5 l) ausgegangen werden kann. Ansonsten ist die Bestimmung im Sammelharn erforderlich. Dies ist besonders wichtig bei Patienten mit Hypokaliämie, da bei ihnen eine Verminderung des Gesamtkörper-Kaliums mit einer Polydipsie und einem renalen Konzentrierungsdefekt einhergeht.

Auf Grund der K+-Ausscheidung im Harn werden die Hypokaliämien ätiologisch differenziert in:

  • Interne Bilanzstörungen. So verursacht ein Anstieg der Katecholamine oder des Insulins eine transzelluläre K+-Verschiebung von extra- nach intrazellulär. Es resultiert eine Hypokaliämie, aber keine Änderung der renalen K+-Ausscheidung.
  • Externe Bilanzstörung mit Reduktion des Gesamtkörper-Kaliums. Ursache kann die verminderte Kaliumaufnahme mit der Nahrung oder ein renaler bzw. extrarenaler Verlust von K+ sein.

Ausgehend von der Annahme, dass bei Hypokaliämie die Niere kompensatorisch die Ausscheidung von K+einschränkt, können die Harnbefunde folgendermaßen interpretiert werden:

  • Die Kombination von Hypokaliämie und niedriger K+-Ausscheidung (unter 10 mmol/l) spricht nicht für den renalen K+-Verlust.
  • Die Kombination von Hypokaliämie und einer Ausscheidung von K+über 10 mmol/l weist auf den renalen Verlust hin.
  • Eine Dissoziation zwischen K+ im Plasma und der K+-Ausscheidung im Urin weist auf eine Stress-Hypokaliämie. Diese kann bedingt sein durch Katecholaminwirkung oder häufig liegt eine Diuretika induzierte Hypokaliämie vor.

Bei Hypokaliämie geben neben der K+-Ausscheidung im Urin der Blut-pH und die Cl-Ausscheidung im Urin differentialdiagnostisch weitere wichtige Auskunft (siehe Beitrag 8.8 – Renale Elektrolytausscheidung).

Hypokaliämie mit verminderter renaler Kaliumausscheidung

Durch zusätzliche Kenntnis des Blut-pH können folgende Hypokaliämien differenziert werden:

  • Mit metabolischer Azidose (Cl im Serum erhöht) bei Durchfällen, villösen Adenomen des Darms und Laxantienabusus.
  • Mit metabolischer Alkalose (Cl im Serum erniedrigt) bei Cl-verlierenden Diarrhoen.
  • Mit normalem pH (Cl im Serum normal) bei verminderter Kaliumaufnahme oder einem K+-Verlust über die Haut und den Gastrointestinaltrakt.

Hypokaliämie mit vermehrter renaler Kaliumausscheidung

Auf Grund des Blut-pH können folgende Hypokaliämien differenziert werden:

  • Mit metabolischer Azidose bei hyperchlorämischen Azidosen (wie den renal tubulären Azidosen) oder Azidosen mit vergrößerter Anionenlücke (wie der diabetischen oder alkoholischen Ketoazidose).
  • Mit normalem Blut-pH auf Grund transzellulärer K+-Verschiebung durch Erhöhung der Katecholamine, wie in Stresssituationen und beim Alkoholentzugs-Syndrom.
  • Mit metabolischer Alkalose. In diesen Fällen erlaubt die Cl-Ausscheidung eine weitere Differenzierung.

Hypokaliämie mit vermehrter renaler Chloridausscheidung

Cl-Ausscheidungen über 20 mmol/l und eine metabolische Alkalose werden gefunden bei:

  • Bartter-Syndrom sowie der Einnahme von Nicht-Kalium sparenden Diuretika wie Furosemid, Bumetanid und Thiaziden. Werden diese Diuretika wenige Tage vor dem Arztbesuch abgesetzt, ist jedoch die Cl-Ausscheidung unter 10 mmol/l.
  • Hypertonikern mit Hyperaldosteronismus oder Hyperkortisolismus. Der Hyperaldosteronismus kann primärer oder sekundärer Natur sein und wird durch die Bestimmung des Renins im Plasma differenziert. Der Hyperkortisolismus kann durch Medikation oder endogen bedingt sein, z.B. Hypophysenadenom mit vermehrter Sekretion von ACTH, paraneoplastische ektope ACTH-Synthese oder Nebennierenrindenadenom. Bei Hyperaldosteronismus oder Hyperkortisolismus ist die renale Ausscheidung sowohl von K+ als auch von Cl über 20 mmol/l.
  • Hypertonikern mit niedrigem Aldosteron, z.B. bei adrenaler Hyperplasie mit 11β-Hydroxylase-Mangel, 17α-Hydroxylase-Mangel oder Liddle Syndrom. Beim Liddle Syndrom sind die Cortisolwerte im Plasma normal, bei adrenaler Hyperplasie erhöht.

Hypokaliämie mit verminderter renaler Chloridausscheidung

Eine Ausscheidung von Cl unter 10 mmol/l bei Hypokaliämie wird bestimmt bei Erbrechen, nach Absetzen Nicht-Kalium-sparender Diuretika und bei chronischer Hyperkapnie durch Ateminsuffizienz verschiedenster Ursache.

8.7.5.9 Hyperkaliämie

Die Hyperkaliämie ist eine potentiell lebensbedrohende Störung. In Großbritannien empfiehlt das College of Pathologist‘s Critical Communication Document, dass alle K+-Werte im Serum ≥ 6,5 mmol/l innerhalb von 2 h dem anfordernden Arzt mitgeteilt werden müssen. Klinisch relevant ist eine K+-Konzentration im Serum ≥ 5,5 mmol/l, Hyperkaliämien von 5,6–6,0 mmol/l werden als mild, Konzentrationen von 6,1–6,9 mmol/l als moderat bis schwer und Werte ≥ 7,0 mmol/l als gravierend eingestuft /9/.

Ursache der Hyperkaliämie ist häufig die Niereninsuffizienz, mit Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Da etwa 98 % des gesamten Kaliums im Organismus im intrazellulären Raum lokalisiert sind, führt eine Verschiebung des K+ von intra- nach extrazellulär zu einer Hyperkaliämie. Solche Hyperkaliämien werden als wahre Hyperkaliämien bezeichnet, da die Konzentration von K+ im Serum die Pathophysiologie widerspiegelt /44/.

Siehe auch Tab. 8.7-3 – Erkrankungen und Zustände, die eine Hyperkaliämie verursachen können.

Eine neuere Publikation /44/ hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Patienten in der primären Krankenversorgung mit Hyperkaliämie Werte von K+ im Serum ≥ 6,0 mmol/l haben. Bei diesen hatte eine estimated GFR (eGFR) von ≥ 90 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] einen negativen prädiktiven Wert (NPV) von 100 %, was bedeutet, dass eine wahre Hyperkaliämie nicht mit einer normalen Nierenfunktion assoziiert ist. Eine weitere Studie /45/ fand heraus, dass Serumwerte von K+ bei einer eGFR von ≥ 90 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] einen NPV von 72 % hatten, der sich auf 83 % erhöhte, wenn der Serumwert von K+ ≥ 6,5 mmol/l betrug und der 100 % war, wenn zusätzlich noch das Blutbild mit beurteilt wurde. Die Autoren beider Publikationen folgern, dass es nicht des Anrufs beim anfordernden Arzt bedarf, wenn der Wert des Serumkaliums ≥ 6,5 mmol/l ist und die GFR ≥ 90 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1].

Hyperkaliämie und verminderte renale Kaliumausscheidung

Ursachen der verminderten Ausscheidung von K+ sind:

  • Starke Reduktion der GFR bei akuter oder chronischer Niereninsuffizienz. Die Nieren sind das Schlüsselorgan der K+-Ausscheidung, 80 % der täglich mit der Nahrung aufgenommenen Kaliummenge werden renal eliminiert. Jedoch wird das Vermögen, K+ auszuscheiden, lange Zeit trotz schwerer Niereninsuffizienz aufrecht erhalten. Eine Hyperkaliämie tritt deshalb nur bei akuter Niereninsuffizienz oder im Terminalstadium der chronischen Niereninsuffizienz auf.
  • Selektiver Hypoaldosteronismus, der idiopathischer Natur sein kann oder sekundär bei Diabetikern mit chronisch tubulo interstitieller Nephritis auftritt. Bei einem Teil der Patienten kommt es durch die Hyperkaliämie zu kardialen Arrhythmien.
  • Nebennierenrinden-Insuffizienz. Die Patienten haben auf Grund des Mangels an Mineralokortikoiden neben der Hyperkaliämie eine Hyponatriämie, Hypovolämie, und einen deutlichen Blutdruckabfall beim Übergang vom Liegen zum Stehen.
  • ACE Inhibitoren und Angiotensinrezeptor Blocker werden bei Hypertonikern eingesetzt, um kardiovaskuläre Risiken zu reduzieren. Als Nebeneffekt kann sich eine Hyperkaliämie entwickeln. Das besonders bei Patienten, bei denen wahrscheinlich schon ein Defekt in der K+-Ausscheidung besteht, wie denjenigen mit chronischer Niereninsuffizienz und mit Diabetes mellitus. Wird additiv ein K+ sparendes Diuretikum verabreicht, wie bei Patienten mit Stauungsinsuffizienz des Herzens, ist eine Hyperkaliämie noch wahrscheinlicher und ein enges K+-Monitoring ist erforderlich /19/.

Hyperkaliämie bei vermehrter Kaliumzufuhr

Normalerweise vermag die Niere alles vermehrt aufgenommenes Kalium zu eliminieren. Das ist aber nicht mehr gegeben bei Patienten:

  • Mit chronischer Niereninsuffizienz oder bei Patienten mit Dialyse, die sich nicht an diätetische Vorschriften halten.
  • Mit Tumorlyse Syndrom, Rhabdomyolyse, intravaskulärer Hämolyse, katabolem Status oder hohem Fieber mit K+-Efflux aus dem IZR. Eine deutliche Hyperkaliämie entwickelt sich aber erst, wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist.

Umverteilung von Kalium

Zur Beurteilung der Umverteilung von K+ ist folgendes zu beachten:

  • Der Ausstrom von K+ vom IZR in den EZR geschieht in folgenden Situationen: Unter metabolischer Azidose, bei Niereninsuffizienz, Ketoazidose, Lactatazidose, Heparintherapie, Digitalisüberdosierung, Infusion hypertoner Lösungen wie 50 % Dextrose oder Mannitol, Infusion von Arginin- oder Lysinchlorid zur Behandlung der metabolischen Alkalose und unter Behandlung mit β-Rezeptorblockern.
  • Bei metabolischer Azidose führt ein pH-Abfall um 0,1 zum Anstieg der K+ um 0,5–1,2 mmol/l, bei respiratorischer Azidose um 0,1–0,9 mmol/l.
  • Die Beeinflussung der K+ im Plasma ist von der Dauer der Azidose, den Säureäquivalenten und der HCO3-Konzentration abhängig. So sind anorganische Säuren (HCl und NH4Cl) stärker wirksam als organische (Lactat, Ketosäuren).

Mangelnde tubuläre Antwort auf Aldosteron

Eine mangelnde tubuläre Sekretion von K+ erfolgt durch eine möglicherweise defekte Bindung von Aldosteron an seine Rezeptoren im distalen Tubulus. Das kann der Fall sein beim systemischen Lupus erythematodes, bei Sichelzellanämie, Amyloidose und nach Nierentransplantation.

8.7.5.9.1 Klinische Symptomatik bei Hyperkaliämie

Die klinischen Manifestationen der Hyperkaliämie sind kardiale Arrhythmien, Muskelschwäche oder Muskellähmung und Tod.

Eine klinische Symptomatik tritt bei Hyperkaliämie seltener als bei Hypokaliämie auf. Die Hyperkaliämie ist aber an Folgen schwerer, denn ein herabgesetztes Verhältnis zwischen intra- und extrazellulären K+ bewirkt eine Depolarisation der Zellmembran mit Verminderung des Ruhemembranpotentials. An elektrisch aktivierbaren Zellen führt das zu einer Verzögerung der Anstiegssteilheit des Aktionspotentials und einer verzögerten Erregungsausbreitung. Das hat besonders Folgen an den Herz- und den Skelettmuskelzellen. Viele der Patienten mit Hyperkaliämie haben bei der Klinikaufnahme anamnestisch eine chronische Nierenerkrankung, einen Diabetes mellitus oder Bluthochdruck.

Kardiale Störungen /13/

Bei einer K+-Konzentration von 6,0 mmol/l werden zu etwa 30 % Hyperkaliämie-bedingte Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG) gesehen, bei Werten über 7,5 mmol/l fast immer. Mit Anstieg des K+-Werts treten im EKG Veränderungen in zeitlicher Folge auf: Zeltförmige Ausziehung der T-Welle, Verlängerung des PQ-Intervalls, Verbreiterung des QRS-Komplexes. Durch gleichzeitige Hypokalziämie, Hyponatriämie und Azidose werden die kardialen Ereignisse verstärkt.

Skelettmuskulatur /13/

Allgemeine Muskelschwäche, insbesondere der unteren Gliedmaßen. Distal beginnende Parästhesien und abgeschwächte Sehnenreflexe und das Gefühl der Gliederschwere treten bei Konzentrationen von K+ ab 8 mmol/l auf.

8.7.5.9.2 Pseudohyperkaliämie

Die Pseudohyperkaliämie ist eine in vitro bedingte Erhöhung der Konzentration von K+ im Serum und reflektiert nicht pathophysiologische Veränderungen im Organismus. Zur Unterscheidung der wahren Hyperkaliämie von der Pseudohyperkaliämie sollte die Nierenfunktion anhand der eGFR beurteilt werden. Es ist selten eine schwere Hyperkaliämie in Abwesenheit einer verminderten Nierenfunktion und bei normalem EKG zu entwickeln. Sind beide Störungen nicht vorhanden handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Pseudohyperkaliämie.

Ursächlich kann eine Pseudohyperkaliämie folgende Ursachen haben /44/:

  • Erythrozytose, Thrombozytose, Leukozytose; Plausibiltätskontrolle der Butbildergebnisse ist erforderlich.
  • Medikamente, z.B. K+-sparende Diuretika, Betablocker, ACE-Inhibitoren, Prostaglandinsynthese-Inhibitoren
  • Vermehrte Einnahme von Kalium-haltigen Salzen.
  • Vor der Blutentnahme häufiges Öffnen und Schließen der Hände.
  • Hämolyse der Probe aus verschiedener Ursache.
  • Kalium-EDTA oder Kaliumoxalat im Entnahmegefäß.
  • Lange Stauung des Armes mit der Entnahmemanschette.
  • Heftiges Schwenken der Probe nach der Blutentnahme.
  • Transport der Probe mit einem pneumatischen Transportsystem.
  • Saisonal bedingt tiefe Temperatur.
  • Salzsubstitute wie KCl oder oder NH4Cl.

8.7.5.10 Hyperkaliämie und Kaliumausscheidung im Urin

Liegt eine Hyperkaliämie vor, so ist die K+-Ausscheidung im Urin die weiterführende Untersuchung zur Unterscheidung der renalen von der extrarenal bedingten Hyperkaliämie.

Es sprechen eine K+-Ausscheidung von:

  • Über 40 mmol/l, also eine normale K+-Ausscheidung, für das Vorliegen einer extrarenal bedingten Hyperkaliämie.
  • Unter 40 mmol/l für eine renale Hyperkaliämie.

Hyperkaliämie bei normaler renaler Kaliumausscheidung

Unterschieden werden Formen resultierend aus:

  • Verminderter transzellulärer K+-Verschiebung von extra- nach intrazellulär. Die Kontrolle unterliegt den Katecholaminen, die über die β2-Rezeptoren wirken, sowie dem Insulin. Eine mangelnde Verschiebung von K+ nach intrazellulär tritt bei Blockierung der β2-Rezeptoren durch β-Blocker, körperliche Arbeit, Insulinmangel und Digitalisintoxikation auf.
  • Vermehrter exogener Kaliumzufuhr. Diese kann durch Zufuhr mit der Nahrung, Aufnahme von Salzen oder therapeutisch erfolgen, z.B. Infusion von KCl oder Gabe von Kaliumglukonat, Kaliumphosphat oder Kaliumcitrat.
  • Verstärkter Freisetzung von K+ aus dem IZR durch Zellschädigung (intravasale Hämolyse, Tumorzelllyse), Muskelrelaxantien, hypertone Lösungen oder metabolische Azidose.

Hyperkaliämien mit verminderter renaler Kaliumausscheidung

Nach klinischen Gesichtspunkten werden diese Hyperkaliämien differenziert in:

  • Zustände mit Hypoaldosteronismus und niedrigem Renin (wie das akute und chronische Nierenversagen) und solche mit normaler oder erhöhter Reninaktivität (M. Addison) oder der isolierte Aldosteronmangel.
  • Zustände mit normalem Aldosteron, bei denen aber eine Endorganresistenz (Nichtansprechbarkeit der Niere für Aldosteron) vorliegt.

8.7.6 Hinweise und Störungen

Blutentnahme

Die K+-Werte sind von der Umgebungstemperatur bei der Blutentnahme abhängig. In den Wintermonaten sind die Venen schlechter gefüllt als im Sommer, somit werden im Winter die Patienten häufiger gebeten die Hand zu öffnen und zu schließen. Diese Handlung führt zur Freisetzung von K+ aus den Blutzellen, so dass die Häufigkeit der Hyperkaliämien über 5,2 mmol/l von 0,6 % im Sommer auf 0,9 % im Winter zunimmt /31/.

Antikoagulanz

Die in vitro-Kontamination der Probe durch Kalium-EDTA ist häufig und wird verursacht durch /32/:

  • Direkten Transfer einer EDTA-Probe in ein anderes Probengefäß.
  • Rückfluss der Probe aus einem evakuierten EDTA-Röhrchen, wenn dieses zuerst und danach ein Li-Heparinatröhrchen abgenommen wird.
  • Wenn Blut mit einer Spritze abgenommen, in Röhrchen verteilt und dabei der Ansatzkonus der Spritze mit Kalium-EDTA kontaminiert wird.

Zentrifugation

Die K+-Konzentration der Erythrozyten ist etwa 25 fach höher als im Plasma. Das Blut muss hämolysefrei abgenommen und die Erythrozyten innerhalb 1 h abgetrennt sein zur Verhinderung einer Hyperkaliämie.

Die nicht zeitgerechte Zentrifugation der Blutprobe ist mit 12,5 % die häufigste Ursache der Pseudohyperkaliämie /33/.

Rezentrifugation der Probe nach 4 h und länger ist ebenfalls eine häufige Ursache der Pseudohyperkaliämie. So werden in Japan in 70 % der Einsendelabors die Proben rezentrifugiert /34/.

Unterschied Serum zu Plasma

Die K+-Werte sind im Serum im Mittel um 0,3 mmol/l höher als im Heparinplasma. Bei Vorliegen einer Hyperkaliämie beträgt die Erhöhung im Mittel mehr als 0,5 mmol/l /4/.

Hämolyse

Die in vitro Hämolyse ist als die Freisetzung von intrazellululären Bestandteilen nach extrazellulär definiert. Sie wird mit dem Auge sichtbar als rötlich-braune Verfärbung ab einer freien Hämoglobin (Hb)-Konzentration von 0,3 g/l. Die Erhöhungen der K+ betragen im Mittel bei milder Hämolyse (1 g Hb/l) 0,28 mmol/l, bei moderater (2,5 g Hb/l) 0,70 mmol/l und bei schwerer Hämolyse (5 g Hb/l) 1,4 mmol/l /35/.

Pseudohyperkaliämie

Bei der chronisch lymphatischen Leukämie haben die Zellen eine erhöhte Fragilität. Geringer mechanischer Stress (zu langes Stauen, Blutentnahme mit Vacutainer oder mit Separatorgel) führt zur Pseudohyperkaliämie. Das ist auch der Fall, wenn der Probentransport mit einer pneumatischen Rohrpost erfolgt /36/.

Bei myeloischer Leukämie mit hoher Zellzahl kann es in vitro zur Pseudohypokaliämie kommen. Die Ursache soll eine verstärkte Na+-Permeabilität mit Aktivierung der Na+-K+-ATPase sein, die zur verstärkten K+-Aufnahme in die Zelle führt /37/.

Thrombozytose

Thrombozytosen > 500 × 109/l gehen mit einer K+-Differenz Serum/Plasma von > 0,5 mmol/l einher /38/.

Bestimmungsmethode

Lipämische Proben und Proben mit einem Totalprotein über 80 g/l verursachen in der Flammenphotometrie und der indirekten Potentiometrie eine Pseudohypokaliämie.

Ammonium haltige (Ammoniumheparinat) Antikoagulantien und Ammoniumwerte von 20 mmol/l in Proben führen zu einer Erhöhung der K+-Konzentration um 0,3 mmol/l bei der Bestimmung mit Ionen selektiven Elektroden /39/. Störungen durch Ammonium werden beobachtet bei Kontrollseren, die Ammoniumbicarbonat haltige Verdünnungslösung enthalten bzw. diese oder ähnliche Substanzen in der Matrix haben. Einen erhöhenden Einfluss auf das Ionen selektiv gemessene K+ hat auch das zur Stabilisierung der Kontrollseren verwendete Äthylenglykol sowie das bei Herzrhythmusstörungen eingesetzte Procainamid in Konzentrationen von 8 mg/l.

Probenlagerung

Im Vollblut ist die Konzentration im Serum nach Zentrifugation abhängig von dem Zeitraum und der Temperatur vor der Zentrifugation. Bei 20–25 °C erfolgt zuerst eine Abnahme der Konzentration und dann eine Zunahme bei 4 °C von –1 % auf 9,6 % im Zeitraum von 2–24 Std. Insgesamt sollte die Vollblutprobe innerhalb des Zeitraums von 4 Std. nach der Blutentnahme zentrifugiert sein /42/.

Stabilität im Plasma und Serum

Im verschlossenen Gefäß bei Raumtemperatur oder 4 °C mindestens 1 Woche. Für die direkte ISE-Messung nur frisches Serum oder Plasma verwenden, da ein Anstieg des HCO3 in gelagerten Proben zum Anstieg des pH und Abfall der messbaren Ionenaktivität führt /40/.

Literatur

1. Wright FS, Giebisch G. Regulation of potassium excretion. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The kidney, physiology and pathophysiology. New York; Raven, 1992: 2209–47.

2. NCCLS. Standardization of sodium and potassium ion selective electrode systems to the flame photometric reference method; approved standard. NCCLS Document C29-A, Vol 15 No 1. Villanova: NCCLS, 1995.

3. Berry MN, Mazzachi RD, Pejakovic M, Peake MJ. Enzymatic determination of potassium in serum. Clin Chem 1989; 34: 2295–8.

4. Drogies T, Ittermann T, Lüdemann J, Klinke D, Kohlmann T, Lubenow K, et al. Potassium–reference intervals for lithium-heparin plasma and serum from population-based cohort. J Lab Med 2010; 34: 39–44.

5. Rodriguez-Soriano J. Potassium homeostasis and its disturbances in children. Pediatr Nephrol 1995; 9: 364–74.

6. Soldin SJ, Brugnara C, Wong EC. Pediatric reference ranges. Washington: AACC-Press, 2003: 152.

7. Gumz ML, Rabinowitz L, Wingo CS. An integrated view of potassium homeostasis. N Engl J Med 2015; 373: 60–72.

8. Berns JS, Hayslett JP. Renal and extrarenal excretion of potassium. In Seldin DW, Giebisch G (eds). The regulation of potassium balance. New York: Raven, 1989: 157–74.

9. Mandal AK. Hypokalemia and hyperkalemia. Med Clin North Am 1997; 81: 611–39.

10. Riggs JE. Neurologic manifestations of electrolyte disturbances. Neurologic Clinics 2002; 20: 227–39.

11. Paltiel O, Salakhov E, Ronen I, Berg D, Israeli A. Man-agement of severe hypokalemia in hospitalized patients. Arch Intern Med 2001; 161: 1089–95.

12. Palmer BF. Managing hyperkalemia caused by inhibitors of renin-angiotensin-aldosteron system. N Engl J Med 2004; 351: 585–92.

13. Stein G, Ritz E. Klinik und Diagnostik der Hyperkali­ämie. Dtsch Med Wschr 1990; 115: 899–902.

14. Gennari FJ. Hypokalemia. N Engl J Med 1998; 339: 451–8.

15. Reincke M, Seiler L, Rump LC. Normokaliämischer primärer Hyperaldosteronismus. Dt Ärztebl 2003; 100: B169–74.

16. Beal AL, Scheltema KE, Beilman GJ, Deuser WE. Hypokalemia following trauma. Shock 2002; 18: 107–10.

17. Penney MD, Oleesky DA. Renal tubular acidosis. Ann Clin Biochem 1999; 36: 408–22.

18. Amirlak I, Dawson KP. Bartter syndrome: an overview. Q J Med 2000; 93: 207–15.

19. Barakat AJ, Rennert OM. Gitelman’s syndrome (famial hypokalemia-hypomagnesemia). J Nephrol 2001; 14: 43–7.

20. Jones BJ, Twomey PJ. Comparison of reflective and reflex testing for hypomagnesaemia in severe hypokalemia. J Clin Pathol 2009; 62: 816–9.

21. Lapie P, Lory P, Fontaine B. Hypokalemic periodic paralysis: an autosomal dominant muscle disorder caused by mutations in a voltage-gated calcium channel. Neuromuscular Disorders 1997; 7: 234–40.

22. Duke M. Thiazide-induced hypokalemia: association with acute myocardial infarction and ventricular fibrillation. JAMA 1978; 239: 43–5.

23. Burl RD, Sebastian A, Cheitlin MW, Christiansen M, Schambelan M. Pseudohyperkalemia caused by first clenching during phlebotomy. N Engl J Med 1990; 322: 1290–2.

24. Colussi G, Cipriani D. Pseudohyperkalemia in extreme leukocytosis. Am J Nephrol 1995; 15: 450–2.

25. Wulkan RW, Michiels JJ. Pseudohyperkalemia in thrombocythemia. J Clin Chem Clin Biochem 1990; 28: 489–91.

26. Alani FSS, Dyer T, Hindle E, Newsome DA, Ormerod LP, Mahoney MP. Pseudohyperkalemia associated with hereditary spherocytosis in four members of a family. Postgrad Med J 1994; 70: 749–51.

27. Hawkins RC. Serum potassium in renal impairment: At what concentration of estimated GFR does it rise? Clin Chim Acta 2009; 408: 135–6.

28. Perazella MA. Drug-induced hyperkalemia: old culprits and new offenders. Am J Med 2000; 109: 307–14.

29. Cairo MS, Bishop M. Tumour lysis syndrome: new therapeutic strategies and classification. Br J Haematol 2004; 127: 3–11.

30. Oster JR, Singer I, Fishman LM. Heparin-induced aldosterone suppression and hyperkalemia. Am J Med 1995; 98: 575–86.

31. Bailey IR, Thurlow VR. Is suboptimal phlebotomy technique impacting on potassium results for primary care? Ann Clin Biochem 2008; 45: 266–9.

32. Cornes MP, Ford C, Gama R. Spurious hyperkalaemia due to EDTA contamination: common and not always easy to identify. Ann Clin Biochem 2008; 45: 601–3.

33. Kapoor AK, Ravi A, Twomey PJ. Investigation of outpatients referred to a chemical pathologist with potential pseudohyperkalaemia. J Clin Pathol 2009; 62: 920–3.

34. Hira K, Aoki N, Fukui T. Pseudohyperkalaemia at commercial laboratories in Japan: a questionnaire survey. Ann Clin Biochem 2004; 41: 155–6.

35. Hawkins RC. Poor knowledge and faulty thinking regarding hemolysis and potassium elevation. Clin Chem Lab Med 2005; 43: 216–20.

36. Dsatych M, Cermakova Z. Pseudohyperkalaemia in leukaemic patients: the effect of test tube type and form of transport to the laboratory. Ann Clin Biochem 2014; 51: 110–3.

37. Polak R, Huisman R, Sikma MA, Kersting S. Spurious hypokalaemia and hypophosphaemia due to extreme hyperleukocytosis in a patient with haematological malignancy. Ann Clin Biochem 2010; 47: 179–81.

38. Thurlow V, Ozevlat H, Jones SA, Bailey IR. Establishing a practical blood platelet threshold to avoid reporting spurious potassium results due to thrombocytosis. Ann Clin Biochem 2005; 42: 196–9.

39. Marsoner HJ, Harnoncourt K. Potentiometrische Bestimmung der Kaliumkonzentration im Plasma. Ärztl Lab 1977; 23: 327–9.

40. Boink FBT, Bijster B, Vink KL, Maas AH. Direct potentiometric determination of sodium in blood. III. Influence of bicarbonate. Clin Chem 1985; 31: 523–6.

41. Palmer BF, Clegg DJ. Electrolyte disturbances in patients with chronic alcohol-use disorder. N Engl J Med 2017; 377: 1368–77.

42. Dupuy AM, Cristol JP, Vincent B, Bargnoux AN, Mendes M, Philibert P, Kloche K, Badiou S. Stability of routine biochemical analytes in whole blood and plasma/serum: focus on potassium stability from lithium heparin. Clin Chem Lab Med 2018, 56: 413–21.

43. Ellison DH, Welling P. Insights into salt handling and blood pressure. N Engl J Med 2021; 385: 1981–93.

44. Morris TG, Lambda S, Fitzgerald T, Roulston G, Johnstone H, Mirzazadeh M. The potential role of the GFR in differentiating between true and pseudohyperkalaemia. Ann Clin Biochem 2020; 57 (6): 444–55.

45. Bealing E, Lundquist D, Stock S. The use of estimated glomerular filtration rate (GFR) in identifying pseudohyperkalemia in primary care. Ann Clin Biochem 2022; 0 (0): 1–2.

46. Vokoun CW, Murphy MC, Reynolds KL, Haines MS. Case 1-2023: a 49-year-old man with hypokalemia and paranoia. N Engl J Med 2023; 388 (2): 165–75.

8.8 Renale Elektrolytausscheidung

Lothar Thomas

Die Nieren sind für die Homöostase der Elektrolyte und des Wassers verantwortlich und regulieren diese durch glomeruläre Filtration und tubuläre Reabsorption oder Sekretion. Das geschieht durch spezielle Transporter, Kotransporter und Ionenkanäle des Nephrons, die eine spezifische tubuläre Lokalisation haben. Für die Bildung des Urins werden bei Erwachsenen täglich 160 Liter Glomerulumfiltrat gebildet, von denen 99 % und der größte Anteil gelöster Substanzen tubulär reabsorbiert werden und in den Kreislauf gelangen.

Im proximalen Tubulus werden Glucose, Phosphat, Aminosäuren, niedrig molekulare Proteine und 60 % der filtrierten Na+ zurückgenommen. Dies geschieht durch spezifische Kanäle und ein Na+-K+-abhängiges Transportsystem der Tubuluszellen. Dort sind auch Kotransporter lokalisiert, die für die Reabsorption von organischen Substanzen (Glucose und Aminosäuren) und für anorganische Substanzen (Cl und Phosphat) verantwortlich sind. Im distalen Tubulus erfolgt die Konzentrierung des Filtrats und in den Sammelrohren die endgültige Zusammenstellung /1/.

Angeborene und erworbene Erkrankungen von Proteinen der Kanäle der tubulärer Zellen (Channelopathien) führen zu mannigfaltigen Störungen des Haushalts von Elektrolyten, Wasser, Säuren und Basen, insbesondere aber des Rücktransportes von tubulärem Na+ und K+ /2/. Untersuchungen der Ausscheidung von Elektrolyten helfen, Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes zu lokalisieren und ihr Ausmaß zu quantifizieren.

Über 8,8 Jahre hatten Teilnehmer im mittleren Alter von 51 Jahren im 24 h-Urin eine Na+-Ausscheidung von 3,27 g /18/. Die höhere Ausscheidung von Na+, eine niedrigere von K+ und ein höheres Na+/K+ Verhältnis war mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Jede Vermehrung der Natriumzufuhr um 1,0 g täglich erhöhte das kardiovaskuläre Risiko um 18 % (hazard ratio 1,18). Demgegenüber verminderte die täglich Zunahme 1,0 g Kalium das kardiovaskuläre Risiko um 18 % (hazard ratio 0,82).

8.8.1 Elektrolytbestimmung im Urin

Die Untersuchung der Ausscheidung von Elektrolyten im Urin umfasst je nach klinischer Fragestellung die Bestimmung von Na+, K+, H+ (pH), Ammoniumionen (NH4+), Cl und HCO3. Zur Differenzierung von Störungen werden als Hilfsgrößen im Urin die Anionenlücke, die osmotische Lücke und die fraktionelle Ausscheidung (Fractional Excretion, FE) von Na+ (FENa) berechnet.

8.8.1.1 Indikation

Natrium

  • Abklärung der Ursache von Zuständen mit Hyper- und Hyponatriämie.
  • Verdacht auf Störungen der Wasserbilanz.

Kalium

  • Unterscheidung renaler von extrarenalen Ursachen bei Zuständen mit Hyper- oder Hypokaliämie.
  • Verdacht auf Einnahme nicht Kalium sparender Diuretika.

Chlorid, pH, Bicarbonat

  • Abklärung einer metabolischen Azidose.

8.8.1.2 Bestimmungsmethode

Natrium: Na+-selektive Elektrode (ISE), Flammenphotometrie; Prinzip siehe Beitrag 8.2.2 – Bestimmungsmethode.

Kalium: K+-selektive ISE, Flammenphotometrie; Prinzip siehe Beitrag 8.2.2 und Beitrag 8.6.2 – Bestimmungsmethode.

Chlorid: Cl-selektive ISE, coulometrische Titration (Chloridmeter), mercurimetrische Titration; siehe Beitrag 8.3 – Chlorid.

Ammonium: Spektrophotometrische Bestimmung vermittels Glutamatdehydrogenase (EC 1.4.1.3) und elektrochemische Bestimmung unter Anwendung der Potentiometrie oder Messung der Leitfähigkeit.

H-Ionen: Bestimmung mit pH-Meter.

Bicarbonat (HCO3): Spektrophotometrische Bestimmung unter Anwendung der Enzyme Phosphoenolpyruvat-Carboxylase und Malatdehydrogenase.

Bestimmung von PCO2 und pH im Urin und Berechnung des HCO3 nach folgender Gleichung:

HCO3 (mmol/l) = 10(pH – pK) × 0,03 × PCO2

pK = 6,1

8.8.1.3 Untersuchungsmaterial

Na+, K+, Cl–

  • Zur Bestimmung der Konzentration: Frischer Spontanurin, mindestens 50 ml Harnvolumen. Urin komplett im Labor abgeben oder mindestens 10 ml, aber zuvor Urinvolumen messen.
  • Zur Bestimmung der Ausscheidung: 24 h-Sammelurin ohne Zusatz im Labor abgeben.

pH

Morgendlichen frischen Spontanharn in Gefäß lassen, das Mineralöl enthält, um die Flüssigkeitsoberfläche abzudecken, damit CO2 nicht verloren geht.

Ammonium

Morgendlicher frischer Spontanharn, siehe Na+, K+, Cl

Bicarbonat

Morgendlicher frischer Spontanharn, siehe Na, K, Cl.

8.8.1.4 Referenzbereich

Siehe Lit. /345/ und

Tab. 8.8-1 – Referenzbereiche der Elektrolyte im Urin.

8.8.2 Störungen der Natriumausscheidung

Der exzessive Salzkonsum ist ein Risikofaktor für die Entwicklung der Hypertonie und kardiovaskulärer Komplikationen. Die Na+-Ausscheidung im 24 h-Urin ist ein Marker der mit der Nahrung zugeführten Kochsalzmenge. Die Zufuhr von 0,6 g Kochsalz entsprechen 10 mmol Natrium. In den westlichen Industrienationen beträgt die Kochsalzzufuhr 10–15 g (160–250 mmol Natrium) pro Tag anstatt der ausreichenden Menge von 3 g NaCl (50 mmol Natrium). Die Na+-Ausscheidung im 24 h-Urin ist ein guter Marker zur Beurteilung der täglichen Kochsalzzufuhr. Unter Natriumzufuhr von 250 mmol/Tag wurden 252 ± 65 mmol/24 h und bei einer Zufuhr von 50 mmol/Tag 46 ± 27 mmol/24 h ausgeschieden /6/.

Etwa 30 % des Na+ werden im distalen Tubulus und den Sammelrohren reabsorbiert. Siehe Abb. 8.8-1 – Behandlung von Na+, K+, Mg++ und Ca++ im dicken Teils der Henle’schen Schleife.

In den Sammelrohren erfolgt die Zusammenstellung der Na+- und K+-Konzentration des Endharns (Abb. 8.8-2 – Reabsorption von Elektrolyten in den Sammelrohrzellen). Die Na+-Reabsorption erfolgt im Austausch mit K+ über jeweils spezielle Kanäle.

Der Besatz der Zellen mit Ionenkanälen an der luminalen Membran der Sammelrohrzellen unterliegt der Regulation von Aldosteron, das über den Mineralokortikoidrezeptor wirkt. Ein Mangel an Aldosteron oder eine Resistenz des Rezeptors gegenüber Aldosteron reduziert die Synthese von Ionenkanälen /2/.

Die renale Salz- und Wasserausscheidung stellt sich auf die tägliche diätetische Aufnahme ein, so dass ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Aufnahme und Ausscheidung besteht und als Ergebnis die Na+-Konzentration des EZR konstant bleibt. Kleine Änderungen der renalen Reabsorption von Na+ und Wasser können zu erheblichen Veränderungen des Volumens des EZR führen. So fällt unter Natrium-freier Diät beim Gesunden die Na+-Ausscheidung nach 3–5 Tagen auf unter 3 mmol/24 h ab.

Da Cl das wesentliche Anion von Na+ ist, verhalten sich die renale Ausscheidung von Na+- und Cl vielfach gleich. Diagnostisch wichtig ist die Bestimmung der renalen Na+-Ausscheidung zur Differenzierung der Hypo- und Hypernatriämien. Siehe Beitrag 8.2 – Natrium.

8.8.2.1 Natriumausscheidung bei Hyponatriämie

Renal bedingte Na+-Verluste sind an einer Ausscheidung von über 20 mmol/l im Spontanurin erkennbar /78/.

Zustände mit Verminderung des EZR durch extrarenale Flüssigkeitsverluste (ausgenommen Erbrechen) und Na+-Verluste in den dritten Raum (Ödeme) gehen mit Na+-Ausscheidungen unter 20 mmol/l einher.

Bei Zuständen mit Hyponatriämie ist die renale Ausscheidung von Na+ ein Zeichen des Volumenstatus des EZR. So ist bei Patienten mit hypoosmolarer Hyponatriämie die renale Ausscheidung von Na+ bei:

8.8.2.2 Natriumausscheidung bei Hypernatriämie

Die wesentliche Ursache der Hypernatriämie ist der stärkere Verlust von Wasser als von Na+. Das Serum ist deshalb hyperosmolar /9/.

Bei Zuständen mit Hypernatriämie ist die Ausscheidung von Na+ ein Zeichen des Volumenstatus des extrazellulären Raumes (EZR). So ist bei Patienten mit hyperosmolarer Hypernatriämie die renale Ausscheidung von Na+ bei:

  • Volumendepletion unter 20 mmol/l.
  • Hypervolämie über 20 mmol/l.
  • Zuständen mit Verlust von freiem Wasser (renal oder hypothalamischen) variabel. Siehe Beitrag 8.5 – Osmolalität).

Die differentialdiagnostische Bedeutung der Ausscheidung von Na+ bei Hypernatriämie zeigt Tab. 8.8-3 – Bedeutung der renalen Na+-Ausscheidung bei Hypernatriämie.

8.8.3 Fraktionelle Natriumexkretion (FENa)

Die FENa bestimmt die im Urin ausgeschiedene Fraktion an glomerulär filtriertem Na+ und ist ein Maß der tubulären Na+-Reabsorption /10/. Sie dient der Abgrenzung des prärenalen funktionellen vom strukturellen renalen Versagen. Die FENa gibt eine bessere Auskunft über den Volumenstatus als die Ausscheidung von Na+ im Urin. Ein Wert unter 1 % weist auf eine Volumendepletion hin.

FE Na (%) = Na (U) × Creatinin (S) × 100 Na (S) × Creatinin (U) U, Urin; S, Serum; Na in mmol/l, Creatinin in μmol/l oder mg/dl

Interpretation der FENa

Gesunde mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 120 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] und einer normalen Na+-Ausscheidung von 120 mmol/l haben eine FeNa von 0,19–0,78 %.

  • Beim prärenalen Nierenversagen versucht das tubuläre System der Niere Na+ zu konservieren. Die Konzentration von Na+ im Spontanurin ist unter 20 mmol/l, die Urinosmolalität über 500 mmol/kg und die FeNa ist unter 1 %. Das ist z.B. der Fall bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz in den NYHA-Stadien III und IV mit einer Ejektionsfraktion unter 35 %.
  • Beim renalen Versagen ist die Reabsorption von Na+ vermindert, Konzentration von Na+ über 20 mmol/l, die Urinosmolalität unter 300 mmol/kg und die FeNa ist über 2 %.

Beachtet werden muss, dass bei Diuretika behandelten Patienten die FENa keine Auskunft gibt. Sie ist falsch hoch und kann Werte bis 20 % erreichen.

8.8.4 Störungen der Chloridausscheidung

Cl ist das wichtigste Gegenion von Na+ und wird elektroneutral mit Na+ tubulär reabsorbiert. Bei vielen pathologischen Zuständen verhalten sich deshalb die Ausscheidung von Na+ und Cl gleich. Eine Dissoziation der renalen Na+- und Cl-Ausscheidung liegt bei Erbrechen vor.

Erbrechen

Beim länger zeitigen Erbrechen ist die Cl-Ausscheidung im Spontanurin unter 20 mmol/l bei einer hohen Na+- und K+-Ausscheidung. Ursache ist, dass während fortlaufenden Erbrechens NaCl, HCl und KCl über den Magensaft verlorengehen. Als Folge des Verlusts von H+ steigt die Konzentration von HCO3 an und eine metabolische Alkalose entwickelt sich. Die vermehrte Anlieferung von HCO3 im distalen Tubulus führt zur vermehrten Ausscheidung von Na+ und K+. Der Volumenstatus des Patienten wird bei chronischem Erbrechen besser durch die Ausscheidung von Cl als von Na+ angezeigt.

Metabolische Alkalose

Bei Therapie der metabolischen Alkalose zeigt eine Cl-Ausscheidung unter 10 mmol/l die Beeinflussbarkeit durch die Gabe von Kochsalz an /9/. Bei der Cl-resistenten Alkalose werden Ausscheidungen entsprechend der Zufuhr von Kochsalz gemessen. Siehe auch metabolische Alkalose im Beitrag 8.3.5 – Bewertung.

8.8.5 Fraktionelle Chloridexkretion (FECl)

FE Cl (%) = Cl (U) × Creatinin (S) × 100 Cl (S) × Creatinin (U) U, Urin; S, Serum; Cl in mmol/l, Creatinin in μmol/l oder mg/dl

Die FECl bestimmt die im Urin ausgeschiedene Fraktion an glomerulär filtrierten Cl und ist ein Maß der tubulären Cl-Reabsorption. Der Normalwert der FECl ist 1–3 %. Bei Alkalosen und extrarenalen Verlusten von Cl (Erbrechen, konnatale Chloridorrhoe) ist die FECl deutlich unter 1 %, bei metabolischer Azidose über 3 %.

8.8.6 Anionenlücke im Urin (UAl)

Polyurien, verursacht durch eine Diurese von Elektrolyten, resultieren meist aus einer vermehrten Ausscheidung von NaCl. Sie sind die Folge der intravenösen Gabe von NaCl, exzessiver oraler Salzaufnahme, renaler Salzverluste oder der Einnahme von Schleifendiuretika /12/.

Zur Abklärung, ob ein anderes Anion als Cl in bedeutsamer Konzentration als Gegenion von Na+ vorhanden ist oder ob andere Kationen als Na+ und K+, insbesondere NH4+, ausgeschieden werden, wird die Anionenlücke im Urin (UAL) bestimmt (Tab. 8.8-4 – Beurteilung der Urin-Anionenlücke).

Die Berechnung der UAL erfolgt pH-abhängig nach folgenden Gleichungen:

1. Urin pH unter 6,5: UAL = Na (mmol/l) + K (mmol/l) – Cl (mmol/l)

2. Urin pH über 6,5: UAL = Na (mmol/l) + K (mmol/l) – Cl (mmol/l) – HCO3 (mmol/l)

8.8.7 Störungen der Ausscheidung von H-Ionen, Ammonium- und Bicarbonat-Ionen

Die Nieren sind das wesentliche Organ für die Regulierung des systemischen pH-Wertes. Änderungen im Säure-Basen Status führen zu korrespondierenden Änderungen der H+-Sekretion, der Reabsorption von HCO3 und der Bildung von NH4+. Diese Regulationen erfolgen im proximalen Tubulus und in den Sammelrohren. Ihre Effektivität beruht auf einer raschen Änderung des transepithelialen Nettofluxes von H+ und HCO3. Die Reabsorption von filtriertem HCO3, erfolgt zu 80–90 % im proximalen Tubulus. Die Ausscheidung fixer Säuren, ihre Titration mit Puffern und die Ausscheidung von NH4+, sind Vorgänge, die sich im distalen Nephron abspielen.

Mechanismen im proximalen Tubulus

Basale Mechanismen im proximalen Tubulus sind der allosterische pH-kontrollierte Na+-H+-Austausch an der luminalen Zellmembran durch den Na+-H+-Austauscher (NHE-3) und der HCO3-Transport an der basolateralen Membran vermittels des 1 Na+–3 HCO3-Kotransporters (NBC-1) (Abb. 8.8-3 – Aufrechterhaltung der Säuren-Basen-Homöostase im proximalen Tubulus). Die treibende Kraft für den Austritt von HCO3ist die an den pH des zellulären Zytosols gekoppelte Öffnung der K+-Kanäle der luminalen Zellmembran. Im einzelnen laufen folgende Vorgänge ab /13, 14/:

  • Im proximalen Tubulus wird intrazellulär H2CO3 durch Hydratation von CO2 gebildet, katalysiert durch die Carboanhydrase II.
  • Das H2CO3 und die H+ werden luminal ausgetauscht gegen Na+. Der Na+-Gradient Lumen/intrazellulär treibt diesen Vorgang, der durch eine intrazelluläre Azidose stimuliert wird.
  • Zellulär gebildetes HCO3 verlässt die Zelle blutwärts über den 1 Na+–3 HCO3(NBC-1)-Kotransporter.
  • Im Lumen des Tubulus reagiert glomerulär filtriertes HCO3 mit sezernierten H+ zu H2CO3, das rasch wieder, katalysiert durch die Carboanhydrase IV, in CO2 und Wasser dissoziiert. CO2 diffundiert zurück in die Zelle. Bei physiologischem zytosolischen pH entspricht der zelluläre HCO3-Export dem Import.

Mechanismen in den Sammelrohren

In den Sammelrohren sind die Hauptzellen in die Reabsorption von Na+ und die Ausscheidung von K+ involviert, während die zwischen geschalteten Zellen die Sekretion von H+ und HCO3 regeln /1314/. Siehe Abb. 8.8-4 – H+-Sekretion in die kortikalen Sammelrohre.

Unterschieden werden:

  • Säure-sezernierende α-Zwischenzellen. Sie sezernieren H+ in das Lumen über die vakuoläre H+-ATPase und die H+-K+-ATPase. HCO3 wird auf der Blutseite gegen Cl ausgetauscht.
  • HCO3-sezernierende β-Zwischenzellen, die HCO3 im Austausch gegen Cl auf der Blutseite austauschen.

Die Ausscheidung von Säuren im distalen Nephron erfolgt durch folgende Vorgänge:

  • Rücknahme der 10–20 % an HCO3, die proximal nicht reabsorbiert wurden.
  • Titration basischer Phosphate (HPO42–), die in die monovalente Form (H2PO4) oder in eine titrierbare Form gebracht werden.
  • Intraluminale Anhäufung von NH3 zur Pufferung von H+ durch Überführung in nicht diffusibles NH4+.

Im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle’schen Schleife wird proximal nicht reabsorbiertes HCO3 durch die gleiche Mechanismen zurückgenommen wie proximal.

Die Absorption von NH4+ aus dem Tubulus erfolgt luminal durch den Austausch des K+ über den Kotransporter Na+K+–2Cl und auf der Blutseite über das K+–H+-Antiport-System. Ein medullärer NH4+-Konzentrationsgradient wird aufgebaut und dadurch verstärkt, dass NH3 aus dem dünnen Teil der Henle’schen Schleife in das Interstitium abgegeben wird und sich als NH4+ im dicken Teil anreichert.

In den Sammelrohren erfolgt die distale Ansäuerung des Urins. Die in das Lumen der Sammelrohre sezernierten H+ werden in Form von NH4+ und H2PO4 gebunden und eliminiert. Die H+-Sekretion wird durch Aldosteron beeinflusst. Das geschieht durch:

  • Beschleunigung der Reabsorption von Na+, wodurch die Lumen negative Potentialdifferenz über das Epithel erhöht und die H+- und K+-Sekretion verstärkt wird.
  • Beschleunigung der Aktivität der H+-ATPase, ein von der K+-Konzentration im Serum unabhängiger Effekt.
  • Steigerung der NH3-Synthese, sowohl direkt als auch indirekt in Folge einer Hyperkaliämie.

Systemische Azidose

In diesem Zustand überschreitet die luminale H+-Sekretion des Nephrons die basolaterale (blutseitige)HCO3-Sekretion und der zytosolische pH wird alkalisch. Das führt zu einer Aktivierung der K+-Kanäle, wodurch die Zellmembran hyperpolarisiert wird und ein verstärkter elektrogener Austritt von HCO3 aus der Zelle in das Tubuluslumen resultiert. Weiterhin wird die renale Glutaminase induziert und in der Leber die Synthese von Glutamin aktiviert. Der renale Metabolismus von Glutamin vermag somit eine große Menge NH4+ zu bilden. Bedingt durch seine Ladung und den alkalischen pK-Wert verbleibt NH4+ im Tubuluslumen /1314/.

Systemische Alkalose

In diesem Zustand ist die luminale H+-Sekretion des Nephrons gegenüber der basolateralen (blutseitigen)HCO3-Sekretion vermindert und der zytosolische pH wird sauer. Zur Aufrechterhaltung der intrazellulären Homöostase wird die transzelluläre Transport von HCO3 aus dem Lumen des Tubulus in das Blut reduziert /14/.

8.8.7.1 Renal tubuläre Azidosen (RTA)

Der Terminus RTA umfasst eine Gruppe von Defekten des Transports in der renalen Reabsorption von HCO3, der Ausscheidung von H+ oder beider. Bei der RTA ist die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gewöhnlich normal, und es besteht eine metabolische Azidose, eine Hyperchlorämie und eine normale Anionenlücke im Plasma. Im Gegensatz dazu hat die urämische Azidose eine niedrige GFR, und die metabolische Azidose geht mit einer erhöhten Anionenlücke und einer Normo- oder Hypochlorämie einher.

Die RTA werden in drei Typen differenziert /15/:

8.8.7.1.1 Labordiagnostik der RTA

An eine RTA sollte gedacht werden:

  • Wenn im Plasma eine metabolische Azidose mit Hyperchlorämie besteht bei normaler Anionenlücke (Na+ – Cl + HCO3 = 8 – 16 mmol/l) bei Patienten ohne Diuretika und ohne gastrointestinalen Verlust von HCO3.
  • Wenn eine Hypokaliämie besteht, ohne dass Diuretika eingenommen werden.

Zur Klassifizierung der RTA (Tab. 8.8-5 – Renal-tubuläre Azidosen) sind eine Reihe von Funktionstests verfügbar, von denen der HCO3-Belastungstest und der Ammoniumchlorid-Belastungstest am häufigsten angewendet werden. Tests zur funktionellen Evaluation der proximalen Reabsorption von HCO3 (Abklärung der proximalen RTA) und der distalen Ansäuerung des Urins (Abklärung der distalen RTA) sind aufgeführt in Tab. 8.8-6 – Labordiagnostik der renal-tubulären Azidosen.

Diagnostische Vorgehensweise

Diagnostisch wird bei Verdacht auf RTA folgendermaßen vorgegangen /13/:

  • Bestimmung der Anionenlücke und der osmotischen Lücke im morgendlichen Spontanurin. Hat der Patient eine hyperchlorämische metabolische Azidose, eine negative Anionenlücke oder eine osmotische Lücke über 100 mmol/l, so ist eine proximale RTA wahrscheinlich. Ausgeschlossen werden müssen der gastrointestinale Verlust von HCO3 und die Einnahme von ansäuernden Salzen (Abb. 8.8-5 – Diagnostischer Ablauf bei Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose und negativer Anionenlücke im Urin). Auch sollte der wiederholte Gebrauch von Laxantien, der bei einer niedrigen Na+-Ausscheidung in Betracht gezogen werden muss, bei Erwachsenen erfragt werden. Die definitive Diagnose der proximalen RTA ist erstellt, wenn das fraktionelle HCO3 und die PCO2-Differenz Urin–Plasma (U-B PCO2) ebenfalls erhöht und die Anionenlücke negativ ist (Tab. 8.8-7 – Differenzierung der renal tubulären Azidosen durch Laboruntersuchungen).
  • Ist bei einem Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose im Spontanurin die Anionenlücke positiv, die osmotische Lücke unter 100 mmol/l, besteht der Verdacht auf einen Defekt in der distalen Ansäuerung des Urins (distale RTA). Der nächste Schritt ist die Bestimmung von K+ im Plasma. Ist der Wert normal oder erniedrigt, zeigt das Unvermögen der Nieren unter Säurebelastung (Ammoniumchlorid-Belastungstest) den Urin unter pH 5,5 zu bringen, die distale RTA an (Abb. 8.8-6 – Diagnostischer Ablauf bei Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose und positiver Anionenlücke im Urin).
  • Ist bei einer hyperchlorämische metabolischen Azidose im Spontanurin die Anionenlücke positiv und die osmotische Lücke unter 100 mmol/l und K+ im Plasma erhöht oder nur leicht erhöht und bleibt der Urin-pH im Ammoniumchlorid-Belastungstest über 5,5 handelt es sich um eine kleine Gruppe von Patienten mit distaler RTA und einem Voltage-gated Defekt (Abb. 8.8-6).
  • Ist bei einem Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose im Spontanurin die Anionenlücke positiv und die osmotische Lücke unter 100 mmol/l und ist K+ im Plasma erhöht oder nur leicht erhöht und fällt der Urin-pH unter Säurebelastung (Ammoniumchlorid-Belastungstest) unter 5,5 ist die Diagnose einer hyperkaliämischen RTA (Typ 4) gesichert.

8.8.8 Störung der Ausscheidung von Kalium

Eine relativ konstante Fraktion der glomerulär filtrierten K+ erreicht in Abhängigkeit von der mit Nahrung aufgenommenen Kaliummenge den distalen Tubulus. Etwa 80 % davon werden relativ rasch ausgeschieden. Auch eine Ausscheidung, welche die tägliche Aufnahme deutlich übertrifft, ist möglich.

Dies ist eine Situation, die im Haushalt von Natrium nicht möglich ist, aber im Kaliumhaushalt. Sie kann beruhen auf /16/:

  • Einem Hyperaldosteronismus.
  • Einer Hypervolämie des extrazellulären Raumes, die zwar die Aldosteronsekretion bremst, aber durch Erhöhung der Flussrate im distalen Tubulus das Na+-Angebot vermehrt und somit die K+-Ausscheidung erhöht.
  • Einer systemischen Alkalose, die zur vermehrten K+-Ausscheidung führt.
  • Der Therapie von Diuretika wie Thiaziden, Furosemid und Bumetanid, die eine Zunahme der K+-Ausscheidung bewirken durch Erhöhung der Flussrate im ersten Drittel der Sammelrohre.

Die normale Ausscheidung von K+ beträgt über 40 mmol/l. Bei normaler Kaliumaufnahme können die Nieren die K+-Ausscheidung bis zu einer Verminderung der GFR auf etwa 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] aufrecht erhalten.

Die Bestimmung der renalen Ausscheidung von K+ ist ein wichtiger Schritt zur Differenzierung der verschiedenen Formen der Hypo- und Hyperkaliämien.

8.8.8.1 Kaliumausscheidung bei Hypokaliämie

Für den Kaliumbestand des Organismus ist der K+-Wert im Plasma nur bedingt verwertbar. Beim Kaliummangel hilft die K+-Bestimmung im Spontanurin, die Verluste zu lokalisieren. Ein Wert unter 10 mmol/l bei bestehender Hypokaliämie weist auf extrarenale Verluste hin, ein Wert über 10 mmol/l auf renale (Tab. 8.8-8 – Renale Kalium-Ausscheidung bei Hypokaliämie).

Die Erkrankungen bei hyperkaliurischer Hypokaliämie sind aufgeführt in Tab. 8.8-9 – Hyperkaliurische Hypokaliämien.

Erhöhte Ausscheidungen werden auch gemessen bei:

  • Metabolischer Azidose als Effekt der Verteilungsstörung des K (Efflux von K aus dem intrazellulärem Raum).
  • Metabolischer Alkalose, als Ersatzkation für Na+ wird K+ gemeinsam mit H+ und NH4+ ausgeschieden.

8.8.8.2 Kaliumausscheidung bei Hyperkaliämie

Bei Hyperkaliämien weist eine Ausscheidung von K+ unter 40 mmol/l auf die renale, eine ≥ 40 mmol/l auf die extrarenale Genese hin (Tab. 8.8-10 – Renale Kaliumausscheidung bei Hyperkaliämie).

Die Ursachen der hypokaliurischen Hyperkaliämie zeigt Tab. 8.8-11 – Hypokaliurische Hyperkaliämien.

8.8.9 Fraktionelle Ausscheidung von Elektrolyten im Urin

Referenzbereiche

FENa 0,19–0,78 %; FEK 4,9–10,3 %; FECl 0,35–1,07 %; FECa 0,6–1,0 %; FEMg 1,4–1,8 % /17/.

Literatur

1. Sayer JA, Pearce SHS. Diagnosis and clinical biochemistry of inherited tubulopathies. Ann Clin Biochem 2001; 38: 459–70.

2. Loudon KW, Fry AC. The renal chanelopathies. Ann Clin Biochem 2014; 51: 441–58.

3. Krieg M, Gunßer KJ. Vergleichende quantitative ANalytik klinisch-chemischer Kenngrößen im 24-Stunden-Urin und Morgenurin. J Clin Chem Clin Biochem 1986; 24: 863–9.

4. Bingham S, Williams R, Cole TJ, Price C, Cummings JH. Reference values for analytes of 24-h urine collections known to be complete. Ann Clin Biochem 1988; 25: 610–9.

5. Illich JZ, Blanusa M, Orlic ZC, Orct T, Kostial K. Comparison of calcium, magnesium sodium, potassium, zinc, and creatinine concentration in 24-h and spot urine samples in women. Clin Chem Lab Med 2009; 4: 216–22.

6. Pimeta E, Gaddam K, Oparil S, Aban I, Husain S, Dell’Ìtalia LJ, et al. Effects of dietary sodium reduction on bood pressure in subjects with resistant hypertension: results from a randomized trial. Hypertension 2009; 54: 475–81.

7. Bichet DG, Kluge R, Howard RL, Schrier RW. Pathogenesis of hypoNatremic states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 169–88.

8. Bichet DG, Kluge R, Howard RL, Schrier RW. Pathogenesis of hyponatremic states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 169–88.

9. Howard RL, Bichet DG, Schrier RW. Pathogenesis of hyperNatremic and polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). Clinical disturbances of water metabolism. New York: Raven, 1993: 189–209.

10. Espinel CH. The FeNa test. Use in the differential diagnosis of acute renal failure. JAMA 1976; 236: 579–81.

11. Schmidt LH, Wessing H, Ehrhardt W. Electrolytes in urine: possibilities and limits of interpretation. Klin Lab 1992; 38: 616–8.

12. Oster JR, Singer I, Thatte L, Grant-Taylor I, Diego JM. The polyuria of solute diuresis. Arch Intern Med 1997; 157: 721–9.

13. Bleich M. Tubular function and acid–base disturbances. Nephrol Dial Transplant 1995; 10: 1540–1.

14. Soriano JR. Renal tubular acidosis: the clinical entity. J Am Soc Nephrol 2002; 13: 2160–70.

15. Ring T, Frische S, Nielsen S. Clinical review: renal tubular acidosis – a physicochemical approach. Crit Care 2005; 9: 573–80.

16. Linas SL, Berl T. Clinical diagnosis of abnormal potassium balance. In: Seldin DW, Giebisch G (eds). The regulation of potassium balance. New York: Raven 1989: 177–205.

17. Gross P, Reimann D. Das Gitelman-Syndrom. Nephro-News 2002; 3: 1–5.

18. Ma Y, He FJ, Sun Qui, Changzheng Y, Kieneker LM, Curhan GC, et al. 24-hour urinary sodium and potassium excretion and cardiovascular risk. N Engl J Med 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2109794.

8.9 Zystische Fibrose

Lothar Thomas

Die zystische Fibrose ist eine autosomal rezessive Erkrankung, die durch Veränderungen im Gen CFTR verursacht wird. Das kodierte Protein cFTR ist eine wichtige Komponente in der epithelialen Wasser- und Elektrolytbalance an der Oberfläche vieler Organe. Der Verlust von drei Basenpaaren im Gen CFTR führt zum Verlust der Aminosäure Phenylalanin in der Position 508 des Proteins cFTR. Die Anzahl der Veränderungen von CFTR soll mehr als 2000 betragen und über 700 krankmachende CFTR-Gene sind von der Cystic Fibrosis Foundation registriert /1/. Die Varianten von CFTR haben verschiedene Implikationen bezugnehmend der Bildung des Proteins cFTR. Der Verlust oder die Fehlfunktion von cFTR führen zur verminderten Sekretion von Cl und HCO3 der apikalen Membran der sekretorischen Zelle.

8.9.1 Indikation

Screening von Neugeborenen

8.9.2 Bestimmungsmethode

Die Diagnose der zystischen Fibrose basiert auf:

  • Einem positiven Ergebnis des Cl-Tests im Schweiß (siehe Beitrag 47.10)
  • Genetischen Untersuchung auf das normale Gen CFTR, drei Variationen des Gens sind die Bestätigung für eine zystische Fibrose
  • Viele Screeningprogramme bestimmen die Konzentration von Trypsinogen in einem Bluttropfen.

8.9.3 Untersuchungsmaterial

In den ersten 24–72 Lebensstunden:

  • Schweiß etwa 0,01 ml
  • Blut etwa 0,5 ml zur Bestimmung des immunreaktiven Trypsinogens
  • Blut etwa 0,5 ml zur genetischen Testung.

8.9.4 Referenzbereich

Suchtests

  • Cl Test im Schweiß: Konzentration von Cl < 60 mmol/l
  • Immunreaktives Trypsinogen: Oberhalb der 99. Perzentilen gesunder Neugeborener Bestätigung
  • Genetische Untersuchung: Keine Variation im Gen CFTR.

8.9.5 Bewertung

Bei der zystischen Fibrose sind viele Organe betroffen. Diese Manifestationen sind vereinbar mit /2/:

  • Einem positiven Schweißtest (siehe auch Beitrag 47.10) und der
  • Genetischen Testung (Nachweis von mindestens drei Variationen im Gen CFTR, die zum Verlust der Aminosäure Phenylalanin in Position 508 des Proteins cFTR führen).

In den USA betreffen etwa 85 % der Varianten des Gens CFTR den Typ F508 del, der einen Fehler in der Faltung des Proteins cFTR verursacht /14/.

Die eine zystische Fibrose verursachenden Genvarianten haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die Bildung, Expression, Prozessierung und Funktion des cFTR Proteins. Der Einfluss kann sich manifestieren /2/:

  • In der frühzeitigen Beendigung des Codons mit einem reduzierten/fehlenden cFTR Protein (Klasse I-Variante).
  • Einer frühzeitigen Degradierung des Proteins aufgrund einer fehlerhaften Faltung (Klasse II-Variante).
  • Abnormitäten im Gating des Ionenkanals (Klasse III-Variante).
  • Einem Leitfähigkeitsmangel (Klasse IV-Variante).
  • Splicing Abnormitäten (Klasse V-Variante).
  • Erhöhtem Umsatz der Zelloberfläche (Klasse VI-Variante).

Eine Variante von CFTR kann auch mehr als einen molekularen Defekt auslösen.

Klinisch wichtig ist zu wissen ist, dass die zystische Fibrose sich an mehrere Organen manifestieren kann /2/.

8.9.6 Pathophysiologie

In der äußeren Zellschicht vieler Organe ist das Protein cFTR in die Regulation des Ionentransports von Cl involviert. In den Schweißdrüsen sorgt eine normale Funktion des Proteins cFTR für die Absorption von Cl aus der isotonen Schweißdrüsenflüssigkeit.

Personen mit einer zystischen Fibrose, die auf einer Fehlfunktion des Gens CFTR beruht, haben eine verminderte Absorption von Cl aus den Gängen der Schweißdrüsen. Als Folge wird eine erhöhte Konzentration von Cl im Schweißdrüsentest gemessen.

In den Epithelien der Luftwege führt in der Zellmembran apikaler Zellen die Dysfunktion des Gens CFTR zur erhöhten Konzentrationen von Cl und HCO3. Die dauerhafte Absorption von Na+ durch den Verlust der CFTR-bedingten Hemmung des epithelialen Kanals für Na+, die für eine Absorption von Flüssigkeit sorgt, hat Konsequenzen für die Flüssigkeitsbalanz. Aufgrund der Imbalanz entsteht eine eingedickte Flüssigkeit und eine verminderte mukoziliare Funktion mit Pfropfen, die die Luftwege verschließen /4/. Die Retention eingedickter Flüssigkeit fördert bakterielles Wachstum und erhöht die Entzündungsvorgänge.

Literatur

1. Cystic fibrosis Foundation patient registry 2021 annual data report. Bethesda, MD: Cystic Fibrosis Foundation 2022. www.cff.org/sites/default/files/2021-11/Patient-Registry-Annual-data-Report.pdf.

2. Grasemann H, Ratjen F. Cystic fibrosis. N Engl J Med 2023; 389: 1693–1707.

3. Stoltz DA, Meyerholz DK, Welsh MJ. Origins of cystic fibrosis lung disease. N Engl J Med 2015; 35–62.

4. Despotes KA, Donaldson SH. Current state of CFTR modulators for treatment of cystic fibrosis.

Tabelle 8.1-1 Neurohormonale Mechanismen mit regulativer Wirkung auf die Volumenhomöostase /1/

Vasokonstriktorisch und Retention von Na+ und Wasser (antidiuretisch)

  • Sympathisches Nervensystem
  • Renin-Angiotensin-Aldosteron System
  • Nicht osmotische Freisetzung des antidiuretischen Hormons Arginin-Vasopressin (AVP)
  • Endotheline, Thromboxan A2, Neuropeptid Y

Vasodilatatorisch und Ausscheidung von Na+ und Wasser (diuretisch)

  • Natriuretische Peptide
  • NO, Prostaglandine, Kallikrein-Kinin System, Calcitonin gene-related peptide, Substanz P, β-Endorphine, vasoaktive intestinale Peptide, Adrenomodulin

Tabelle 8.1-2 Laboruntersuchungen bei Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts

Untersuchung

Auskunft

Natrium i.S.

Störung der Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz

Natrium i.U.

Hyponatriämie: Differenzierung renaler von nicht renalen Na-Verlusten

Fraktionelle Na-Exkretion (FeNa)

Abgrenzung des prärenalen vom renalen Nierenversagen

Osmolalität i.S.

Beurteilung der internen Wasserbilanz

Osmolalität i.U.

Beurteilung der renalen Bildung von freiem Wasser bei Polyurie

Osmotische Lücke i.S.

Verdacht auf Intoxikation mit Ethanol, Methanol und Äthylenglykol

Körpergewicht

Beurteilung externer Wasserbilanz

Freie Wasserclearance

Beurteilung der Menge an der aktuell überschüssigen, also von osmotisch aktiven Substanzen freiem Wasser

Kalium i.S.

Abschätzung des K-Bestands des Organismus

Kalium i.U.

Lokalisation der K-Verluste bei Hypokaliämie

Chlorid i.S.

Diagnostik metabolischer Azidosen

Chlorid i.U.

Beurteilung metabolischer Alkalosen

Anionen­lücke i.S.

Differenzierung metabolischer Azidosen

Anionen­lücke i.U.

Indirektes Maß der renalen Ammonium-Ausscheidung. Eine verminderte Ausscheidung ist ein Indikator der renal tubulären Azidose Typ 1.

Ammonium i. Urin

Beurteilung der renalen Kapazität, H+ auszuscheiden

Tabelle 8.1-3 Beurteilung pathologischer Laborbefunde des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes, nach Lit. /16/

Polyurie und Hypernatriämie:

Patient 1: Diabetes insipidus centralis nach Operation eines Kraniopharyngeoms.

Befunde: Serum Na+ 155 mmol/l, Osmolalität im Urin 120 mmol/kg.

Kommentar: Werte ≤ 300 mmol/kg weisen auf eine Wasserdiurese, Werte > 300 mmol/kg auf eine osmotische Diurese.

Was war die Ursache der Polyurie?

Die Befunde weisen auf eine Wasserdiurese. Was war deren Ursache?

Kommentar: Die Urinosmolalität betrug 120 mmol/kg trotz des Stimulus für die Freisetzung von Vasopressin. Die Urinflussrate betrug 6 ml/min. Normalerweise ist die Flussrate etwa 1 ml/min und die ausgeschiedenen Osmole betragen 0,5–0,6 mmol/min, entsprechend 800 mmol/24 h bei normaler Nahrungszufuhr, etwa die Hälfte sind Elektrolyte und die andere Hälfte Harnstoff.

Applikation von Vasopressin: Um sicher zu stellen dass es sich um einen zentralen und keinen nephrogenen Diabetes insipidus handelt wurde Vasopressin verabreicht. Gemessen wurde der Rückgangs der Urinflussrate und der Zunahme der Urinosmolalität. Die Urinflussrate ging auf inter 1 ml/min zurück die Ausscheidung der Elektrolyte nahm auf eine Konzentration von 600 mmol/l zu.

Was war die Ursache der Hypernatriämie?

In Frage kommen eine erhöhte Na+-Zufuhr oder ein Wasserdefizit. Die Erhöhung des Serum-Na+ von 140 mmol/l auf 155 mmol/l erfordert eine positive Bilanz von 450 mmol Na+ (etwa 30 l EZR-Wasser × 15 mmol/l) oder einen Verlust des EZR-Wassers von 10 %, entsprechend 3 l (10 % von 30 l), damit Serum-Na+ um 10 % ansteigt. Zur Differenzierung wird kalkuliert, ob eine vermehrte Ausscheidung von freiem Wasser die Ursache der Hypernatriämie war. Die Konzentration von Na+ und K+ im Urin betug 50 mmol/l bei einem Urinvolumen von 4 Litern. Diese Lösung kann in zwei imaginäre Komponenten aufgeteilt werden: 1,3 l isotone Salzlösung (15 mmol Na+ + K+/l) und 2,7 l freies Wasser. Siehe Abb. 8.8-3 – Aufrechterhaltung der Säure-Basen Homöostase im proximalen Tubulus. Die Ausscheidung dieser Menge an freiem Wasser sollte die Ursache der Na+-Erhöhung von 15 mmol/l sein, denn 15 mmol/l entsprechen 140 mmol/l × 30/27,3. Zur Therapie müssen 2,7 l freies Wasser in Form von isotoner Dextroselösung (50 g Glucose/l) verabreicht werden.

Patient 2: Diabetes insipidus renalis. Patient nach Knochenmarktransplantation, Gentamicintherapie, Hypotonie und deshalb Kochsalzinfusion, beginnende Niereninsuffizienz.

Was war die Ursache der Polyurie?

Befunde: Ausscheidung von 6 l Urin mit einer Omolalität von 524 mmol/kg entsprechend 3.144 mmol/24 h, Konzentration von Na + K im Urin 42 mmol/l.

Kommentar: Es liegt eine osmotische Diurese vor. Sie beruht auf einem Katabolismus von Muskelprotein. Pro kg Muskel gehen 180 g Protein verloren und pro 100 g verstoffwechseltes Protein entstehen 16 g Harnstoff-N, die in 96 g (572 mmol) Harnstoff umgewandelt werden. Die Ätiologie der hohen Osmolalität ist die Ausscheidung von Harnstoff. Ursache der niedrigen Na+ und K+-Konzentration im Urin ist die Gentamicin Behandlung des Patienten. Kationische Substanzen wie Gentamicin binden an den Calciumrezeptor am aufsteigenden Schenkel der Henle’schen Schleife und induzieren eine intrazelluläre Signalkaskade, vergleichbar den Schleifendiuretika mit der Hemmung des K+-Austritts in das Tubuluslumen. Insgesamt resultiert ein Konzentrierungsdefekt der Niere mit hoher Ausscheidung von Na+. Die relativ niedrige Na+-Konzentration im Urin resultiert aus der Harnstoff- bedingten osmotischen Diurese.

Abklärung der Hypernatriämie: Infusions-bedingt besteht bei dem Patienten eine positive Bilanz von 1 l Wasser und 378 mmol Na+ + K+ (7 l hypotone Salzlösung von 90 mmol/l wurden infundiert und 6 l Urin ausgeschieden). Somit wurde das Volumen des EZR erhöht und nicht vermindert. Ein Wasserdefizit verursacht aber eine Hypernatriämie in einer konzentrierten extrazellulären Flüssigkeit.

Akute Hyponatriämie: Bei Hyponatriämie ist es wichtig festzustellen, ob diese akut, also innerhalb der letzten 48 h aufgetreten ist oder ob es sich um eine chronische Hyponatriämie handelt. Akute Hyponatriämien müssen zur Verhinderung einer Schwellung der Hirnzellen sofort behandelt werden. Chronische Hyponatriämien bedürfen erst differentialdiagnostischer Überlegungen. Auch wenn akute Hyponatriämien mit einer milden klinischen Symptomatik beginnen, kann sich innerhalb von Stunden eine dramatische Situation entwickeln. Pathophysiologisch bedarf es entweder der vermehrten Zufuhr von freiem Wasser oder einer verstärkten renalen Aktion von ADH mit der vermehrten Zurücknahme von Wasser.

Patient: 17 Monate altes Kind, 10 kg Gewicht mit Gastroenteritis.

Befunde: Serum-Na+ 134 mmol/l, Urinosmolalität 320 mmol/kg.

Kommentar: Trotz des nur gering erniedrigten Serum-Na+ erfolgte eine Infusion hypotoner Kochsalzlösung von 750 ml mit insgesamt 37,5 mmol Na+. Aufnahme von 200 ml Wasser. Der Zustand verbesserte sich schnell, aber nach 20 h betrug das Serum-Na+ 121 mmol/l. Ursachen der Hyponatriämie war die Bildung von freiem Wasser durch die Niere. Dies auf Grund der Entsalzung der infundierten Kochsalzlösung (Abb. 8.1-3 – Bildung von elektrolytfreiem Wasser durch die Nieren). Durch die Na-Verabreichung von 7 mmol/l wurde der EZR des Kinds um 20 % erweitert, was ein Stimulus zur Na-Ausscheidung ist.

Tabelle 8.1-4 Untersuchungen zur Differenzierung der prärenalen von der renalen akuten Niereninsuffizienz /8/

Untersuchung

Prärenal

Renal

Na+ im Urin (mmol/l)

< 20

> 40

Osmolalität im Urin (mmol/kg)

> 500

< 400

Harnstoff/Creatinin Serum (mg/dl)

> 40

< 20

Creatinin (Urin/Serum)

> 0,1

< 0,05

Osmolalität (Urin/Serum)

> 1,5

> 1,0

FENa (%)

< 1

> 2

FE Harnstoff (%)

< 25

> 25

FE, fraktionelle Exkretion (Ausscheidung)

Tabelle 8.2-1 Referenzbereiche für Natrium

Erwachsene /6/:

135–145

Kinder /7/:

  • 0–7 Tg.

133–146

  • 7–31 Tg.

134–144

  • 1–6 Mon.

134–142

  • 6 Mon. – 1 J.

133–142

  • > 1 J.

134–143

Angaben in mmol/l

Tabelle 8.2-2 Erkrankungen und Ursachen, die eine Hyponatriämie bewirken können /1025/

Patienten des allgemeinen Krankenguts /12/: Patienten des allgemeinen Krankenguts mit einem Na+-Wert ≤ 125 mmol/l bei Aufnahme oder während des stationären Aufenthalts hatten innerhalb der folgenden 2 Jahre eine 3 fach höhere Mortalität als Patienten mit höheren Werten. Es handelte sich vorwiegend um eine ältere Population mit multiplen Komorbiditäten und bei den meisten Patienten resultierte die Hyponatriämie aus einer multifaktoriellen Ätiologie. Häufige Ätiologien waren Thiaziddiuretika, Stauungsinsuffizienz des Herzens und Lebererkrankungen. Obwohl viele Patienten die Kriterien eines SIADH erfüllten, wurde diese Diagnose von den einweisenden Ärzten nicht gestellt, wohl auch deswegen weil ein erheblicher Teil der Patienten eine Diuretika Therapie hatte.

Akute Hyponatriämie in der Notfallaufnahme: Die akute Hyponatriämie entwickelt sich innerhalb von 48 h und ist mit neurologischen Manifestationen assoziiert. Nach einer Untersuchung /26/ beträgt die Inzidenz 0,8 % und die mittlere Na+-Konzentration 115 ± 4 mmol/l. Weitere Laborbefunde waren Hypourikämie und eine verminderte Harnstoffkonzentration. Die Wasseraufnahme betrug 2,5–10 Liter vor dem Tag der Präsentation in der Notfallaufnahme. Die wesentlichen Ätiologien waren: Diuretika Therapie bei Hypertonikern, Polyethylenglykol Vorbehandlung zur Koloskopie, Tees zur Gewichtsabnahme, Aborte mit Oxytocin, primäre Polydypsie bei Einnahme von Neuroleptika, Ektasyabusus.

Herzinsuffizienz /14/: Etwa 5 % der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben eine Hyponatriämie. Sie entwickelt sich bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz als kompensatorische Antwort auf ein vermindertes Herzminutenvolumen und ein vermindertes zirkulierendes effektives Blutvolumen. Letzteres wird von den Barorezeptoren signalisiert und das Renin-Angiotensin System, das sympathische Nervensystem und die Ausschüttung von Arginin-Vasopressin (AVP) aktiviert. Als Folge werden Wasser und Na+ retiniert, trotz erhöhten Gesamtkörperwassers. Es bildet sich eine hypervolämische Hyponatriämie aus. Diese Patienten haben eine erhöhte AVP Konzentration, die auch bei einer akuten Wasserbelastung nicht abfällt.

Die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz, die wegen zunehmender Abnahme der systolischen Funktion klinisch aufgenommen werden, ist von der Na+-Konzentration bei der Aufnahme abhängig. So hatten Patienten mit einer Konzentration von 134 (132–135) mmol/l im Vergleich zu denjenigen mit 142 (141–144) mmol/l eine Krankenhausmortalität von 5,9 % gegenüber 1 % und eine 60 Tage Mortalität von 15,9 % gegenüber 6,4 % /27/. In einer weiteren Studie /28/ betrug die mediane Überlebenszeit bei Na+-Werten ≤ 130 mmol/l nur 99 Tage, bei Werten darüber aber 337 Tage. Eine andere Untersuchung /29/ hat gezeigt, dass die Wiedereinweisungen innerhalb von 90 Tagen um 20 % höher sind, wenn der Na+-Wert bei der Erstaufnahme 3 mmol/l unter dem unteren Referenzbereichswert liegt.

Ein Anstieg der Na+-Konzentration um 2 mmol/l unter Behandlung der Herzinsuffizienz Patienten im Krankenhaus reduzierte in der ACTIV-CHF Studie die 60 Tage Mortalität auf 16 % im Vergleich zu 30 % bei denjenigen ohne Anstieg /30/.

Pathophysiologie /18/: Gesunde scheiden nach einer Wasserbelastung von 20 ml/kg Körpergewicht mehr als 80 % dieser Menge innerhalb von 5 h wieder aus. Die Normalisierung der Wasserbalance beruht auf einer Verminderung der AVP-Sekretion ab einer Na+-Wert-Konzentration im Plasma unter 135 mmol/l und einer Reduzierung der Urinosmolalität auf gewöhnlich unter 100 mmol/kg. Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (New York Heart Association, Klasse III und IV) können das nicht. Sie haben im Vergleich zu Gesunden eine milde Hyponatriämie bei einer mittleren Urinosmolalität von 273 mmol/kg und die Na+-Konzentration im Urin ist unter 20 mmol/l.

Diuretika /14/: Bei Patienten des allgemeinen Krankengutes und einer singulären Ätiologie ist die Einnahme von Schleifendiuretika (Furosemid, Bumetanid, Torsemid) die häufigste Ursache einer Hyponatriämie. Schleifendiuretika sind organische Anionen, die zu über 90 % an Proteine gebunden sind, was ihr Verteilungsvolumen einschränkt. Schleifendiuretika aktivieren das Renin-Angiotensin-Aldosteron System, erweitern direkt die Blutgefäße und erhöhen die Konzentration vasodilatatorischer Prostaglandine und den Druck innerhalb des proximalen Tubulus. Eine Dosierung der Schleifendiuretika erhöht die Ausscheidung von NaCl für mehrere Stunden, aber danach folgt eine Periode der niedrigen Ausscheidung von Na+ auch post diuretische Natriumretention genannt.

Bis zu einem Drittel der Patienten, die mit Hyponatriämie stationär aufgenommen werden, nehmen Schleifendiuretika ein und 14 % der Patienten, denen ambulant Schleifendiuretika verschrieben werden, haben eine Hyponatriämie /31/. Die Diurese induzierte Depletion von Na+ kann zu einer nicht-osmotischen Stimulation von AVP führen, aus der eine Retention von Wasser resultiert. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und Schleifendiuretika Einnahme kommt es aber eher zu einer Volumendepletion mit konsekutiver Reduktion der glomerulären Filtrationsrate und einer verstärkten Reabsorption von Na+ im proximalen Tubulus. Somit wird die Anlieferung von Primärharn an die Verdünnungssegmente (Henle’sche Schleife, distales Konvolut) vermindert und weniger freies Wasser ausgeschieden. Die Schleifendiuretika induzierte Hyponatriämie setzt gewöhnlich 2 Wochen nach Therapiebeginn ein.

Schleifendiuretika aktivieren das Renin-Angiotensin-Aldosteron System, erhöhen die Konzentration von Angiotensin II, das die nicht osmotische Stimulation von AVP bewirkt. Da Diuretika die Ausscheidung von Kochsalz und Wasser erhöhen ist Durst eine Nebenwirkung, die ebenfalls zur Hyponatriämie beiträgt.

SIADH: Eine Hyponatriämie unter 125 mmol/l ist häufig mit dem Syndrome of inappropriate antidiuretic hormone (SIADH) secretion assoziiert. Das SIADH ist die Folge der Zunahme des Gesamtkörperwassers. Es fehlen dann in der Regel die Ödeme. Steigt zusätzlich das Gesamtkörper-Natrium an, treten Ödeme auf. Gewöhnlich tritt die Hyponatriämie mit einer Hypoosmolalität auf. Das SIADH kommt bei drei Gruppen von Erkrankungen vor: Malignen Tumoren, pulmonalen Störungen und Störungen des Zentralnervensystems. Die Na+-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l, kann aber auf unter 10 mmol/l abfallen bei Natriumrestriktion oder Verminderung des EZFV. Die Urinosmolalität ist höher als die des Serums. Siehe auch Beitrag 8.6 – Arginin-Vasopressin (AVP), Copeptin (CT-proAVP).

Niereninsuffizienz: Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz, sowohl beim chronischen als auch dem akuten Nierenversagen, kann es mit der Ausbildung von Ödemen zur Hyponatriämie kommen. Ursache von Ödemen und Hyponatriämie sind:

  • Eine Na+-Retention, da auf Grund der verminderten GFR nur ungenügend Na+ ausgeschieden werden können. So werden bei einer Verminderung der GFR auf 5 ml/min bei einer Na+-Konzentration von 140 mmol/l anstatt 20.000 mmol Na+ nur noch 1.000 mmol täglich filtriert.
  • Eine verminderte renale Wasserausscheidung. So können bei einer GFR von 5 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] nur noch etwa 2 l freies Wasser von der Niere gebildet werden. Überschreitet die tägliche Wasseraufnahme diese Menge, resultieren eine positive Wasserbilanz und Hyponatriämie. Die Kapazität dieser Patienten, Urin zu verdünnen, ist aber bei weitem nicht so stark eingeschränkt wie die zur Konzentrierung des Urins. Die Na+-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l.

Die meisten Patienten mit renaler Insuffizienz und einer glomerulären Filtrationsrate unter 15 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] können bei geringer diätetischer Kochsalzaufnahme die renale Na+-Ausscheidung nur ungenügend begrenzen. Normalpersonen reduzieren 1–3 Tage nach der Einschränkung die renale Ausscheidung auf 1–3 mmol/l. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz sind 1–3 Wochen notwendig, die Na+-Konzentration im Urin fällt nicht unter 20 mmol/l. Bei normaler Kochsalzzufuhr kann diese Gruppe von Patienten den Wasserhaushalt ausbalancieren und es kommt zu keiner Hyponatriämie. Es gibt aber auch eine Gruppe von Patienten mit schwerem Salzverlust, diese benötigen die Gabe von Kochsalz, um eine Volumenverminderung und Hyponatriämie zu vermeiden.

Mineralokortikoid-Mangel: Bewirkt eine Hyponatriämie und Verminderung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV). Angenommen wird, dass die Verminderung des EZFV auf Grund eines Mangels an Mineralokortikoiden die Sekretion von AVP auf nicht Osmorezeptoren vermitteltem Wege bewirkt. Es liegt eine Hyperkaliämie vor, die Na+-Konzentration im Urin ist nicht auf unter 20 mmol/l einzuschränken.

Glukokortikoid-Mangel: Die AVP-Sekretion wird trotz einer Hypoosmolalität nur ungenügend unterdrückt. Die Konzentration von Renin ist niedrig-normal. Es wird angenommen, dass ein normales Cortisol für die Hemmung der AVP-Sekretion notwendig ist /10/. Die Na+-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l.

Osmotische Diurese: Kann zum Verlust von Kochsalz und Wasser mit Verminderung des EZFV und zur Hyponatriämie führen. Betroffen sind z.B. Diabetiker mit Glucosurie, Patienten mit Harnstoffdiurese nach Beseitigung einer Harnwegsobstruktion. Die Na+-Konzentration im Spontanurin ist über 20 mmol/l.

Renal tubuläre Azidose (RTA), metabolische Alkalose /32/: Bei Patienten mit proximaler RTA (RTA Typ II) und bei Zuständen mit metabolischer Alkalose, z.B. bei schwerem Erbrechen, ist die Ausscheidung von Bicarbonat erhöht. Da Bicarbonat ein relativ impermeables Anion ist, verursacht es zur Wahrung der Elektroneutralität die Ausscheidung von Kationen wie Na+, K+ und Ca++. Es liegt eine Bicarbonaturie vor, die Na+-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l. Der RTA Typ II liegt eine defekte Reabsorption von Bicarbonat im proximalen Tubulus und dementsprechend eine verminderte Sekretion von H+ zu Grunde.

Pankreatitis, Peritonitis, Ileus, Verbrennungen: Der extrarenale Verlust von Wasser und Na+ führt zu einer Verminderung des EZFV. Dies ist der Fall bei Flüssigkeitsverlust in den dritten Raum, z.B. die Bauchhöhle bei Peritonitis, das Darmlumen bei Ileus oder bei Pankreatitis, schwerem Muskeltrauma oder Verbrennungen. In diesen Fällen ist der Urin konzentriert und die Na+-Konzentration unter 20 mmol/l.

Erbrechen, Durchfälle: Bei gastrointestinalen Flüssigkeitsverlusten wie Erbrechen und Durchfall gehen auch K+, Bicarbonat und H+ verloren. Bei starkem Erbrechen resultiert eine metabolische Alkalose, bei Durchfällen eine metabolische Azidose. Bei starkem Erbrechen verursacht die Bicarbonaturie eine Na+-Konzentration im Urin über 20 mmol/l und eine Cl-Konzentration unter 10 mmol/l. Die Urinosmolalität ist bei extrarenalen Flüssigkeitsverlusten über 800 mmol/kg.

Ketonurie: Bei schlecht eingestellten Diabetikern werden auf Grund der Ausscheidung negativ geladener Ketonkörper zur Wahrung der Elektroneutralität Na+, K+ und NH4+ ausgeschieden. Es resultiert eine Hyponatriämie mit Verminderung des EZFV. Die Na+-Konzentration im Spontanurin ist über 20 mmol/l. Es handelt sich um Patienten mit Hyponatriämie, die keine Anzeichen der Hypovolämie oder von Ödemen haben. Die Störung beruht auf einer Retention von osmotisch aktiven Substanzen und freiem Wasser.

Hypothyreose: Eine schwere Hypothyreose geht mit einer nicht osmotisch bedingten Freisetzung von AVP einher. Auf Grund des niedrigen Herzminutenvolumens kommen zu wenige osmotisch aktive Substanzen in den Verdünnungssegmenten der Nieren an, was zur Stimulierung der AVP-Freisetzung führt /15/.

Psychotische Patienten: Etwa 10 % der chronisch psychiatrisch Kranken trinken große Mengen Wasser, etwa 5 % haben eine Wasserintoxikation. Als Ursachen kommen funktionelle Änderungen der Osmorezeptoren, eine unangemessene Antwort auf den Durstmechanismus, eine renale Überempfindlichkeit auf AVP und eine AVP unabhängige Störung der Urinverdünnung in Frage.

Postoperative Zustände: Etwa 5 % der postoperativen Patienten haben eine Hyponatriämie. Ursache soll eine vermehrte AVP Sekretion, stimuliert über Barorezeptoren, sein.

Medikamente: Pharmaka können die renale Wasserausscheidung hemmen und zu einer Hyponatriämie führen.

– Nikotin: Nikotin vermindert die renale Wasserausscheidung durch Stimulation der AVP-Sekretion.

– Isoproterenol: Soll über eine Stimulation von Barorezeptoren die AVP-Sekretion steigern.

– Morphin: Bewirkt über spezifische Rezeptoren eine vermehrte AVP-Sekretion.

– Clofibrat: Wirkt über eine AVP-Freisetzung aus der Neurohypophyse.

– Carbamazepin: Soll über eine direkte Wirkung an der distalen renalen Tubuluszelle oder über eine Erhöhung der Sensitivität der Tubuluszelle für AVP die renale Wasserausscheidung vermindern.

– Chlorpropamid: Chlorpropamid und hohe Dosen Tolbutamid bewirken bei 4 % der Diabetiker eine Hyponatriämie. Der Mechnismus soll auf einer erhöhten AVP-Freisetzung, Stimulation der Adenylatcyclase-Synthese oder Hemmung der cyclischen AMP-Phosphodiesterase beruhen.

– Antidepressiva: Hyponatriämie wurde im Zusammenhang mit der Einnahme von trizyklischen Antidepressiva und Monoaminooxidasehemmern beschrieben.

– Indomethacin: Stimuliert die Sekretion von AVP durch Hemmung von Prostaglandinen. Diese beeinflussen wahrscheinlich die Wirkung von AVP durch eine Verminderung der AVP-stimulierenden Wirkung auf cyclisches AMP.

– Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Tmp-Smx): Bei Patienten mit Pneumocystis carinii-Infektion, die mit hohen Dosen Tmp-Smx (12 g/d) behandelt werden, sind schwere Hyponatriämien von 109 mmol/l und Hyperkaliämien von 6,6 mmol/l am 3.–4. Behandlungstag beschrieben. Die Störung soll auf einer direkten Wirkung von Tmp-Smx an der Tubuluszelle beruhen /13/.

Oedeme: Das Gesamtkörper-Natrium und das Körperwasser sind vermehrt bei Erkrankungen, die mit Ödemen einhergehen wie Stauungsinsuffizienz des Herzens, Leberzirrhose, Nierenversagen und das nephrotische Syndrom. Ursache der Ödeme ist eine Verminderung des effektiven arteriellen Blutvolumens, das eine verminderte renale Wasserausscheidung bewirkt durch:

  • Erhöhung der Flüssigkeits- und Wasserresorption im proximalen Tubulus. Dadurch kommt es zu einer verminderten Anlieferung von Wasser in das distale Verdünnungssegment.
  • Aktivierung von arteriellen Barorezeptoren. Diese stimulieren die drei vasokonstriktorischen Systeme wie das Renin-Angiotensin-Aldosteron System (RAA-System), das sympathische Nervensystem und die AVP Sekretion. Aus der Aktivierung des RAA-Systems resultiert ein sekundärer Hyperaldosteronismus, der am distalen Tubulus eine verstärkte Reabsorption von Na+ bewirkt. Der Na+-retinierende Effekt erfolgt in Kombination mit einer verstärkten K+-Ausscheidung.

Da häufig Diuretika bei Patienten mit Ödemen verordnet werden, ist meist nicht feststellbar, ob die verminderte Wasserausscheidung und die Hyponatriämie auf der primären Erkrankung oder der Diuretikatherapie beruhen.

Leberzirrhose: Patienten mit Leberzirrhose ohne Ödeme oder Ascites haben eine normale Ausscheidung von Wasser. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose kommt es zur Flüssigkeitsretention mit Ödemen und Ascites und in späten Stadien zu einer schweren Na+-Retention, ein Zustand der in extremer Situation als hepatorenales Syndrom bezeichnet wird. Die Na+-Konzentration im Urin ist unter 20 mmol/l. Ursachen der EZFV-Vermehrung und Hyponatriämie sind die verminderte Anlieferung von Wasser im distalen Verdünnungssegment und die vermehrte AVP-Sekretion.

Es wird angenommen, dass die hepatische Blutzirkulation über afferente Sensoren verfügt, die den efferenten Blutfluss regeln. Eine Restriktion des hepatischen venösen Flusses durch die Zirrhose steigert die intrahepatische Resistenz, erhöht den sinusiodalen Druck, vermindert den Blutfluss in der Portalvene und steigert den hepatischen arteriellen Fluss. Entweder durch erhöhte intrahepatische Kräfte oder durch Veränderung des hepatischen Blutmixes soll es zur Aktivierung einer erhöhten renalen Na+-Retention kommen /33/. Das Anlegen eines portokavalen Shunts korrigiert die renale Na+-Retention.

Lebertransplantation /34/: Patienten, die für eine Lebertransplantation vorgesehen sind, werden nach dem Model of Enstage Liver Disease (MELD)-Score selektiert. Dieser berücksichtigt das Bilirubin und Creatinin im Serum und die International Normalized Ratio (INR). Ein weiterer aussagekräftiger Parameter ist die Na+-Konzentration im Serum. Konzentrationen unter 126 mmol/l während der Listung oder vor der Transplantation bei Leberzirrhose Patienten haben eine deutliche Erhöhung der Mortalität 3–6 Monate nach Transplantation.

Nephrotisches Syndrom: Die Na+-Konzentration ist beim nephrotischen Syndrom nur nach akuter Wasserbelastung oder unter Diuretika Therapie vermindert. Es kann auch eine Pseudohyponatriämie auf Grund einer Hyperlipidämie vorliegen, wenn die Na+-Bestimmung nicht vermittels direkter ISE-Messung erfolgt. Die Na+-Konzentration im Urin ist unter 20 mmol/l.

Ursache der verminderten Wasserausscheidung sind intrarenale Faktoren, wie die verminderte GFR, aus der ein reduziertes Flüssigkeitsangebot an den distalen Tubulus resultiert und extrarenale Faktoren wie die vermehrte Freisetzung von AVP.

Hämodialyse /35/: Normale Hydratation und normales Na+ im Serum sind eine wesentliche Zielsetzung der Therapie. Flüssigkeitsüberladung führt zur linksventrikulären Hypertrophie, der Mangel zu anderen Komplikationen. Patienten mit einer EZFV-Überladung über 15 % haben eine erhöhte Mortalität. Etwa 25 % der Patienten mit regelmäßiger Dialyse haben vor dem Beginn der Dialyse eine Volumenüberladung von über 2,5 L (über 15 %), wodurch die Mortaltät um den Faktor 2 erhöht ist /36/.

Chronische Alkohol-Erkrankung /41/: Bei Einweisung in die Klinik haben diese Patienten häufig eine metabolische Azidose und eine Hyponatriämie. Die anderen Serumbestandteile wie K+, Ca2+, Mg2+ und Phosphat sind häufig normal. Jedoch nach Beginn der Therapie zur Beseitigung der Azidose und Korrektur des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens nach 24 bis 36 Stunden zeigen diese Bestandteile eine erniedrigte Konzentration als Folge des chronischen Alkoholabusus.

Akuter Alkoholkonsum

Der akute Alkoholkonsum induziert eine Wasserdiurese aufgrund der verminderten Ausschüttung von Vasopressin, was zu einer Dehydrierung und Hypernatriämie führt.

Chronischer Alkoholabusus

Beim chronischen Alkoholgenuss ist der suppressive Effekt auf Vasopressin aufgehoben, die Konzentration steigt an, was zu einer erhöhten Urinosmolalität und verminderten Ausscheidung von freiem Wasser führt. Die Folge ist eine Hyponatriämie, die bei 17 % der chronischen Alkoholiker auftritt.

Bier-Trunksucht

Die Trunksucht von Bier verursacht eine Hyponatriämie, die unabhängig von Vasopressin ist. Diese Personen trinken ein großes Biervolumen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes ohne eine adäquate Nahrungszufuhr. Die niedrige Ausscheidung von Soluta (im Urin gelöste Substanzen) begrenzt die Ausscheidung von Wasser durch die Nieren /42/, denn Bier hat nur einen geringen Anteil an Na+ und an Proteinen und stellt somit wenig Soluta zur Verfügung.

Tabelle 8.2-3 Erkrankungen und Ursachen, die eine Hypernatriämie bewirken können /1537/

Schwitzen, insensibler Wasserverlust: Massiver Wasserverlust ohne adäquaten Na+-Verlust bewirkt eine Verminderung des EZFV und eine Hypernatriämie. Häufig sind extrarenale (insensible) Wasserverluste Ursache der Hypernatriämie, z.B. Schwitzen, Verlust hypotoner Flüssigkeit über den Darm oder die Haut. Auch die verminderte Wasseraufnahme, insbesondere von geriatrischen Personen oder hospitalisierten Patienten mit verändertem Sensorium oder medikamentöser Sedierung führt zur Hypernatriämie, obwohl die osmotische Regulation des Wasserhaushaltes noch in Ordnung ist. Es besteht jedoch ein reduziertes Durstgefühl. Klinisch resultiert eine Exsikkose. Sie ist definiert als eine Dehydratation mit einem Verlust von über 3 % des Körpergewichts, einem Serum-Na ≥ 148 mmol/l und einem Harnstoff-Creatinin Verhältnis (mg/dl/mg/dl) von über 25.

Laborbefunde: Urinvolumen unter 1.000 ml/24 h, Urinosmolalität über 700 mmol/kg.

Osmotische Diurese, z.B. Hyperglykämie, profuse Durchfälle: Der Verlust hypotoner Flüssigkeit kann erfolgen:

  • Renal, z.B. auf Grund osmotischer Diurese durch Glucose, Harnstoff, Mannitol.
  • Insensibel, also extrarenal, auf Grund von Durchfällen oder massivem Schwitzen.
  • Bei Kindern können Sorbitol haltige Abführmittel, wenn mehr als 0,5 g Sorbitol/kg Körpergewicht zugeführt werden, zu massiver Diarrhoe mit Hypernatriämie führen. Bei Diarrhoen muss für einen genügenden hypotonen Flüssigkeitsersatz gesorgt werden, damit die Nieren eine osmolale Homöostase aufrecht erhalten können. Dies ist besonders wichtig bei Kindern mit Gastroenteritis. Wird diesen eine Nahrung oder Flüssigkeitsersatz verabreicht, die einen hohen Anteil an osmotisch aktiven Substanzen enthält, ist eine Rehydrierung nicht möglich und eine hypernatriämische Dehydratation ist die Folge. Die WHO empfiehlt die orale Rehydrierung mit Flüssigkeit, die 90 mmol/l Natrium enthält.

Labordiagnostik: Urinvolumen unter 1.000 ml/24 h, Urinosmolalität über 700 mmol/kg.

Diabetes insipidus (DI): Der DI resultiert aus einer verminderten zentralen AVP-Sekretion (hypothalamisch-bedingt) oder einer Endorganresistenz (nephrogen bedingt). Der schwere DI ist charakterisiert durch eine starke Polyurie und eine sekundäre Polydipsie. Häufiger sind partielle Defekte mit einer moderaten Polyurie.

Der zentrale DI resultiert aus einer Nekrose der AVP sezernierenden Neurone, insbesondere durch Metastasen von Mama- und Bronchialkarzinomen sowie granulomatösen Erkrankungen mit Beteiligung des Gehirns.

Der kongenitale renale DI ist sehr selten. Der erworbene wird häufig verursacht durch Medikamente, wie z.B. Lithium, aber auch durch chronische tubulointerstitielle Erkrankungen, obstruktive Nephropathie, Hyperkalziämie und schwerem Mangel an Calcium /15/.

Laborbefunde: Beim partiellen zentralen DI oder dem erworbenen nephrogenen DI ist die Urinosmolalität unter 700 mmol/kg, aber höher als die des Serums.

Dysnatriämie bei Marathonläufern /38/: Eine Dysnatriämie wurde bei 429 von 1,319 (32,5 %) kollabierten Marathonläufern gemessen. Eine Hypernatriämie lag bei 366 (27,7 %) und eine Hyponatriämie bei 63 (4,8 %) vor. Bei den hypernatriämischen Läufern hatten 314 Werte von 146–150 mmol/l und 52 über 150 mmol/l. Bei den 63 Läufern mit Hyponatriämie hatten 26 eine Na+-Konzentration unter 130 mmol/l.

Idiopathisches Hypernatriämie Syndrom: Es handelt sich um Patienten, die im Vergleich zu Normalpersonen bei höherer Plasmaosmolalität ihren Urin verdünnen oder konzentrieren. Gemeinsam ist diesen Patienten eine nicht durch Volumenverlust erklärbare persistierende Hypernatriämie, eine Abschwächung oder der Verlust des Durstgefühls, ein partieller Diabetes insipidus sowie ein normales Ansprechen der Nieren auf AVP. Klinisch haben viele dieser Patienten hypothalamische Läsionen und können durch Fettsucht, Hypodypsie, episodische Muskelschwäche und Verminderung der psychomotorischen Aktivität auffällig sein. Ätiologisch können dem essentiellen Hypernatriämie Syndrom zu Grunde liegen: Metastasen, Hypophysenadenom, Teratom, Dysgerminom, Kraniopharyngeom, ektopes Pinealom, Histiozytose, Sarkoidose, Schädeltrauma, Meningeom.

Intensivpatienten: Während die Hypernatriämie im allgemeinen medizinischen und chirurgischen Krankengut eine Prävalenz von 1 % hat, beträgt sie bei Intensivpatienten 10–26 %. Wesentliche Risikofaktoren sind die künstliche Beatmung, Sedierung und Koma. Bei einem Drittel der hypernatriämischen Patienten besteht die Hypernatriämie schon bei Verlegung auf die Intensivstation, bei dem Rest entsteht sie erst dort und ist bedingt durch renalen Wasserverlust, die Unfähigkeit Durst mitzuteilen und ein inadäquates Flüssigkeitsregiment. In einer Studie /39/ an 8.441 Intensivpatienten hatten 11 % eine milde Hypernatriämie (145–149 mmol/l) und 4,2 % eine moderate bis schwere Hypernatriämie (über 150 mmol/l). Während die Mortalität bei Patienten ohne Hypernatriämie 15,2 % betrug, war diese bei Patienten mit milder Hypernatriämie 29,5 % und bei denjenigen mit moderater bis schwerer Hypernatriämie 46,2 %.

Ileus, Pankreatitis, Dickdarmobstruktion: Zustände mit Verlust von Wasser und Na+, bei denen der Wasserverlust höher als der Na+-Verlust ist, führen zur Hypernatriämie mit niedrigem Gesamtkörper-Natrium und Volumendepletion. Auch wenn Wasser in den dritten Raum verloren geht, kann es bei ungenügendem Wasserersatz zur Hypernatriämie kommen.

Hypernatriämie in der Neugeborenenperiode: Neugeborene haben gegenüber Erwachsenen ein vermindertes renales Konzentrierungsvermögen und einen höheren insensiblen Wasserverlust. Erfolgt der Flüssigkeitsersatz ausschließlich durch Muttermilch und hat diese eine hohe Na+-Konzentration, kann eine Hypernatriämie resultieren. Eine weitere Ursache ist eine hypertone Dehydratation, die bei ausschließlich mit Muttermilch gefütterten Kindern an den Lebenstagen 3–4 auftritt. Kriterium der Dehydratation ist ein Verlust des Gewichts am Tag 3–4 gegenüber dem Geburtsgewicht (≥ 2.500 g) um über 10 %. In einer Studie /40/ betrug die Inzidenz der moderaten Dehydratation (Na 146–149 mmol/l) 0,9 %, bei denjenigen mit schwerer Dehydratation (Na ≥ 150 mmol/l) 0,6 %.

Zufuhr von konzentriertem Kochsalz: Es besteht eine Hypernatriämie bei hohem Gesamtkörper-Natrium. Neben der Zufuhr von konzentrierter Kochsalzlösung oder von Natriumbicarbonat sind weitere Ursachen das Trinken von Meerwasser, die übermäßige Einnahme von Kochsalztabletten in heißen Regionen der Erde.

Laborbefunde: Urinvolumen normal, Urinosmolalität über 700 mmol/kg.

Hämodialyse: Hypernatriämien können auftreten, wenn die Dialyse gegen zu hohe Salzkonzentrationen im Dialysat erfolgt. Bei der Peritonealdialyse geht relativ mehr Wasser als Na+ durch das Peritoneum. Beträgt die Na+-Konzentration im Dialysat z.B. 132 mmol/l, kommt es zu einem relativen Anstieg der Osmolalität und von Na+ im Serum und zu Durstgefühl. Es wird deshalb empfohlen, die Na+-Konzentration im Dialysat niedriger einzustellen.

Primärer Hyperaldosteronismus: Der primäre Hyperaldosteronismus führt auf Grund seines Na+-konservierenden Effekts zu einer Vermehrung des Gesamtkörper-Natriums und zu einer leichten Volumenexpansion. Oft werden Na+-Konzentrationen im Serum von 145–149 mmol/l gemessen.

Tabelle 8.3-1 Referenzbereiche für Chlorid

Erwachsene /1/

95–105

Kinder /2/

  • 1–7 Tg.

96–111

  • 7–30 Tg.

96–110

  • 1–6 Mon.

96–110

  • 6 Mon. – 1 J.

96–108

  • > 1 J.

96–109

Angaben in mmol/l

Tabelle 8.3-2 Differentialdiagnose der metabolischen Azidose durch Bestimmung der SID im Urin /4/

Renal tubuläre Azidose

Urin SID (Na+ + K+ + Ca2+ + Mg2+ – Cl) = > 0

  • Distal (Typ 1): Urin pH > 5,5
  • Proximal (Typ 2): Urin pH < 5,5 (niedriges Serum K+)
  • Aldosteronmangel (Typ 4): Urin pH < 5,5 (hohes Serum K+)

Nicht renal

Urin SID (Na+ + K+ + Ca2+ + Mg2+ – Cl) = < 0

Gastrointestinal: Durchfälle, Dünndarm- oder Pankreasdrainage.

Iatrogen: Parenterale Ernährung, erhöhte Salzzufuhr.

Tabelle 8.3-3 Erkrankungen und Störungen, die mit einer Erhöhung des Chlorids im Serum einhergehen

Metabolische Azidose – Kritisch Kranke mit akuter Form /5/: Bei kritisch Kranken ist die metabolische Azidose ein weitaus größeres Problem als die metabolische Alkalose. Sie beruht auf einer Vermehrung von Chlorid (Cl), Lactat oder anderen Anionen. Akute metabolische Azidosen resultieren aus der verstärkten Bildung endogener oder der Zufuhr exogener Säureäquivalente. Deren Bildung beträgt normal 80 mmol/24 h und kann bei der akuten Lactatazidose oder Ketoazidose auf bis zu 500 mmol/24 h gesteigert sein. Die Differenzierung dieser Zustände erfolgt durch Bestimmung der SID im Spontanurin (Tab. 8.3-2 – Differentialdiagnose der metabolischen Azidose durch Bestimmung der SID im Urin). Die akute metabolische Azidose geht mit einer erhöhten Anionenlücke einher.

Bei Kochsalzinfusionen resultiert eine metabolische Azidose nicht durch die Verdünnung von HCO3, sondern durch Cl. Die Gabe von Cl vermindert die SID und erhöht die Dissoziation von Wasser mit konsekutivem Anstieg von H+.

– Zustände mit chronischer Form: Es liegt eine ungenügende renale Ausscheidung von Säureäquivalenten oder ein Verlust von HCO3 vor, es hat sich aber ein Gleichgewicht zwischen Elimination und Bildung saurer Äquivalente eingestellt.

Labordiagnostik: Cl ist erhöht, HCO3 und pCO2 sind erniedrigt. Klinische Symptome wie Abgeschlagenheit und Belastungsdyspnoe treten auf, wenn HCO3 unter 15 mmol/l beträgt und der arterielle pH unter 7,3. Schwere klinische Symptome sind die Regel bei HCO3 um 7 mmol/l und pH unter 7,2.

Renal tubuläre Azidose – RTA Typ I: Renal tubuläre Azidosen (RTA) /6/ verursachen eine hyperchlorämische metabolische Azidose. Die RTA Typ I ist die klassische distale RTA. Es besteht das Unvermögen der Niere, trotz einer systemischen Azidose, den pH des Urins unter 5,5 zu senken.

Primäre Formen, sporadisch und genetisch, aber auch bei Autoimmunerkrankungen.

Erworbene Formen, z.B. interstitielle Nephropathie, Medikamente wie Amphotericin B, nach ureteroenteraler Operation

Klinik: Osteomalacie, Knochenschmerz, Myopathie, Nephrokalzinose, Nephrolithiasis (besonders Phosphatsteine). Die RTA Typ I tritt häufig familiär auf, auch inkomplette Varianten ohne systemische Azidose kommen vor. Die Diagnose kann durch Ammoniumchlorid-Belastung (0,1 g/kg Körpergewicht) gesichert werden. Der pH des Harns und HCO3 werden über 8 h stündlich gemessen. Die RTA Typ I ist wahrscheinlich, wenn bei einem Abfall des HCO3 unter 20 mmol/l der Urin-pH nicht unter 5,5 abfällt.

Laborbefunde: Hyperchlorämie, Azidose mit HCO3 unter 20 mmol/l, Hyperkaliämie, vermehrte renale Ausscheidung von Na+, K+, Ca2+, der Urin-pH ist gewöhnlich über 6, Erhöhung der AP im Serum.

– RTA Typ II: Die RTA Typ II ist die proximale renal tubuläre Azidose. Sie beruht auf einer defekten Reabsorption von HCO3 im proximalen Tubulus. Oft besteht eine zusätzliche Störung der Reabsorption von Glucose, Aminosäuren und Phosphat im Sinne eines Fanconi Syndroms.

Klinik: Die RTA Typ II wird vorwiegend im Kindesalter diagnostiziert. Unter Ammoniumchlorid-Belastung fällt der pH des Urins unter 5,5.

Laborbefunde: Hyperchlorämische Azidose, Hypokaliämie, Urin-pH gewöhnlich über 6.

– RTA Typ IV /7/: Dieser Typ der RTA kommt klinisch am häufigsten vor, wird gefunden bei progressiver Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden, wenn beide gleichzeitig vorliegen. Ätiologisch besteht primär eine Störung der renalen K+-Sekretion und sekundär eine Störung der H+-Sekretion. Diese soll auf einer defekten Tubulusfunktion, der verminderten Aldosteron- oder Renin-Sekretion oder einer Kombination der drei Störungen beruhen.

Laborbefunde: Hyperchlorämische Azidose, Hyperkaliämie, Harn wird normal konzentriert.

Chronische Hyperventilation: Fieber und Erkrankungen des Zentralnervensystems können eine Hyperventilation mit Ausbildung einer respiratorischen Azidose bewirken. Im Plasma kann ein Profil der Elektrolyte wie bei RTA auftreten.

Applikation von Chloriden: Eine exogen bedingte hyperchlorämische Azidose mit normaler Anionenlücke tritt bei der Gabe von Ammoniumchlorid, Lysinchlorid oder Argininchlorid auf.

Ureterosigmoidostomie: Bei längerem Verweilen von Clreichem Urin im Sigma werden Cl gegen HCO3 ausgetauscht. Letzteres geht mit dem Stuhl verloren. Normale Anionenlücke bei hyperchlorämischer Azidose.

Pseudohyperchlorämie /8/: Bromide täuschen erhöhte Cl-Werte vor, da sie in die Cl-Bestimmung mit eingehen. Wird die Bestimmung am Chloridmeter durchgeführt, so ist der Fehler gering, da bei einem zunehmenden Anstieg der Bromid Ionen im Plasma die Cl-Konzentration abfällt, so dass die totale Halogenkonzentration im Plasma annähernd gleich bleibt. Die Anionenlücke ist normal, denn der gemessene Cl-Wert entspricht der wirklichen Summe von Cl und Bromid.

Erfolgt die Messung mit der Clselektiven Elektrode oder photometrisch, so gehen Bromide stärker in den Messwert mit ein, als es ihrer tatsächlichen Konzentration entspricht. Die Anionenlücke ist stark erniedrigt, oft sogar negativ. Eine negative Anionenlücke ist nahezu pathognomonisch für Bromide.

Tabelle 8.3-4 Erkrankungen, die mit einer Verminderung des Chlorids im Serum einhergehen /4/

Metabolische Alkalose – Kritisch Kranke: Durch einen raschen Anstieg der HCO3-Konzentration wird die renale HCO3-Schwelle überschritten. Ursachen sind Erbrechen, akuter Verlust von Säureäquivalenten, Zufuhr von HCO3 und die Konversion von organischen Anionen zu HCO3 durch Polytransfusion mit Citrat haltigen Erythrozytenkonzentraten oder eine überkorrigierte Lactat- oder Ketoazidose.

Labordiagnostik: SID erhöht, im Urin HCO3-Konzentration und pH hoch.

– Chronische Form: Normalerweise kann die Niere HCO3 bis zu 500 mmol/24 h ausscheiden. Bei normaler Nierenfunktion müssen zur Entwicklung einer chronisch metabolischen Alkalose Zustände vorliegen, welche die Nieren daran hindern, HCO3 auszuscheiden. Solche Zustände sind:

  • Auf Kochsalzzufuhr ansprechend, mit erniedigtem extrazellulären Flüssigkeitsvolumen (EZFV) und einem paradox saurem Urin (Cl unter 10 mmol/l) einhergehende gastrointestinale Erkrankungen wie chronisches Erbrechen, Magendrainage, Laxantienabusus, kongenitale Chloridorrhoe, Diuretikaeinnahme (Thiazide und Furosemid), Anorexie, posthypokapnische Alkalose.
  • Auf Kochsalzzufuhr nicht ansprechend, mit erhöhtem EZFV und mit alkalischen Urin (Cl über 20 mmol/l) einhergehend wie der primäre und sekundäre Hyperaldosteonismus, primäre Hyperreninismus, Cushing-Syndrom, Liddle-Syndrom, Einnahme von Lakritze und Carbenoxolon (Mineralokortikoid-Mimetika).
  • Auf Kochsalzzufuhr nicht ansprechend, mit erniedrigten oder normalen EZFV und mit alkalischen Urin (Cl über 20 mmol/l) einhergehend wie Bartter Syndrom, schwere Kaliumdepletion, Tumor-Hyperkalziämie, renale Ausscheidung nicht resorbierbarer Anionen wie z.B. Penicilline oder Alkalizufuhr bei eingeschränkter Nierenfunktion.

Labordiagnostik: Zur Unterscheidung der Patienten mit Volumendepletion, die auf Kochsalzzufuhr mit Korrektur der Alkalose ansprechen und denjenigen die nicht ansprechen dient die Ausscheidung von Cl im Urin. Erstere haben eine Ausscheidung unter 10 mmol/l letztere von über 20 mmol/l.

Intestinaler HCl-Verlust – Erbrechen, Magensaftdrainage, konnatale Chloridorrhoe: Die Na+-Konzentration des Magensafts ist 120 mmol/l, die Cl-Konzentration 200–300 mmol/l. Beim starken Verlust von Magensaft resultiert eine hypochlorämische, hypokaliämische metabolische Alkalose, die durch NaCl-Gabe korrigierbar ist. Charakteristisch sind: Hypokaliämie, K+-Konzentration im Urin über 40 mmol/l, Cl-Konzentration im Urin unter 10 mmol/l.

Die konnatale Chloridorrhoe ist eine autosomal rezessiv vererbte Störung im apikalen Cl/HCO3 Transporter (Solute carrier family 26, member 3 gene [SCA26A3] des Enterozyten) im Dünn- und Dickdarm. Die tägliche endogene Bildung von Cl in den Darm wird im Ileum und Kolon reabsorbiert. Bei der konnatalen Chloridorrhoe ist dieser Mechanismus unterbrochen und die erhöhte Cl-Konzentration im Darm führt zum Wasser- und Na+-Einstrom in das Darmlumen und Ausbildung einer Diarrhoe und eines sekundären Hyperaldosteronismus.

Labordiagnostik: Harn alkalisch, Cl-Ausscheidung im Stuhl über 90 mmol/l, Hypokaliämie, fraktionelle Ausscheidung von Cl im Urin (FECl) stark erniedrigt (normal 1–3 %).

Schleifen-Diuretika – Furosemid, Bumetanid, Torsemid: Diuretika bewirken über eine Verminderung der tubulären NaCl-Reabsorption eine Hypochlorämie. Die Cl-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l. Werden die Diuretika kurz vor dem Arztbesuch abgesetzt, sind die Cl- und Na+-Konzentration im Urin niedrig. Für weitere Informationen siehe Tab. 8.2-2 – Diuretika.

Hyperaldosteronismus, Cushing-Syndrom, ACTH-bildende Tumoren: Cl im Serum ist nur niedrig, wenn eine metabolische Alkalose besteht. Diese ist nicht durch Kochsalzgabe korrigierbar. Die Alkalose korreliert bei diesen Erkrankungen meist mit dem Ausmaß der Hypokaliämie. Die Cl-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l.

Milch-Alkali-Syndrom: Die Hypochlorämie korreliert bei exzessiver Alkalizufuhr mit dem Ausmaß der Alkalose. Die Cl-Konzentration im Urin ist über 20 mmol/l.

Chronische Hyperkapnie durch Ateminsuffizienz: Absinken des pH im Blut, Anstieg des pCO2 und der HCO3-Konzentration. Dementsprechend Cl-Konzentration im Urin über 20 mmol/l und Abfall des Cl-Werts im Plasma.

Hypokaliämische Alkalose: Die angeborenen hypokaliämischen Alkalosen sind durch eine Konstellation metabolischer Abnormitäten klassifiziert und charakterisiert durch Hypokaliämie, metabolische Alkalose, Hypomagnesiämie, Chloridverlust und Hyper- bzw. Hypokalziämie. Genetisch differenziert ist eine Gruppe autosomal rezessiver Syndrome dieser Krankheitsfamilie, die auf Mutationen von Genen beruhen, die Ionentransporter im dicken aufsteigenden Teil der Henle’schen Schleife oder im distalen Nephron kodieren. Zu diesen Syndromen gehören das Bartter Syndrom, das Gitelman Syndrom und die Liddle’sche Erkrankung /9/. Beim Bartter Syndrom liegt der Defekt in der Henle’schen Schleife, beim Gitelman Syndrom im distalen Tubulus (siehe Beitrag 8.7 – Kalium).

Klinik: Die Patienten werden schon im frühen Lebensalter durch Muskelschwäche und Polyurie auffällig. Trotz des Hyperaldosteronismus sind die Patienten normotensiv /10/.

Labordiagnostik: Metabolische Alkalose, Hyponatriämie, Hypochlorämie, Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hyperreninämie, Hyperaldosteronämie. Harn: Cl-Konzentration über 20 mmol/l, Mg2+ über 5 mmol/l. Beim Gitelman Syndrom besteht eine Neigung zur Hypokalziurie, beim Bartter Syndrom zur Hyperkalziurie /11/.

Tabelle 8.4-1 Metabolische (hyperchlorämische) Azidosen mit normaler Anionenlücke

Hyperkaliämisch

  • Frühe urämische Azidose
  • Obstruktive Uropathie
  • RTA Typ IV
  • Ingestion bzw. Verabreichung von NH4Cl, Lysin-Cl, Arginin-Cl, HCl, MgCl2

Hypokaliämisch

  • Diarrhoe
  • RTA Typ I, II
  • Carboanhydrase-Hemmung, z.B. durch Azetazolamid
  • Ureterosigmoidostomie
  • Vesiko-kolische Fisteln
  • Post hypokapnische Azidose

Medikamente

  • Topiramat, Azetazolamid

Tabelle 8.4-2 Metabolische Azidosen mit vergrößerter Anionenlücke /356/

Diabetische Ketoazidose: Es besteht eine vergrößerte Anionenlücke durch die verstärkte Bildung der Ketonsäuren Acetacetat und β-Hydroxybutyrat. Aceton trägt nicht zur Anionenlücke bei. Die Höhe der Anionenlücke entspricht dem Bicarbonatdefizit. Das trifft aber nur zu, wenn die Ketoazidose sich schnell entwickelt hat oder eine Ausscheidungsstörung für die Ketoanionen besteht. Beim protrahierten Verlauf oder im Rückbildungsstadium der Ketoazidose wird meist nur eine hyperchlorämische Azidose, also ohne vergrößerte Anionenlücke, gesehen.

Lactatazidose: Die Lactatazidose ist ein wichtiges Indiz für die Prognose eines Patienten mit Trauma, Sepsis und verschiedenen Schockzuständen. Die Typ A-Lactatazidose entwickelt sich akut bei Gewebshypoxie und die kontinuierliche Bestimmung von Lactat ist ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des weiteren Verlaufs (siehe Beitrag 5.6 – Lactat) Die Bestimmung der Anionenlücke ist nicht zu empfehlen zur Detektion einer Lactatazidose. Ein oberer Grenzwert von 6 ist zu unspezifisch und ein Grenzwert von 12 zu insensitiv /8/.

Urämie: Im Endstadium der Niereninsuffizienz mit Einschränkung der GFR auf unter 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] kommt es zur Retention organischer Säuren aus dem Stoffwechsel. Bei gleichzeitig herabgesetzter renaler HCO3-Bildung übersteigt der HCO3-Verbrauch die Regeneration. Andere Anionen wie Phosphat und Sulfat ersetzen HCO3. Es kommt zur Ausbildung einer Anionenlücke, die gewöhnlich 20–25 mmol/l nicht übersteigt. Die Niereninsuffizienz mit einer GFR über 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] bewirkt noch keine vergrößerte Anionenlücke. Es liegt zwar eine Verminderung der renalen H+-Sekretion vor, die zu einer Verminderung von HCO3 führt, eine Retention organischer Säuren findet aber noch nicht statt.

Alkoholismus: Bei Alkoholikern führt die verminderte Nahrungsaufnahme und die Hemmung der Glukoneogenese durch Alkohol zur verstärkten Lipolyse. Es werden vermehrt freie Fettsäuren gebildet, die in der Leber in Ketonsäuren umgewandelt werden. Auf Grund der gleichzeitigen Präsenz von Ketonsäuren und Alkohol besteht eine vergrößerte Anionenlücke und eine stark vergrößerte osmotische Lücke.

Vergiftung mit Methanol oder Äthylenglykol /7/: Die Intoxikation mit toxischen Alkoholen resultiert häufig aus der Einnahme von /8/:

  • Methanol, der in industriellen Produkten, Scheibenreinigern und verfälschten Flüssigkeiten vorhanden ist. Klinische Befunde sind ein vermindertes Sensorium und die Einschränkung des Sehvermögens.
  • Äthylenglykol, das in Frostschutzmitteln und verfälschten Flüssigkeiten vorhanden sein kann. Die Intoxikation führt zur Ausfällung von Oxalatkristallen. Klinische Befunde sind die Ablagerung von Oxalatkristallen in Herz, Lungen und den Nieren und die Einschränkung der Organfunktionen.
  • Isopropanol als Bestandteil unterschiedlicher industrieller Produkte. Klinische Befunde sind ein eingeschränktes Sensorium, respiratorische Dysfunktion, kardiovaskuläre Probleme, akute Pankreatitis, niedriger Blutdruck und eine Laktatazidose.
  • Diäthylenglykol als Bestandteil von industriellen Flüssigkeiten, z.B. von Bremsflüsigkeit. Klinische Befunde sind Schmerzen im Abdomen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, akute Pankreatitis, ein veränderter metaler Status und periphere und zentrale Neuropathien.

Die letale Dosis von Methanol bei Erwachsenen beträgt 100 ml und die minimale Dosis von Äthylenglykol beträgt 30 ml. Nach Aufnahme dieser toxische Alkohole besteht eine Latenzperiode bis das klische Bild sich entwickelt. Kurz nach der Aufnahme erhöht sich die osmotische Lücke durch die Anreicherung von nicht-ionisierten Alkoholen. Schreitet der Metabolismus fort, vermindert sich die osmotische Lücke aufgrund der Bildung von ionisierten Metaboliten der Alkohole. Demgegenüber ist die Anionenlücke anfangs vor Metabolisierung des Alkohols niedrig und nimmt mit der Bildung von ionisierten Metaboliten zu. Der Zeitverlauf dieser Änderungen erstreckt sich von wenigen Stunden bis über einen Tag. Der Zeitverlauf ist in Lit. /8/ beschrieben.

Die Diagnostik kann schwierig sein, wenn der Patient sehr früh oder sehr spät nach der Vergiftung mit einem toxischen Alkohol in die Klinik kommt. Zur Elimination von Äthylenglykol wird die Hämodialyse eingesetzt und beendet, wenn die Konzentration von Äthylenglykol < 20 mg/dl (3,2 mmol/l) beträgt. Da Äthylenglykol schwer zu bestimmen ist, wird als Surrogatmarker eine osmotische Lücke von ≤ 10 mmol/kg gewählt. Solche Werte können irreführend sein, denn in der frühen Phase der Vergiftung kann die osmotische Lücke niedrig sein trotz eines toxischen Volumens von Äthylenglykol.

Salizylat-Intoxikation /4/: Die Vergrößerung der Anionenlücke beruht auf der Akkumulation der Salizylat Anionen und einer gesteigerten Bildung ionisierter Metabolite. Beim Erwachsenen sollte die Kombination von metabolischer Azidose, Vergrößerung der Anionenlücke und respiratorischer Alkalose an eine Intoxikation mit Salizylaten denken lassen. In toxischen Konzentrationen stören Salizylate die Energiegewinnung durch Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung und es kommt zur Akkumulation von Phosphorsäuren und Schwefelsäuren. Auch wird der Metabolismus von Fettsäuren aktiviert unter Bildung von Ketonsäuren.

Azetaminophen /4/: Dieses Schmerz stillende Mittel wir häufig eingenommen oder zusätzlich eingenommen beim Suizidversuch. Ein pH-Wert unter 7,30 ist hinweisend auf eine schlechte Prognose bei Azetaminophen induzierter Hepatotoxizität. Azetaminophen und ihr hepatotoxischer Metabolit N-Acetyl-p-benzochinonimin hemmen die oxidative Phosphorylierung mit der Folge einer Funktionsstörung und einer metabolischen Azidose.

HIV-Therapie /4/: HIV positive Patienten unter anti-retroviraler Therapie haben das Risiko einer Lactatazidose. Stavudin, Zidovidin und andere Nukleosidanaloga hemmen als reverse Transkriptase Inhibitoren die oxidative Phosphorylierung durch Hemmung der mitochondrialen DNA Polymerase mit der Folge einer Funktionsstörung der Leber und metabolischen Azidose.

Valproinsäure /4/: Hohe Dosen von Valproinsäure bewirken eine metabolische Azidose. Valproinsäure wird in der Leber metabolisiert, mit dem Effekt, dass die Metaboliten der Valproinsäure eine Verminderung von intramitochondrialem Coenzym A und Carnitin bewirken, wodurch die Fettsäureoxidation gehemmt wird und somit wenig ATP entsteht. Die Gabe von Carnitin stabilisiert die Fettsäureoxidation.

Isoniazid /4/: Eine Vergiftung mit Isoniazid führt zu einer metabolischen Azidose und vergrößerter Anionenlücke. Die klinischen Symptome sind Krämpfe und ein komatöser Zustand. Die Ursache der Ausbildung einer metabolischen Azidose beruht auf erhöhter Muskelaktivität durch Krämpfe, die ansäuernden INH Metaboliten und ein verstärkter Metabolismus von Fettsäuren, der eine Ketoazidose bewirkt.

Tabelle 8.5-1 Referenzbereiche der Osmolalität

Serum, Plasma

1 Tg.

275–300

7 Tg.

276–305

28 Tg.

274–305

  • Erwachsene /6/

280–295

Urin

50–1.200

Angaben in mmol/kg

Tabelle 8.5-2 Osmolalität im Plasma und osmotische Lücke bei Erkrankungen und Zuständen /1011/

Osmolalität, Na+, osmotische Lücke

Erkrankung, Zustand

Osmolalität und Na+ erhöht (errechnete = gemessene Osmolalität): Osmotische Lücke normal

Zustände mit Hypo- bzw. Euvolämie und Hypernatriämie, z.B. Durchfälle und Fieber bei Kindern, osmotische Diurese bei Hyperglykämie, Hypothalamusstörungen mit Hypodipsie, Diabetes insipidus centralis oder renalis, Störungen des osmotischen Zentrums mit vermindertem Durst und verminderter Arginin-Vasopressin Sekretion.

Osmolalität erhöht und Na+ erniedrigt oder normal (errechnete = gemessene Osmolalität): Osmotische Lücke normal

Größere Mengen osmotisch aktiver Substanzen sind im Plasma angehäuft, z.B. bei Niereninsuffizienz mit Harnstoff-N Werten um 140 mg/dl (49,9 mmol/l) ist die Osmolalität um etwa 50 mmol/kg erhöht. Beim hyperglykämischen Koma mit Blutglucosewerten um 600 mg/dl (33,3 mmol/l) besteht ein Anstieg der Osmolalität von etwa 35 mmol/kg.

Osmolalität erhöht, Na+ erniedrigt: Osmotische Lücke vergrößert

Eine osmotische Lücke besteht auf Grund der Anwesenheit osmotisch aktiver Substanzen im Plasma, z.B. bei Lactatazidose, Ketoazidose oder renaler Azidose. Die osmotische Lücke ist gewöhnlich nicht stärker als um den Faktor 2 erhöht und dauert nicht lange an.

Äthanol- und Methanolvergiftungen und Vergiftungen mit anderen osmotisch aktiven Substanzen bewirken eine deutlich erhöhte osmotische Lücke von mehr als dem Faktor 2. Die Höhe der osmotischen Lücke korreliert oft mit der Schwere der Vergiftung. So ist 1 Promille Äthanol im Plasma äquivalent einer Zunahme von 22 mmol/kg. Patienten mit hohen Alkoholwerten haben neben der osmotischen Lücke oft eine schwere metabolische Azidose mit erhöhter Anionenlücke.

Im hämorrhagischen Schock nach schwerem Trauma kann eine stark erhöhte osmotische Lücken auftreten, ohne dass die osmotisch aktiven Substanzen bekannt sind.

Osmolalität normal, Na+ erniedrigt: Osmotische Lücke vergrößert

Diese Konstellation findet man bei der Pseudohyponatriämie durch eine Vermehrung großer molekularer Substanzen, die einen Teil des Plasmavolumens, das normalerweise von Na+ eingenommen wird, besetzen, z.B. bei Hyperlipidämie, Hyperproteinämie. Die Pseudohyponatriämie tritt auf, wenn die Na+-Bestimmung nicht mittels direkter ISE-Messung erfolgt. Siehe auch Beitrag 8.1 – Wasserbalance und Flüssigkeitsräume.

Tabelle 8.5-3 Abklärung einer Wasserdiurese durch Durstversuch und Testung der DDAVP-Sensitivität /7/

Prinzip

Durch Wasserentzug wird in einem ersten Schritt die Kapazität der Urinkonzentrierung durch Beurteilung des Verlaufs der Osmolalität im Urin untersucht. Kommt es zu keinem signifikanten Anstieg der Osmolalität im Urin, werden in einer zweiten Stufe durch Gabe von Arginin-Vasopressin (AVP) oder Desamino-8-D-Arginin-Vasopressin (DDAVP) die Nieren stimuliert, einen konzentrierten Urin zu bilden. Bei Patienten mit Hypernatriämie wird nur Stufe 1 durchgeführt, da zu erwarten ist, dass bei ihnen schon eine erhöhte Plasmakonzentration an AVP vorliegt.

Durchführung

  • Dehydratations Schritt: Der Test beginnt morgens und initial werden Körpergewicht, Serumnatrium und die Osmolalität im Serum und Urin bestimmt. Dann werden unter Vermeidung jeglicher Flüssigkeitszufuhr stündlich das Volumen und die Osmolalität des Urins sowie das Körpergewicht bestimmt.
    Der Versuch wird gestoppt, wenn die Konzentration von Natrium 145–150 mmol/l oder die Osmolalität im Urin ein Plateau erreichen oder kein Anstieg der Urinosmolalität von > 30 mmol/kg in zwei aufeinander folgenden 1-stündigen Harnportionen erfolgt. Nach längstens 4 h wird der Patient gewogen und die Osmolalität nochmals im Serum bestimmt.
  • DDAVP Schritt: Anschließend an Stufe 1 werden 1 μg AVP intravenös oder 10 μg DDAVP nasal verabreicht und der Versuchsablauf für 3 h weitergeführt.

Generell muss darauf geachtet werden, dass sich bei den Patienten kein starker Volumenverlust einstellt, z.B. wenn die Harnausscheidung über 700 ml/h ist.

Bewertung

  • Normalpersonen zeigen eine maximale Konzentrierung des Urins auf über 1.000 mmol/kg, die Gabe von AVP hat keinen weiteren Effekt.
  • Patienten mit komplettem zentralen DI reagieren erst im DDAVP Schritt, also nach Gabe von AVP, mit einem signifikanten Anstieg der Osmolalität im Urin von über 30 mmol/kg/h. Am Ende des Versuchs wird eine Osmolalität von etwa 600 mmol/kg erreicht.
  • Beim partiellen zentralen DI wird ein teilweiser Anstieg der Osmolalität im Urin in Stufe 1 und ein weiterer stärkerer nach AVP Gabe registriert. Die Osmolalität im Urin am Ende des Versuchs ist etwa 800 mmol/kg.
  • Der nephrogene DI zeigt keinen Anstieg der Osmolalität im Urin in beiden Stufen des Durstversuchs.
  • Patienten mit primärer Polydipsie haben einen Anstieg der Osmolalität im Urin in Stufe 1, nicht jedoch einen weiteren Anstieg durch AVP, da die AVP Sekretion schon maximal stimuliert ist. Die Osmolalität am Ende des Versuchs ist 600–800 mmol/kg.

Tabelle 8.5-4 Natrium, Osmolalität und effektive Osmolalität (Wasserverteilung = Tonizität) im Serum bei verschiedenen klinischen Zuständen mit Hyponatriämie bzw. Hypernatriämie /14/

Zustand

Na1

Glucose2

Urea2

Mannitol3

Os-B4

Os-G

Os-Lücke4

Tonizität4

Hirnödem

Normal

140

5 (90)

5 (14)

0

290

290

0

285 (Norm.)

Keines

Hyponatriämie ohne weitere Osmolyte

120

5 (90)

5 (14)

0

250

250

0

245 (Niedr.)

Risiko

Pseudohyponatriämie (Triglycer. stark erhöht)

120

5 (90)

5 (14)

0

250

290

40

285 (Norm.)

Keines

Hyponatriämie bei Hyperglykämie

120

75 (1.350)

5 (14)

0

320

320

0

315 (Hoch)

Risiko var.

Hyponatriämie (Mannitolretention)

120

5 (90)

5 (14)

75

250

325

75

320 (Hoch)

Keines

Hyponatriämie (Harnstoffretention)

120

5 (90)

45 (126)

0

290

290

0

245 (Niedr.)

Risiko hoch

Hyponatriämie (Blutalkohol hoch)

120

5 (90)

5 (14)

Äthanol 40

250

290

40

245 (Niedr.)

Risiko hoch

Hypernatriämie

160

5 (90)

5 (14)

0

330

330

0

325 (Hoch)

Keines

1) Angabe in mmol/l; 2) Angabe in mmol/l (mg/dl); 3) Angabe von Mannitol und Äthanol in mmol/l; 4) Angabe in mmol/kg; Os-B, Osmolalität berechnet; Os-G, Osmolalität gemessen; Os-Lücke, gemessene minus berechneter Osmolalität; Tonizität = effektive Osmolalität bedingt durch Natrium und Glucose, nicht aber durch Harnstoff und Äthanol.

Tabelle 8.6-1 Referenzbereiche für AVP und CT-proAVP im EDTA-Plasma in Abhängigkeit von der Serumosmolalität /25/

Osmolalität (1

AVP (2

CT-proAVP (3

270–280

< 1,5 (1,4)

0,81–11,6

281–285

< 2,5 (2,3)

1,0–13,7

286–290

1–5 (0,9–4,6)

1,5–15,3

291–295

2–7 (1,9–6,5)

2,3–24,5

296–300

4–12 (3,7–11,1)

2,4–28,2

1) Angaben in mmol/kg; 2) Angaben in ng/l (pmol/l); 3) Angaben in pmol/l

Umrechnung AVP: ng/l × 0,93 = pmol/l

Tabelle 8.6-2 Laborbefunde bei SIADH /6/

  • Hypoosmolalität im Serum < 275 mmol/kg
  • Hyponatriämie < 135 mmol/l
  • Na+im Urin > 40 mmol/l, wenn keine Natrium-Restriktion oder Volumendepletion vorliegt
  • Urinosmolalität > 100 mmol/kg (die maximale normale Verdünnungsleistung der Nieren beträgt < 50 mmol/kg)
  • Hypourikämie < 4 mg/dl (238 µmol/l)
  • Euvolämie
  • Keine Hypothyreose, kein Hypokortisolismus, keine Niereninsuffizienz, keine Einnahme von Diuretika

Tabelle 8.6-3 Erkrankungen und Zustände mit Assoziation zum SIADH

Karzinome

  • Kleinzelliges Bronchialkarzinom
  • Duodenalkarzinom
  • Pankreaskarzinom
  • Uteruskarzinom
  • Thymom
  • Malignes Lymphom
  • Blasenkarzinom
  • Prostatakarzinom

Lungenerkrankungen

  • Virale und bakterielle Pneumonie
  • Lungenabszess
  • Tuberkulose
  • Aspergillose
  • Asthma
  • Zystische Fibrose
  • Pneumothorax

Erkrankungen des Zentralnervensystems

  • Enzephalitis
  • Meningitis
  • Hirnabszess
  • Hirntumor
  • Schädeltrauma
  • Guillain-Barré Syndrom
  • Akute intermittierende Porphyrie
  • Subarachnoidalblutung
  • Kavernöse Sinusthrombose
  • Cerebrale und cerebellare Atrophie
  • Neonatale Hypoxie
  • Multiple Sklerose

Medikamente

  • Inhibitoren der Serotoninaufnahme wie Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertalin

Tabelle 8.6-4 Differenzierung des cerebralen Salzverlustes (CSW) vom SIADH, modifiziert nach Lit. /11/

Untersuchung

CSW

SIADH

Serum-Na+ (mmol/l)

< 135

< 135

Urin-Na+ (mmol/l)

> 40

> 40

Urinvolumen

Erhöht

Vermindert

Urinosmolalität (mmol/kg)

< 100

> 100

Serumosmolalität (mmol/kg)

< 290

< 275

EZFV

Hypovolämie

Euvolämie

Harnsäure

Normal/erniedrigt

< 4 mg/dl (238 μmol/l)

Harnstoff/Creatinin

(mmol/l/mmol/l)

< 25

> 40

Hämatokrit

Erhöht

Vermindert

AVP, CT-proAVP

Erhöht bis normal

Deutlich erhöht

in 80 % der Fälle

Tabelle 8.6-5 Interpretation des Durstversuchs in Kombination mit der DDAVP-Sensitivität (Tab. 8.5.3) zur Differenzierung des Diabetes insipidus (DI) /7/

Hypothalamischer (zentraler) DI: Im Durstversuch ein Anstieg der Serumosmolalität auf > 290 mmol/kg aber Urinosmolalität bleibt < 300 mmol/kg. Nach Gabe von DDVAP Anstieg der Urinosmolalität auf > 750 mmol/kg.

Nephrogener DI: Im Durstversuch ein Anstieg der Serumosmolalität auf > 290 mmol/kg aber Urinosmolalität bleibt < 300 mmol/kg. Nach Gabe von DDVAP kein Anstieg der Urinosmolalität.

Dipsogener DI: Anstieg der Urinosmolalität im Durstversuch ohne signifikanten Anstieg der Osmolalität im Plasma.

Tabelle 8.6-6 Osmotischer Stimulationstest /10/

Prinzip: Durch Infusion hypertoner NaCl wird über den Durstmechanismus die Kapazität zur Sekretion von AVP geprüft.

Durchführung: Über 2 h wird 5 % NaCl (850 mmol/l) in einer Rate von 0,04 ml/kg Körpergewicht und Minute infundiert.

Blutentnahmen zur AVP-Bestimmung: Sie erfolgen dreimalig in 30 minütigen Intervallen nach Beginn der Infusion, ebenfalls erfolgt die Bestimmung der Plasmaosmolalität.

Beurteilung: Die AVP Konzentration im Plasma während des osmotischen Versuchs wird in Beziehung zur Plasmaosmolalität gesetzt (Abb. 8.6-4 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP bei Diabetes indipidus).

Tabelle 8.6-7 cT-proAVP im Durstversuch /13/

Prinzip: Der relative Anstieg von CT-proAVP (pmol/l) in Bezug auf Na+(mmol/l) wird gemessen.

Durchführung: Dursten von 8–16 Uhr.

Blutentnahmen: Um 8 Uhr zur Bestimmung von CT-proAVP und um 16 Uhr für CT-proAVP und Natrium.

Berechnung: Anstieg [pmol × L–1/mmol × L–1] = CT-proAVP (pmol/l) × 1.000/Na (mmol/l)

Beurteilung: Ein Wert > 20 pmol × L–1/mmol × L–1 trennt mit einer diagnostischen Sensitivität von 87 % bei einer Spezifität von 100 % die primärer Polydipsie vom milden zentralen Diabetes insipidus.

Tabelle 8.6-8 Störungen der Wasserbilanz mit Anstieg von AVP und CT-proAVP /167/

Maligne Tumoren: Tumoren sind die häufigste Ursache des SIADH. Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) soll die Prävalenz bis zu 15 % betragen /16/. Ursache ist zum einen die Synthese des AVP oder des kompletten Prohormons durch den Tumor oder seine Metastasen. Jeder Patient mit ungeklärter Polyurie sollte deshalb auf ein SCLC hin untersucht werden. Auch 3 % der Tumoren des Kopf-Nacken Bereichs gehen mit einem SIADH einher. Bei Tumorpatienten mit Polyurie und keiner inadäquaten AVP Sekretion sollte an atriales natriuretisches Peptid (ANP) gedacht werden, da für einige Tumoren die Produktion von mRNA für ANP nachgewiesen wurde.

Reset Osmostat: Es handelt sich um eine Variante des SIADH, bei der die Patienten eine voll erhaltene Urinkonzentrierungs- und Verdünnungsfähigkeit aufweisen, aber ihre Osmolalität ab einem niedrigeren Grenzwert als normal regulieren. Im Vergleich zu Normalpersonen wird bei gleicher Plasmaosmolalität zu viel AVP ausgeschüttet. Die Folge ist eine verstärkte renale Wasserreabsorption. Die Patienten erfüllen alle Kriterien des SIADH, müssen aber eine normale Verdünnungskapazität aufweisen. Das bedeutet, sie müssen eine Standard-Wasserbelastung zu 80 % innerhalb von 4 h ausscheiden und eine Urinosmolalität < 100 mmol/kg aufweisen. Die Na+-Werte im Serum sind leicht bis moderat vermindert. Das Reset Osmostat hat einen Anteil von 15–20 % an den SIADH Fällen und wird bei Tuberkulose, Fehlernährung, Magenkarzinom, Pneumonie und Enzephalitis gefunden /1/.

Erkrankungen des ZNS: Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS) wie Meningitis, systemischer Lupus erythematodes, Enzephalitis oder Guillain-Barré Syndrom können mit einem SIADH einhergehen. Die Ursache sollen Störungen der Signalübertragung auf dem relativ langen Weg von den Osmorezeptoren im vorderen Hypothalamus bis zu den AVP Neuronen sein.

Lungenerkrankung: Die verschiedensten Lungenerkrankungen sind mit einem SIADH assoziiert, insbesondere diejenigen, die eine Hypoxie und Hyperkapnie verursachen. Die Patienten haben eine erhöhte AVP Konzentration. Die inadäquate Sekretion von AVP besteht besonders in den ersten Tagen nach Klinikaufnahme, wenn die Atemnot schwer ist und die Patienten mechanisch ventiliert werden. Auch bei Patienten mit chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung gibt es sporadische Fälle.

Oedeme: Patienten mit Stauungsinsuffizienz des Herzens und Leberzirrhotiker mit Ascites haben ein relativ erhöhtes intravaskuläres Volumen und/oder einen erhöhten intravaskulären Druck. Daraus resultiert eine Retention von Wasser auf Grund einer Verminderung des Glomerulumfiltrats und sekundär kommt es zu einer erhöhten Ausschüttung von AVP. Es bildet sich eine hypo-osmolare Hyponatriämie aus. Das alles resultiert bei schwerer Herzinsuffizienz aus dem Bestreben des Organismus, die durch ein vermindertes Herzminutenvolumen entstandene verminderte Füllung der Gefäße auszugleichen. Der verminderte Tomus der Gefäße aktiviert Barorezeptoren und somit das Renin-Angiotensin-Aldosteron System und das adrenerge Nervensystem. Beide Systeme stimulieren auch die AVP-Sekretion und somit wird versucht, den Gefäßwiderstand zu erhöhen und Wasser und Na+ zu konservieren. Auch bei der Leberzirrhose mit Aszites erfolgt die Wasserretention durch nicht osmotische Stimuli (siehe auch weiterführend Beitrag 2.8 – B-Typ-natriuretisches Peptid und aminoterminales proBNP und Beitrag 8.1.5 – Volumenhomöostase).

Kritisch Kranke: Kritisch Kranke aus unterschiedlicher Ursache haben 24 h nach Aufnahme auf die Intensiveinheit signifikant erhöhte AVP-Konzentrationen /17/. Die Werte von AVP betrugen 11,9 ± 20,6 ng/l im Vergleich zu Gesunden mit Werten von 0,92 ± 0,38 ng/l. Kritisch kranke Frauen haben mit 9,7 ± 19,5 ng/l niedrigere Werte als Männer (15,1 ± 20,6 ng/l). Patienten mit hämodynamischer Dysfunktion haben höhere AVP Konzentrationen (14,1 ± 27,1 ng/l) als diejenigen ohne (8,7 ± 10,8 ng/l).

Bei Patienten im septischen Schock und anderen Formen des Schocks steigt AVP stark an, fällt aber dann unerwartet und nicht erklärbar stark in Relation zur Erniedrigung des Blutdrucks ab /18/. Aber auch die Form des Schocks ist maßgebend für den AVP-Wert. So wurden beim septischen Schock Werte von 3,1 ± 0,4 ng/l gemessen, im Vergleich zum kardiogenen Schock mit 22,7 ± 2,2 ng/l bei Blutdruckerniedrigung von gleicher Dauer /19/.

Langerhanszell-Histiozytose: Tumoren durch Proliferation monoklonaler Zellen der Monozyten-Makrophagen Linie (Langerhans Zellen) in Lungen, Knochen und Hypothalamus können in 5–50 % der Fälle mit einem zentralen DI einhergehen.

Medikamente /20/: Ältere Menschen, die Inhibitoren der Aufnahme von Serotonin wie Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertarlin einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko für SIADH. Von diesen Pharmaka ist bekannt, dass sie die Isoenzyme von Cytochrom P450-hemmen. Die Hyponatriämie entwickelt sich relativ rasch nach Beginn der Therapie und ist reversibel nach Absetzen. Das Alter scheint ein Risikofaktor zu sein. Innerhalb der ersten 4 Wochen nach Therapiebeginn sollten die Patienten wöchentlich auf eine Hyponatriämie hin untersucht werden.

Cerebrales Salzverlust (Cerebral salt waste, CSW)-Syndrom /21/: Das CSW, definiert als ein renaler Verlust von Na+ im Rahmen einer cerebralen Schädigung, geht mit einer Hyponatriämie einher und führt sekundär zu einer Veminderung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumen (EZFV). Es entwickelt sich innerhalb von 10 Tagen nach einem neurochirurgischen Eingriff, einem Schlaganfall oder bei Hirntumoren. Ein gestörter neuronaler Einfluss auf die Nierenfunktion führt zu einer verminderten Reabsorption von Na+ und sekundär zu einer Verminderung des EZFV. Dadurch werden Barorezeptoren im Hypothalamus stimuliert und die Sekretion von AVP aktiviert. Die klinischen Symptome sind orthostatische Dysregulation, Tachykardie, Übelkeit, Erbrechen, Zeichen der Exsikkose und die Folgen von Hyponatriämie und Hypovolämie.

Labordiagnostik: Die Unterschiede des CWS zum SIADH sind aufgeführt in Tab. 8.6-4 – Differenzierung des cerebralen Salzverlustes vom SIADH.

Tabelle 8.6-9 Störungen der Wasserbilanz mit Abfall oder normalen AVP und CT-proAVP /71122/

Hypothalamischer (zentraler) Diabetes insipidus (HDI): Der HDI resultiert aus Ursachen, die Synthese, Transport und Freisetzung von AVP betreffen. AVP im Plasma ist stark vermindert. Die Wasserbalance wird durch das Durstgefühl und adäquate Wasseraufnahme reguliert. Die wichtigsten klinischen Symptome des zentralen DI sind Polyurie und Polydipsie. Jeglicher Wasserentzug für eine kurze Zeit führt zur Dehydratation mit zwanghaftem Durst und Trinken, so dass der Patient nachts wach wird. Die komplette Form des HDI ist selten, häufiger sind partielle Formen mit moderater Diurese. Die Prävalenz ist 1:25.000. Ursachen des HDI sind:

  • Neuroendokrine systemische Erkrankungen wie maligne Prozesse (Kraneopharyngeom, Germinom, Lymphom, Meningeom), Ischämien wie das Sheehan Syndrom, meningeale Infektionen und granulomatöse Erkrankungen wie die Neurosarkoidose.
  • Operative Eingriffe an Hypothalamus und Neurohypophyse sowie Ischämien dieses Bereichs.
  • Bestrahlung des Gehirns.
  • Infektionen (Meningitis, Enzephalitis) und Autoimmunerkrankungen.
  • Intrakranielles Ödem oder Hämorrhagie.
  • Familiär bedingt oder idiopathischer Genese (ein Teil der Fälle sind psychogen bedingt).
  • Medikamente, die eine transitorische Verminderung der Freisetzung von AVP bewirken, sind z.B. Alkohol, Vinblastin, Dilantin, Clonidin.

Neben den zuvor genannten Ursachen gibt es eine hereditäre Form, die im Jugendalter klinisch evident wird. Der hereditäre DI macht 1–2 % aller DI-Fälle aus. Folgende Ursachen sind bekannt /12/:

  • Mutation in der Neurophysin kodierenden Region des AVP-Gens. Die Exone 1 und 3 sind normal, aber im Exon 2 ist im Nukleotid 1884 Thymidin durch Guanin ersetzt, wodurch im AVP Molekül die Aminosäure Glycin das Valin ersetzt. Die Mutation ist heterozygot.
  • Mutation im Gen des Prä-Provasopressin. Im Kopeptin ist Valin durch Alanin ersetzt.

Ein transienter HDI entwickelt sich häufig nach neurochirurgischer Operation im Bereich der Hypophyse, ein permanenter nur, wenn der Hypophysenstiel komplett geschädigt ist. Im letzteren Fall tritt ein DI in 2–35 % der Fälle auf. Durst und Polyurie sind oft die ersten Symptome der Neurosarkoidose. Der HDI beginnt abrupt. Besteht noch eine AVP-Restsekretion, beträgt das Harnvolumen 3–15 Liter.

Labordiagnostik: Es liegt eine zur Plasmaosmolalität inadäquat verminderte Sekretion von AVP vor. Etwa 90 % der AVP sezernierenden Neurone müssen verloren gehen, bevor sich ein signifikanter HDI ausbildet. Die Urinosmolalität ist < 200 mmol/kg. Die Abklärung der Wasserdiurese erfolgt durch Testung im Durstversuch in Kombination der DDAVP Sensitivität. Zur Interpretation siehe Tab. 8.6-5 – Interpretation des Durstversuchs in Kombination mit der DDAVP-Sensitivität und Abb. 8.6-4 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP bei Diabetes indipidus. Die Konzentration des CT-proAVP beträgt beim kompletten HDI < 2,6 pmol/l /13/. Zur Diagnostik des milden HDI siehe Tab. 8.6-8 – Störungen der Wasserbilanz mit Anstieg von AVP und CT-proAVP.

Nephrogener DI (NDI): Beim NDI besteht eine Resistenz gegenüber der antidiuretischen Wirkung des AVP. Die Neurohypophyse ist stimuliert und die Konzentration von AVP im Plasma ist hoch oder normal. Da die Niere nicht auf AVP reagiert kann sie keinen maximal konzentrierten Urin bilden.

Erworbener NDI: Er beginnt langsam, gewöhnlich haben die Patienten ein Urinvolumen von 3–4 l/24 h. Ursachen sind:

  • Medikamente: Amphotericin B, Colchizin, Demeclozyklin, Gentamicin, Lithium, Schleifendiuretika, Methoxyfluran, Vinblastin, Methicillin, Cisplatin, Isophosphamid.
  • Nierenerkrankungen: Chronisches Nierenversagen, chronisch interstitielle Nierenerkrankung, Pyelonephritis, obstruktive Uropathie, Zystenniere, nach Nierentransplantation.
  • Elektrolytstörungen: Chronische Hypo- und Hyperkaliämie.
  • Verschiedenes (Schwangerschaft, multiples Myelom, Sichelzellanämie, Proteinmangel).

Hereditär bedingt: Folgende genetische Störungen sind bekannt:

  • V2-Rezeptor-Genmutationen: Etwa 90 % der Patienten mit V2-Rezeptor-Genmutation sind männlich und haben eine X-gebundene rezessive Form des NDI, die klinisch im 1. Lj. evident wird. Sie beruht auf Missense-Mutationen im Rezeptorgen und führt zu Rezeptoren, die intrazellulär verbleiben, nur wenige erreichen die Oberfläche tubulärer Zellen und/oder sie können AVP nicht binden oder nach Bindung kein Signal weiterleiten (Abb. 8.6-6 – Wirkung vom AVP zur Erhöhung der Wasserpermeabilität in den renalen Sammelrohrzellen).
  • Aquaporin-Rezeptor-Genmutationen /15/: In etwa 10 % der Fälle mit hereditärem NDI handelt es sich um Mutationen im Gen von Aquaporin 2 , das die gleichnamigen AVP sensitiven Wasserporen der renalen Zellmembran kodiert (Abb. 8.6-6). Es liegt ein autosomal rezessiver oder autosomal dominanter Erbgang vor. Die Störung führt, wie bei der V2-Mutation, zur Fehlleitung und Fehlexpression der Poren. In NDI-Familien ist durch perinatales Testen schon eine frühzeitige Diagnose und somit eine Verhinderung physischer und mentaler Störungen möglich.

Beim hereditären NDI ist der Tubulus entweder resistent gegenüber AVP oder es kann kein den Anforderungen entsprechendes hypertones medulläres Interstitium aufgebaut werden, das einen normalen Wasserfluss aus dem Tubuluslumen gewährleistet. Die Erkrankungen werden schon in der Neugeborenenperiode auffällig und die Kinder erleiden in der frühen Kindheit Episoden der Dehydratation, Hypernatriämie, Fieber und entwickeln eine mentale Retardierung.

Labordiagnostik: Urinvolumen von 10–12 l/24 h, Urinosmolalität ist < 50 mmol/kg. Die Konzentration von CT-proAVP ist > 20 pmol/l /13/. Die Abklärung kann auch im Durstversuch in Kombination mit der DDAVP-Sensitivität erfolgen (zur Interpretation siehe Tab. 8.6-4 – Differenzierung des cerebralen Salzverlustes vom SIADH und Abb. 8.6-4 – Beziehung zwischen Osmolalität und AVP bei Diabetes indipidus).

Primäre Polydipsie: Diese liegt vor, wenn ein Patient trotz normaler oder verstärkter Hydratation weiterhin Wasser trinkt. Das kann beruhen auf einer direkten Stimulation durch Hypokaliämie, Hyperkalziämie, bei Entzündungen, durch die vermehrte Bildung von Angiotensin-II oder psychogen.

Das Urinvolumen liegt bei 5–15 l/24 h, Na+ und die Osmolalität im Plasma sind gewöhnlich normal. Eine Ursache der primären Polydipsie ist eine niedrige individuelle Osmolalitätsschwelle für das Durstgefühl im Vergleich zu Normalpersonen.

Labordiagnostik: Die Abklärung der Wasserdiurese erfolgt durch Testung im Durstversuch in Kombination der DDAVP Sensitivität. Zur Interpretation siehe Tab. 8.6-5 – Interpretation des Durstversuchs in Kombination mit der DDAVP-Sensitivität und Abb. 8.6-4.

Hyperkalziämie: Chronische Hyperkalziämien mit einer Konzentration von Gesamt-Calcium > 11 mg/dl (2,75 mmol/l) verursachen eine Schädigung des dicken aufsteigenden Teils der Henle’schen Schleife mit verminderter Antwort auf AVP. Der Vorgang ist reversibel bei Senkung der Konzentration von Calcium im Serum.

Hypokaliämie: Eine persistierende Hypokaliämie < 3,0 mmol/l vermindert das renale Vermögen der Konzentrierung. Die Hypokaliämie soll zu einer verminderten Na+-Konzentration und Osmolalität im Nierenmark führen, die den Aufbau eines Konzentrationsgradienten stört und zu einer Resistenz der Sammelrohrzellen gegenüber AVP führt.

Schwangerschaft /23/: Im letzten Drittel der Schwangerschaft und post partum kann bei Frauen transitorisch Durstgefühl, Polyurie und Polydipsie auftreten. Diese Symptomatik wird auch bei Blasenmole und bei Gesunden, denen hCG verabreicht wurde, gefunden. Es wird vermutet, dass ätiologisch hCG und eine Cystein-Aminopeptidase eine Rolle spielen. Letztere wird von der Plazenta gebildet und hydrolysiert AVP.

Tabelle 8.7-1 Referenzbereiche für Kalium

Erwachsene /4/

Serum

3,7–5,1*

Plasma

3,5–4,6*

Kinder /6/

Frühgeborene /5/

5,5–7,0

Neugeborene /5/

3,7–5,5

1–7 Tg.

3,2–5,5

8–31 Tg.

3,4–6,0

1–6 Mon.

3,5–5,6

6 Mon. – 1 J.

3,5–6,1

> 1 J.

3,3–4,6

Angaben in mmol/l.

* Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollte der Zielwert im Serum im Bereich 4,0–4,8 mmol/l und im Plasma im Bereich von 3,8–4,6 mmol/l liegen.

Tabelle 8.7-2 Erkrankungen und Zustände, die eine Hypokaliämie verursachen können

Diuretika – Furosemid, Bumetanid, Thiazide: Die Diuretikatherapie ist die häufigste Ursache der Hypokaliämie. Nicht-kaliumsparende Diuretika fördern die Ausscheidung von Na+, Cl und K+. Alle Diuretika wie Thiazide, Schleifendiuretika und Carboanhydrasehemmer führen zu einer Kaliurie und Hypokaliämie unterschiedlichen Ausmaßes. Bei Vorliegen einer Hypokaliämie ist die Ausscheidung im Urin von Na+ über 50 mmol/l und von K+ und Cl jeweils über 20 mmol/l. Setzt der Patient das Diuretikum ab, bevor er zum Arzt geht, können die Ausscheidungswerte normal sein. In diesen Fällen kann die Diuretikabestimmung im Harn hilfreich sein, auch wenn die Halbwertszeit des Diuretikums schon deutlich überschritten ist. Eine Hypokaliämie setzt erst ein, wenn das gesamte austauschbare K+ verbraucht ist, was mehrere Wochen dauern kann. Tritt eine Hypokaliämie schon kurz nach Therapiebeginn auf, so ist das ein Zeichen, dass schon eine K+-Depletion bestanden hat, z.B. im Rahmen eines sekundären Hyperaldosteronismus, der den hypokaliämischen Effekt von Diuretika potenzieren kann. Bei Behandlung mit der gleichen Diuretikadosis sind Hypokaliämien häufiger bei Leberzirrhose, Stauungsinsuffizienz des Herzens und nephrotischem Syndrom als bei Hypertonikern /9/.

Alkoholismus: Eine Hypokaliämie wird bei etwa 50 % der Patienten mit chronischem Alkoholismus, die in die Klinik eingewiesen werden, gemessen. Wie bei Magnesium und Phosphat kann die Konzentration von K+ im Serum normal oder nur leicht erniedrigt bei der Einweisung sein oder nur erniedrigt sein für mehrere Tage aufgrund des Einritts von K+ in die Zellen, der die Verminderung des Gesamtkörperkaliums demaskiert. Der Mangel an K+ resultiert aus einer inadäquaten Aufnahme und gastrointestinalen Verlusten durch Diarrhoe. Erbrechen und Ketoazidose führen zu einem erhöhten Verlust von K+ im Urin, der auf einer erhöhten Konzentration von Aldosteron und einer verstärkten Anlieferung von Na+ im distalen Nephron resultiert /41/.

Stress-Hypokaliämie – z.B. Herzinfarkt, Bronchialasthma: Die Freisetzung von Katecholaminen bewirkt über die Stimulierung von β-adrenergen Rezeptoren eine transzelluläre Verschiebung von K+ von extra- nach intrazellulär. Die renale K+-Ausscheidung bleibt normal. Die Stimulation der β2-adrenergen Rezeptoren durch sympathomimetische Medikamente reduziert temporär die K+-Konzentration. So führt eine Standarddosis gesprühten Albuterols zu einer kurzzeitigen Absenkung des K+ im Serum um 0,2–0,4 mmol/l. Eine zweite Dosis innerhalb von 1 h führt zu einer Verminderung bis 1 mmol/l /14/.

Leukämie: Akute myeloische oder myelo-monozytäre Leukämien können eine leichte bis moderate Hypokaliämie verursachen. Diese soll mit der Lysozymurie in Verbindung stehen. Angenommen wird, dass eine hohe Konzentration von Lysozym im distalen Nephron, vergleichbar von Penicillin oder Carbenicillin, eine verstärkte K+-Sekretion bewirkt /9/.

Pylorusstenose, gastrointestinale Absaugungen, Drainagen: Diese Patienten verlieren häufig K+, insbesondere postoperativ über Drainagen. Eine Ursache ist der gastrointestinale K+-Verlust, eine weitere wesentliche ist ein renaler K+-Verlust, der aus der Volumendepletion und Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems resultiert /9/.

Durchfälle, Laxantienabusus: Verlust von Wasser, Elektrolyten und HCO3 proportional zu den Stuhlvolumina, deswegen bei schwerer Diarrhoe oft Azidose. Hypokaliämie besonders häufig beschrieben bei Laxantienabusus, K+-Werte sind dann im Urin eher niedrig (ebenso Na+ und Cl), oft keine oder nur gering ausgeprägte Alkalose wegen des gleichzeitigen HCO3-Verlusts trotz Hyperaldosteronismus.

Chloridorrhoe: Es handelt sich um eine seltene, angeborene Erkrankung mit vermindertem Gesamtkörper-Kalium und metabolischer Alkalose (siehe Beitrag 8.3 – Chlorid).

Villöse Adenome: Die rektalen Tumoren bilden viel K+-haltigen Schleim. Auf Grund des Verlusts von Kaliumbicarbonat bildet sich gewöhnlich eine metabolische Azidose aus.

Hyperaldosteronismus: Bei Patienten mit Hypokaliämie und Hypertonus, die keine Diuretika oder Laxantien einnehmen, sollte an einen primären Hyperaldosteronismus gedacht werden. Untersucht man in einer Praxis-Hypertoniekohorte nur hypokaliämische Hypertoniker auf ein Conn-Syndrom, liegt die Detektionsrate bezogen auf alle Hypertoniker bei unter 1 %, aber in spezialisierten Hypertonieambulanzen bei 1–4 %. Werden dagegen alle Hypertoniker, unabhängig vom Hypokaliämiestatus, mittels Aldosteron-Renin-Quotient untersucht, liegt die Detektionsrate bei 1–4 % /15/.

Trauma: Eine frühe Hypokaliämie, die nach 1 h einsetzt und innerhalb von 24 h ohne Kaliummedikation wieder normalisiert, wird bei bis zu 65 % der Patienten mit Trauma gemessen. Es besteht kein Bezug zu Herz-Kreislauf Parametern, Blutverlust, Blut-pH und der Konzentration von Adrenalin oder Noradrenalin. Hypokaliämien sind häufiger bei Patienten mit Kopf- und Rückenmarkverletzungen. Kinder im Alter von 5–14 Jahren haben häufiger eine traumatische Hypokaliämie als Erwachsene /16/.

Renal tubuläre Azidose (RTA): Die distale RTA (Typ I) und die proximale RTA (Typ II) gehen mit einem renalen K+-Verlust und einer Hypokaliämie einher. Beim Typ II resultiert die Kaliurese aus einer verstärkten HCO3-Belastung des distalen Tubulus. Beim Typ I ist die H+-Ausscheidung defekt und K+ wird anstelle der H+ sezerniert um die tubuläre Na+-Rückresorption zu gewährleisten. Der distale Na+-Verlust bewirkt zusätzlich eine Volumendepletion mit Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems /17/. Eine Reduktion des K+ im Plasma um 0,3 mmol/l entspricht einem Verlust an Gesamtkörper-Kalium von 100 mmol/l. Zur RTA siehe auch Beitrag 8.8 – Renale Elektrolytausscheidung.

Bartter Syndrom: Das Bartter Syndrom ist eine kongenitale Erkrankung, die durch Hypokaliämie und metabolische Alkalose charakterisiert ist. Das Syndrom wird vorwiegend bei Kindern und jüngeren Erwachsenen diagnostiziert. Klinische Symptome sind Kleinwuchs, Antriebslosigkeit, Muskelschwäche, Krämpfe, Polyurie und ein normaler Blutdruck. Die labordiagnostischen Charakteristika sind neben Hypokaliämie und metabolischer Alkalose, ein hyperreninämischer Hyperaldosteronismus und eine hohe Ausscheidung von Cl (über 100 mmol/l) im Urin /18/. Anatomisch haben diese Patienten eine Hyperplasie des iuxtaglomerulären Apparats der Nieren.

Pseudo-Bartter Syndrom: Die labordiagnostischen Befunde gleichen denen des Bartter Syndroms. Es bestehen jedoch im Unterschied zum Bartter Syndrom keine renalen Veränderungen /18/.

Gitelman Syndrom: Das Gitelman Syndrom betrifft den Thiazid sensitiven NaCl Kotransporter (NCC), der vorwiegend im distalen Konvolut der Nieren gelegen ist. Bei diesem Syndrom führt eine NCC loss of function mutation zum Salzverlust mit niedrigem Blutdruck trotz einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems. Beim Gitelman Syndrom handelt es sich um eine seltene chronische renale Elektrolytstörung mit Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hypokalziurie, Unempfindlichkeit der renalen Elektrolytausscheidung für Thiazide und einer hoch normalen oder erhöhten Ausscheidung von Cl. Die Werte von K+ im Plasma liegen gewöhnlich unter 3,0 mmol/l mit Medianwerten von 2,4 mmol/l und Magnesiumwerten von im Median 0,55 mmol/l. Differentialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen das Bartter- und Pseudo-Bartter Syndrom sowie der Diuretikaabusus, insbesondere wenn Thiazide eingenommen werden. Liegt ein chloridreicher Urin vor, ist es wichtig, durch eine Bestimmung der Diuretika das Gitelman Syndrom vom Diuretikaabusus abzugrenzen /19/.

Liddle Syndrom: Dieses Syndrom zeigt, ausgenommen der Hypokaliämie, das umgekehrte Bild des Bartter Syndroms. Neben der Hypokaliämie besteht ein hyporeninämischer Normo- bzw. Hypoaldosteronismus und eine Erhöhung des Blutdrucks. Die Pathophysiologie ist unbekannt, vermutet wird eine Hypersensitivität des defekten tubulären Epithels für Mineralokortikoide oder ein Defekt der Voltage-gated Na+-Kanäle /9/.

ACTH-bildende Tumoren: Tumoren, insbesondere kleinzellige Bronchialkarzinome, bilden paraneoplastisch ACTH. Stimuliert wird die Cortisol- und Aldosteronproduktion. Es kommt zu einem renalen K+-Verlust. Verdächtig sind Patienten mit Hypokaliämie, metabolischer Alkalose und Hyperpigmentierung /9/.

CUshing Syndrom: Das Cushing Syndrom kann aufgrund einer Sekretion von adrenokorticotropen Hormon (ACTH) durch ein kleinzelliges Lungenkarzinom eine massive Bildung von Glucokortikoiden mit Hypokaliämie und Paranoia verursachen /46/.

Kongenitale adrenale Hyperplasie: Beim 17α-Hydroxylase-Mangel führt die verminderte Synthese von Cortisol zur vermehrten Bildung von Corticosteron und Desoxycorticosteron und vermehrten ACTH-Ausschüttung. Beim 11β-Hydroxylase-Mangel sind Desoxycorticosteron und ACTH vermehrt. Eine Hypokaliämie bildet sich nur in einem Teil der Fälle aus.

Hypomagnesiämie: Hypomagnesiämie führt aus nicht bekannter Ursache zu einem renalen Verlust von K+. An einen Magnesiummangel sollte gedacht werden, wenn bei normalem Blut-pH eine Hypokaliämie trotz entsprechender Kaliumzufuhr nicht korrigiert werden kann. Hypomagnesiämien treten häufig auf bei der Behandlung mit Schleifendiuretika, bei Alkoholikern und Patienten mit Malabsorptions Syndrom. Bei Patienten mit einer K+-Konzentration unter 2,5 mmol/l liegt in bis zu 70 % der Fälle auch eine Hypomagnesiämie vor /20/.

Lakritzenabusus: Lakritzen, angewendet zum Kauen oder als Abführmittel, enthalten Glyzerrhizinsäure. Diese hemmt das die Umwandlung von Cortisol in Cortison katalysierende Enzym. Dadurch ist die Konzentration von Cortisol erhöht und führt zur Kaliurese mit Hypokaliämie, Hypervolämie und Bluthochdruck. Wie beim Liddle Syndrom liegt ein hyporeninämischer Hypoaldosteronismus vor /9/.

Hypokaliämische periodische Paralyse (HypoPP): Die HypoPP ist eine autosomal dominante Erkrankung, die mit Attacken von Muskelschwäche und Hypokaliämie einhergeht. Ursache ist eine Mutation im Voltage-gated Calciumkanal, dem Dihydroxypyridinrezeptor (DHP-Rezeptor). Mutationen der Segmente S4 der Domänen II und IV führen zu einem Austausch von Arginin in Position 528 durch Histidin oder von Histidin durch Glycin in Position 1239 des DHP-Rezeptors. Die Erkrankung bildet sich bei 60 % der Betroffenen vor dem 16. Lj. aus. Die Muskelattacken betreffen alle vier Glieder und die Häufigkeit ist variabel, von einmal im Leben bis mehrmals pro Woche. Die HypoPP wird durch eine Kohlenhydrat reiche Nahrung und durch Ruhe nach körperlicher Anstrengung provoziert. Als diagnostischer Test werden Glucose (2 g/kg) und Insulin (0,1 U/kg) bezogen auf das Körpergewicht infundiert. Das führt zu einem Einstrom von Glucose in die Muskelzelle und zur Muskelparalyse mit Hypokaliämie /21/.

Antibiotika: Viele Antibiotika, insbesondere aber Penicillin, Carbenicillin und Gentamicin, führen durch verstärkte renale K+-Ausscheidung zur Hypokaliämie. Das anionische Penicillin und Carbenicillin stören die Elektroneutralität des Tubulus und führen so zur Kaliurese. Gentamicin bewirkt diese über eine Lysozymurie /9/.

Kardiale Erkrankungen: Milde bis moderate Hypokaliämien erhöhen die Wahrscheinlichkeit kardialer Arrhythmien bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Herzfehler und ventrikulärer Hypertrophie. Bei Patienten mit Arrhythmien, die Antiarrhythmika einnehmen, kann eine Hypokaliämie den Effekt der Antiarrhythmika zunichte machen. Bei allen diesen Patienten sollte durch entsprechende Supplementation von Kalium die Konzentration der K+ im Serum nicht unter 4,0 mmol/l abfallen. Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt nimmt die Rate des ventrikulären Flimmerns zu, wenn der K+-Wert unter 3,9 mmol/l abfällt /22/.

Tabelle 8.7-3 Erkrankungen und Zustände, die eine Hyperkaliämie verursachen können

Pseudohyperkaliämie

Probennahme: Mehrminütige Stauung des Oberarms führt zur Erhöhung der K+-Konzentration um 10–20 %, insbesondere wenn dabei die Faust geöffnet und geschlossen wird. Ursache ist die Entwicklung einer Azidose, die zum Austritt von K+ aus den Zellen führt /23/.

Hämolyse: Eine extravasale Hämolyse von 0,5 g Hb/l Plasma erhöht eine K+-Konzentration im Plasma von 5,0 mmol/l um 10 % /2/.

Leukozytose: Bei Leukozytenzahlen über 50 × 109/l kommt es bei Stehen des Blutes und durch den Gerinnungsvorgang zu einer K+-Freisetzung. Bei einer Patientin mit der Leukozytenzahl von 98 × 109/l kam es bei 2-stündigem Stehen des Blutes zu einem Anstieg des K+ von 3,5 auf 4,4 mmol/l und bei 4-stündigem Stehen auf 5,2 mmol/l. Schütteln des Blutentnahmegefäßes führte zu einem nahezu 4 fachen Anstieg von K+ /24/.

Thrombozythämie: Thrombozythämien über 600 × 109/l verursachen eine Hyperkaliämie. Jeder Anstieg um 100 × 109/l bewirkt eine K+-Erhöhung um 0,15 mmol/l. Die Freisetzung erfolgt während der Degranulationsphase des Koagulationsvorgangs und nicht während der Aggregationsphase /25/. Beim Kawasaki-Syndrom hat ein Teil der Patienten eine erhöhte K+-Konzentration im Serum, nicht aber im Plasma. Die Erhöhung resultiert aus der Gerinnung des Bluts bei erhöhter Thrombzytenzahl.

Hereditäre Sphärozytose: Das Ausmaß der Hyperkaliämie ist vom Zeitraum zwischen Probennahme und Probenzentrifugation abhängig. Im Vollblut kommt es zur Erhöhung der K+-Konzentration von 4,7 mmol/l auf über 10 mmol/l in 3 h. Wird Vollblut bei 37  °C gelagert, erhöht sich die K+-Konzentration von 4,7 mmol/l auf 5,5 mmol/l, bei Lagerung bei 4  °C jedoch auf über 10 mmol/l /26/.

Niereninsuffizienz – Akute Niereninsuffizienz /13/: Die akute Hyperkaliämie oder die akute Zunahme einer Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz beruht auf einer Kombination von Bilanz- und Verteilungsstörung. Das akute oligurische Nierenversagen geht immer mit einer Hyperkaliämie einher, deren Höhe aber von weiteren Faktoren wie Hyperkatabolismus (nach Operation, Steroidtherapie, Stress), Gewebenekrosen (bei Verbrennungen, Rhabdomyolyse, Hämolyse) oder Bestehen einer metabolischen Azidose abhängt. Beim akuten und chronischen Nierenversagen behalten die Nieren lange Zeit das Vermögen, K+ auszuscheiden. Das ist besonders der Fall bei Patienten mit einem guten Urinvolumen. Bei dem nicht-oligurischen akuten Nierenversagen beträgt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gewöhnlich unter 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1], bevor eine Hyperkaliämie auftritt.

– Chronisches Nierenversagen /9/: Unterhalb einer GFR von 60 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] beginnt die K+-Konzentration im Plasma anzusteigen, erreicht aber erst im Endstadium der chronischen Niereninsuffizienz ab einer GFR unter 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] Werte über 5 mmol/l /27/. Konzentrationen oberhalb 5 mmol/l sind nicht selbstverständlich für das chronische Nierenversagen. Sie treten auch leicht auf bei einer Belastung durch Kalium-reiche Nahrung, Freisetzung von intrazellulären K+ durch Trauma, Infektion oder medikamentöse Hemmung der tubulären K+-Sekretion, z.B. bei der Behandlung eines Patienten mit diabetischer Nephropathie mit β-Blockern. Auch kann bei chronischer Niereninsuffizienz eine Hyperkaliämie bei einer GFR über 10 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1] auftreten, wenn bei diabetischer Nephropathie oder interstitieller Nephropathie eine hyperchlorämische metabolische Azidose vorliegt /13/. Die Ursache einer Hyperkaliämie beim chronischen Nierenversagen beruht auf der verminderten Funktion der Na+-K+-Pumpe. Etwa 90 % der Hämodialyse Patienten entwickeln in der Periode zwischen zwei Hämodialysen keine K+-Werte über 6 mmol/l, trotz Fehlens einer signifikanten renalen K+-Ausscheidung.

Chronische Hyperkaliämie: Die chronische Hyperkaliämie beruht auf einem hyporeninämischen Hypoaldosteronismus. Ursache ist eine Transportstörung für K+ und Säuren im kortikalen Sammelrohr (renal-tubuläre Azidose Typ IV). Das Krankheitsbild ist relativ häufig und tritt bei diabetischer Nephropathie oder der interstitiellen Nephropathie auf.

Es bestehen fließende Übergänge zur verminderten renalen Ansprechbarkeit auf Aldosteron, wie sie beim systemischen Lupus erythematodes, Amyloidose der Nieren, Cyclosporin Therapie und obstruktiver Nephropathie gesehen wird. Krisenhafte Anstiege der K+ im Serum können bei metabolischer Azidose und unter Therapie mit ACE-Hemmern, Beta-Blockern und nicht steroidalen Antiphlogistika auftreten /12/.

Vermehrte externe Kaliumzufuhr: Zu einer Hyperkaliämie kann es kommen, wenn bei extrem reduzierter Na+-Zufuhr die K+-Aufnahme über 200 mmol/24 h beträgt. Dies kann z.B. der Fall sein bei therapeutischer K+-Substitution. Diese sollte nicht über 20 mmol/h betragen.

Massives Muskeltrauma, Rhabdomyolyse, Tumorzelllyse: Diese Ereignisse führen zu einer moderaten Hyperkaliämie mit Erhöhung von Harnsäure, Creatinin und Phosphat. Wichtig ist, durch Gabe von NaCl und Flüssigkeit das Na+-Angebot im distalen Tubulus zu erhöhen, so dass die K+-Sekretion erfolgen kann. Kritisch wird die Situation, wenn es durch Myoglobinurie bei Muskeltrauma oder Uratnephropathie bei Tumorzelllyse zu einer Niereninsuffizienz kommt. In diesen Fällen ist die Gabe von Natriumbicarbonat zur Alkalisierung des Urins erforderlich.

M. Addison: Bei der -Insuffizienz der Nebennierenrinde besteht ein Hypoaldosteronismus und Hypokortisolismus. Eine Hyperkaliämie tritt bei der Addisonkrise auf, nicht aber bei chronischer Insuffizienz, wenn die Kochsalzaufnahme ausreichend ist. Renin ist bei Nebennierenrinden-Insuffizienz normal.

Frühgeborene: Die nicht oligurische Hyperkaliämie ist eine häufige Komplikation bei extrem Frühgeborenen. Die Ursache ist ein K+-Verlust vom IZR in den EZR während der ersten Lebenstage. Es treten Plasmawerte über 9 mmol/l auf mit hohem Risiko kardialer Arrhythmien bei Werten über 7 mmol/l /28/.

Hyperkaliämische periodische Paralyse: Seltenes autosomal dominantes, hereditäres Leiden. Es kommt zu einer K+-Verschiebung von intra- nach extrazellulär bei körperlicher Anstrengung, Kälteexposition oder in Ruhe.

Tumorlyse Syndrom: Das Tumorlyse-Syndrom ist definiert /29/:

  • Harnsäure über 8 mg/dl (476 μmol/l) oder Anstieg um über 25 % gegenüber dem Ausgangswert.
  • K+ über 6 mmol/l oder Anstieg um über 25 % gegenüber dem Ausgangswert.
  • Phosphat über 4,5 mg/dl (1,45 mmol/l) oder Anstieg über 25 % gegenüber dem Ausgangswert.
  • Gesamt-Calcium unter 7,0 mg/dl (1,75 mmol/l) oder Abfall um über 25 % gegenüber dem Ausgangswert.

Succhinylcholin: Das Muskelrelaxans Succhinylcholin bewirkt eine Hyperkaliämie bei Patienten mit exogener Kaliumzufuhr sowie bei neuromuskulären Erkrankungen. Ursache ist eine verstärkte transmembrane Verschiebung des K+ von intra- nach extrazellulär /28/.

Digitalis Intoxikation: Digitalis-Intoxikation hemmt die Wirkung der renal tubulären Na+-K+-ATPase und weniger K+ wird nach intrazellulär transportiert /28/.

ACE Hemmer: ACE Hemmer bewirken eine Hyperkaliämie durch Induktion einer Situation wie beim Hypoaldosteronismus. Sie reduzieren die K+-Ausscheidung durch Verminderung der GFR bei Patienten mit Volumendepletion, Nierenarterienstenose und chronischer Niereninsuffizienz. Fernerhin wird die postglomeruläre arterioläre Gefäßkonstriktion vermindert. Diese Effekte führen zu einer verminderten Anlieferung von Na+ und Wasser zum distalen Tubulus und gemeinsam mit dem Hypoaldosteronismus resultiert eine verminderte K+-Ausscheidung.

ACE-Hemmer sind verantwortlich für 9–38 % der Hyperkaliämien bei stationären Patienten. Von diesen haben 10 % einen K+-Wert über 6 mmol/l. Das Risiko der ACE Hemmer induzierten Hyperkaliämie nimmt mit dem Ausmaß der Niereninsuffizienz zu. Die hochdosierte Gabe von Captopril für 10 Tage induziert erhöhte K+-Werte, eine positive K+-Bilanz und eine Reduzierung der Aldosteronwerte bei einer Creatininclearance von 60 [ml × min–1 × (1,73 m2)–1]. Die Reduktion de rDosis des ACE-Hemmers und eine leicht eingeschränkte K+-Zufuhr vermindern die Hyperkaliämie /28/.

Beta Blocker: Nicht selektive Beta Blocker können eine Hyperkaliämie bewirken, die aber selten schwer ist. Zwei Mechanismen sind dafür verantwortlich: Erstens unterdrücken Beta Blocker die Katecholamin-induzierte Reninfreisetzung und vermindern somit die Synthese von Aldosteron; zweitens wird die zelluläre Aufnahme von K+ blockiert. Nicht-selektive Beta Blocker verursachen 4–17 % der Hyperkaliämien bei Klinikpatienten /28/.

Trimethoprim Sulfamethoxazol, Pentamidin: Trimethoprim Sulfamethoxazol und Pentamidin, die strukturell dem Amilorid gleichen, hemmen kompetitiv die Na+-Transportkanäle der luminalen Zellmembran der Nierentubuli. Dadurch wird auch indirekt die K+-Sekretion gehemmt, da die luminale negative Ladung, die durch die Na+-Wanderung generiert wird, vermindert ist. Ein Urin-pH unter 6 erhöht die protonierte Form von Trimethoprim, welches somit eine höhere Avidität zum Na+-Kanal hat und dadurch zusätzlich die K+-Sekretion hemmt.

Bei HIV-Patienten mit Trimethoprim Behandlung einer Pneumocystis carinii Infektion entwickelt die Hälfte K+-Werte über 5,0 mmol/l. Unter Pentamidin Therapie für mehr als 6 Tage haben 24 % der HIV-Patienten K+-Werte über 5,2 mmol/l /28/.

Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID): NSAID bewirken als Prostaglandinsynthase Inhibitoren einen hyporeninämischen Hypoaldosteronismus. Als Vasodilatatoren bewirken Prostaglandine die renale Synthese von Renin und somit auch von Aldosteron. Bis zu 46 % der Klinikpatienten entwickeln unter NSAID einen Anstieg der K+-Werte oder eine Hyperkaliämie /28/. Auch die neuen selektiven Cyclooxygenase-2-Inhibitoren können wahrscheinlich die Ausbildung einer Hyperkaliämie begünstigen.

Kalium sparende Diuretika: Kalium sparende Diuretika, wie Spironolacton, Amilorid, Triameteren, sind eine häufige Ursache der Hyperkaliämie.

Spironolacton ist ein Aldosteronantagonist und hemmt dessen Bindung an seine cytoplasmatischen Rezeptoren und damit die Aufnahme in den Zellkern. Die K+-Sekretion wird dadurch gehemmt. Im Stadium NYHA III und NYHA IV der chronischen Herzinsuffizienz wird die Behandlung mit Spironolacton empfohlen. Die Therapie wird begonnen mit einer Dosierung von 12,5–25 mg pro Tag und auf 50 mg gesteigert, wenn keine Hyperkaliämie auftritt.

Amilorid und Triamteren hemmen die K+-Sekretion durch Hemmung der Na+-Reabsorption der Tubuluszellen. Auf Grund einer Reduktion des elektrischen Gradienten über die Zellmembran wird die K+-Sekretion geblockt. Moderate bis schwere Hyperkaliämien treten bei 4–19 % der Patienten auf.

Die Hyperkaliämie bei Kalium sparenden Diuretika kommt häufiger bei Diabetikern und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz vor /28/.

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten: Diese Medikamente werden in der Behandlung des Bluthochdrucks eingesetzt. Sie können, wie die ACE-Hemmer, eine Hyperkaliämie herbeiführen durch Verminderung der Synthese von Aldosteron. Es bestehen keine Unterschiede in der Häufigkeit der Ausbildung einer Hyperkaliämie zwischen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und ACE-Hemmern.

Die Häufigkeit liegt bei 1,3 %, der relative Anstieg kann bei älteren Patienten über 0,5 mmol/l betragen. Das Vorliegen einer diabetischen Nephropathie und Werte des Serumcreatinins über 1,3 mg/dl (115 µmol/l) sind Prädiktoren eines signifikanten K+-Anstiegs /28/.

Cyclosporin, Tacrolimus: Die Immunsuppressiva Cyclosporin und Tacrolimus bewirken einen K+-Anstieg bei 44–74 % der transplantierten Patienten. Bei allogener Knochenmarktransplantation sind Hyperkaliämien über 5,5 mmol/l häufig mit einer verminderten Nierenfunktion verknüpft.

Cyclosporin wirkt hyperkaliämisch durch Induktion eines Hypoaldosteronismus, Cyclosporin und Tacrolismus hemmen auch die Na+-K+-ATPase der basolateralen Membran der Tubuluszellen /28/.

Heparin: Heparin, unabhängig ob fraktioniert oder unfraktioniert, hemmt die adrenale Synthese von Aldosteron. Das beruht einerseits auf der Verminderung der Angiotensin-II-Rezeptoren in der Zona glomerulosa der Nebennierenrinde, zum anderen auf der direkten Hemmung der C18-Hydroxylierung des Aldosterons. Bei länger als 3-tägiger Behandlung mit mehr als 5.000 Einheiten Heparin können Anstiege der K+ von 0,2–1,7 mmol/l auftreten /30/.

Tabelle 8.8-1 Referenzbereiche der Elektrolyte im Urin

24 h-Sammelurin

  • Volumen (ml)

1.349

±

412 /3/

660

3.620 /4/

  • Na+ (mmol)

158

±

64 /3/

67

268 /4/

  • K+ (mmol)

67

±

23 /3/

34

126 /4/

  • Cl (mmol)

166

±

71 /3/

  • pH

6,2

±

0,5 /3/

5,2

7,4 /4/

  • Ammonium (mmol)

8

±

3

4

17 /4/

  • HCO3 (mmol)

< 50

  • Creatinin (mmol)

14,6

±

4,2 /3/

8,3

22,8 /4/

Angabe von x ± s bei Lit. /3/ und der 2,5. und 97,5. Perzentile bei Lit. /4/

Morgendlicher Spontanharn nach 8 h Bettruhe /3/

  • Volumen (ml)

298

±

166

  • Na+ (mmol/l)

118

±

54

  • K+ (mmol/l)

44

±

27

  • Cl (mmol/l)

106

±

52

  • Creatinin (mmol/l)

16

±

4,8 (1,81 ± 0,55 g/l)

Angabe von x ± s. Die mittleren Ratios der Konzentrationen von Sammelurin zu Spontanurin betrugen in einer Studie /5/ bei Frauen für Na 2,0 und für K 1,0.

Tabelle 8.8-2 Bewertung der renalen Na+-Ausscheidung bei Hyponatriämie /7/

Ausscheidung

Erkrankung/Zustand

< 20 mmol/l

3–5 Tage nach kompletten Natriumentzug.

Bei Hypervolämie (Vergrößerung des extrazellulären Raums; EZR):

  • Na+-Verluste in den dritten Raum durch Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, nephrotisches Syndrom in Form von Ödemen, Ascites, Ileus.

Bei Hypovolämie (Verminderung des EZR):

> 20 mmol/l

Bei Hypovolämie:

  • Akute Tubulusnekrose in der oligurischen und polyurischen Phase.
  • Chronische Niereninsuffizienz; die Na+-Ausscheidung beträgt 50–70 mmol/l und nach Einschränkung der Natriumzufuhr erfolgt nach 1–3 Wochen die Reduktion auf 10–15 mmol/l. Bis dahin kommt es zu einem täglichen Verlust von 20–30 mmol Na+.
  • Diuretika, osmotische Diurese durch Hyperglykämie, Mannitol, Harnstoff.
  • Hypothyreose.

Bei Euvolämie:

  • Mangel an Mineralo- und Glukokortikoiden.
  • SIADH, RTA.

Tabelle 8.8-3 Bewertung der renalen Na+-Ausscheidung bei Hypernatriämie /6/

Ausscheidung

Erkrankung/Zustand

< 20 mmol/l

Bei Hypovolämie:

  • Insensible Verluste durch exzessives Schwitzen.
  • Gastrointestinale Verluste durch Diarrhoen, besonders bei Kindern.

> 20 mmol/l

Bei Hypovolämie:

  • Osmotische Diurese durch Glucose, Mannitol, Harnstoff.

Bei Hypervolämie:

  • Primärer Hyperaldosteronismus, Cushing Syndrom.
  • Zufuhr hypertoner Kochsalzlösung
  • Zufuhr von Natriumbicarbonat

Variabel

  • Diabetes insipidus (DI), Hypodypsie in Kombination mit partiellem DI.
  • – Insensibler Wasserverlust über die Schleimhäute oder Haut.

Tabelle 8.8-4 Beurteilung der Anionenlücke im Urin /10/

Anionenlücke

Beurteilung

Positiv

Vermehrte Ausscheidung eines oder mehrerer Anionen anders als Cl, z.B. HCO3. Hinweis auf eine gestörte Ansäuerung des Harns im distalen Tubulus, z.B. distal renal tubuläre Azidose (Typ 1). Bei dieser ist die Anionenlücke positiv (im Mittel 32 mmol/l) und die renale NH4+-Ausscheidung ist inadäquat niedrig bezugnehmend auf das Ausmaß der Azidose.

Negativ

Vermehrte Ausscheidung eines Kations anders als Na+ oder K+, z.B. NH4+.

  • Ammoniumchlorid-Vergiftung. Dies wird zur Ansäuerung des Urins bei Patienten mit Phosphat haltigen Nierensteinen verwendet. Patienten mit schlechter Leber- oder Nierenfunktion neigen zur Vergiftung mit schwerer metabolischer Azidose und Koma.
  • Hinweis auf einen vermehrten gastrointestinalen Verlust von HCO3, z.B. bei Durchfällen. Bei Durchfallpatienten und gesunden Personen mit NH4Cl-induzierter Azidose beträgt die Anionenlücke im Mittel –23 mmol/l und die NH4+-Ausscheidung ist inadäquat hoch bezugnehmend der Azidose.
  • Proximale RTA (Typ 2). Auf Grund inadäquat hoher NH4Cl-Sekretion ist die Anionenlücke negativ. Siehe auch Tab. 8.8-5 – Renal-tubuläre Azidosen.

Tabelle 8.8-5 Renal tubuläre Azidosen (RTAs) /14/

Proximale RTA (Typ 2): Die proximale RTA kommt primär als isolierte Entität vor oder in Kombination mit weiteren tubulären Defekten wie dem Fanconi Syndrom (Zystinose, Galaktosämie, Fruktoseintoleranz, Tyrosinämie, M. Wilson, Lowe-Syndrom, metachromatische Leukodystrophie, multiples Myelom). Die Ursache kann hereditär bedingt sein (Mutationen im Gen SLC4A4, das den Na+–HCO3-Kotransporter NBC-1 kodiert) oder sekundär durch Medikamente und Toxine (Azetazolamid, verfallenes Tetrazyklin, Aminoglykoside, Valproinsäure, 6-Mercaptopurin, Isophosphamid, Blei, Cadmium, Quecksilber). Auch ist die proximale RTA assoziiert mit anderen Erkrankungen wie Vitamin D-Mangel, Hyperparathyreoidismus, Leigh-Syndrom, kongenitaler zyanotischer Herzerkrankung, Alport-Syndrom, Amyloidose, Kortikosteroid-resistentes nephrotisches Syndrom, nach Nierentransplantation.

Es besteht eine verminderte proximal tubuläre Reabsorption von HCO3, die Schwelle liegt normalerweise bei jüngeren Kindern bei 22 mmol/l und bei älteren Kindern und Erwachsenen bei 26 mmol/l. Wenn das HCO3 im Plasma auf niedrige Werte fällt, können diese Patienten den Urin-pH unter 5,5 bringen und adäquate Mengen NH4+ in den Tubulus sezernieren. Wird aber das HCO3 im Plasma auf normale Werte gebracht (24 mmol/l) durch Alkalibelastung (Natriumbicarbonat-Belastungstest) wird das distale Nephron mit diesen Mengen nicht fertig und die fraktionelle HCO3-Ausscheidung liegt über 10–15 %. Die Diagnose kann oft schon durch Bestimmung der Anionenlücke und osmotischen Lücke gestellt werden, wenn eine hyperchlorämische metabolische Azidose besteht. Siehe Tab. 8.8-6 – Labordiagnostik der renal tubulären Azidosen.

Distale RTA (Typ 1): Die distale RTA ist charakterisiert durch das Unvermögen den Urin ausreichend anzusäuern (unter pH 5,5 nach Säurebelastung im Ammoniumchlorid-Belastungstest) . Wie bei der proximalen RTA ist auch bei der distalen Form der Verlust von K+ ein wesentliches Charakteristikum. Die verminderte Sekretion von NH4+ ist sekundär zu diesem Defekt. Unterschieden werden:

Komplette distale RTA, auch als klassische RTA bezeichnet. Sie hat multiple Ätiologien und umfasst primäre oder idiopathische Formen, genetische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Hyper- und Hypokalziämien, Dysproteinämien und toxische Genesen.

Inkomplette RTA, bei der es sich um eine milde Form der klassischen distalen RTA handelt. Sie ist unter normalen Bedingungen durch die Abwesenheit einer metabolischen Azidose, aber ebenfalls mit dem Unvermögen den Urin ausreichend anzusäuern (unter pH 5,5 nach Säurebelastung im Ammoniumchlorid-Belastungstest) charakterisiert. Eine höhere Ausscheidung von NH4+ kompensiert teilweise die verminderte Säureausscheidung.

Bei Kindern beruht die distale RTA immmer auf einer primären Genese. Wesentliche klinische Merkmale sind reduziertes Wachstum, Verlust von K+, Polyurie, Hyperkalziurie, Nephrokalzinose und Nephrolithiasis. Die autosomal dominante Form ist bei einigen Kindern mit Mutationen im Gen das den Cl–HCO3-Austauscher AE1 kodiert assoziiert (Abb. 8.8-4 – H+-Sekretion in die kortikalen Sammelrohre). Bei den autosomal rezessiven Formen, die mit Schwachsinn einhergehen, wurden Mutationen im Gen ATP6B1, das die B1-Untereinheit der H+-ATPase kodiert, nachgewiesen.

Eine distale RTA entwickelt sich, wenn das distale Nephron keine H+ sezerniert oder das Vermögen primär vorhanden, sekundär aber abgeschwächt ist. Die erworbenen Formen beruhen auf monoklonalen Gammopathien, Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes, dem Sjögren-Syndrom (Prävalenz bis 40 %) und der chronisch aktiven Hepatitis.

Hyperkaliämische RTA (Typ 4): Der Defekt den Urin anzusäuern beruht auf einer Reduzierung der Ammoniogenese. Es besteht aber das Vermögen den Urin ausreichend anzusäuern (unter pH 5,5 nach Säurebelastung im Ammoniumchlorid-Belastungstest). Die renale HCO3-Reabsorption ist zwar bei einem normalen HCO3 im Plasma vermindert, aber diese Reduktion ist nicht ausreichend um eine assoziierte proximale RTA anzunehmen. Die hyperkaliämische RTA wird häufig diagnostiziert im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz oder im Zusammenhang mit einem Hypo- oder Pseudohypoaldo-steronismus, insbesondere bei Kindern.

Hyperkaliämische RTA und Pseudohypoaldosteronismus Typ 1: Bei dieser hereditären Form stehen Salzverlust, Hyperkaliämie, metabolische Azidose und erhöhte Konzentrationen von Renin und Aldosteron im Vordergrund. Bei der autosomal dominanten Form ist die Aldosteronresistenz durch Mutationen im Gen, das den Aldosteronrezeptor kodiert, bedingt. Bei der autosomal-rezessiven Form besteht diese Resistenz in vielen Organen.

Primärer Pseudohypoaldosteronismus Typ 2 (Gordon-Syndrom): Es besteht eine verstärkte Reabsorption von NaCl im dicken Teil der Henle`schen Schleife und dem frühen distalen Tubulus, woraus eine verminderte Sekretion von K+ und H+ resultiert.

Bei Erwachsenen ist die hyperkaliämische RTA eine erworbene Erkrankung im Zusammenhang mit Mangel an Mineralokortikoiden, entweder bedingt durch Nebenniereninsuffizienz, oder sekundär durch Hyporeninämie bei Patienten mit diabetischer Nephropathie, milder oder moderater Niereninsuffizienz anderer Ursache, dem systemischen Lupus erythematodes oder einer AIDS-Nephropathie. Schließlich kommen noch Medikamente in Frage sowie tubulo interstitielle Erkrankungen, die mit einer verminderten Antwort auf Aldosteron und einer defekten K+-Sekretion assoziiert sind.

RTA Typ 3: Diese Form schien eine Kombination von proximaler und distaler RTA zu sein, wird aber nicht länger als existent angesehen.

Tabelle 8.8-6 Labordiagnostik der Renal tubulären Azidosen (RTAs) /1314/

Verdacht auf RTA: Liegt eine hyperchlorämische metabolische Azidose und eine normale Anionenlücke im Plasma vor (siehe auch Beitrag 8.5 – Osmolalität), so besteht der Verdacht auf eine RTA, wenn kein gastrointestinaler Verlust von HCO3 vorliegt und keine Diuretika eingenommen werden. Weiterführend bestimmt werden Anionenlücke und osmotische Lücke im Urin.

Anionenlücke im Urin (UAL und Osmotische Lücke im Urin: Gemessen werden Na+, K+ und Cl und die UAL wie folgt berechnet:

UAL (mmol/l) = Na (mmol/l) + K (mmol/l) – Cl (mmol/l).

Gemessen werden Na+, K+, Harnstoff und Glucose und die Osmolalität wie folgt berechnet:

Osmolalität (mmol/kg) = 1,86 (Na + K) + Harnstoff + 1,15 (Glucose) + 14. Alle Werte in mmol/l.

Berechnung der osmotischen Lücke (mmol/l): Gemessene Osmolalität – berechnete Osmolalität.

Bewertung: Besteht eine hyperchlorämische metabolische Azidose bei negativer Anionenlücke oder eine osmotische Lücke über 100 mmol/l, so liegt eine proximale RTA vor, wenn der gastrointestinale Verlust von HCO3 ausgeschlossen werden kann.

Messung der proximalen HCO3-Reabsorption: Die proximale RTA (Typ 2) ist durch eine verminderte HCO3-Reabsorption im proximalen Tubulus charakterisiert. Es wird vermehrt HCO3 mit dem Urin ausgeschieden. Zur Bestimmung der tubulären HCO3-Reabsorption wird ein Natriumbicarbonat-Belastungstest durchgeführt und die Rate der Reabsorption anhand der Ausscheidung gemessen.

Natriumbicarbonat-Belastungstest: Zur Abklärung einer proximalen RTA wird durch orale Gabe oder durch Infusion von Natriumbicarbonat eine normale Plasmakonzentration an HCO3 von etwa 24 mmol/l erzielt. Der Urin wird über 8 h gesammelt und die Ausscheidung an HCO3 in diesem Zeitraum bestimmt. Ist die fraktionelle Ausscheidung über 10–15 %, so liegt eine proximale RTA vor.

Messung der distalen Ansäuerung des Urins und der K+-Ausscheidung: Die distale RTA ist durch eine fehlende Ansäuerung des Urins im distalen Tubulus und den Sammelrohren unter einen pH von 5,5 und einer verminderten Sekretion von NH4+ bei einer quantitativ normalen Reabsorption von HCO3 charakterisiert.

URIN-pH: Die Messung erfolgt in einem frischen morgendlichen Spontanurin. Gemessen wird die Aktivität freier H+, die niedriger als 1 % im Urin ist. Aber ein normaler pH weist nicht darauf hin, dass die distale Ansäuerung normal ist, da die NH4+-Konzentration gering sein kann.

Anionenlücke im Urin: Siehe oben. Sie ist ein indirektes Maß der NH4+-Ausscheidung im Urin. Die Anionenlücke ist äquivalent der NH4+-Konzentration. Da aber bei metabolischer Azidose NH4+ als NH4Cl ausgeschieden wird, ist bei hoher NH4+-Sekretion die Anionenlücke negativ (proximale RTA), aber positiv bei distaler RTA mit niedriger NH4+-Sekretion.

Osmotische Lücke im Urin: Hohe Werte von NH4+ erhöhen die osmotische Lücke auf über 100 mmol/l, eine niedrige NH4+-Sekretion wie bei distaler RTA geht mit einer osmotische Lücke unter 100 mmol/l einher.

Ammoniumchlorid-Belastungstest (Säurebelastung): Dieser Test ist die am häufigsten eingesetzte Untersuchung zur Diagnostik der distalen RTA. Durchführung des Tests:

  • Beginn um 800 Uhr morgens mit der Gabe von 0,1 g NH4Cl pro kg Körpergewicht, gelöst in 1 Liter A. dest oder Gabe als Gelatinekapseln.
  • Sammlung des Urins nach 2 h, 4 h, 6 h und 8 h und Messung des pH in der jeweiligen Probe.
  • Wird kein pH unter 5,5 in einer der Proben erzielt, vorausgesetzt, dass die Konzentration von HCO3im Plasma unter 20 mmol/l abfällt, so liegt eine distale RTA vor.

Bestimmung des PCO2 im Natriumbicarbonat-Belastungstest: Bei distaler RTA wird unter Alkalibelastung (Natriumbicarbonat-Belastungstest ) der Urin deutlich alkalisch und das PCO2 im Urin nimmt zu bedingt durch die distale H+-Sekretion. H+ reagieren mit dem luminalen HCO3 unter Bildung von H2CO3. Da die Dehydratation von H2CO3 langsam verläuft ist die Bestimmung von PCO2 im Urin ein Maß der H+-Sekretion. Unter der Voraussetzung, dass im Natriumbicarbonat-Belastungstest im Urin ein pH über 7,6 und eine HCO3-Konzentration über 80 mmol/l erreicht wird, haben Normalpersonen einen Urin–Plasma PCO2-Gradienten von über 20 mmHg. Das ist auf Grund der verminderten H+-Sekretion bei distaler RTA nicht der Fall.

Transtubulärer K+-Konzentrationsgradient (TTKG): Der TTKG wird zur Abklärung der RTA Typ 4 bestimmt. Ermittelt wird das Ansprechen des distalen Tubulus auf Aldosteron. Bestimmt werden K+ im Urin (KU) und im Plasma (KP) sowie die Osmolalität im Urin (OU) und im Plasma (OP). Berechnung:

TTKG = K U × O P K P × O U

Bei Normalpersonen ist der TTKG immer über 4, bei hyperkaliämischen Patienten weist ein Wert unter 8 auf eine verminderte Ansprechbarkeit des distalen Tubulus auf Aldosteron hin.

Tabelle 8.8-7 Differenzierung der renal tubulären Azidosen (RTA)  /1314/

Untersuchung

prox. RTA

dist. RTA (cl)

dist. RTA (hk)

hyperkal. RTA

Belastungstests

Plasma-K+

n, ↓

n, ↓

Befunde bei Vorliegen einer metabolische Azidose, spontan oder unter NH4Cl-Belastung

Säure-Basen-Gleichgewicht normal, Befunde im Natriumbicarbonat-Belastungstest

Anionenlücke i.U.

negativ

positiv

positiv

positiv

Urin-pH

< 5,5

> 5,5

> 5,5

< 5,5

Säurebelastung

< 5,5

> 5,5

> 5,5

< 5,5

Frakt. K+-Exkretion

n, ↑

Ca-Exkretion

n

n, ↑

Citrat-Exkretion

n

n

Frakt. HCO3-Extr.

10–15 %

< 5 %

< 5 %

> 5–10 %

U-B PCO2 (mmHg)

> 20

< 20

> 20

> 20

proximale RTA, RTA 2 ; distale RTA, RTA 1; cl klassische Form, hK, hyperkaliämische Form (selten); hyperkaliämische RTA, RTA 4; U-B PCO2, Urin–Blut PCO2-Differenz; n, normal; ↓ erniedrigt; ↑ erhöht ; Säurebelastung erfolgt durch den Ammoniumchlorid-Belastungstest

Tabelle 8.8-8 Renale Kalium-Ausscheidung bei Hypokaliämie

Ausscheidung

Hinweis

< 10 mmol/l

  • pH normal: Verminderte Kaliumaufnahme oder K+-Verlust durch Haut, Darm, Fisteln, Laxantien.
  • Metabolische Azidose: Durchfälle.
  • Metabolische Alkalose: Konnatale Chloridorrhoe (Cl-Ausscheidung unter 10 mmol/l).

> 10 mmol/l

  • pH normal: Renaler K+-Verlust, z.B. durch Nierenerkrankung oder Diuretika, Verschiebung von K+ nach intrazellulär, z.B. durch Insulin und Katecholamine.
  • Metabolische Azidose: Hyperchlorämische renale tubuläre Azidose Typ I und II, Ureterosigmoidostomie, metabolische Azidosen mit erhöhter Anionenlücke im Plasma wie die diabetische und alkoholische Ketoazidose.
  • Metabolische Alkalose und Cl-Ausscheidung unter 10 mmol/l: Diuretika (nicht K+-sparend), intestinaler HCl-Verlust, z.B. durch gehäuftes Erbrechen, Magensaftdrainagen.
  • Metabolische Alkalose und Cl-Ausscheidung über 20 mmol/l: Hyperaldosteronismus, Hypertoniker mit Diuretikaeinnahme.

Tabelle 8.8-9 Hyperkaliurische Hypokaliämien /2/

Lowe-Syndrom*: Occulocerebrale Dystrophie; kongenitales Katarakt, mentale Retardierung, progressives Nierenversagen. Proteinurie, Aminoazidurie, milde Glucosurie, Phosphaturie, renal tubuläre Azidose.

Wilson-Erkrankung*: Bei der Kupferspeicher-Krankheit können folgende renal bedingte Befunde auftreten: Aminoazidurie, Hyperkalziurie, Hypophosphatämie, Nephrokalzinose und Nierensteine.

Dent’s Erkrankung*: X-gebundenes Leiden mit niedrig molekularer Proteinurie, Hyperkalziurie, Aminoazidurie, Hypophosphatämie, Rachitis. Der renale Chloridkanal 5 ist gestört.

Bartter Syndrom**: Renaler Salzverlust mit hypokaliämischer metabolischer Alkalose mit Normo- oder Hyperkalziurie. Inzidenz 1,2/1 Mio. Die biochemischen Befunde gleichen denen einer langzeitigen Einnahme von Diuretika. Mutationen der Transporter NKCC2, ROMK1 und CLC-Kb sind beschrieben (Abb. 8.8-1 – Behandlung von Na+, K+, Mg++ und Ca++ im dicken Teil der Henle’schen Schleife). Die meisten Patienten sind als Neugeborene schon auffällig. Siehe auch Tab. 8.7-2 – Erkrankungen und Zustände mit Hypokaliämie).

Gordon Syndrom (familiäre hyperkaliämische Hypertension): Das Gordon Syndrom und das Gitelman Syndrom betreffen beide den Thiazid sensitiven Na+-Cl Kotransporter (NCC), der vorwiegend im distalen Konvolut der Nieren gelegen ist. Beide funktionieren aber in entgegen gesetzter Richtung. Beim Gordon Syndrom bewirkt eine nicht normale WNK (with no lysine; K) Kinase eine Aktivierung des NCC Kotransporters, was zu einer abnorm hohen Salzreabsorption und erhöhtem Blutdruck führt, obwohl die Aldosteronkonzentration normal ist. Der hohe Blutdruck und die Hyperkaliämie können durch Thiazide korrigiert werden.

Gitelman Syndrom** /17/: Loss of function Mutation im Na+-Cl Kotransporter (NCC) führen zu einem Salzverlust und erniedrigtem Blutdruck, trotz eines aktivierten Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems.Das Symptom beruht auf dem Vorliegen von Mutanten des Gens SLC12A3. Dieses kodiert den Thiazid sensitiven distalen Na+-Cl Kotransporter (NCC). Die meisten Patienten werden erst im Erwachsenenalter diagnostiziert auf Grund leichter Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, mangelnder Leistungsfähigkeit, Schwindel, Kribbeln in den Fingern, Muskelkrämpfen. Auf Grund der autosomal-rezessiven Erbgangs haben die Patienten eine Schwester oder einen Bruder mit diesem Syndrom (siehe auch Tab. 8.7-2).

Labordiagnostik: K+ im Plasma um 2,4 mmol/l, Magnesium um 0,55 mmol/l, Cl niedrig normal.

Liddle Syndrom**: Autosomal dominante Erkrankung mit Hypertonie, hypokaliämischer metabolischer Alkalose und hyporeninämischem Hypoaldosteronismus. Die Aktivität des Na+-Transporters in den Sammelrohren ist auf Grund von Genmutationen erhöht.

* Fanconi-Syndrom, die Funktion des proximalen Tubulus ist eingeschränkt.

** Angeborene Störungen der Henle’schen Schleife und des distalen Tubulus.

Tabelle 8.8-10 Renale Kaliumausscheidung bei Hyperkaliämie

Ausscheidung

Hinweis

≥ 40 mmol/l

Die normale K+-Ausscheidung bei Hyperkaliämie spricht für die:

  • Vermehrte K-Aufnahme, z.B. mit der Nahrung oder durch Salze wie K-Citrat, K-Gluconat, K-Phosphat, K-Penicillin.
  • Verminderte Aufnahme in den intrazellulären Raum bei Insulinmangel, durch Betablocker, Digitalis.
  • Verstärkte Freisetzung durch Gewebeeinschmelzung, z.B. Hämolyse, aber auch durch metabolische Azidose oder die Infusion hypertoner Lösungen.

< 40 mmol/l

Die verminderte K+-Ausscheidung bei Hyperkaliämie weist auf eine renal bedingte Genese hin, z.B. verursacht durch Hypo- oder Pseudohypoaldosteronismus.

Tabelle 8.8-11 Hypokaliurische Hyperkaliämien /1112/

Hyperkaliämie

Hinweis

Pseudo­hypo-Aldosteronismus 1

Seltene Erkrankung des Kindesalters mit renalem Salzverlust, niedrigem Blutdruck und Erhöhung von Renin und Aldosteron.

Typ 1a: Autosomal-rezessive Form, die auf der Inaktivierung der Amilorid sensitiven Na+-Kanäle (ENaC) des distalen Tubulus und der Sammelrohre beruht (Abb. 8.8-2 – Reabsorption von Elektrolyten in den Sammelrohrzellen).

Typ 1b: Autosomal dominante Form, die auf einer Resistenz des renalen Mineralokortikoidrezeptors für seinen Liganden (Aldosteron) beruht (Abb. 8.8-2). Diese Form ist klinisch milder als der Typ 1a.

Pseudo­hypo-Aldosteronismus 2

Diese auch als Gordon Syndrom bezeichnete Erkrankung wird dominant vererbt und im Neugeborenenalter oder Jugendalter klinisch evident. Es besteht eine milde hyperkaliämische metabolische Azidose und eine Hypertonie. Ursache ist eine genetisch bedingte, distal tubulär verstärkte Cl-Reabsorption auf Grund einer aktivierenden Veränderung des Na+–Cl-Kotransporters (Abb. 8.8-3 – Aufrechterhaltung der Säuren-Basen Homöostase im proximalen Tubulus).

Dehydratation Hyperosmolalität Erhöhung des Gesamtkörper-Wassers Rückkehr zu normaler Plasmaosmolalität Aktivierung hypothalamischer Osmorezeptoren Höhere Zentren Supraoptische und para-ventrikuläre Kerne Durst Neurohypophysäre ADH-Sekretion Flüssigkeitsaufnahme Antidiurese

Abbildung 8.1-1 Physiologie der Wasser und Volumenhomöostase bei Dehydratation. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /4/. Reduktion des Körperwassers führt zum Anstieg der Osmolalität, der von Osmorezeptoren des Hypothalamus registriert wird. Über neurale Stimuli resultiert eine Aktivierung des Durstgefühls und die vermehrte Ausschüttung von ADH. Die Folgen sind eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme und eine Verminderung der renalen Wasserausscheidung (Antidiurese).

300 600 9001.200 3b 1 2 3a 4a 4b

Abbildung 8.1-2 Renal-tubuläre Behandlung von Wasser und Elektrolyten. Mit freundl. Genehmigung nach Lit. /5/. Die hellen Pfeile stellen Wasser dar, die dunklen Elektrolyte.

1) Nach Filtration werden Wasser und Elektrolyte im proximalen Tubulus isoton resorbiert.

2) Im absteigenden Schenkel der Henle’schen Schleife wird Wasser reabsorbiert und ein osmotisches Gleichgewicht mit dem Interstitium erreicht. Die Osmolalitäten im Interstitium sind zwischen ab- und aufsteigender Henle’schen Schleife angegeben.

3a+b) In den Verdünnungssegmenten wird elektrolytfreies Wasser durch selektive Reabsorption von Elektrolyten gebildet.

4a) In Abwesenheit von Arginin-Vasopressin bleiben die Sammelrohre für Wasser relativ dicht und ein verdünnter Urin wird ausgeschieden.

4b) Wird Arginin-Vasopressin ausgeschüttet, erfolgt die Reabsorption von Wasser und ein konzentrierter Urin wird ausgeschieden.

2 Liter 150 mmol/l infundiert Urin Körper 1 Liter 300 mmol/l 1 Liter 0 mmol/l ADH-stimulierte Rücknahme von Wasser

Abbildung 8.1-3 Bildung von elektrolytfreiem Wasser durch die Nieren. Werden 2 Liter isotone Kochsalzlösung infundiert, besteht ein Grund, 300 mmol Na+ mit dem Urin auszuscheiden. Um dies zu bewerkstelligen wird die Sekretion von ADH aktiviert, 1 Liter freies Wasser rückresorbiert und die 300 mmol/l Na+ werden mit 1 Liter Urin ausgeschieden. Die Zurücknahme von 1 Liter Wasser führt zum Abfall der Na+-Konzentration im Serum /7/.

K+-Reabsorption70–80 % Filtrierte Menge600–700 mmol/24 h K + - Sekretion K+-Reabsorption15–20 % ProximalerTubulus DistalerTubulus K+-Sekretion Sammelrohr Ausscheidung90 mmol/24 h Früh Mittlerer Später

Abbildung 8.1-4 Renal tubuläre Behandlung von K+. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /12/.

Lumen Thiazide Na Cl Na K K Zelle Blut ATP

Abbildung 8.1-5 Wirkungsmechanismus der Thiaziddiuretika. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /13/. Thiazide hemmen ein Kotransportprotein des Na+-Transporters der luminalen Zellmembran des distalen gewundenen Tubulus.

Na+ 3 Na+ K+ Lumen Tubuluszelle Blut 2 K+ () ATPase

Abbildung 8.1-6 Wirkung von Medikamenten an der Tubuluszelle des distalen Nephrons. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /14/. Amilorid, Triamteren, Trimethoprim und Pentamidin hemmen den Na+-Kanal der luminalen Membran. Digoxin, Cyclosporin, Tacrolimus reduzieren die Funktion der Na+-K+-Pumpe, Cyclosporin und nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente (NSAID) stören die Funktion des K+-Kanals der luminalen Zellmembran.

Na+ Zelle Aldosteron Renin Angiotensin I Beta-BlockerNichtsteroidale EntzündungshemmerCyclosporin A HeparinSpironolacton Converting enzmye-Inhibitoren Angiotensin II Aldosteron 2 K+ 3 Na+ + K+ ATP Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten

Abbildung 8.1-7 Mechanismus der Aldosteron abhängigen K+-Sekretion und ihre Hemmung. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /15/. Der transzelluläre Na+-Transport vom Lumen nach peritubulär wird durch die Insertion von Na+-Kanälen in die luminale Zellmembran und Aktivierung der Na+-K+-ATPase stimuliert. Im Tubuluslumen bildet sich eine negative transepitheliale Potentialdifferenz aus. Dadurch wird die Sekretion von K+ in das Tubuluslumen, im Austausch gegen Na+ gefördert. Heparin und Spironolacton hemmen kompetitiv die Bindung von Aldosteron an seinen Rezeptor, nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente, Angiotensin converting enzyme (ACE) inhibitors und Angiotensin II-Rezeptorblocker reduzieren die Aldosteronsynthese, seine Stimulierung der Na+-K+-Pumpe und der Na+-Kanäle.

Flüssig- keitsver- bindung Abfall Probe Brückenlösung KCl konz. Elektrochemische Zell e Pumpe Innenelektrolyt Membran Innere Elektrode (Ag/AgCl) Äußere Referenzelektrode (Hg/HgCl 2 ) Pumpe

Abbildung 8.2-1 Aufbau einer ISE-Einheit zur Bestimmung von z.B. Natrium. Die elektrochemische Zelle besteht aus einer Ionen selektiven Elektrode (innere Elektrode) und einer äußeren Referenzelektrode. Beide Elektroden stehen mit der Probenlösung in Verbindung. Die innere Elektrode über das Innenelektrolyt, die äußere über die Brückenlösung (konzentrierte KCl). Die Zelle kann wie folgt beschrieben werden: Hg|HgCl2|KCl konz.||Probenlösung|Membran|innere Referenzelektrodenlösung|Ag|AgCl.

(Oedeme) Hyponatriämie (Osmolalität i.S. ↓) GK-Natrium stärker ↓als GK-Wasser(hypovolämisch, hypoton) GK-Wasser ↑(normovolämisch, hypoton) GK-Wasser stärker ↑als GK-Natrium(hypervolämisch, hypoton) Renaler VerlustDiuretikaabususMineralokortikoid-Mangel, Salz-verlust-Niere (RTA,metab. Alkalose),osmotische Diurese Extrarenaler VerlustErbrechen, DurchfallVerbrennung, Pankrea-titis, akute schwereMuskelschädigung Glukokortikoid-Mangel,Hypothyreose, Schmerz,Stress, Medikamente,SIADH NephrotischesSyndrom, Leber-zirrhose, Stauungs-insuffizienz desHerzens Akute und chronischeNiereninsuffizienz Ursache U-Natrium > 20 mmol/L > 20 mmol/L > 20 mmol/L EZFV < 20 mmol/L < 20 mmol/L Moderat (keine Oedeme)

Abbildung 8.2-2 Differentialdiagnostik der Hyponatriämie, modifiziert nach Lit. /19/. EZFV, extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen; GK, Gesamtkörper; RTA, renal tubuläre Azidose; SIADH, Syndrome of Inappropriate Antidiuretic Hormone; U-Natrium, Natriumkonzentration im Spontanurin; ↑, vermehrt; ↓, vermindert

Hypernatriämie (Osmolalität i.S. ↑ ) Verlust von Natrium + H 2 O H 2 O-Verlust Natriumzufuhr Ursache RenalOsmotische Diurese,Mannitol, Glucose,Harnstoff ExtrarenalExzessivesSchwitzen,Durchfall beiKindern RenalDiabetesinsipidus (DI)(nephrogen, zentral und Hypodypsie bei partiellem DI) ExtrarenalInsensibleVerluste über z.B. Haut- und Atemwege Primärer Hyperaldosteronismus, Cushing-Syndrom, hypertoneDialyse, hypertones Na-Bicarbonat U-Osmolalität (mmol/kg) <700 >700 Niedriger als im Serum >700 Höher als im Serum U-Volumen (ml) >1.000 <1.000 >2.500 <1.000 >1.000 GK-Natrium V ermindert Normal Vermehrt

Abbildung 8.2-3 Differentialdiagnostik der Hypernatriämien, modifiziert nach Lit. /19/. GK, Gesamtkörper; U-Natrium, Natriumkonzentration im Spontanurin; U-Osmolalität, Osmolalität im Spontanurin. Angabe der Osmolalität in mmol/kg.

1400 1200 1000 800 600 400 200 0 012345 10 15 Osmolalität im Urin (mmol/kg) A VP im Plasma (ng/l ) A VP im Plasma (ng/l ) 12 8 4 0 270 280 290 300 310 Osmolalität im Plasma (mmol/kg)

Abbildung 8.6-1 Beziehung zwischen Osmolalität und AVPKonzentration im Plasma (oben) und AVP im Plasma und Osmolalität im Urin (unten). Modifiziert nach Lit /5/.

1086420 Hypovolämieoder Hypotension –20 15 10 +10 +15 +20 N 260 270 280 290 300 Plasmaosmolalität (mmol/kg) 310 320 330 340 Hypervolämieoder Hypertension AVP im Plasma (ng/l)

Abbildung 8.6-2 Beziehung von Blutvolumen, Osmolalität und AVP Konzentration. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /9/. Bei Hypovolämie oder Hypotension nimmt die AVP Konzentration zu, bei Hypervolämie und Hypertension nimmt sie ab. Die Zahlen in den Kreisen geben die prozentuale Zu- oder Abnahme des Plasmavolumens an.

Arginin-Vasopressin (ng/l ) Osmolalität im Plasma (mmol/kg) 50 Diabetes insipidus centralis SIADH (Schwartz-Bartter-Syndrom) D ia b e te s in sip id u s re n a lis 30 10 8 6 4 2 240 250 260 270 280 290 300 310 320 Normal-Bereich

Abbildung 8.6-3 Erkrankungen und Syndrome mit gestörter Beziehung zwischen Osmolalität im Plasma und der AVP Sekretion. Modifiziert nach Lit. /10/.

A VP im Plasma (pmol/l ) Osmolalität im Plasma (mmol/kg) Osmolalität im Harn (mmol/kg) A VP im Plasma (pmol/l ) 20 15 10 5 0,3 (LD) HDI DD I ND I 280 300 320 1200 800 400 0 0,3 (LD ) 2 4 6

Abbildung 8.6-4 Beziehung zwischen Osmolalität und AVP bei Diabetes indipidus (DI).

Oben: Beziehung von Osmolalität im Plasma und AVP Konzentration im osmotischen Stimulationstest (Tab. 8.6-6 – Osmotischer Stimulationstest).

Unten: Beziehung zwischen AVP Konzentration im Plasma und Osmolalität im Harn im Durstversuch (Tab. 8.6-5 – Interpretation des Durstversuchs in Kombination mit der DDAVP-Sensitivität).

Zeichenerklärung: HDI, hypothalamischer DI; NDI, nephrogener DI; DDI, dipsogener DI; LD, Limit of detection. Mit freundlicher Genehmigung aus Lit. /10/.

1–36 37–86 87–106 107–139 PTH- ähnliche Aktivität Plazentarer Kalzium- transport Nukleäre/nukleoläreLokalisation Osteoklast-HemmungOsteoblast-Stimulation

Abbildung 8.6-5 Prä-Provasopressin bestehend aus Signalpeptid, AVP, Neurophysin II und Copeptin.

+ + Syntaxin 4 AQP2 H2O Aktin - Filament - Motor AQP2 Aktinfilament Mikrotubulus Mikrotubulus Motor GI PKA cAMP ATP Gas Gas VAMP2 Endozytotischer Rücklauf GI Rezirkulierender Vesikel AQP3 AVP V2-Rezeptor Adenylatcyclase Luminal Basolateral AQP4 Exozytische Insertion +

Abbildung 8.6-6 Wirkung vom AVP zur Erhöhung der Wasserpermeabilität in den renalen Sammelrohrzellen. AVP wird an den V2-Rezeptor der basolateralen Membran gebunden. Intrazellulär wird über verschiedene Signal gebende Schritte (Gas) die Adenylatcyclase aktiviert, wodurch es zur Erhöhung von cyclischem AMP (cAMP) kommt. Letzteres stimuliert die Pyruvatkinase A (PKA), die den letzten Schritt der AVP-Wirkung einleitet, nämlich die exozytäre Inkorporation der spezifischen Wasserkanäle (AQP2) in die luminale Zellmembran. Die AQP2 werden von zytoplasmatischen Vesikeln getragen und Mikrotubuli und Actinfilamente sind erforderlich, um die Vesikel zur luminalen Zellmembran zu geleiten. Die AQP2 sind exklusiv in den Sammelrohrzellen der inneren Medulla lokalisiert. AQP3- und AQP4-Wasserkanäle transportieren Wasser durch die basolaterale Membran in das Interstitium der Nieren. Bei Mangel an AVP werden die AQP2 durch Endozytose recycelt und die Reabsorption von Wasser bleibt auf niedrigem Niveau erhalten. Syntaxin 4 ist ein Guanosintriphosphat-bindendes Protein. Mit freundl. Genehmigung nach Lit. /15/.

Tight junction K+ Cl Basolateral Apical Cl Na+2 ClK+ Mg2+Ca2+ 2 K+ 3 Na+ NKCC2 ROMK1 Paracellin-1 ATP CLC-Kb

Abbildung 8.8-1 Behandlung von Na+, K+, Mg2+ und Ca2+ im dicken Teils der Henle’schen Schleife. Mit freundl. Genehmigung nach Lit. /2/. Die basolateral lokalisierte Na+-K+-ATPase generiert die erforderliche Energie zum Einstrom von Na+. Über den Nieren spezifischen Kationen-Cl-gekoppelten Kotransporter NKCC2 werden Na+, Cl und K+ in die Zelle transportiert. NKCC2 ist der therapeutische Angriffspunkt der Schleifendiuretika. Die reabsorbierten K+ werden sofort recycelt über die apikale Membran durch die Renal outer medulla K+ (ROMK)-Kanäle. Die Cl werden über die basolateralen CLC-Kb-Kanäle exportiert. Der disproportional Transport von zwei Cl zu einem Na+ und die Sekretion von K+ tragen zur Bildung des Lumen positiven Potentials bei. Die K+-Bewegungen wirken elektrogen und treiben den Transport von Ca2+ und Mg2+ über Paracellin-1. Je mehr K+ sezerniert werden, desto größer ist die Reabsorption der beiden divalenten Kationen.

Basolateral Apical Na+ Na+ 11β-HSD + MR 2 K+ 3 Na+ ENaC K+ K+ H+ Hauptzelle Aldosteron Cortisol α-zwischengeschaltete Zelle ATP ATP

Abbildung 8.8-2 Reabsorption von Elektrolyten in den Sammelrohrzellen. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /2/. Die Na+ Reabsorption erfolgt über den Amilorid-sensitiven Na+-Kanal ENaC. Dieser wird von Aldosteron über den Mineralokortikoidrezeptor (MR) beeinflusst. Bei Hyperaldosteronismus werden verstärkt ENaC gebildet. Cortisol kann ebenfalls am MR eine Wirkung entfalten, wird aber großteils zuvor durch das Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (11β-HSD) zu Cortison inaktiviert.

Der Na+-Transport treibt die K+-Sekretion und die H+-Sekretion zwischengeschalteter Sammelrohrzellen. Folgende Störungen sind bekannt:

Liddle-Syndrom; Mutationen verursachen eine erhöhte Aktivität von ENaC mit verstärkter Na+-Resorption und Verlust von K+ und H+.

Pseudohypoaldosteronismus Typ Ia; Mutations bedingter Funktionsverlust von ENaC.

Pseudohypoaldosteronismus Typ Ib; Abnormität von MR. Bei beiden Typen des Pseudohypoaldosteronismus wird zu wenig Na+ reabsorbiert mit der Folge des Kochsalzverlusts und einer verminderten Sekretion von K+ und H+.

Lakritzenabusus hemmt die 11β-HSD und bewirkt Bluthochdruck und eine hypokaliämische metabolische Alkalose, da Cortisol als Mineralokortikoid wirken kann.

2 K + ATP K + 3 N a + 3 HC O 3 NBC-1 NHA-3 CA II Na H + HC O 3 H 2 CO 3 H 2 CO 3 C O 2 C O 2 H 2 O H 2 O Lumen Blut N a + Cl + H 2 O N a +

Abbildung 8.8-3 Aufrechterhaltung der Säuren-Basen Homöostase im proximalen Tubulus durch H+-Sekretion und HCO3-Reabsorption. Die H+-Sekretion erfolgt über den Na+–H+-Austauscher (NHA-3) und der HCO3-Transport in das Blut über den 1Na–3HCO3-Kotransporter (NBC-1). Die Carboanhydrasen (CA) II und IV katalysieren die HCO3-Bildung. Die Reabsorption von Cl erfolgt vermittels des Na+–Cl-Kotransporters. Modifiziert nach Lit. /13/.

CO2 H2O 2 K+ ATP K+ 3 Na+ AE1 H+-ATPase CA II HPO42– NH3 H2PO41– Lumen + α-Zwischenzelle ATP ATP H+K+-ATPase Cl Cl H2CO3 H+ H+ HCO3 K+ K+ NH4+ Blut

Abbildung 8.8-4 Sekretion von H+ in die kortikalen Sammelrohre durch die α-Zwischenzellen vermittels der vakuolären H+-ATPase und der H+-K+-ATPase. Intrazellulär gebildetes HCO3 verlässt die Zelle in das Blut über den Cl–HCO3-Austauscher (AE1). Die Carboanhydrase II (CAII) ist zur Sekretion von H+ erforderlich. Modifiziert nach Lit. /13/.

Negative Anionenlücke im Urin (Cl > Na+ + K+) GI HCO3-Verlust(AnamneseUrin-Na) Proximale RTA? SäurebelastungUpH < 5,5 Na-Bicarbonat-BelastungFEHCO3 > 10–15 %U-B PCO2 > 20 mmHgProximale RTASuche nach weiteren Defekten HCl-Aufnahme(Anamnese)

Abbildung 8.8-5 Diagnostischer Ablauf bei Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose und negativer Anionenlücke im Urin. Säurebelastung bedeutet Ammoniumchlorid-Belastungstest. GI, gastrointestinal; UpH, Urin-pH; FEHCO3, fraktionelle Ausscheidung von HCO3; U-B PCO2, Differenz von PCO2 Urin zu Blut. Modifiziert nach Lit. /13/.

Positive Anionenlücke im Urin (Cl < Na+ + K+) Distaler renaler DefektPlasma K+ Normal, ↓ Säurebelastung Erhöht < 20 mm Hg > 5,5 > 5,5 UpH < 5,5 Na-Bicarbonat-Belastung < 20 mm Hg ≥ 20 mm Hg Hyperkaliämischedistale RTA Distale RTA Typ 4-RTA Voltage-dependentdefect SekretorischerDefekt Na-Trans-portdefekt Nephro- kalzinose Look for: Aldosteronmangel,chronischeNierenerkrankung U-B PCO2

Abbildung 8.8-6 Diagnostischer Ablauf bei Patienten mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose und positiver Anionenlücke im Urin. Säurebelastung bedeutet Ammoniumchlorid-Belastungstest. UpH, Urin-pH; FEHCO3, fraktionelle Ausscheidung von Bicarbonat; U-B PCO2, Differenz des PCO2 Urin zu Blut. Modifiziert nach Lit. /13/.

Nach oben <