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Komplementsystem

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  24 Labordiagnostische und klinische Beurteilung des Komplementsystems

Lothar Thomas

Das Komplementsystem ist Bestandteil der angeborenen Immunität und ein „Komplement“ des Antikörper vermittelten (humoralen) Immunsystems /12/. Die Komplementkaskade ist eine enzymatisch ablaufende Reaktion und beinhaltet unterschiedliche Aktivierungswege: Den klassischen Weg, den alternativen Weg, den Mannan bindenden Lektinweg (MBL) und die Aktivierung durch Plasmin und Kallikrein (Abb. 24-1 – Aktivierungswege des Komplementsystems).

Das Komplementsystem hat pro-inflammatorische Eigenschaften und funktioniert zum Teil als Kaskade mit begrenzter Proteolyse wobei eine Komponente die nächste aktiviert und es zu einer starken Amplifikation kommt. Das Ziel ist die Ablagerung von Fragmenten an Pathogenen und die Generierung von Fragmenten mit den Aufgaben der Opsonierung, der Lyse und Freisetzung von Peptiden mit unterschiedlichen Funktionen in der Auslösung einer Entzündungsreaktion.

Das Komplementsystem besteht aus über 30 Proteinen im Plasma und auf der Membran von Zellen (Tab. 24-1 – Proteine des Komplementsystems). Etwa 90 % der Komplementmenge werden von der Leber gebildet und der größte Teil ist im Blut. Die Sekrete der Schleimhäute und die Gewebe enthalten etwa 10 % der gebildeten Komplementmenge. Jedoch bei einer Entzündung nimmt die Komplementmenge an Schleimhäuten und Geweben durch Diffusion und lokale Synthese zu. Zytokine der Akute-Phase Reaktion (TNF, IL-1, IL-6) stimulieren die Synthese der Komplementproteine in den Hepatozyten um ein Mehrfaches.

Mangel- und Defektzustände der Komplementproteine im Plasma können erworben oder angeboren sein /12/. Erworbene Mangelzustände sind relativ häufig, können von akuter oder chronischer Ätiologie sein und sind häufig reversibel, wenn die Grunderkrankung, die zu einem Mangel geführt hat, erfolgreich therapiert wurde. Angeborene Komplementdefekte sind in der Bevölkerung relativ selten und prädisponieren zu Infektionen und Autoimmunerkrankungen. Auch wenn die angeborenen Defekte relativ selten sind, spielen sie doch eine Rolle bei Patienten, die sich mit Infektionen und autoimmunen Erkrankungen vorstellen.

24.1 Indikation

Rezidivierende Infektionen, insbesondere mit Neissera sp., S. pneumoniae, Hämophilus influenzae Typ b

Autoimmunerkrankung:

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Generalisierte Vaskulitis
  • Glomerulonephritis

Hämolytische Anämie

Kryoglobulinämie

Hereditäres angioneurotisches Ödem.

24.2 Bestimmungsmethode

Bestimmt werden können die funktionellen Aktivitäten des klassischen (CH50) und des alternativen Aktivierungswegs (AP50). Beide Tests sagen etwa gleich viel über den terminalen lytischen Weg C5b-9 aus /3/.Das Patientenserum liefert die Komplementquelle und Schaferythrozyten sind das Indikatorsystem. Als Kontrolle (normal) dient Humanserum, als Leerwert inaktiviertes Patientenserum (Inaktivierung bei 56 °C für 30 min). Die Zahl 50 resultiert aus der Serumverdünnung, bei der eine 50 % Hämolyse eingetreten ist.

Der CH50 Test und der AP50 Test sind beide für das Screening geeignet. Beiden gemeinsan ist die terminale Stecke (C3, C5, C6, C7 C8 und C9). Ist der CH50 pathologisch und der AP50 normal ist eine Komponente der klassische Aktivierung (C1, C4, C2) erniedrigt oder fehlt. Ist der AP50 pathologisch und der CH50 normal sind Faktoren der alternative Aktivierung (D, B, P) vermindert oder fehlen /2/.

24.2.1 CH50-Test

Prinzip: Konstante Mengen von mit Antikörpern beladenen Schaferythrozyten werden mit der Komplementquelle (zu untersuchendes Serum) in geometrischer Verdünnung inkubiert. Auf Grund der Aktivierung von C3-Konvertase hämolysiert der terminalen lytischen Komplex die Schaferythrozyten. Anschließend werden die Ansätze zentrifugiert und der Hämolysegrad durch photometrische Bestimmung des Hämoglobins im Überstand ermittelt. Auf semilogarithmischen Papier wird der reziproke Wert der Serumverdünnung (Ordinate) gegenüber der Extinktion (Abszisse) aufgetragen. Die Einheit ist Methoden abhängig definiert.

De Bildung des Membran-Angriffs-Komplexes (MAC) an der Zelle erfordert die sequentielle Aktion aller 9 Komponenten der klassischen Aktivierung (C1, C4 und C2) und des terminalen Weges (C3, C5, C6, C7, C8 und C9).

Prinzip des Liposomentests: Liposomen enthalten an ihrer Oberfläche Dinitrophenylygruppen. Werden Liposomen mit der Komplementquelle (Patientenserum), einem Antikörper gegen die Dinitrophelygruppe und Glucose-6-Phosphat (GP) inkubiert, so werden die Liposomen durch den Antikörper-Komplement-Komplex lysiert und das in den Liposomen enthaltende Enzym Glucose-6-Phoshat-Dehydrogenase (G6PDH) freigesetzt. Die G6PDH katalysiert GP zu β-Gluconolacton-6-phosphat. Dabei wird NAD zu NADH reduziert. Die Bildung Von NADH is proportional zur Komplementaktivität.

Der CH50-Test und der Liposomen-Test sind die besten Sceeningtests zur Diagnostik eines Komplementmangels, denn sie zeigen, dass mindestens eine der Komponenten des Komplementsystems niedrig ist oder fehlt.

24.2.2 AP50-Test

Prinzip: Wie CH50-Test, jedoch werden sensibilisierte Kaninchenerythrozyten eingesetzt und die Bildung der C3-Konvertase verhindert. Dieser Aktivierungsweg ist Ca2+-abhängig und wird gehemmt, wenn die Inkubationsansätze des AP50-Tests frei von Ca2+ sind.

Der AP50-Test ist abhängig von der sequentiellen Aktivierung der Faktoren D, B, P, C3, C5, C6, C7, C8 und C9.

Die Aktivitätsbestimmung einzelner Komplementproteine kann, vergleichbar der Bestimmung von Einzelfaktoren des koagulatorischen Systems, mittels Mangelplasmen, denen das zu untersuchende Komplementprotein fehlt, erfolgen. Es werden konstante Mengen Mangelplasma mit ansteigenden Mengen Patientenplasma inkubiert.

24.2.3 Komplement-Aktivierungs-Enzymimmunoassay (CAE)

Prinzip: Bestimmt wird die Komplementaktivität des klassischen Aktivierungsweges. An die Wand des Näpfchens einer Mikrotiterplatte, die mit Immunkomplexen beschichtet ist, wird nach Zugabe der Patientenprobe das in der Probe enthaltene C1q gebunden und die Komplementkaskade aktiviert, es entsteht C9. Die Konzentration von C9 wird mit Hilfe eines monoklonalen enzymmarkierten anti-C9-Antikörpers gemessen /4/.

24.2.4 Immunchemische Bestimmung

Prinzip: Bestimmt wird die Konzentration einzelner Komponenten des Komplementsystems von radialer Immundiffusion, Immunnephelometrie und Immunturbidimetrie. Routinemäßig bestimmbar sind mit kommerziell verfügbaren Reagenzien C3 bzw. C3c, C4, C1q, C1-Esteraseinhibitor (C1-INH), Faktor B (C3-Aktivator).

C3c ist ein stabiles C3-Fragment, entsteht durch Einwirkung von Faktor I auf das instabile C3b und ist ein Indikator des C3-Umsatzes. C3c entsteht innerhalb von Stunden nach der Blutentnahme.

Da viele der Komplemenfaktoren Akute-Phase Proteine sind, kann ein Abfall der Konzentration einer Komponente durch die Erhöhung während einer Entzündungsreaktion maskiert sein.

Die quantitative Bestimmung von Spaltprodukten des Komplements kann helfen den jeweiligen Aktivierungsweg des Komplementsystems zu bestimmen:

  • Marker für die Aktivierung des klassischen Weges und des Mannan bindenden Lectinwegs sind C4a und C4d
  • Marker der Aktivierung des alternativen Weges ist Bb
  • Marker der Aktivierung des terminalen Weges sind C3a, iC3b und C5a.

24.2.5 C1-Inhibitor (C1-INH)-Aktivität

Die Wirkung von Autoantikörpern gegen C1q und C1-INH erfolgt durch folgende Bestimmungsmethoden /5/.

Enzymimmunoassay: Die Probe des Patienten wird mit biotinylierten C1s vorinkubiert. Der entstandene C1-INH-C1s-Komplex wird an avidierte Näpfchen von Mikrotiterplatten gebunden. Die Detektion erfolgt durch Meerrettichperoxidase gebundenes Anti-Human-C1-INH.

Photometrischer Test: Die Probe des Patienten wird mit einem Überschuss an C1-Esterase und dem Substrat Methyloxycarbonyl-L-lysyl-(ε-carbobenzoxy)-glycyl-L-arginyl-p-nitroanilid inkubiert. Die Menge des gespaltenen Substrates ist umgekehrt proportional dem Gehalt an C1-INH.

24.2.6 Bestimmung zellgebundenen Komplements

Direkter Antiglobulin-Test (Coombs-Test): An Erythrozyten gebundene Antikörper fixieren Komplement, insbesondere C3, auf der Zellmembran und können dies zurücklassen, wenn die Antikörper sich lösen. Ein solches Verhalten zeigen besonders erythrozytäre IgM-Antikörper. So ist der alleinige Nachweis von gebundenem C3 im direkten Coombs-Test typisch für Kälteagglutinine.

24.2.7 Bestimmung von Komplementrezeptoren

Die Bestimmung der Komplementrezeptoren CR1 (CD35), CR2 (CD21), CR3-α-Kette (CD11b) und CR3-β-Kette (CD18) auf Blutzellen erfolgt vermittels Fluoreszenz-markierter monoklonaler Antikörper. Zur Bestimmung werden der indirekte Immunfluoreszenz-Test oder die Flowzytometrie werden eingesetzt.

24.3 Untersuchungsmaterial

  • EDTA-Plasma (Lagerung des Blutes bis zur Abtrennung des Plasmas bei Kühlschranktemperatur): 3 ml
  • Serum wird für die Bestimmung der Proteinkonzentration von C3c, C1q und C1-INH eingesetzt: 1 ml

24.4 Referenzbereich

Siehe Lit. /3, 4, 6/ und Tab. 24-2 – Referenzbereiche von Komplement-Untersuchungen.

24.5 Bewertung

Die klinische Wahrnehmung des Mangel an Komplement ist in durch klinische Symptome nicht oder nur gering ausgeprägt und beschränkt sich im Wesentlichen auf das hereditäre Angiödem, den systemischen Lupus erythematodes und auf häufig wiederkehrende Infekte mit Meningokokken, bei denen ein Komplementmangel häufig ist /7/.

Untersuchungen, die in der Labordiagnostik routinemäßig zur Überprüfung des Komplementsystems durchgeführt werden, sind:

  • Zur Differenzierung des Mangels an Komplement die Bestimmung von CH50 oder des CAE.
  • Zur Untersuchung der Proteinkonzentration die Bestimmung von C3 bzw. C3c, C4, Faktor B und C1-INH.

24.5.1 Genetisch bedingter Komplementmangel

Die meisten Prteine des Komplementsystems werden autosomal kodominant vererbt. Typische Komponenten dieses Vererbungsmodus sind C1-Inh, C2, C3, C5, C6, C7 und C9 /2/. Die Subkomponenten C1q, C1r und C1s sind für die Funktion von C1 erforderlich. Ein Mangel der Subkomponenten und auch von C4 und C2 ist mit dem Risiko eitriger Infektionen verbunden.

Kinder mit einem C2-Mangel können invasive Infektionen mit S. pneumoniae und H. influenzae Typ B haben, die gewöhnlich ab der Pubertät aufhören, wahrscheinlich bedingt durch eine volle Funktion der erworbenen Immunität. Beim C2-Mangel können wahrscheinlich die gegen die Kapselantigene gerichteten IgM- und IgG-Antikörper über C4 eine Immunadhärenz von S. pneumoniae an den erythrozytären Komplementrezeptor CR1 vermitteln /8/.

Wiederholte invasive Infektionen durch N. meningitidis oder N. gonorrhoeae können erfolgen bei einer Störung des Membranangiffskomplexes (MAC) durch Mangel an C5, C6, C7 oder C8 oder von Properdin, die Komponente des alternativen Aktivierungsweges,  /2/.

Die Häufigkeit des systemischen Lupus erythematodes bei Patienten mit dem Mangel an C1q, C4 oder C2 beträgt jeweils 90 %, 75 % und etwa 15 % /9/.

Verminderte Aktivitäten von C4 und C3 bei Lupusnephritis sind der Hinweis auf eine schwere Erkrankung und einen schlechten Verlauf. Der komplette Mangel an C3 ist mit der Ausbildung einer membranoproliferativen Glomerulonephritis assoziiert /10/.

Personen mit dem Mangel einer Komponente des klassischen Aktivierungswegs oder von C3 haben eine verminderte Antikörperantwort auf Thymus abhängige Antigene und einen verminderten IgM/IgG Klassenswitch /11/. Der Effekt beruht auf dem C3 Fragment C3d, einem spezifischen Liganden des Komplementrezeptors 2 (CR2). C3d hat einen starken Dosis abhängigen adjuvanten Effekt.

Der Mangel an Faktor D und der Mangel an Properdin führen zu einer deutlichen Verminderung der Aktivität des alternativen Aktivierungswegs. Das führt zu bakteriellen Infekten, insbesondere mit N. meningitides.

Siehe auch:

24.5.2 C1-Inhibitor (C1-INH)

Der C1-INH ist ein Glykoprotein und gehört zur Familie der Serinprotease-Inhibitoren (Serpine) . Er wird im Hepatozyten gebildet und kontrolliert /12/:

  • Die spontane Autoaktivierung von C1 und von aktiviertem C1. Ein Mangel an funktionellem C1-INH bewirkt eine Aktivierung des klassischen Komplementwegs und führt zu einer Verminderung von C4 im Serum.
  • Die aktivierten Kontaktsystem-Proteasen der Gerinnung, zu denen der Hageman-Faktor (FXIIa), Präkallikrein, FXI und hochmolekulares Kininogen zählen.

Siehe auch Abb. 24-2 – Bedeutung des C1-INH in der Regulation der Fibrinolyse, des klassischen Wegs der Komplementkaskade und dem Bradykinin-System.

24.5.2.1 Hereditäres Angioödem

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene genetische Störung und charakterisiert durch rezidivierende Episoden nicht schmerzhafter, nicht juckender und nicht erythematöser subkutaner und submukosaler Schwellung, die nach 48–72 Stunden wieder nachlässt. Die Attacken des Angioödems resultieren aus einer unkontrollierten Aktivität des Kontaktsystems mit dem Gerinnungsfaktor XII und dem Plasmakallikrein, wodurch es zu einer starken Freisetzung von Bradikinin mit nachfolgend erhöhter Durchlässigkeit der Gefäße kommt. Die Mehrzahl der Angioödem-Fälle resultiert enweder aus einer Reduzierung von C1-INH (Typ 1) oder seiner vermindertem Funktion (Typ II). Beide Typen sind klinisch nicht zu unterscheiden.

C1-INH ist der wesentliche Inhibitor des Kallikreins und von F XIIa im Plasma und somit ein wichtiger Regulator der Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems. Bei einer akuten Attacke des HAE wird Kallikrein nicht ausreichend durch C1-INH gehemmt. Es resultiert eine Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems und es wird vermehrt Bradikinin, der Hauptmediator der vaskulären Permeabilitätsstörung gebildet.

Beim C1-INH-Mangel kommt es zur unkontrollierten Aktivierung des klassischen Komplementsystems. Dies führt zu einem verstärkten Verbrauch von C2 und C4, es wird aber keine effektive C3-Konvertase gebildet, so dass ein C3-Verbrauch nicht erfolgt.

Unter der Voraussetzung, dass kein C4-Mangel auf Grund anderer Ursachen vorliegt, ist eine Verminderung von C4 bei normalem C3 der Hinweis auf einen C1-INH-Mangel.

Die Kriterien für einen angeborenen oder erworbenen C1-INH-Mangel sind eine C1-INH-Aktivität von ≤ 25 % der Norm bei Vorliegen einer entsprechenden klinischen Symptomatik. Die C1-INH-Aktivität kann aber sehr variabel sein, unabhängig vom genetischen Status. Eine Erklärung hierfür ist die Präsenz von C1s-C1r-C1-INH-Komplexen oder von anti-C1-INH-Autoantikörpern. Befunde beim C1-INH-Mangel zeigt Tab. 24-3 – Erkrankungen durch genetisch bedingten Komplementmangel.

24.5.2.2 Nierenschädigung

Die Ausbildung einer Nierenschädigung bei einer Autoimmunerkrankung erfolgt durch unterschiedliche Mechanismen. Siehe auch Tab. 24-3 – Erkrankungen durch genetisch bedingten Komplementmangel.

24.5.2.3 Erworbener Komplementmangel und Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen, insbesondere diejenigen, die mit der Bildung von Immunkomplexen einher gehen, führen oft zu einem sekundären Komplementmangel, denn der Verbrauch übertrifft die Bildung in der Leber. Die klinischen Manifestationen und die Pathophysiologie des erworbenen Komplementmangels beruhen auf:

  • Der Ablagerung von Immunkomplexen: Werden sie nicht komplett eliminiert, können sie eine Entzündung verursachen. So wird die Serumkrankheit (akute Immunkomplex-Krankheit)durch eine große Menge von Fremdantigenen, gegen die der Patient eine Immunreaktion ausbildet, hervorgerufen. Eine gemischte Kryoglobulinämie ist z.B. ist die Folge einer Immunreaktion bei der Hepatitis C oder bei rheumatischer Erkrankung die Komplexe mit dem Rheumafaktor bilden.
  • Autoantikörpersyndrom: Bei der Überempfindlichkeits-Reaktion Typ 2 bindet der Autoantikörper an ein Antigen von Zellen, wodurch Komplement aktiviert wird. Der C3-Nephritisfaktor ist ein Autoantikörper gegen die Konvertase des alternativen Aktivierungswegs.
  • Ischämische Reperfusionsschädigung: Die Perfusion von geschädigtem Gewebe geht mit einer deutlichen Enzündungsreaktion einher, die weiterführend zu einer erheblichen nicht gewünschten Gewebeschädigung führt. Die wesentlichen Verursacher sind die Anaphylatoxine C3a und C5a, die neutrophile Granulozyten an den Entzündungsherd locken. Die Granulozyten setzen Enzyme und andere Mediatoren frei und führen unter Anderem zur Bildung von freien Sauerstoffradikalen.

Siehe auch:

24.5.2.4 Hyperkomplementämie

Viele Komplementproteine, insbesondere C3, C4 und C1-INH sind Akute-Phase Proteine. Sie werden bei einer Akute-Phase Reaktion nicht nur in der Leber, sondern auch in den Makrophagen synthetisiert. Wesentliche Ursachen der Erhöhung von Komplementproteinen sind systemische Infektionskrankheiten, nicht infektiöse chronische Entzündungszustände, wie z.B. die primär chronische Polyarthritis, und physiologische Zustände, wie Schwangerschaften. Der Nachweis der Erhöhung von Komplementproteinen ist zur Diagnostik solcher Zustände wenig sinnvoll. Die vermehrte Bildung von Komplementproteinen muss aber einkalkuliert werden, wenn bei aktiven Immunkomplex-vermittelten Erkrankungen eine Komplementaktivierung und damit Erniedrigung von CH50 oder von Komplementproteinen erwartet wird, diese aber ausbleibt und eine normale CH50-Aktivität und Konzentrationvon Komplementprotein gemessen werden.

Als Kriterium kann die Bestimmung des C-reaktiven Proteins bestimmt werden. Ist es erhöht, liegt eine Akute-Phase Reaktion vor und die Aktivität oder Konzentration von Komplement kann nur bedingt als Indikator einer Immunkomplex vermittelten Erkrankung herangezogen werden.

Das Komplementprotein C5a spielt eine kritische Rolle bei der Sepsis. Bei diffuser Komplementaktivierung wie bei Sepsis hemmen hohe Konzentrationen von C5a die Aktivität polymorphkerniger Granulozyten, in dem die C5a-Rezeptoren dieser Zellen herunterreguliert werden und somit nicht mehr adäquat auf C5a reagieren. Eine Neutralisierung von C5a durch monoklonale Antikörper bessert die Sepsis /13/.

24.6 Hinweise und Störungen

Probennahme

Für die Bestimmung der funktionellen Aktivität des Komplementsystems und des C1-INH sowie für die immunchemische Bestimmung von C3 und C4 sollte EDTA (1,5–2,0 mg/ml Vollblut) als Antikoagulans verwendet werden. Während des Gerinnungsvorgangs wird C1-INH verbraucht durch die Aktivierung von Serinproteasen. Da es im EDTA-Plasma zu keiner Aktivierung von Komplement kommt, ist C4 dort stabiler als im Serum. Damit eine in vitro-Aktivierung des Komplementsystems verhindert wird, muss das Plasma innerhalb 1 h von den Erythrozyten abgetrennt sein /12/.

C3 wird in die funktionell inaktiven Fragmente C3c und C3dg überführt, die mit den in immunchemischen Tests verwendeten Antikörpern kreuzreagieren können. Die Bestimmung von C3 sollte im EDTA-Plasma erfolgen, die Bestimmung von C3c im Serum, aber erst nach 24–48 h, oder nach 1 h Inkubation bei 37 °C, da dann alles C3 in C3c transformiert ist.

In vitro wird der klassische Weg der Komplementkaskade im Serum oder Heparinplasma durch niedrige Temperatur aktiviert. Es resultieren erniedrigte Werte von CH50 und C4. Die Werte bleiben unbeeinflusst im EDTA-Plasma (kalt oder bei 37 °C) sowie im Serum, das bis zur Analytik bei 37 °C gehalten wurde. Die kälteabhängige Komplementaktivierung tritt auf bei Patienten mit SLE, chronischen Leber- und Nierenerkrankungen und in 41–89 % der Proben von Patienten mit Hepatitis C-Infektion /14/.

Bestimmungsmethode

Der CH50-Test ist erst pathologisch bei einem deutlichen Abfall der Komplementaktivität des klassischen Systems bzw. wenn eine Verminderung von mehr als 50 % eines Komplementproteins vorliegt. Das beruht darauf, dass normalerweise die Komplementproteine in erheblichem Überschuss vorliegen.

Bei der C3-Bestimmung mittels Immunnephelometrie und Immunturbidimetrie ist zu beachten, dass das Referenzmaterial, z.B. die Referenzpräparation für Humane Serumproteine RPPHS/CRM 470, C3c enthält, da die meisten kommerziellen Antikörper gegen C3c gerichtet sind. Bei der Bestimmung in frischem Patientenserum werden deshalb niedrigere Werte bestimmt als in altem, da noch intaktes C3 vorliegt.

Stabilität

Für den CH50-Test, wenn die Bestimmung am gleichen Tag erfolgt, Lagerung des Plasmas bei Raumtemperatur, für mehrere Tage bei minus 20 °C, längerfristig bei minus 70 °C. Für die Bestimmung der Proteinkonzentration von C3c ist Postversand von Serum möglich.

24.7 Pathophysiologie

Das Komplementsystem besteht:

  • Aus >30 löslichen und Membran gebundenen Proteinen, und hat einen Anteil von 15 % an der Globulinfraktion im Serum.
  • Ist Bestandteil der angeborenen Immunität (siehe Beitrag 21.1.4 – Angeborenes Immunsystem) und ein Effektor der Antikörper-vermittelten Immunabwehr.
  • Besitzt hoch konservierte Strukturen zur Erkennung molekularer Antigenmuster von Pathogenen.
  • Wird über drei Wege aktiviert. Nach Aktivierung reagieren die Komponenten miteinander in sequentieller Folge zur Bildung von Effektormolekülen. Die Sequenz der Interaktionen wird Komplementweg genannt. Das System übt seine Wirkung aus und kontrolliert sich selbst über funktionelle Einheiten (Abb. 24-3 – Klassischer Weg, Lektin Weg und alternativer Weg des Komplementsystems).

Das Aktivierung des Komplementsystem kann erfolgen durch folgende Wege:

  • Klassischer Weg mit den Komponenten C1, C2, C3 und C4. Der klassischen Weg wird durch natürliche IgM-Antikörper, die ein bestimmtes molekulares Antigenmuster erkennen, aktiviert oder durch IgG-Antikörper, die nach einem kurz zuvor statt gefundenen Kontakt mit einem Pathogen gebildet wurden.
  • Alternativer Weg mit den Komponenten C3, Faktor B, Faktor D und Properdin. Der alternative Weg wird aktiviert durch die Hydrolyse von C3 und agiert als C5 Konvertase. Der alternative Weg wird direkt stimuliert durch molekulare Antigenmuster auf Bakterien, Pilzen oder defekten Körperzellen.
  • Lektin-Weg. Er registriert Strukturen von Kohlenhydraten auf Bakterien und rekrutiert spezifische Serinproteasen zur Aktivierung der Komplementkomponente C4.
  • Durch Plasmin und Kallikrein die direkt C3 in seine Komponenten spalten.

Obwohl Komplement unterschiedlich aktiviert wird, treffen sich alle Aktivierungen bei C3 unter Bildung der C3-Konvertase, die C5 in C5a und C5b spaltet. Letzteres oligomerisiert in der gemeinsamen Endstrecke mit C6, C7, C8 und multiplen C9 Molekülen unter Bildung des Membranangriffskomplexes (MAG). Der MAG bewirkt die direkte Schädigung des Pathogens.s

Die Aktivierung der Proteine der Komplementkaskade erfolgt proteolytisch, wodurch neue Komponenten gebildet werden. Durch die N-terminale Proteolyse von C3, C4 und C5 entstehen Peptide, die bewirken:

  • Eine Chemotaxis durch Bindung an Rezeptoren von Entzündungszellen.
  • Die Freisetzung von Inhaltsstoffen aus Granula von Entzündungszellen.
  • Die Synthese inflammatorischer Zytokine.
  • Durch Bindung an Rezeptoren von Gefäßzellen die Veränderung der vaskulären Permeabilität.

Das Ziel der Komplementaktionen ist die Förderung der Entzündung, die Beschleunigung der Immunantwort und die Vernichtung des Pathogens.

Da die Aktionen des Komplementsystems schwerwiegende Effekte auf den Wirtsorganismus haben können, erfolgt eine aktive Kontrolle durch Inhibitoren und Kontrollproteine, z.B. Faktor H und Faktor I.

Siehe auch:

An Zellmembranen existierende Komplementrezeptoren binden Komplement oder Immunkomplexe bestehend aus Immunglobulin und Komplement. Membran gebundene Immunkomplexe werden rasch phagozytiert und schnell aus dem Blut entfernt, so dass sie nicht präzipitieren und eine Immunkomplex Erkrankung (Serumkrankheit) auslösen können.

Aktivierung des klassischen Komplementwegs

Der klassische Weg des Komplementsystems wird aktiviert durch Immunkomplexe, die IgM, IgG1, IgG2 oder IgG3 enthalten, fernerhin durch proteolytische Enzyme, Heparin und Viren /1, 2, 15/. Die Aktivierung erfolgt sequentiell und ist bedingt durch die proteolytische Spaltung der Komponenten C1, C4 und C2 unter Bildung der C3-Konvertase.

  • Die Aktivierung beginnt durch Bindung der tulpenförmigen Komponente C1q an das Fc-Stück eines Immunkomplexes. Die Subkomponente C1r aktiviert sich und spaltet C1s, das wiederum C4 und C2 spaltet.
  • Die Spaltprodukte von C4 und C2 sammeln sich an der Zielstruktur unter Bildung der C3-Konvertase (C4b2a), die wiederum C3 spaltet unter Bildung der Produkte C3a und C3b. Die Halbwertszeit der Konvertase beträgt etwa 3 Minuten.
  • C3b, gelagert an die Zielstruktur, wirkt dort als ein Opsonin und interagiert mit der C3-Konvertase unter Bildung der C5-Konvertase.
  • Das von der C5-Konvertase (C3bBb3b) gebildete C5b startet die terminale lytischen Sequenz C5–9 durch Bindung von C6 und C7. Der Komplex heftet an die Membran von Zellen, bezieht C8 und multiple von C9 in das Geschehen mit ein und bildet den Membranagriffskomplex (MAG).

Siehe:

Aktivierung des alternativen Komplementwegs

Die alternative Aktivierung des Komplementwegs erfolgt durch aggregierte Immunglobuline, Pilze, Bakterien, Viren, Polysaccharide und durch Selbstaktivierung. Über diese läuft das Komplementsystem kontinuierlich und in geringem Maße ab /2/.

  • Der Kontakt von aktivem C3 an Oberflächen, die keinen Komplementregulator besitzen, führt zur raschen Amplifizierung über einen Rückkopplungsmechanismus.
  • C3b bildet Konvertasen und erhöht somit die verstärkte Bildung von C3.
  • Die C3-Konvertase wird aktiviert, wenn das Proenzym den Faktor an C3b, das an der Zielstruktur haftet, bindet.
  • Faktor B wird durch Faktor D gespalten unter Bildung der alternativen Konvertase C3Bb. Properdin stabilisiert den Komplex.
  • Ist eine gewisse Menge C3, durch die C3 Konvertase zu C3b gespalten, bildet sich eine Verstärkerschleife, die es ermöglicht eine große Menge C3b zu bilden und an der Zielstruktur anzulagern. Unabhängig davon, wie die Komplementkaskade aktiviert wird, laufen über 75 % der aktivierten Komplementprodukte über den alternativen Weg. Das geschieht deshalb, da die C3-Konvertase nicht nur die C5-Konvertase aktiviert, sondern weil zur Bildung von C3b mehr C3 gespalten wird um die Verstärkerschleife zu aktivieren.
  • Das von der C5-Konvertase C3bBb3bgebildete C5b startet die terminale lytischen Sequenz C5–9 durch Bindung von C6 und C7. Der Komplex heftet an die Membran von Zellen, bezieht C8 und multiple von C9 in das Geschehen mit ein und bildet den Membranagriffskomplex (MAG).

Siehe Abb. 24-5 – Aktivierung des alternativen Komplementweges und Bildung des Membranangriffskomplexes.

Aktivierung des Lectin-Komplementwegs

Tierische Lektine wie das im Serum vorkommende Mannose- oder Mannan-Bindeprotein (MBP) erkennen Mannose oder N-Acetylglucosamin auf der Oberfläche von Bakterien. MBP ist ein Mitglied der Collectin-Familie, einer Gruppe von Ca2+-abhängigen Lektinen /16/. Die Struktur und Funktion der Collectine ähnelt derjenigen von C1q. MBP bindet Zuckerreste an der mikrobiellen Oberfläche und eine Mannose assoziierte Serin-Proteasen (MASP) und spaltet analog zu C1r und C1s die Faktoren C4 und C2. Von diesem Punkt an, wie beim klassischen Aktivierungsweg, bilden C4b und C2a die C3-Konvertase und der Vorgang läuft zum teminalen Komplex C5-C9 ab /2/.

Siehe Abb. 24-3 – Klassischer Weg, Lektin Weg und alternativer Weg des Komplementsystems.

Biologische Funktion der Komplementrezeptoren

Die wesentlichen biologischen Funktionen des Komplementsystems sind /1617/:

  • Opsonisierung und Phagozytose durch die Bindung von C3b an Zielzellen. In Immunkomplexen gebundenes C3b bindet an spezifische C3b-Rezeptoren von Makrophagen und Granulozyten, so dass z.B. Antikörper beladene Infektionserreger leicht phagozytiert und proteolytisch zerstört werden können.
  • Auslösung einer Entzündungsreaktion durch Bildung der Anaphylatoxine C3a und C5a und Aktivierung der Chemotaxis (C5a) von Entzündungszellen. Die Anaphylatoxine bewirken die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen. Histamin bewirkt über eine Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur eine erhöhte Gefäßpermeabilität. Dadurch können weiteres Komplement, Antikörper und Entzündungszellen in den Extravasalraum gelangen.
  • Insertion des Membranangriffs-Komplexes in pathogene Zellen und Bakterien. Er kommt zur osmotischen Lyse der Zielzellen durch Bildung eines transmembranen Tunnels durch die Zellmembran.
  • Beschleunigung der Immunantwort durch kovalente Bindung von C3-Fragmenten an Zielzellen.
  • Entfernung von Immunkomplexen (IC) von Zelloberflächen durch Solubilisierung großer Immunaggregate, Hemmung der Bildung von IC und durch Bindung von IC an Makrophagen, von denen die IC dann aufgenommen werden.
  • Entfernung apoptotischer Zellen über den klassischen Weg durch Anlagerung von C1q an deren Oberfläche.
  • Freisetzung von neutrophilen Granulozyten aus dem Reservepool des Knochenmarks durch C1s, C3d-Kallikrein-Komplexe, außerdem aktiviert C1s die Thrombozyten, das Gerinnungs- und Fibrinolysesystem sowie das Kininsystem.

Die Synthese der Komplementproteine erfolgt in der Leber und zusätzlich noch am Ort der Entzündung durch Monozyten/Makrophagen. Die Komplementproteine werden im inaktiven Zustand sezerniert. Eine geringe Aktivierung läuft beim Gesunden ständig ab (Ruheaktivierung), da der Faktor D, der als einziger im aktiven Zustand sezerniert wird, ständig das Komplementprotein C3 in die aktivierte Form C3b umwandelt. Etwa die Hälfte des C3 im Organismus wird somit täglich umgesetzt. Die Konzentration der Komplementproteine im Plasma ist etwa 3–4 g/l, davon hat C3 einen Anteil von etwa 30 %.

Siehe Abb. 24-6 – Regulation des klassischen und alternativen Komplementwegs durch Kontrollproteine.

Komplementrezeptoren (CRs)

Vermittels ihrer Rezeptoren für Komplement werden Makrophagen und Granulozyten durch Bindung von Komplementbruchstücken mit in die Abwehr von Pathogenen oder die Klärung von Immunkomplexen einbezogen. Die Komplementrezeptoren dienen ebenfalls als Haftstellen für Komplementbruchstücke, die in der Ruheaktivierung gebildet und durch Angriff des Faktors I inaktiviert werden (Tab. 24-11 – Kontrollproteine auf der Membran von Blutzellen).

CR1: Der Rezeptor ist ein Glykoprotein das auf neutrophilen Granulozyten, Eosinophilen, Erythrozyten, Monozyten, dendritischen Zellen, gewissen T-Zellen und B-Zellen gelegen ist. CR1 bindet C3b, C4b und Partikel, die mit diesen Komponenten beladen sind. Die Funktionen des Rezeptors sind:

  • Während der Ruheaktivierung gebildetes C3b zu binden, so dass dieses vom Faktor I in C3d und C3dg überführt werden kann.
  • Immunkomplexe und Partikel, die mit C3b und C4b beladen sind, der Phagozytose zuzuführen.
  • Direkt in die spezifische Immunabwehr einzugreifen, da durch die Bindung von C3b und C4b die Makrophagen aktiviert werden und Interleukin-1 freisetzen, das dann T-Zellen aktiviert.

CR2: Der Rezeptor ist auf B-Zellen und follikulär dendritischen Zellen der Lymphorgane gelegen und bindet C3d und das Epstein-Barr Virus. Die Bindung von C3d bewirkt die Proliferation der B-Zellen.

CR3: Der Rezeptor gehört zu den Adhäsionsproteinen und ist auf neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sowie Monozyten gelegen. Gebunden wird C3bi, das durch den Faktor I inaktivierte und in vitro hämolytisch inaktive C3b. Aktiviert werden die genannten Zellen zur Phagozytose von C3bi-beladenen Partikeln.

Eine wichtige Rolle spielen die bei der Aktivierung von Komplement entstehenden Bruchstücke zur Entfernung von Immunkomplexen. Beständig laufen im Organismus Antigen-Antikörper Reaktionen unter Ausbildung von Immunkomplexen ab mit einer Größe, die zur Präzipitation der Komplexe führt. Werden diese nicht abgeräumt, präzipitieren sie in den Geweben und bewirken eine Entzündungsreaktion. Durch Anlagerung von Komplementbruchstücken an die Immunkomplexe werden diese gekennzeichnet und von den Komplement (CR) Rezeptoren der Blutzellen gebunden. So transportieren z.B. CR1-Rezeptor tragende Zellen Immunkomplexe in das retikulo-endotheliale System von Leber und Milz und bewirken damit deren Entsorgung.

Bei Mangel an Komplementproteinen ist die Entsorgung von Immunkomplexen gestört und die Assoziation mit Immunkomplexkrankheiten und Autoimmunopathien gehäuft diagnostizierbar.

Produkte der Komplementaktivierung

Als Folge der Aktivierung von Komplement entstehen aus inaktiven Komplementproteinen aktive Spaltstücke mit biologischer Funktion. Es handelt sich um die als Anaphylatoxine bekannten C3a und C5a sowie um C3e, dessen Funktion noch wenig bekannt ist.

C3a: Hat ein MG von 9,1 kD. Es bewirkt:

  • Bei Mastzellen und basophilen Granulozyten eine Degranulierung mit Freisetzung von Histamin.
  • Bei Monozyten die Freisetzung von Interleukin-1.
  • An der glatten Muskulatur die Kontraktion.
  • Eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität.
  • Eine Suppression der Antikörperantwort.

C5a: Hat ein MG von 11,2 kD. Es bewirkt:

  • Einen chemotaktischen Effekt gegenüber neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sowie Monozyten. Durch Bindung von C5a an spezielle Zellrezeptoren werden diese Zellen stimuliert und wandern in den Entzündungsherd ein.
  • Bei Monozyten die Freisetzung von Interleukin-1.
  • Bei Mastzellen die Freisetzung von Histamin.
  • Eine Kontraktion der glatten Muskulatur und Erhöhung der Gefäßpermeabilität.

C4a: Hat ein MG von 9 kDa und ähnliche Eigenschaften wie die anderen beiden Anaphylatoxine.

C3e: Hat ein MG von 10 kD. Es beschleunigt die Permeabilität der Hautgefäße für Mediatorproteine bei Inflammation, mobilisiert Leukozyten aus dem Knochenmark und aktiviert Granulozyten.

Patienten mit einem nicht genetisch bedingten Mangel an C1-INH können im Rahmen einer systemischen Entzündung einen C1-INH-Mangel erwerben, der für das Capillary leak syndrome verantwortlich gemacht wird /17/. Das Syndrom kann beim septischen Schock, unter Therapie mit Interleukin-2, beim schweren Verbrennungstrauma und nach Knochenmarktransplantation auftreten. Klinisch können ein generalisiertes Ödem, Ascites, prärenales Nierenversagen und ein Volumen refraktärer Kreislaufschock auftreten. Durch Gabe von C1-INH-Konzentrat kann der klinische Zustand gebessert werden.

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Tabelle 24-1 Proteine des Komplementsystems /1/

Protein

MG

(kDa)

Konz.

(mg/l)

Funktion

Klassischer Weg

  • C1q
  • C1r
  • C1s

400

190

85

70

35

30

Bindung an aktive Oberflächen und Bildung von aktiviertem C1s, das C4 und C2 spaltet.

  • C4

205

600

Teil der C5-Konvertase (Abb. 24-1 – Aktivierung und Regulation des Komplementsystems), bildet das Anaphylatoxin C4a.

  • C2

117

25

Das Spaltstück C2a ist der katalytische Teil der C5-Konvertase.

Alternativer Weg

  • C3

185

1.300

Das Spaltstück C3b bindet an aktivierende Oberflächen, ist Teil der C5-Konvertase, das Spaltstück C3a ist ein Anaphylatoxin. C3bi ist das durch den Faktor I inaktivierte C3b.

  • Faktor B

95

20

Teil der C5-Konvertase.

  • Faktor D

23

1

Wandelt C3 in die aktivierte Form C3b um. Wird als einziges Komplementprotein im aktivierten Zustand gebildet. Spaltet Faktor B.

Lytischer Komplex C5b-9

  • C5

190

160

Das Spaltstück C5b ist das Ausgangsprotein zur Bildung des Membranangriffkomplexes (MAC).

  • C6

120

65

Bestandteil des MAC.

  • C7

110

55

Bindungsteil des C5b-7-Komplexes an die Zellmembran.

  • C8

155

55

Bindet an C5b-7 und formt einen transmembranen Tunnel.

  • C9

79

200

Polymerisiert zur Vergrößerung des transmembranen Tunnels.

Regulatorische Proteine

Siehe auch Tab. 24-10 – Regulation des Komplementsystems durch Kontrollproteine und Tab. 24-11 – Kontrollproteine auf der Membran von Zellen.

  • C1-INH

105

180

Hemmt die Bildung und proteolytische Aktivität von C1q und C1r. Hemmt Plasmakallikrein und F XIIa.

  • C4bp

> 500

300

Reguliert die Komplementaktivierung des klassischen Weges in der flüssigen Phase. Bindet an C4, ist Kofaktor von Faktor I, beide gemeinsam degradieren die C3-Konvertase C4b2a.

  • CD59

20

Bekannt als Membrane inhibitor of reactive lysis (MIRL), als Homologous restriction factor 20 (HRF-20) oder Protectin. Bindet die α-Einheit von C8 und die C9b-Domäne und verhindert die Bildung einer Pore durch den Membranangriffkomplex durch Inhibition der Vereinigung von C8 und C9.

  • Complement-Rezeptor 1 (CR1)

CR1 ist ein Kofaktor von Faktor 1 und verhindert die Aktivierung der C3-Konvertasen des klassischen und alternativen Weges.

  • DAF

83

Decay accelerating factor (DAF, CD55) hemmt die Bildung und fördert den Zerfall der C3 und C5-Konvertase und hemmt somit die Aktivierung und Ablagerung von C3 an Oberflächen.

  • Faktor D

Wird in aktiver Form gebildet und wandelt beständig C3 in die aktive Form C3b um.

  • Faktor H

150

500

Reguliert die Komplementaktivierung des alternativen Weges in der flüssigen Phase und auf Zelloberflächen und ist Kofaktor von Faktor I. Konkurriert mit Faktor B um die Bindung an C3b. Faktor H zerstört die C3-Konvertase. Er ist bevorzugt an der Oberfläche von Wirtszellen und weniger von mikrobiellen Zellen gelegen, so dass eine Komplementaktivierung an den Wirtszellen weniger wahrscheinlich ist.

  • Faktor I

88

35

Inaktiviert die klassische C3-Konvertase C4b2a und die alternative Konvertase C3bBb.

  • Faktor P (Properdin)

220

25

Stabilisiert die Konvertase C3bBb der alternativen Komplementaktivierung. Übt eine dem Faktor H vergleichbare Funktion aus, da Properdin bevorzugt an mikrobielle anstatt von Wirtszellen anlagert.

  • MCP

45/65

Membrane cofactor protein (MCP, CD46). Es handelt sich um einen Kofaktor für die Faktor-I-vermittelte Inaktivierung der klassischen und alternativen Konvertase.

  • S-Protein

80

150

Verhindert das Eindringen von C5b-7 in die Zellmembran.

  • AI

Inaktiviert die Anaphylatoxine C3a, C4a, C5a.

Tabelle 24-2 Referenzbereiche von Komplement-Untersuchungen

Aktivitätsbestimmung /6/

CH50

19,5–60,0 U/ml

C1

1,15 bis 4,0 × 1013 effMol/ml1)

C2

1,75 bis 9,0 × 1011 effMol/ml

C4

0,70 bis 3,6 × 1013 effMol/ml

C4

12,0–60,0 U/ml

CAE /3/

< 60 U/ml

C1-INH

70–130 %

Proteinkonzentration (g/l)

C1q

0,05–0,252)

C1-INH

0,15–0,352)

Faktor B (C3-Aktivator)

0,10–0,402)

C3 /4/3)

C4 /4/3)

Neugeborene

0,58–1,08

0,070–0,235

Kinder

  • 3 Mon.

0,67–1,23

0,090–0,305

  • 6 Mon.

0,74–1,38

0,100–0,350

  • 9 Mon.

0,78–1,44

0,115–0,390

  • 12 Mon.

0,80–1,50

0,120–0,400

  • 2–10 J.

0,80–1,50

0,125–0,425

  • 12–18 J.

0,85–1,60

0,140–0,430

Erwachsene

  • 20 J.

0,82–1,60

0,150–0,430

  • 30 J.

0,84–1,60

0,160–0,460

  • 40–70 J.

0,90–1,70

0,180–0,490

1) effMol/ml, effektive Moleküle pro ml. 2) Radiale Immundiffusion, Angaben von Siemens Marburg. 3) Angegeben sind jeweils die 5. und 95. Perzentile.

Tabelle 24-3 Erkrankungen durch genetisch bedingten Komplementmangel /18/

Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Der SLE ist durch die polyklonale Stimulierung von B-Zellen mit dem Auftreten von Antikörpern vielfältiger Spezifität und Komplement-aktivierenden Immunkomplexen (IC) charakterisiert. Die IC sind bei Gesunden zu 80 % an CR1-Rezeptoren von Erythrozyten und B-Zellen gebunden und zirkulieren somit in der Zentralstrombahn. Dadurch werden sie von der Gefäßwand fern gehalten und können sich nicht an diese oder kleine Gefäße der Endstrombahn oder Basalmembranen anheften.

Beim SLE werden die IC schlecht abgeräumt, da:

  • Die Erythrozyten an CR1-Rezeptoren verarmt sind und ein Teil der Patienten auch einen Mangel an C4 hat. Auf Grund der mangelnden Abräumung der IC binden diese an die Gefäßwände oder präzipitieren auf Basalmembranen. Dadurch wird Komplement aktiviert und übt eine entzündlich destruktive Wirkung aus /19/.
  • Ein Teil der Patienten hat einen Mangel an C4, der für die Löslichkeit von IC und Verhinderung der Präzipitation mitverantwortlich ist /20/.

Labordiagnostik: SLE-Patienten mit renaler Manifestation haben fast immer eine Hypokomplementämie, während diese bei extra renaler Manifestation seltener ist. Aktiviert wird die klassische C3-Konvertase, vermindert können CH50, C3 bzw. C3c und C4 sein. Empfohlen wird zur Verlaufsbeurteilung die Bestimmung von C3 bzw. C3c, da diese häufiger eine Erniedrigung beim Übergang vom inaktiven in das aktive Stadium anzeigen als C4. Unter effektiver Therapie mit Prednison und Cyclophosphamid normalisieren CH50, C3 und C4.

– Medikamenten assoziiert: Einige Medikamente können LE-ähnliche Symptome bewirken, z.B. Hydralazin, Isoniazid und Penicillamin. Sie hemmen bei normaler Dosierung die kovalente Bindung von C4 an seine aktive Bindungsstelle. C4a ist stärker betroffen als C4b. Das führt zu einem relativen Mangel von C4a und konsekutiv verminderter Elimination von Immunkomplexen. Procainamid, das zu Hydroxylamin metabolisiert wird, übt den gleichen Effekt aus /19/. Selten Erniedrigung der immunchemischen Bestimmung von C3 bzw. C3c oder C4.

Primäres Sjögren-Syndrom (PSS): Das PSS ist nach der rheumatoiden Arthritis mit einer Prävalenz von 0,4 % die zweit häufigste Autoimmunerkrankung. Die Autoantikörper sind vorwiegend gegen das 52 kDa Sjögren Syndrom Antigen A (SSA)/Ro und das 60 kDa Sjögren Syndrom Antigen B (SSB)/La, Komponenten des Ribonukleoproteins, gerichtet. Ribonukleoprotein wird bei der Apoptose von Zellen, bei Virusinfektionen oder anderen pathophysiologischen Begebenheiten dem Immunsystem präsentiert. Die Antikörperantwort auf Ro und La wird von folgenden MHC-Klasse-II-Haplotypen reguliert (HLA)DR3 (DRB1*0301) und DR15 (DRB1*1501), die unabhängige Risikofaktoren des PSS sind. Niedrige Werte von CH50, C3 bzw. C3c oder C4 sind Marker eines ungünstigen Verlaufs wie schwere Krankheitsmanifestation, Lymphom und vorzeitigem Tod /21/.

Glomeruläre Nierenerkrankungen: Die meisten Formen der Glomerulonephritis gehen mit einer Ablagerung von Immunproteinen in den Glomerula einher. Die auftretenden Schädigungen durch die Bildung von Immunkomplexen, in die glomeruläre oder nicht glomeruläre Antigene involviert sind, rühren aus der Aktivierung von Komplement her. Die Schädigungen können vermindert oder vermieden werden durch Hemmung der Aktivierung von Komplement. Zustände mit Komplementaktivierung sind /22/:

  • Antikörperbildung gegen ein Autoantigen. Die Glomerula besitzen Epitope, die das Ziel von Autoantikörpern sind. Es kommt zur Komplementaktivierung durch in situ-Immunkomplexe an glomerulären epithelialen Zellen mit Ausbildung einer membranösen Nephropathie mit Proteinurie.
  • Zirkulierende Immunkomplexe, die nicht in der zentralen Strombahn gehalten werden können, verfangen sich in den Glomerula und aktivieren Komplement. Dieser Mechanismus spielt eine wesentliche Rolle bei der Lupusnephritis.
  • Eine inadäquate Regulation der Komplementaktivierung. Das ist der Fall bei der membranoproliferativen Glomerulonephritis (MPGN) Typ 1. Der Autoantikörper C3-Nephritisfaktor (C3 Nef) bindet an die C3-Konvertase und stabilisiert diese. Es resultiert eine Ablagerung von C3 an Oberflächen wie den mesangio-glomerulären Strukturen der Nieren. Im akuten Stadium ist die Konzentration von C3 vermindert.

– Membranoproliferative Glomerulonephritis (MPGN):

MPGN Typ 1: Diese Patienten können einen Nephritisfaktor des terminalen Lysewegs haben. Er aktiviert den terminalen Lyseweg durch Bindung an Properdin unter Stabilisierung der alternativen Konvertase C3bBbP und Schaffung einer Bindungsstelle für C5b. Erniedrigt sind CH50, C3 bzw. C3c und C4.

MPGN Typ 2: Es liegt der C3-Nephritisfaktor vor. Dieser bindet an die Verstärker-C3-Konvertase C3Bb, stabilisiert sie und führt zu einem Verbrauch von C3. Es kann sich dadurch keine C3-Oberflächenkonvertase bilden, und der terminale Lyseweg wird nicht aktiviert.

MPGN-Typ 3: Sie kann mit einer C3- bzw. C3c-, seltener einer C4-Verminderung einhergehen, es soll sich um keine Immunkomplexkrankheit handeln.

Der C3-Nephritisfaktor ist ein IgG-Autoantikörper, der an die C3-Konvertase des alternativen Aktivierungswegs bindet und diese stabilisiert /23/. Er fördert die Aktivierung von C3, dessen Ablagerung an Oberflächen und bewirkt den Verbrauch von C3. Die mesangio-glomeruläre Glomerulonephritis Typ II ist die klassische mit dem C3-Nephritisfaktor assoziierte Erkrankung.

– Postinfektiöse Glomerulonephritis (GN): Eine endothelio-mesiangiale GN wird Tage oder Wochen nach der Infektion von Kindern mit β-hämolysierenden Streptokokken der Serumgruppe A, aber auch Meningokokken und Pneumokokken nach einer Latenzperiode von 0,5–3,5 Wochen gesehen. Während der aktiven Phase der GN sind C3 bzw. C3c erniedrigt, C4 seltener. Die C3-Hypokomplementämie normalisiert nach 3–4 Monaten /24/. Die Prodromi und Klinik dieser Glomerulonephritis sind mit der IgA-Nephropathie von Berger häufig vergleichbar, jedoch hat diese keine Hypokomplementämie.

Infektiöse Erkrankungen  /1/: Der erebte Komplementmangel ist mit einer erhöhten Empfindlichkeit für invasive Infektionen assoziiert. Es handelt sich um ein begrenztes Erregerspektrum, vorwiegend bekapselte Bakterien. Ein Mangel der späten Komplementkomponenten (C5-C9) ist typischerweise mit invasiven Infektionen durch N. meningitidis, N. gonorrhoeae und H. influenzae assoziiert. Der Mangel an Faktor D, der sehr selten ist und der Properdinmangel, führen zu einem selektiven Mangel der Funktion des alternativen Weges. Der häufigste Erreger, der mit einem Properdinmangel eine Infektion verursacht ist N. meningitidis. Die Empfänglichkeit für bakterielle Infektionen ist ebenfalls gegeben bei einem Mangel an Komplement des klassischen Aktivierungsweges, aber generell weniger bedeutsam. In einer Gruppe von Personen mit einem C2-Mangel traten invasive Infektionen (Meningitis, Sepsis) bei 57 % der Patienten auf und waren die vorherrschende klinische Manifestation. S. pneumoniae war der häufigste Erreger /7/.

Rheumatoide Arthritis: Die Bestimmung von C3, C4, CH50 hat keine Bedeutung in der Diagnostik bei rheumatoider Arthritis, da eine Hypokomplementämie nur selten gemessen wird /16/. Am häufigsten sind Verminderungen bei der juvenilen aktiven polyartikulären rheumatoiden Arthritis. Dort besteht eine Korrelation zwischen dem Anstieg von C4a sowie Bb und der Krankheitsaktivität /27/.

Kryoglobulinämie: Die Immunkomplexe, die bei Typ I-, II- und III-Kryoglobulinämien auftreten, aktivieren die klassische C3-Konvertase; CH50, C3 bzw. C3c und C4 sind erniedrigt.

Hereditärer Immmunglobulin-Mangel: Etwa 20 % der Personen mit einem hereditären IgA-Mangel haben auch einen homozygoten Mangel an C4a. Auch der kombinierte Mangel von C4a, einer IgG-Subklasse und IgA ist beschrieben /28/.

Hereditäres Angioödem (HAE) /30, 31/: Das HAE hat eine Inzidenz von 1 : 50.000. Es handelt sich um eine autosomale systemische Erkrankung. Das Gen C1-INH, es kodiert das C1-INH-Protein, liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 11 in der Subregion q12–q13.1. C1-INH wird in Fibroblasten der Leber, in Megakaryozyten, Monozyten und der Plazenta gebildet. Mehr als 200 Mutanten des Gens sind bekannt.

Lanadelumab (DX-2930) ist ein neuer Kallekreininhibitor zur prophylaktischen Behandlung des HAE mit C1 Inhibitormangel /29/.

Unterschieden werden zwei Typen des HAE.

HAE Typ I: Patienten dieses Typs haben ein normal exprimiertes Gen C1-INH und ein abnormales deletiertes Gen. Es liegt eine verminderte Proteinkonzentration und eine verminderte Aktivität des C1-INH vor. Der Typ I macht 85 % der HAE-Fälle aus.

HAE-Typ II: Patienten dieses Typs haben ein normales Gen und ein weiteres abnormales Gen, das ein dysfunktionelles C1-INH kodiert. Die Ursache sind Punktmutationen. Der Typ II macht 15 % der HAE-Fälle aus.

Klinik: Rezidivierende Schwellungen der Haut (Extremitäten, Gesicht, Genitale), Attacken des Magen-Darm-Traktes (schmerzhafte Bauchkrämpfe, Kreislaufsymptome, Erbrechen, Durchfall), Ödeme des Larynx und evtl. weiterer Organe /30/. Das HAE unterscheidet sich von der Urtikaria dadurch, dass die klinische Symptomatik nicht innerhalb von 24 h zurückgeht, sondern 2–5 Tage dauert. Die Läsionen jucken nicht und sind blass. Auslöser der Attacken sind Traumen, Druck, psychischer Stress, Menstruation, Ovulation und Infektionskrankheiten. Etwa 30 % der Patienten haben mehr als 12 Attacken jährlich, der Rest weniger. ACE-Hemmer führen bei 0,1–2,2 % der Behandelten zu rezidivierenden Angioödemen.

Labordiagnostik Typ I: Die Proteinkonzentration des C1-INH beträgt 0–50 %, in der Regel um die 20 % des unteren Referenzbereichswerts von 0,15 g/l. Im akuten Krankheitsschub kann der Wert noch niedriger sein, im Intervall ist die Höhe des Serumwerts jedoch kein Kriterium für das Ausmaß des akuten Anfalls. Die C1-INH-Aktivität beträgt in der Regel weniger als 25 % der Norm. Auf Grund des C1-INH-Mangels wird C1 unkontrolliert aktiviert, deshalb sind C4, C2 und CH50 erniedrigt, die C3-Konzentration ist gewöhnlich normal und seltener erniedrigt.

Labordiagnostik Typ II: Die Proteinkonzentration von C1-INH ist normal oder sogar erhöht. Die funktionelle Bestimmung von C1-INH zeigt gewöhnlich eine deutliche Erniedrigung der Aktivität, z.B. auf 0,09 C1-INH/ml (Referenzbereich 0,8–1,25). Ebenfalls erniedrigt sind CH50, C2 und C4. Vom HAE Typ II wird ein Typ III abgegrenzt. Beim Typ III ist das funktionslose C1-INH-Protein an Albumin gebunden. Es unterscheidet sich elektrophoretisch vom ebenfalls funktionslosen C1-INH-Protein des Typs II und kann durch reduzierende Substanzen vom Albumin abgelöst werden /24/. Die Betroffenen, es handelt sich fast immer um Frauen, haben ein normales C1-INH im Plasma.

Tabelle 24-4 Hereditärer Mangel von Komplementkomponenten /24/

C1q-, C1r-, C1s-Mangel: Ein Mangel führt nicht zur verstärkten Infektanfälligkeit. Diese Personen haben jedoch eine hohe Inzidenz für Autoimmunerkrankungen, besonders für den systemischen Lupus erythematodes.

C2-Mangel: Der C2-Mangel ist der häufigste Komplementmangel. Normalerweise macht ein solcher Mangel keine Beschwerden. Gegenüber Normalpersonen ist die Inzidenz von Infektionen aber höher, insbesondere in Perioden verstärkter Belastung und unter Stress. Auch besteht eine erhöhte Inzidenz für Autoimmunerkrankungen.

C3-Mangel: Der C3-Mangel ist ein schwerwiegender Defekt. Bei C3 treffen die drei Aktivierungswege der Komplementkaskade zusammen, außerdem ist C3 ein wichtiges Opsonin. C3-defiziente Personen haben häufig schwerwiegende Infektionen mit Pneumokokken, Neisserien und Enterobacteriaceae sowie Autoimmunerkrankungen, insbesondere die Glomerulonephritis. Etwa 50 % der Patienten mit einem angeborenen C3-Mangel oder von Komponenten zur Aktivierung des klassischen Wegs (C1, C2 und C4) präsentieren sich mit einem SLE oder einer dem SLE ähnlichen Erkrankung /25/.

C4-Mangel /20/: C4 liegt in den Isotypen C4a und C4b vor. Sie werden von den Genen C4A und C4B des MHC-Komplexes kodiert. C4a und C4b unterscheiden sich in ihren biochemischen und funktionellen Eigenschaften. Beide Proteine haben eine Funktion in der Solubilisierung von Immunkomplexen (IC) und der Verhinderung von Immunpräzipitationen. Die Thioesterbindungen von C4a transacylieren bevorzugt Aminogruppen von IC, während C4b bevorzugt mit Hydroxylgruppen von Kohlenhydraten an Oberflächen reagiert. Der hereditäre Mangel von C4 (C4*QO) prädisponiert zum SLE.

Der seltene homozygote Mangel von C4a und C4b ist bei Kaukasiern zu 80 % mit einem SLE assoziiert, der C4a-Mangel nur zu 13–15 %.

Ein heterozygoter Mangel von C4a- und 21-Hydroxylase A (21-OHA) auf Grund einer großen Deletion in den korrespondierenden Genen i wird bei 50 % der Kaukasier mit SLE und dem Haplotyp HLA-B8, DR3 gefunden.

C5–9-Mangel: Personen mit einem Mangel an C5, C6, C7, C8 oder C9 haben eine höhere Prävalenz für Infektionen mit Neisserien und für Autoimmunerkrankungen als die Normalbevölkerung. Kommt es zu infektiösen Episoden oder Sepsis, so sind diese Patienten nicht mehr im frühen Kindesalter. Der Mangel an C6 ist in der schwarzen Bevölkerung häufiger als bei Kaukasiern. Der Mangel an C9 ist in der japanischen Bevölkerung häufig.

Properdin-Mangel: Properdin wird durch ein Gen auf dem X-Chromosom kodiert. Beim häufigsten angeborenen Mangel, dem Typ 1, wird kein Protein sezerniert. Eine Punktmutation, bei der ein nicht aktives Properdin sezerniert wird, ist Ursache des Typ 2. Beim Typ 3 hat das sezernierte Properdin einige, aber keine volle Aktivität. Personen mit Properdinmangel haben eine erhöhte Inzidenz für Infektionen mit Neisseria meningitidis und für Autoimmunerkrankungen.

Faktor H-Mangel: Es handelt sich um das regulatorische Protein für C3. Ein Mangel verursacht das hämolytisch-urämische Syndrom

Komplementrezeptoren-Mangel: – CR1 (CD35): Es handelt sich um den Rezeptor für C3b und C3bi auf Zellen. Er fördert die Phagozytose und reguliert die Degradation von C3. Patienten mit Lupus erythematodes haben auf ihren Erythrozyten eine verminderte Ausstattung an CR1 und es wird angenommen, dass es sich um einen genetischen Defekt handelt, der für eine Immunkomplex Erkrankung prädisponiert. Alle Patienten mit dieser Erkrankung haben eine erworbene Verminderung der erythrozytären CR1; vermutlich wurden sie entfernt, als die Erythrozyten durch Makrophagen von den Immunkomplexen gereinigt wurden /25/.

– CR2 (CD21): Bei der Antigen-Antikörper Reaktion kommt es zur Komplementaktivierung und Spaltprodukte von C3 werden auf der Oberfläche von Mikroorganismen deponiert. Einige dieser Spaltprodukte, wie C3d, werden von den CR2-Rezeptoren auf B-Zellen registriert. Die simultane Präsenz von Antigen und C3d auf der Oberfläche von Bakterien ermöglicht eine duale molekulare Antigenwahrnehmung durch B-Zellen über den Antigenrezeptor und CR2. Das Signal über den CR2-Rezeptor ist wichtig zur Aktivierung der B-Zelle. Eine Verminderung von CR2 auf B-Zellen wird bei SLE-Patienten gefunden. Eine erworbene Verminderung tritt bei HIV-Infizierten auf /26/.

– CR3: Der CR3-Rezeptor ist ein Heterodimer, bestehend aus CD11b und CD18. Endotheliale CD18 Rezeptoren werden an Infektionsorten hochreguliert. Defektes oder abwesendes CD18 verhindert das Homing von polymorphkernigen Granulozyten (PMN) an den Infektionsort, wodurch es zu lokalen pyogenen Infektionen kommt. Die Leukozytenzahl ist paradoxerweise erhöht, da die PMN nicht aus den Gefäßen auswandern können /27/.

Komplement Regulatorprotein CD55-, CD46-, CD59-Mangel: Erythrozyten werden normalerweise in der Zirkulation nicht hämolysiert, da sie Membranproteine besitzen, die sie vor den Attacken des Komplementsystems schützen. Diese Proteine sind mit der Zellmembran verankert durch kovalente Bindung an eine Glykolipidstruktur, den Glycosylphosphatidylinositol (GPI)-Anker. Dieser wird durch ein Gen auf dem X-Chromosom kodiert, das als Phosphatidyl Inositol Glycan A (PIG-A) bezeichnet wird. Die Oberflächenproteine auf Erythrozyten und Leukozyten, die vor einer Komplement vermittelten Lyse schützen, sind /3438/:

  • Membrane cofactor protein (MCP, CD46), das die Zerstörung der C3-Konvertase in Kombination mit dem lösliche Faktor I durchführt. CD46 inaktiviert auch C3b zu iC3b und verhindert somit die Rückbildung der C3-Konvertase. Erythrozyten exprimieren CD46 nicht.
  • CD59. Dieses Protein blockiert die Interaktion von C8 mit C9 auf der Erythrozytenmembran und verhindert das finale Arrangement des Membran-Angriffskomplexes. Der Mangel an CD59 ist immer mit einer stärkeren Hämolyse verbunden.
  • CD55 und CD 59 sind wichtige Regulatorproteine des Komplementsystems. Erythrozyten mit einem Mangel an diesen Proteinen verursachen eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), eine seltene erworbene Erkrankung. PNH Erythrozyten haben einen Mangel an CD55. Das führt zur Verminderung der Dissoziation von C3-Konvertase und einer erhöhten Bildung von C3-Fragmenten mit nachfolgender Opsonierung (siehe Tab. 15.3-11 – Differenzierung und Klassifizierung der normozytären Anämie). Pegcetacoplan, ein pegyliertes Peptid, das auf das Komplementprotein C3 abzielt, hemmt möglicherweise die Hämolyse /41/.

Siehe auch Abb. 24-1 – Aktivierung und Regulation des Komplementsystems.

Labordiagnostik: Erfolgt mittels Flowzytometrie unter Anwendung von monoklonalen Antikörpern gegen GPI-Proteine wie CD16, CD55 und CD59 /34/. Untersucht werden vorwiegend die Leukozyten, da Erythrozyten sekundär verloren gegangen sein können durch Hämolyse in vivo oder in vitro oder das Blut durch Transfusion verdünnt wurde.

Mannose binding lectin (MBL): Bis zu 5 % der Bevölkerung haben in gewissem Ausmaß einen Mangel an MBL. Die betroffenen Personen sind gesund aber niedrige Werte können bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für bakterielle Infektionen einhergehen. Das insbesondere in einem Alter von 6 Monaten, wenn der mütterliche passive Schutz verloren geht und die eigene Immunglobulinbildung noch nicht adäquat eingesetzt hat. Auch können Patienten nach Knochenmarktransplantation das Risiko bakterieller Infektionen haben wenn ein MBL-Polymorphismus besteht /27/.

Tabelle 24-5 Erkrankungen durch erworbenen Komplementmangel

Immunkomplexerkrankungen /2/: Komplement fördert die Clearance von Fremdantigenen durch die Bildung von Immunkomplexen. Die Komponenten C1q, C4b und C3b lagern an den Immunkomplex, halten ihn löslich und stellen Liganden zur Verfügung, damit der Komplex sich an Zellen anlagern kann. Es gibt unterschiedliche Mechanismen, die zu einer Verminderung von Komplement im Serum führen. So bindet z.B C3b an den Komplementrezeptor CR1 von Erythrozyten und diese transportieren den Immunkomplex zur Leber und Milz wo er durch Makrophagen vernichtet wird. Autoantikörper binden Komponenten wie C3 und C4. Insgesamt resultiert eine Reduzierung der Serumkonzentration von Komplement mit einer Verminderung von CH50. Siehe auch weiterführend Tab. 24-6 – Erworbener (sekundärer) Komplementmangel durch Imunkomplexbildung.

Autoantikörper Syndrom /2/: Beim Autoantikörper Syndrom bindet der Autoantikörper an ein Antigen auf einer Zelle oder eines Gewebes. Die Kombination beider Immunreaktanten führt zur Zerstörung der Zielstruktur. Das ist der Fall z.B. bei Patienten mit erworbenem Angioödem, bei Nierenerkrankungen mit positivem C3 Nephritisfaktor oder bei allen Patienten mit hämolytisch urämischen Syndrom.

Erworbenes (acquired)Angioödem (AAE) /3032/: Patienten mit AAE haben in der Regel eine normale C1-INH-Synthese, aber das Protein wird rascher als normal katabolisiert. Gewöhnlich liegt keine Familienanamnese vor und die Patienten sind bei der Erstvorstellung älter als diejenigen mit HAE. Ein Teil der Patienten hat Autoantikörper oder eine B-Zellerkrankung mit oder ohne Synthese monoklonaler Antikörper oder ein malignes Lymphom. Nicht selten kommen diese Patienten wegen eines Angioödems zum Arzt. Die malignen Plasmazellen oder Lymphomzellen haben C1q auf ihrer Oberfläche gebunden, wodurch Komplement aktiviert und C1-INH verbraucht wird. Ein weiterer wichtiger pathophysiologischer Mechanismus der Entwicklung eines AAE ist, dass anti-C1-INH-Antikörper mit dem Komplex aus C1-INH und seiner gebundenen Protease (C1q oder C1r) interagieren, was zur Degradation des 110 kDa großen C1-INH-Moleküls in ein 96–98 kDa-Protein führt. Daraus resultiert eine verstärkte Aktivierung des Komplementsystems und des Kallikrein-Kinin-Systems mit vermehrter Bildung von Bradykinin.

Labordiagnostik: Das AAE ist charakterisiert durch einen Mangel an C1, C4, C3 und eine normale oder verminderte Konzentration von C1-INH, das aber funktionell inaktiv ist.

Membranoproliferative Glomerulonephritis: Der C3 Nephritisfaktor ist ein Autoantikörper gegen die Konvertase des alternativen Aktivierungswegs und führt zu einem Mangel an C3. Oft betroffen sind Kinder mit der Triade membranoproliferative Nephritis, partielle Lipodystrophie und häufigen bakteriellen Infektionen /33/.

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) /34/: PNH-Erythozyten hämolysieren leicht aufgrund des Verlusts von 2 Komplement-Regulatoren, dem Decay accelerating factor (CD55) und CD59 dem Hemmfaktor des Membranattack-Komplexes (MAC). Beide Regulatoren haften an der Zellmembran über den Glykosylphosphatidylinositol (GPI)-Anker. Die PNH resultiert aus einer Mutation des Gens PICA, dessen Produkt für den ersten Schritt der Synthese des GPI-Ankers verantwortlich ist. Das resultiert in dem Fehlen der Komplement-regulatorischen Proteine CD55 und CD59 und führt zur chronischen Komplement-vermittelten Hämolyse der PNH-Erythrozyten. Das Fehlen von CD59 is meistens für die klinische Manifestation verantwortlich. Die Hämolyse bei PNH ist chronisch, aufgrund einer kontinuierlichen Aktivierung und Leerlaufens von Komplement, aber Besonderheiten können zu einer starken Hämolyse mit starkem Komplementverbrauch führen, z.B. bei Entzündungszuständen oder operativen Eingriffen. Siehe auch Tab. 15.3-11 – Klassifizierung und Differenzierung der normozytären Anämie. Eculizumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der die Endstrecke der Komplementkaskade durch Bindung an C5 hemmt, ist zur Therapie zugelassen. Der Therapieerfolg wird gemessen durch Besserung des Blutbildes, Senkung der Retikulozytenzahl und der LDH. Die Retikulozytenzahl bleibt meist erhöht, da viele Patienten eine extravaskuläre Hämolyse haben, da sich C3 Fragmente an PNH-Zellen ablagern.

Atypisches hämolytisch urämisches Syndrom (aHUS) /34/: Das aHUS ist eine thrombotische Mikroangiopathie (TMA), die sich klinisch mit intravaskulärer Hämolyse, Thrombozytopenie und akutem Nierenversagen darstellt. Unterschieden wird eine familiäre Form (etwa 50 %), sie wird getriggert durch Schwangerschaft, Infektion und operative Eingriffe und bewirkt eine Inflammation mit der Erhöhung von Komplement. Die zweite Form (etwa 20 %) ist autoimmun bedingt. Die meisten Fälle von aHUS sind entweder verursacht durch Mutationen von Genen, die Proteine kodieren, die in die Funktion des aktivierten Protein C (APC) involviert sind oder sie beruhen auf Autoantikörpern gegen APC regulierende Proteine (Abb. 16.1-7 – Gerinungssystem mit positiven und negativen Rückkopplungsmechanismen). Die Mutationen betreffen Proteine, die helfen C3 oder Faktor B zu aktivieren, z.B. das Zelloberflächen gebundene C3b, das monocyte chemoattractant protein (MCP) und Thrombomodulin. Die meisten Patienten mit Autoantikörpern gegen den Faktor H haben Mutationen, die eine Expression des Complement Faktor H-related protein-1 unterdrücken. Die CFHR1 Mutation induziert Autoantikörper durch Bildung von Neoepitopen. Wesentliche Ursache der Fehlregulation der alternativen Komplementaktivierung sind auch die Mutationen D254G und K325N im Gen des Faktors B, dem wesentlichen Regulator der C3-Konvertase. Das mutierte Protein hat eine hohe Affinität für C3, was zu einer hyperfunktionellen C3-Konvertase führt, die von Faktor H nicht mehr zerstört werden kann Abb. 24-1 – Aktivierung und Regulation des klassischen und alternativen Komplemensystems. Das führt zu einer verstärkten Ablagerung von C3 an glomerulären Zellen und der Bildung des Membranangriffs-Komplexes. Die klinischen Befunde zur Diagnostik des aHUS sind allein unzureichend zur Abgrenzung des aHUS von der normalen HUS oder der thrombotisch thrombozytopenischen Purpura. Wichtig ist die Bestimmung von ADAMTS13 (eine Desintegrin und Metalloprotease mit Thrombospondin Typ 1 Motifs, Member 13) und die Untersuchung auf Shigatoxin. Ist die Aktivität vom ADAMTS13 größer 10 % und Shigatoxin negativ, so ist die Diagnose aHUS wahrscheinlich.

Capillary leak syndrome: Patienten mit einem nicht genetisch bedingten C1-INH-Mangel können im Rahmen einer generalisierten Entzündungsreaktion einen Mangel an C1-INH aufweisen, der für das Capillary leak syndrome verantwortlich gemacht wird /17/. Das Syndrom kann beim septischen Schock, unter Therapie mit Interleukin-2, beim schweren Verbrennungstrauma und nach Knochenmarktransplantation auftreten. Klinisch können ein generalisiertes Ödem, Ascites, prärenales Nierenversagen und ein Volumen refraktärer Kreislaufschock auftreten. Durch Gabe von C1-INH-Konzentrat kann der klinische Zustand gebessert werden. Siehe auch Abb. 24-2 – Bedeutung von C1-INH in der Regulation der Fibrinolyse, des klassischen Wegs der Komplementkaskade und dem Bradykininsystems.

Tabelle 24-6 Erworbener (sekundärer) Komplementmangel durch Immunkomplexbildung /18/

Embolisation: Die spontane oder mit Katheter durchgeführte atheromatöse Embolisation führt zur Aktivierung vorwiegend der alternativen C3-Konvertase. Die Hypokomplementämie besteht nur kurzzeitig während und nach dem Ereignis. Die Patienten können eine vielseitige Symptomatik zeigen von Vaskulitis-ähnlichem flüchtigen Hautausschlag, Nierenversagen, gastrointestinaler Blutung, Eosinophilie und Thrombozytopenie.

Sepsis: Während systemische Infektionskrankheiten eine Erhöhung von Komplement bewirken, führt die Sepsis zur Aktivierung der klassischen C3-Konvertase. Die Aktivierung beruht auf der Proteolyse des C1-Esteraseinhibitors. Vermehrt gebildet wird C5a, was zu einer Paralyse der Neutrophilenfunktion führt /13/.

Akute Pankreatitis: Proteasen des Pankreas wandeln inaktive Komplementproteine in aktive Formen um und aktivieren so die C3-Konvertase. CH50, C3 bzw. C3c und C4 sind erniedrigt. Innerhalb weniger Tage normalisieren sich die Werte wieder.

Leberversagen: Beim der fulminanten Hepatitis werden C3 und C4 vermindert gebildet, C1q ist jedoch normal.

Mangelernährung: Schwere Fehl- und Mangelernährung, insbesondere von Kindern, führt zur Erniedrigung von C3 und C1q, während C4 normal ist.

Nephrotisches Syndrom: C3 bzw. C3c und C4 sind normal, während Faktor B, C1q, C2, C8 und C9 erniedrigt sein können.

Herzinfarkt: Leichte Erniedrigungen von C3 bzw. C3c und C4 sind beschrieben.

Verbrennungen: Verbrennungen, die mehr als 25 % der Körperoberfläche betreffen, führen zur Verminderung von Komplement.

Hämolytisch urämisches Syndrom, Thrombotisch thrombo-zytopenische Purpura (TTP): Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) sind Syndrome einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie und Thrombozytopenie, denen der Verschluss der Mikrozirkulation von Organen gemeinsam ist. Zur Beschreibung der Erkrankung bei Kindern mit Niereninsuffizienz wird der Terminus HUS angewendet, für Erwachsene mit vorwiegend neurologischer Symptomatik der Terminus TTP.

Beide Erkrankungen haben zwar eine unterschiedliche klinische Manifestation aber histologisch die gleiche Gefäßläsion. Es liegen eine Verbreiterung des subendothelialen Raums und intravaskuläre Thrombozytenaggregate vor. Es resultieren Thrombozytopenie und Anämie durch Thrombozytenverbrauch und Zerstörung von Erythrozyten. In 80–90 % liegt ein akutes Krankheitsbild vor, das sich aber spontan zurückbildet. Auslösende Ursachen sind Verotoxine von E. coli, Medikamente und andere Erkrankungen /35/.

Labordiagnostik: Patienten mit HUS bzw. TTP haben zu 73 % eine erniedrigte C3-Konzentration. Das ist auch der Fall bei 23 % der Verwandten. Diese Verwandten mit niedrigem C3 haben ein 17-fach höheres HUS- oder TTP-Risiko als Verwandte mit normalem C3 und ein 28-fach höheres als die Normalbevölkerung /35/.

Kardio-pulmonaler Bypass: Leichte Verminderung von C3 und /oder C3c und C4 durch Aktivierung der C3-Konvertase, hervorgerufen durch das Nylongitter des Oxigenators und die Oxygenierung des Blutes.

In-vivo Diagnostika: Röntgenkontrastmittel können eine leichte Verminderung von C3 verursachen. Angiographische Reagenzien und auch nicht-ionische Röntgenkontrastmittel können die C3-Konvertase des alternativen Komplementweges aktivieren. Der Heparin-Protamin-Komplex aktiviert die Konvertase des klassischen Komplemetwegs während Inulin die alternative C3-Konvertase aktiviert.

Malaria: Die C3- bzw. C3c- und C4-Verminderung im hämolytischen Schub der Malaria ist multifaktorieller Ursache.

Herpes simplex-Infektion: Auf Grund der Aktivierung der alternativen C3-Konvertase sollen C3 bzw. C3c vermindert und C4 normal sein.

Porphyrie: Als Ergebnis einer Aktivierung der alternativen C3-Konvertase haben Patienten mit erythropoetischer Protoporphyrie nach Sonnenlichtexposition erniedrigtes C3 bzw. C3c.

M. Basedow, Thyreoiditis: Auftreten von Thyreoglobulin enthaltenden Immunkomplexen, Immunkomplexkrankheit und Verminderung von C3 bzw. C3c, C4 und CH50 sind beschrieben.

Lebererkrankungen: Bei Lebererkrankungen ist die Komplementaktivierung häufig, aber nur selten durch die immunchemische Bestimmung von C3, C4 oder die Bestimmung von CH50 erfassbar. Bei dekompensierter alkoholischer Leberzirrhose sind C3, C4,CH50 und AP50 erniedrigt. Ein solcher Zustand ist mit dem erhöhten Risiko von Infektionen und Mortalität verknüpft /36/.

  • NAFLD: Die nicht alkoholische Fettlebererkrankung mit dem Spektrum nicht-alkoholische Fettleber (NAFL), nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH), nutritioneller Fibrose und hepatozelluläres Karzinom geht mit einer Erhöhung der Komplementkomponente C3 einher /43/.

Ileo-jejunaler Bypass: Immunkomplex vermittelte Arthritis, Hämolyse und Erniedrigung von C3 bzw. C3c und C4 sind möglich.

Chemotherapie maligner Tumoren: Bei Chemotherapie des M. Hodgkin und der lymphoblastischen Leukämie können Immunkomplexe und eine Erniedrigung von C3 bzw. C3c und C4 vorkommen.

AIDS: HIV aktiviert den klassischen Weg des Komplementsystems durch Bindung von C1q an das transmembrane Protein GP41 von infizierten Zellen. Bei AIDS-Patienten kann eine Hypokomplementämie, gemessen durch C3, C4 oder CH50, auftreten. Diese kann auf Grund einer Komplementaktivierung durch HIV oder durch opportunistische Infektionen bedingt sein /37/.

Multiples Myelom: Maligne Entartung von Plasmazellen mit Synthese monoklonaler Antikörper kann zur Bildung anti-idiotypischer Antikörper führen, die mit den monoklonalen Antikörpern Immunkomplexe bilden. Kommt es zu einer Aktivierung von C1, resultiert ein Mehrverbrauch von C1-Esteraseinhibitor, C4 und C2. C3 bzw. C3c sind nicht vermindert, da die Bildung der C3-Konvertase gestört ist.

Glomerulonephritis bei chronischen Infektionen: Chronisch bakterielle Infektionen wie Endokarditis, Abszesse der Weichteile der Leber oder chronisch bakterielle Lungenerkrankungen, aber auch virale Infektionen wie die Hepatitis können mit zirkulierenden Immunkomplexen einhergehen, bedingt durch eine Aktivierung der C3-Konvertase und Verminderung von CH50, C3 bzw. C3C. Klinisch kann es zur Ausbildung einer Glomerulonephritis und Vaskulitis kommen. Auch chronische Infektionen mit Spirochäten und Parasiten können eine Glomerulonephritis und Vaskulitis verursachen.

Tabelle 24-7 Befundkombination und beispielhafte Aussagen /23/

Komplementweg

AP50

CH50

Mangel

Alternativ defekt

V

N

Properdin, Faktor B, H

Klassisch defekt

N

V

C2

Endstrecke defekt

V

V

C6

Probenfehler

V

V

Artefakt

V, vermindert; N, normal

Tabelle 24-8 Befundkombination von C3 und C4 und beispielhafte Aussagen /23/

Komplementweg

C3

C4

Erkrankung

Klassisch defekt

N

V

SLE, Kryoglobuline

C1-INH-Mangel

V

V

SLE und Nephritis

HUVS

Alternativ defekt

V

N

Bakterielle Infektion,

Nephritis Faktor

Faktor H-Mangel

SLE, systemischer Lupus erythematodes; HUVS, hypokomplementämisches urtikarielles Vaskulitis Syndrom; N, normal; V, vermindert

Tabelle 24-9 Aktivierungsweg bei Vorliegen einer Hypokomplementämie /2439/

Erkrankung

Aktivierungsweg

alternativ

klassisch

Bakterielle Sepsis

  • gramnegativ

3

1

  • Pneumokokken

2

2

Virale Infektion

  • Dengue-Fieber

3

  • Hepatitis B

Disseminierte Kryptokokkose

2

3

Malaria

1

2

Trypanosomiasis

2

2

Rheumatologische Erkrankungen

  • aktiver SLE

1

3

  • rheumatoide Arthritis*

2

  • Serumkrankheit

1

  • Vaskulitis

2

Hämatologie

  • Transfusionsreaktion

3

  • Dialyse-Neutropenie

2

Nephrologie

  • MPGN (mit C3 Nef)**

3

  • post Streptokokken-Nephritis

2

Verschiedenes

  • hereditäres Angioödem

4

  • C3-Inaktivator-Mangel

4

  • Urtikaria

1

1, beschrieben; 2, gelegentlich; 3, häufig; 4, gewöhnlich; * mit Gelenkerguss; ** membranoproliferative Glomerulonephritis

Tabelle 24-10 Regulation des Komplementsystems durch Kontrollproteine

Regulation

Mechanismen

C1-Aktivierung

Die Aktivierung dieses Schritts wird kontrolliert durch den C1-Inhibitor (C1-INH). Dieser hemmt die proteolytische Aktivität von C1r zur Spaltung von C1s, ebenfalls kann die Spaltung von C4 und C2 gehemmt werden.

Konvertasen:

  • klassische C4b2a
  • alternative C3bBb

Die Regulierung der Konvertasen erfolgt durch 5 Kontrollproteine, wovon 3 die Kofaktoren des Faktors I sind, der beide Konvertasen zu inaktivieren vermag. Im einzelnen sind zu nennen:

  • C4bp: Das Bindeprotein ist Kofaktor von Faktor I und inaktiviert die Konvertase C4b2a, indem es an C4b bindet und die Dissoziation von C2a beschleunigt. Dadurch wird die Halbwertszeit von 3 min erheblich verkürzt. Freigesetzt wird C4bC4bp, dies ist das Substrat von Faktor I.
  • Faktor H: Bindet als Kofaktor von Faktor I an die Konvertase C3bBb unter Freisetzung von C3bH, welches das Substrat von Faktor I ist. Die Halbwertszeit der Konvertase, die 90 sec beträgt, wird erheblich verkürzt.
  • CR1: Komplementrezeptor von Blutzellen und gilt ebenfalls als Kofaktor von Faktor I. C3b wird von den Komplementrezeptoren gebunden und vom Faktor I in inaktive Komponenten wie C3c und C3dg gespalten.
  • DAF (Decay Accelerating Factor): Protein der Zellmembran der Körperzellen. Er verhindert die Bildung einer membranständigen C3-Konvertase, fördert deren Zerfall und schützt somit die Zellen vor einem Komplementangriff.

Membran-Angriffs-Komplex C5b-9

Folgende Kontrollproteine sind bekannt:

  • S-Protein (Vitronectin): Bindet in Lösung an C5b-7 und verhindert das Eindringen in die Zellmembran.
  • HRF (Homologous restriction factor): Verhindert die Bildung des transmembranen Tunnels.
  • 18 kD-Protein (CD59): Zellmembranprotein, das ein Eindringen des Membranangriffkomplexes so moduliert, dass C5b-7 besetzte Erythrozyten nicht hämolysiert werden.

Tabelle 24-11 Kontrollproteine auf der Zellmembran von Blutzellen

Protein

Funktion

CR1

Rezeptor auf Erythrozyten, Granulozyten und Monozyten; ist Kofaktor von Faktor I, er bindet C3bBb, so dass dies von Faktor I inaktiviert werden kann.

CR2

Rezeptor von B-Zellen, bindet C3b und bewirkt die Proliferation der B-Zellen.

CR3

Rezeptor auf Granulozyten und Monozyten, bindet C3bi, aktiviert diese Zellen zur Phagozytose C3bi-beladener Partikel. CR3 ist mit dem Adhäsionsprotein Mac-1 identisch.

DAF

Der Decay accelerating factor verhindert die Ansammlung der alternativen Konvertase C3bBb auf der Zellmembran und beschleunigt deren Zerfall.

HRF

Der Homologous restriction factor verhindert die Bildung des Membranangriffkomplexes auf der Zellmembran.

CD18

Moduliert den Einbau des Membranangriffkomplexes.

Klassischer WegAg:Ak Lektin-WegKohlenhydrate Alternativer WegBakterien,geschädigte Zellen DAF,CR1 (C3-Konvertase)C4b2a (C5-Konvertase)C4b2a3bC3bBb3bP C3a +C3 +C3 C3b C5 C5a C5b-8 CD59 +(C9)n C5b-9 C5b + C6,C7,C8 Verstärkerschleife MCPCR1 C3bBbP

Abbildung 24-1 Aktivierung und Regulation des Komplementsystems, modifiziert nach Lit. /22/. Abkürzungen und weitere Ausführungen siehe Tab. 24-1 – Proteine des Komplementsystems.

Faktor XII C1-INH C1-INH F XIIa, F XIIf C1-INH C1-INH Fibrinolysis Plasminogen- Proactivator Plasminogen C1-INH C1-INH Konversion Aktivierung Inhibition Plasmin Plasminogen- aktivator C1-INH C1-INH C1-INH C1-INH Komplement-System Bradykinin HMWK C1-INH Kallikrein Präkallikrein C1 C1 C4 C2 C3 C4 C5b C9 C4a C3a C5a Kontakt-System

Abbildung 24-2 Bedeutung des C1-INH in der Regulation der Fibrinolyse, des klassischen Wegs der Komplementkaskade und dem Bradykinin-System. Mit freundlicher Genehmigung nach Lit. /39/.

Lektin-Weg Kohlenhydrate C1 (C1q, r, s) Klassischer Weg AlternativerWeg Natives C3b Immun- komplexe Aktiviertes C1 Oberflächen- gebundenes C3b Aktivierende Oberflächen(Bakterien) C4b2a(C3-Konvertase) C4b2a(C3-Konvertase) C3bBbP(C3-Konvertase) Rückkopplung Faktoren B,DProperdin (P) Membran-Angriffs-komplex C6, C7, C8, C9 C5b-9Membran-lyse C4, C2 C4, C2 C3 MBP MASP C3b C3b C5b C3a C5a

Abbildung 24-3 Klassischer Weg, Lektin-Weg und alternativer Weg des Komplementsystems.

  • Beim klassischen Weg wird das Komplementprotein C1q durch Bindung an Immunkomplexe aktiviert.
  • Der Lektinweg wird aktiviert durch Bindung von C1q an Kohlenhydratbestandteile der Zellwand von Bakterien, z.B. das Mannose-bindende Protein (MBP). Dadurch wird die MBP-assoziierte Serinprotease (MASP) aktiviert. Die Komplex-gebundene MASP kann C4 und C2 spalten. Als Konsequenz wird C3 durch die Konvertase C4b2a gespalten.
  • Der alternative Weg wird durch aktivierende Oberflächen, z.B. die Zellwand von Bakterien, aktiviert.
C1 s C4 C4a C2 C2 b C5 C3-Konvertase C4b2a C3 C3b C3a C5a C5b C5-K onvertase C6, C7C8, C9 C5b-9-Komplex Immunkomplex IgM, IgG 1–3 + C1

Abbildung 24-4 Aktivierung des klassischen Komplementwegs und Bildung des Membranangriff-Komplexes, modifiziert nach Lit. /16/.

Ba C3-Verstärker-Konvertase C3 (H 2 O) Bb C3 C3 a C3 b akt. Oberfläche V erstärkung C3bB B, Mg 2+ C3-Oberflächen-Konvertase C3bBb (P) C3b C5 C5-Konvertase Ba C5a C5b C5b-9-Komplex C3 (H 2 O) + B Mg ++ C3 (H 2 O) B D D, P

Abbildung 24-5 Aktivierung des alternativen Komplementwegs und Bildung des Membranangriff-Komplexes (C5b-9) /16/.

C1-INH DAF C4b2a C4bp CR1 C3bBb H DAF C3 C3b C3a C5a C5b C5 AI C5b-9-Komplex I C4 C2 C3, B, D C1 S-ProteinHRF18 kD Protein

Abbildung 24-6 Regulation des klassischen Komplementweges (oben) und des alternativen (unten) durch Regulatorproteine. Erklärung siehe Tab. 24-10 – Regulation des Komplementsysytem durch Kontrollproteine. Die Regulatorproteine sind in Rahmen gesetzt. AI, Anaphylatoxin-Inaktivator. Abb. modifiziert nach Lit. /16/.

 

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